Protokoll der Sitzung vom 10.05.2007

Ich sage nicht, dass wir alles richtig gemacht haben, aber hier geht es heute darum, was dieser Senat tut, und vor allem, was er alles nicht tut. Das sollten Sie hier einmal erklären und nicht immer nur über die anderen jammern. Diese Jammerpolitik ist Mist. Das können Sie ja machen, wenn Sie wieder in der Opposition sind, für eine Regierungspartei ist das zu wenig.

[Starker Beifall bei den Grünen, der CDU und der FDP]

Sie unterstützen faktisch die Abzocke des Monopolisten!

[Dr. Wolfgang Albers (Linksfraktion): Ihre Politik hat es doch erst möglich gemacht! – Zuruf von Martina Michels (Linksfraktion)]

Dass Sie sich so aufregen, zeigt doch, dass ich recht habe!

[Beifall bei den Grünen, der CDU und der FDP – Gelächter bei der Linksfraktion]

Sie reden hier immer mit gespaltener Zunge. Herr Müller erzählt: Ja, toll! Dieses Kohlekraftwerk ist eine Milliardeninvestition, immer her mit der Kohle! – Und wenn es im Parlament darum geht, dann schicken Sie Herrn Buchholz, der das Gegenteil sagt. Das ist Ihre Art von Führung. Das ist billig, das ist Trickserei, damit täuschen Sie die Öffentlichkeit.

[Beifall bei den Grünen, der CDU und der FDP]

Aber, Herr Müller, Sie haben das zum Prinzip Ihrer Politik gemacht. Kurz vor der Wahl haben Sie für ein bisschen Medienaufmerksamkeit ein neues Energiespargesetz vorgelegt. Aber dann ist es in der Schublade verschwunden, beschlossen wurde nie darüber.

[Stefan Liebich (Linksfraktion): Als sie noch im Bund an der Regierung waren! Selbst wenn Sie hier ab und zu mal einen Beschluss durchbekommen, Herr Buchholz: Sie haben mehrere Din- ge beschlossen, wie zum Beispiel die solaren Baupflich- ten in den Bebauungsplänen, Ausführungsvorschriften für die umweltfreundliche Beschaffung und verbindliche Vorgaben zur Energieeffizienz für alle landeseigenen Ge- bäude. [Martina Michels (Linksfraktion): Ach wie, jetzt doch, ist doch komisch!]

Das waren gute Initiativen. Aber Ihr Senat setzt sie einfach nicht um. Frau Lompscher schickt dann Mitteilungen – zur Kenntnisnahme –, da steht drin: „erscheint gegenwärtig nicht sinnvoll“, „ist sehr kostenintensiv“, oder es wird kommentarlos auf Senatsbeschlüsse verwiesen, in denen sich die Beschlüsse des Abgeordnetenhauses aber nicht wiederfinden.

[Mario Czaja (CDU): Solche Texte unterschreibt sie ausschließlich!]

Die Regierungsfraktionen haben heute schön über die Strompreiserhöhung lamentiert, aber sie sind mitverant

wortlich dafür. Sie unterstützen die preistreibende Investitionspolitik des Konzerns Vattenfall und tun kaum etwas, um durch Energieeffizienz die Stromkosten in Berlin zu senken. Sie überlassen dem Vattenfallkonzern die Kontrolle über Berlins Stromnetz und verhindern dadurch mehr Wettbewerb im Markt, der zu Preissenkungen führen würde.

[Zuruf von Alice Ströver (Grüne)]

Die Abzocke des Monopolisten, die Sie hier lautstark kritisieren, unterstützen Sie gleichzeitig mit Ihrer praktischen Politik: Das eine sagen und hinten herum das Gegenteil tun, das ist die Politik der Feigheit, die wir Ihnen vorwerfen.

