Protokoll der Sitzung vom 29.06.2006

ge bzw. auf unseren Antrag, ob das im Inhalt heute nicht – datenschutzrechtlich im Übrigen stark von unserem Datenschutzbeauftragten kritisiert – zumindest gemindert werden kann, wurde uns gesagt: Nein, das geht nicht, weil in der Diskussion um diesen Kirchenstaatsvertrag die Vereinbarungen mit der Kirche so getroffen worden sind, dass wir in eine Kollision kommen würden.

Frau Fugmann-Heesing, das muss man sich doch auf der Zunge zergehen lassen: Das Land schließt einen Vertrag, und dieses Parlament ist nicht mehr in der Lage, seine gesetzgeberische Tätigkeit auszuüben, weil es meint, dass eine Regelung, die bisher bestanden hat, jetzt in einer anderen Form zum Tragen kommen kann.

[Gaebler (SPD): Das ist bei Staatsverträgen so!]

Ja, aber Herr Gaebler, das kann nicht sein. Das ist der eine Punkt.

Den zweiten Punkt hat Herr Schruoffeneger deutlich gemacht. Wir sind eine multireligiöse Stadt. Wir haben ein riesengroßes Problem hier mit einer Religion, die sehr schwer fassbar ist, die aber einen großen Einfluss hat, mit den islamischen Religionsgemeinschaften in diesem Land. Statt mit einer einzigen Religionsgemeinschaft eine vertragliche Bindung auf die Ewigkeit zu schließen – 8,7 Millionen € sind es, glaube ich –, sollten wir eine gesellschaftliche Debatte führen, wie sich diese Stadt anders aufstellen kann. Die führt man nicht in drei Monaten, Frau Fugmann-Heesing. Was haben Sie für Vorstellungen darüber, wie sich ein Umstrukturierungsprozess dieser Größenordnung in einer 3,5-Millionengesellschaft vollziehen soll? Diese Debatte fängt jetzt erst an.

[Zuruf der Frau Abg. Ströver (Grüne)]

Sie haben es gerade nicht vermocht, mit den Kirchen diese gesellschaftliche Diskussion zu führen und sie anzustoßen, wie Sie auch in anderen Bereichen nicht in der Lage sind, die Zeichen der Zeit zu erkennen und zukunftsorientierte Lösungsmöglichkeiten anzubieten. Das mahnen wir in dieser Debatte an.

Deshalb wird ein Teil unserer Fraktion diesen Staatsvertrag ablehnen. Natürlich gibt es auch bei uns Bindungen zu diesen Kirchen. Natürlich gibt es auch Gewissensfragen, die in diesem Bereich eine Rolle spielen. Deshalb haben wir uns entschlossen, diese Abstimmung freizugeben.

Frau Fugmann-Heesing, mit Verlaub: Daran kann man nicht messen, ob wir regierungsfähig sind oder nicht. Dann kann ich nur sagen, dann geben Sie Ihre Regierungstätigkeit sofort ab! Ich habe gesehen, dass auch Ihr Kollege Lorenz gegen das Betriebe-Gesetz gestimmt hat, obwohl Sie an der Regierung sind. Aber scheinbar, das hat der Herr Präsident geflissentlich übersehen, wollen Sie so etwas nicht wahrnehmen. Ein bisschen mehr Seriosität in solche weit reichenden Debatten würden wir uns wünschen. Reden Sie es nicht klein. Deshalb werden wir dabei bleiben: Die Abstimmung ist bei uns freigegeben.

Es werden Teile dagegen stimmen und Teile sich enthalten. – Danke!

[Beifall bei den Grünen – Liebich (Linkspartei.PDS): Habt ihr Fraktionszwang?]

[Frau Ströver (Grüne): Nein, keiner stimmt zu!]

