Der Schuldenberg von über 60 Milliarden € lastet noch immer, und die Gefahr ist in Wahrheit, dass er in den nächsten Jahren größer wird. Die Mehreinnahmen des Berliner Haushalts sind zum größten Teil der guten Konjunkturlage – ich sagte dies bereits – zuzuschreiben. Aber bleibt sie so? – Der Senat geht davon aus, dass es eine kontinuierliche Aufwärtsentwicklung in den nächsten Jahren gibt. Wissen wir das?
Ich hoffe, dass dies eintrifft. Aber was ist mit den Risiken? Was ist mit dem Zinsänderungsrisiko? Wir wissen, dass gerade in Phasen einer guten Konjunkturaufwärtsentwicklung mehr Kredite angefragt werden und die Zinsen steigen. Wir wissen alle, was ein halbes oder ein Prozent mehr an neuen Belastungen bedeutet. Das findet sich in keiner dieser positiven Rechnungen. Ich meine, wir tun klüger daran, mit dieser guten Lage etwas bescheidener umzugehen, als das Herr Wowereit soeben getan hat.
Die Rückführung der Solidarpaktmittel stellt nach 2011 ein enormes zusätzliches Risiko in einem Umfang von 2 Milliarden € dar. Gibt es irgendein Konzept, wie wir damit fertig werden wollen? – Wir müssen an die Strukturen Berlins heran, zum Beispiel eine Verwaltungsreform durchführen. Wenn wir das alles nicht tun, wenn wir nicht auch eine sozialverträgliche Vermögensaktivierung in Berlin durchführen, dann werden wir über kurz oder lang wieder in der gleichen Haushaltsnotlage stehen. Sie täuschen sich darüber hinweg. Sie „wurschteln“ mit der guten Konjunkturlage weiter, aber Sie tun nichts zur langfristigen Gesundung der Berliner Finanzen. Das ist die Realität und nicht Ihre wunderschöne heutige Rede!
Ich behaupte, Sie haben mit Ihrer knappen Mehrheit zu wenig Kraft, um die Gunst der Stunde zu nutzen.
Eine so gute Konjunkturentwicklung ist eine Gunst der Stunde, aber Sie schaffen es nicht, Berlin aus dem Schlussdrittel herauszubringen und wieder in die vorderen Plätze der Tabelle, an die Spitze der Tabelle zu bringen. Es gibt keine echte Perspektive, und in all dem, was Sie hier dargestellt haben, ist eine inhaltliche Perspektive für Berlin nicht zu sehen.
Sie haben wieder nichts zu dem Länderfinanzausgleich, zu diesen so entscheidenden Verhandlungen gesagt. Das ist ein ganz wesentlicher Schlüssel. Warum sagen Sie nicht wenigstens endlich heute etwas zu dem Entschuldungspakt? Das Thema hätte sich angeboten. Da kommt Herr Oettinger
und sagt, wir machen ein Angebot. Herr Wulff und Herr Oettinger sagen, wir machen euch ein Angebot: Für jeden Euro, den ihr spart, bekommt ihr einen zusätzlichen Euro. – Das sollte man nicht mit hämischem Lachen angehen, sondern darüber sollte man sich in Ihrer Lage ehrlich
freuen. Dass Sie sich nicht darüber freuen, zeigt, dass Sie sich schon wieder viel zu sicher wähnen. Glauben Sie mir, das wird bestraft! Das ist kein kluger Schachzug, potenzielle Verbündete auf diese Weise zu behandeln!
Herr Lederer hat es schon abgelehnt und gesagt, dass sei ruinöser Steuerwettbewerb, den Herr Oettinger wolle.
Sie wollen nach wie vor alles durch Transfers zwischen den reichen und den armen Ländern lösen. Ich hingegen wünsche mir ein Berlin, das wieder an sich selbst glaubt, das seine Ausgaben auch wieder selbst durch Einnahmen finanzieren kann, das nach vorne sieht, das wieder wirtschaftlich leistungsfähig ist. Wir glauben, dass wir in diesem Wettbewerb als Berliner gute Chancen haben,
und deshalb gehen Sie den falschen Weg. Wir wollen nicht eine Hauptstadt mit Hartz, sondern wir wollen eine Hauptstadt der Chancen. Darauf kommt es an in den nächsten Jahren!