[Beifall bei den Grünen, der CDU und der FDP – Joachim Esser (Grüne): Wir haben immerhin das EEG gemacht! – Zurufe von der Linksfraktion]

Gott sei Dank sind die Berlinerinnen und Berliner Vattenfall nicht machtlos ausgeliefert – auch wenn dieser Senat nichts tut. Wir rufen alle Berlinerinnen und Berliner auf: Sparen Sie Energie! Wechseln Sie Ihren Stromanbieter! Zeigen Sie Vattenfall die Grüne Karte! Wechseln Sie zu einem Stromanbieter, der Strom aus erneuerbaren Energien verkauft! – Dieser Wechsel kostet nur fünf Minuten und ein paar Cent mehr als die jetzt erhöhten Strompreise. Und er hilft, das Klima wirksam zu schützen.

[Beifall bei den Grünen, der CDU und der FDP]

Vielen Dank, Herr Kollege Schäfer! – Nun hat Senator Wolf das Wort!

[Dr. Martin Lindner (FDP): Jetzt kommt der Patron der Monopolisten!]

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Man lernt im Parlament immer wieder dazu, insbesondere im Berliner Parlament. – Dass wir in einer Zeit der Umwertung aller Werte leben, hat man heute in dieser Debatte gemerkt. Die Grünen ersetzen als Idol Che Guevara durch Arnold Schwarzenegger,

[Heiterkeit bei der Linksfraktion]

die FDP entdeckt den Staat und stellt fest, dass der Staat auch zu mehr Nutze sein kann als auf die Einhaltung der Straßenverkehrsordnung zu achten.

[Heiterkeit bei der FDP ]

Wobei allerdings, meine Damen und Herren von der FDP:

[Ramona Pop (Grüne): Was legen Sie für eigene Werte vor, Herr Wolf?]

Man muss es dann auch nicht gleich übertreiben. Denn wenn ich den Kollegen Gersch richtig verstanden habe,

dann hat er in seiner Rede gefordert: Wir brauchen eine staatliche Kontrolle der Bundesnetzagentur.

[Uwe Doering (Linksfraktion): Genau!]

So weit muss man es mit der staatlichen Kontrolle nicht treiben, dass man eine staatliche Institution noch einmal staatlich kontrolliert, meine Damen und Herren von der FDP!

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD]

Ich begrüße den Fortschritt bei Ihnen, dass Sie dem Staat mittlerweile auch als wichtiger Regulierungsinstanz einen Wert zusprechen, aber bitte nicht übertreiben!

Die CDU hat wieder das gemacht, was sie in diesem Haus immer macht, lauthals „Haltet den Dieb!“ schreien, und hat hauptsächlich über die Wasserpreise geredet. Da sage ich Ihnen an dieser Stelle: Ja, die Wasserpreise in Berlin sind nicht in Ordnung. Sie sind zu hoch. Das sind Monopolpreise. Es sind Preise, die dadurch zustande gekommen sind, dass 1999 eine große Koalition mit den Stimmen der CDU beschlossen hat,

[Zuruf von Joachim Esser (Grüne)]

die Berliner Wasserbetriebe zu teilprivatisieren und damit Renditeregelungen und vertragliche Regelungen mit eingebaut hat, die diese Preissteigerungen implizieren. Das Land Berlin zahlt gegenwärtig aus seinem Gewinnanteil dafür, dass die Wasserpreise nicht noch höher sind. Das sollte die CDU zur Kenntnis nehmen und zu ihrer eigenen Verantwortung in dieser Sache stehen.

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD]

Das Beispiel der Privatisierung der Berliner Wasserbetriebe macht eines deutlich. Insofern muss ich mir nicht vorwerfen lassen, dass ich ordnungspolitisch doppelzüngig sei und Ordnungspolitik je nach Kassenlage machte. Lesen Sie sich meine Reden von 1999 über die Privatisierung der Wasserbetriebe durch!

[Heidi Kosche (Grüne): Das habe ich gerade gemacht! – Zuruf von Franziska Eichstädt-Bohlig (Grüne)]

Dort wurde von meiner Seite und von meiner Fraktion klar gesagt: Das Schlimmste, was man machen kann, ist ein staatliches Monopol in ein privates Monopol umzuwandeln. Die Resultate kann man hier in Berlin besichtigen. Das einzig Gute an dieser Teilprivatisierung der Berliner Wasserbetriebe ist, dass sie mittlerweile bundesweit und sogar international als abschreckendes Beispiel für die Privatisierung eines Monopols steht, damit zumindest anderen Städten die Situation, die wir in Berlin haben, erspart bleibt.