Ja, aber dann sagen Sie es doch mal, Herr Ratzmann! – Nein, er hat etwas anderes gesagt. Darauf brauchen wir jetzt nicht einzugehen. Ich will auf die inhaltlichen Punkte eingehen.

Ich finde es schon einmal gut, dass Sie den Einwand, den ich im Kulturausschuss auf Ihre Anmerkung zu datenschutzrechtlichen Fragen gebracht habe, aufgegriffen und daraufhin endlich eine Initiative gestartet haben. Da sind Sie also aufgewacht. Das kann man schon einmal positiv festhalten. Aber Sie wissen sicherlich auch, was die Staatssekretärin im Kulturausschuss auf die datenschutzrechtlichen Bedenken geäußert hat. Falls Sie es nicht wissen, möchte ich es gern an dieser Stelle zitieren.

Staatssekretärin Kisseler weist darauf hin, dass der Datenschutzbeauftragte dieses Vertragswerk mitgezeichnet habe.

Also kann er keine schwerwiegenden Bedenken geäußert haben, dann könnte er es nicht mitgezeichnet haben.

[Ratzmann (Grüne): Ich kann Ihnen einen Brief von Dr. Dix zeigen!]

Artikel 25 in seiner jetzigen Fassung sei auf der Basis des Bundesrahmenmeldegesetzes entstanden. Man bewege sich also auf dem Boden der bisherigen melderechtlichen Gesetzgebung

usw. – Also der Datenschutzbeauftragte hat keine melderechtlichen Bedenken geltend gemacht. Was heißt „schriftlich“? – Er hat das Vertragswerk mitgezeichnet. Sie kennen doch Verwaltungsvorgänge. Mitzeichnung heißt die schriftliche Erklärung: Ich habe keine Bedenken gegen dieses Vertragswerk. – Also eindeutig; klare Aussage im Protokoll des Kulturausschusses nachzulesen.

[Dr. Lehmann-Brauns (CDU): Dramatisch!]

Zweiter Punkt: Die langjährige Bindung des Parlaments. Dann bin ich einmal gespannt, was wir in der

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Viel schlimmer aber wiegt für uns die Frage des Religionsunterrichts. Sie kennen den alten Streit des Umgangs

mit Religionsunterricht in dieser Stadt. Wir wollen jetzt nicht die Diskussion anfangen, wie die Ausstattung des Religionsunterrichts ist. Wir haben im Kulturausschuss mehrfach darauf hingewiesen, dass wir große Befürchtungen haben, dass wegen der Anzahl der Schüler insbesondere im Ostteil der Stadt flächendeckender Religionsunterricht auf Dauer nicht angeboten werden kann. Es ist und bleibt unser Ziel als CDU-Fraktion, dass es ein Wahlpflichtfach Religion gibt. Jeder Schüler muss das Recht haben, zwischen Ethik und Religion zu wählen. Es kann uns nicht zufrieden stellen, wenn Berliner Schülerinnen und Schüler um diese Wahl gebracht werden, wenn wir gleichzeitig den Werteverfall in der Gesellschaft beklagen.

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Hier sollten wir einen neuen Weg wagen und aufhören, eine Berliner Sonderrolle zu spielen. Hauptstadt sein heißt nicht, alles anders zu machen. Hauptstadt sein könnte auch heißen, Angebote für alle Bürger der Bundesre- publik vorzuhalten. Berlin, das sich so gern mit geis- tiger Vielfalt, Toleranz, Weltoffenheit, Religionsfreiheit schmückt, versagt bei der Gewährung des allgemein anerkannten Rechts auf Religionsunterricht erbärmlich. Auch christlicher Glaube und Religion sind nicht nur identitätsstiftend, sondern formen auch verantwortliche und gesellschaftspolitische Verantwortung übernehmende Menschen, für die grundlegende Werte einer humanistischen Gesellschaft Richtschnur eigenen moralischen Handelns sind. Es gibt keinen Grund, lieber Senat, Angst zu haben, nicht vor dem Teufel und schon gar nicht vor dem Glauben. – Also nochmals: Wir stimmen dem Staatsvertrag schweren Herzens zu. – Danke!