Sie haben sich eben wieder über das lustig gemacht, was ich zu Tempelhof sage. Ich will zu Tempelhof nicht viel sagen.
Das haben Ihnen in den letzten zwei Wochen Helmut Schmidt, Helmut Kohl, Richard von Weizsäcker und Herr Nerger, ein enger Freund von Herrn Wowereit, alle in das Stammbuch geschrieben. Sie alle haben von dem Senat eine einzige Antwort bekommen: Sie seien nicht klug genug, um die Lage wirklich zu verstehen. – So arrogant gehen Sie mit solchen Persönlichkeiten und der Mehrheit der Berlinerinnen und Berliner um.
Wenn wir einerseits immer die Hand aufhalten und andere Bundesländer um Geld oder den Bund um Hilfe bitten, dann müssen Sie ihnen auch erklären, wie Sie es schaffen, ein Angebot von 320 Millionen € für den Flughafen Tempelhof in den Wind zu schlagen. Die Art der Arroganz, wie Sie, Herr Wowereit, mit diesem Thema umgehen, steht den Leuten bis zum Hals.
Dann kommen wir zu einem anderen, zentral wichtigen Thema für die Stadt, das ist die Wirtschaftsförderung. Da berichtet die „Morgenpost“ am 2. März 2007, was Herr Wowereit einen Tag zuvor vor der IHK gesagt hat:
Wowereits Erklärung hat allein nicht die Kraft, dieses Ziel von der gemeinsamen Tagesordnung zu nehmen.
Die vielen Arbeitslosen in Berlin haben ein Anrecht darauf, zu wissen, ob wir es allein oder zusammen machen. Das ist eine zentrale Frage. Sie sollten endlich untereinander klären, wie Sie damit umgehen wollen.
Sie sollten auch hören, was Herr von Brandenstein, der Präsident der Arbeitnehmerverbände, dazu sagt:
Es ist gerade 16 Monate her, da waren sich in Berlin und Potsdam alle einig. Die Regierungen der Länder Berlin und Brandenburg verständigten sich in einer gemeinsamen Kabinettsitzung auf die Zusammenführung der Wirtschaftsförderung bis 2008. Und heute? – Von all dem ist nichts mehr gültig. Das Augenmerk liegt auf Emotionen und gekränkten Eitelkeiten. Schlagworte haben Vorrang vor zielorientierter Sachpolitik.
Ich weiß nicht, warum Sie lachen. Das ist eine Problemanzeige von einer der führenden Personen der Berliner Wirtschaft. Das sollten Sie ernst nehmen, vor allem, wenn Ihnen an dem Schicksal der Berliner gelegen ist.
Die stellvertretende DGB-Vorsitzende, Doro Zinke, hat vor wenigen Tagen auf einem CDU-Kongress gespro
chen. Sie hat dort gesagt, es sei absolut notwendig, dass wir uns wieder zur Industriepolitik bekennen; Dienstleistungen reichten nicht.
Das ist auch unsere Auffassung. Wir glauben, dass das eine Fehlentwicklung gewesen ist. Wir freuen uns darüber, dass z. B. Herr Gurka, der neue Geschäftsführer der Berlin Partner GmbH, endlich den Gedanken aufgreift und sagt, regenerative Energien könnten für Berlin industriepolitisch eine große Chance sein. Es ist sehr gut, dass Herr Gurka das sagt. Es zeigt, dass die Opposition Kraft hat und Sie jetzt langsam tun, was die Opposition fordert.
Aber ein bisschen mehr Rückenwind vom Senat wäre gut. Es wäre auch gut, wenn Sie versuchen würden, Berlin auch bundesweit so zu positionieren.