[Beifall bei der Linksfraktion – Beifall von Lars Oberg (SPD) – Franziska Eichstädt-Bohlig (Grüne): Was sagt der Koalitionspartner dazu?]

Jetzt kommen wir zu dem Thema Strompreise. Absolut einverstanden, da sind wir uns alle einig, diese Preiserhöhung von 6,5 Prozent ist nicht zu rechtfertigen. Sie ist nicht in Ordnung. – Herr Lindner, Sie brauchen gar nicht

zu wedeln, ich komme gleich zu Ihrer Frage, was ich getan habe und was andere getan haben, ein wenig Geduld! – Diese Preiserhöhung und vor allen Dingen die Rechtfertigung, die Vattenfall dafür liefert, sind nicht akzeptabel. Das ist schon in einer Reihe von Beiträgen angesprochen worden. Die Erhöhung der Strompreise an der Leipziger Strombörse kann nicht als Erhöhungsgrund akzeptiert werden, weil an dieser Strombörse kein Wettbewerb existiert. Die vier Oligopolisten – unter ihnen Vattenfall – verfügen über 90 Prozent der Produktionskapazität. An dieser Börse wird nur ein Minimum der Strommenge gehandelt. Das heißt, der Preis, der dort entsteht, ist kein wirklicher Marktpreis, kein Wettbewerbspreis, sondern ein künstlicher Preis, der als Grundlage für Preisbildung und damit für die Weitergabe an die Verbraucherinnen und Verbraucher nicht akzeptiert erden kann. w Es kommt des Weiteren dazu – und darüber verliert Vattenfall kein Wort –, dass die Energieversorgungsunternehmen die Emissionszertifikate für CO2-Emissionen kostenlos zugeteilt bekommen haben und dass sie diese Emissionszertifikate, weil sie am Markt gehandelt werden können, zu einem Preis in ihrer Kostenkalkulation einpreisen und damit die Verbraucher dafür zahlen lassen. Mit anderen Worten – und die Summe muss man sich deutlich machen –: Die Energieversorgungsunternehmen haben mittlerweile nach Schätzungen durch die Bewertung und Einpreisung der ihnen kostenfrei zugeteilten Emissionszertifikate bundesweit einen Zusatzprofit von ca. 6 Milliarden € gemacht. Das ist schlicht und einfach ein Skandal. Dagegen muss vorgegangen werden.

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD – Michael Schäfer (Grüne): Ja, tun Sie es doch!]

Herr Schäfer, Sie können immer dazwischenrufen „Tun Sie es, tun Sie es!“. Und Sie können dann ganz laut werden, wenn man Sie danach fragt, was Sie in acht Jahren Regierungszeit gemacht haben.

[Michael Schäfer (Grüne): Energieeinspeisungsgesetz!]

Ja, Energieeinspeisungsgesetz, dadurch ist nichts billiger geworden, sondern eher teuerer,

[Michael Schäfer (Grüne): Quatsch!]

was an der Stelle nicht das Problem ist, sondern das Problem ist, dass Sie acht Jahre Regierungszeit auf Bundesebene haben verstreichen lassen mit einem angeblich liberalisierten Energiemarkt, in dem die Oligopole, über die Sie sich heute so laut beklagen und beschweren, weiterhin ihr Unwesen treiben konnten, ohne dass politische Maßnahmen ergriffen wurden, ohne dass reguliert worden ist.

[Beifall bei der Linksfraktion – Volker Ratzmann (Grüne): Und wie greifen Sie heute die Oligopole an?]

Das Problem, das wir jetzt haben und über das wir uns heute alle ereifern, ist in Ihrer Regierungszeit nicht gelöst worden. Es musste erst – das sollten sich die Grünen überlegen – eine große Koalition aus CDU und SPD kommen, um das Thema überhaupt ernsthaft anzugehen. Das hat Rot-Grün versäumt.