nächsten Legislaturperiode erleben werden, wenn wir über die Hochschulverträge sprechen. Was ist denn das anderes als eine langjährige Bindung des Parlaments, nämlich für vier oder fünf Jahre, je nach dem, wie lange wir sie gestalten? Ich will diese Bindung, weil ich es für richtig halte, dass wir Einrichtungen, die eine wichtige Bedeutung in diesem Land haben, die wichtige Aufgaben wahrnehmen, eine gewisse Planungssicherheit geben und das natürlich auch mit einem Anspruch an diese Einrichtungen verbinden. Nichts anderes, Herr Ratzmann, tun wir mit diesem Staatskirchenvertrag.

Dritter Punkt, den Sie angesprochen haben, die Frage, welche Bedeutung haben die christlichen Kirchen für unser Land im Verhältnis z. B. zum Islam. Das ist eine religiöse Frage, die Sie stellen. Das ist eine gesellschaftspolitische Frage, die Sie stellen. Aber das, worüber wir hier reden, ist die Frage, wie wir das, was die Kirchen in unserem Land leisten, finanziell untermauern.

[Ratzmann (Grüne): Nein!]

Wir haben bisher auch, allerdings nicht rechtlich in dieser Form geregelt, ein Verhältnis im Protokoll mit den Kirchen gehabt.

[Ratzmann (Grüne): Dann reden Sie doch mal mit den Kirchen!]

Ich sehe, ich muss gleich aufhören. – Jetzt geht es schlicht und einfach darum, in einer klaren Regelung für einen verbindlich festgelegten Zeitraum eine Finanzierung sicherzustellen, die mit Rechten und Pflichten für beide Seiten verbunden ist – nicht mehr und nicht weniger. Die gesellschaftspolitische Debatte, was der Islam, was das Christentum für unsere Gesellschaft bedeutet, die müssen wir wirklich an anderer Stelle führen.

[Beifall bei der SPD, der Linkspartei.PDS und der FDP]

Danke schön, Frau FugmannHeesing! – Jetzt hat Herr Apelt von der Fraktion der CDU das Wort. – Bitte schön, Herr Apelt!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Dem Kirchenstaatsvertrag stimmen wir zu, wenngleich es uns nicht besonders leicht fällt. Während offensichtlich den Grünen der Vertrag zu weit geht, geht er uns nicht weit genug. Wir stimmen zu, weil es ein Kompromiss ist, der Schlimmeres verhindert, aber bei weitem nicht das ist, was über eine Million Christen in der Stadt erwarten.

Ich will zwei Punkte benennen, die für diesen Vertrag stehen. Erstens der Umgang mit der theologischen Fakultät. Wir haben immer gefordert, dass die Professorenstellen in ausreichender Anzahl vorhanden sein und zur Verfügung gestellt werden sollten. Wir forderten 15 Professorenstellen, herausgekommen sind am Ende 11. Das ist in der Tat sehr wenig und nicht das, was wir uns vorstellen konnten.

[Beifall bei der CDU und der FDP]

[Beifall bei der CDU]

Danke schön, Herr Kollege Apelt! – Für die Linkspartei hat nunmehr Frau Seelig das Wort. – Bitte schön, Frau Seelig!

[Dr. Lindner (FDP): Jetzt kommt die Stimme des Atheismus!]

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch in unserer Fraktion gab es selbstverständlich große Diskussionen um die einen oder anderen Fakten, die sich in diesem Staatsvertrag finden. Aber ich finde, er ist auch ein großer Erfolg für Rot-Rot, weil gerade die Tatsache, dass ein Kultursenator der Linkspartei.PDS ihn verhandelt hat, deutlich macht, dass wir nicht zum Kirchen- und Kulturkampf angetreten sind, sondern ein gutes Verhältnis zu den Kirchen in dieser Stadt bzw. auch in der weiteren Umgebung wollen.

[Beifall bei der Linkspartei.PDS]

Insbesondere im sozialen wie auch im Flüchtlingsbereich sind uns die Kirchen schon lange gute Partner. Was der großen Koalition bis zur Jahrtausendwende nicht gelungen ist, einen Staatsvertrag mit der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz abzuschließen, liegt jetzt als Ergebnis vor Ihnen. In seinen 29 Artikeln schafft er nichts wesentlich Neues, deswegen ist manche Aufregung verfehlt, sondern er überführt und

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nun ist es sicherlich das gute Recht jeder Fraktion, Anträge und erst recht Gesetze zum Beratungsgegenstand werden zu lassen. Aber ich habe auch bei der ersten Beratung nicht so richtig gewusst, was Sie von den Grünen wollen, habe ein wenig mehr bei der Beratung im Kulturausschuss erfahren, was Sie wollen, bin jetzt aber auch nicht schlauer, als ich es im Kulturausschuss gewesen bin.

modernisiert in weiten Teilen bereits vorhandene Sachverhalte in ein einheitliches Regelwerk und macht sie damit für beide Seiten rechtsverbindlich.

Es war der Wunsch des Senats, den provisorischen Rechtszustand aus dem Abschließenden Protokoll von 1970, der der geteilten Stadt geschuldet war, zu beenden. Berlin ist das vorletzte Bundesland nach dem Saarland ohne Staatsvertrag mit der jeweiligen evangelischen Landeskirche. Es gab auch einen rechtlichen Grund, wie Sie wissen, der diesen Staatsvertrag notwendig scheinen ließ, denn er schafft Rechtssicherheit für beide Seiten. Wir hatten ein Verfahren mit der Evangelischen Kirche, das diese gegen das Land Berlin über die Finanzierung des Religionsunterrichts führte. Dabei hatte das Land den Rechtsstatus des Abschließenden Protokolls in Frage gestellt. Jetzt ist das für beide sicher geregelt.

Die Ausstattung der Evangelischen Theologie an der Humboldt-Universität wird auf 11 Professuren festgeschrieben. Das ist nicht zu wenig, das ist nicht zu viel. Die Kirche verzichtet dagegen auf eventuelle Ansprüche aus Patronaten.

Die Mitfinanzierung des Religionsunterrichts ist nunmehr einheitlich für alle Anbieter. Um gleich Kritik aufzunehmen: Der Status des Religionsunterrichts, wie er hier formuliert ist, entspricht der geltenden Rechtslage. Auch da ist nichts Neues hinzugekommen. Die Formulierungen des Zusatzprotokolls können im Übrigen nur über Formulierungen im Schulgesetz Rechtskraft erlangen. Gesetzgeber ist und bleibt hier das Abgeordnetenhaus.

Jetzt zum Thema Datenschutz: Die Grünen formulierten, Rot-Rot sei der Kirchenstaatsvertrag wichtiger als der Datenschutz. Lieber Herr Schruoffeneger! Lieber Herr Ratzmann! Es ist richtig, dass die Senatsinnenverwaltung ursprünglich weniger Daten zum Zweck der Kirchensteuerberechnung, insbesondere von konfessionsverschiedenen und konfessionslosen Familienangehörigen, im Meldegesetz vorgesehen hatte. Ich kann mich auch erinnern, dass es da sehr harte, schwierige Verhandlungen mit der evangelischen Kirche gab, nur hatte die Innenverwaltung eine sehr schwere Position, denn die Kirchenseite konnte darauf verweisen, dass das Melderechtsrahmengesetz des Bundes, das die Grünen im Jahr 2002 mit verabschiedet haben, genau diese Daten enthält. Dann kann man in Berlin schlecht dagegen polemisieren

[Beifall bei der SPD]