Protocol of the Session on July 5, 2007

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Ich eröffne die 15. Sitzung des Abgeordnetenhauses von Berlin und begrüße Sie, unsere Gäste, alle hier im Saal sowie die Medienvertreter ganz herzlich.

Zu Beginn der heutigen Plenarsitzung habe ich eine traurige Pflicht zu erfüllen und bitte Sie, sich zu erheben.

[Die Anwesenden erheben sich.]

Am 3. Juli 2007 ist der frühere Abgeordnete Uwe Ewers im Alter von nur 63 Jahren in Berlin verstorben. Mit Uwe Ewers verliert Berlin einen engagierten Politiker, der über 35 Jahre in der Kommunal- und Landespolitik tätig war.

Uwe Ewers, 1944 in Bad Landeck geboren, lebte seit seiner frühesten Kindheit im Bezirk Reinickendorf, dem er immer eng verbunden blieb. Nach seiner Schulausbildung begann er seinen beruflichen Werdegang bei der Deutschen Bundespost.

1971 wurde er als Bezirksverordneter in Reinickendorf gewählt und gehörte danach von 1975 bis 1989 als Mitglied der CDU-Fraktion dem Abgeordnetenhaus von Berlin an. Hier arbeitete er im Hauptausschuss, im Ausschuss für Familie und Jugend und im Petitionsausschuss. Ich erinnere mich auch die gemeinsamen Jahre im Sozialausschuss des damaligen Abgeordnetenhauses.

1989 – nach 14jähriger Parlamentstätigkeit – wurde der verheiratete Vater zweier Kinder von der Bezirksverordnetenversammlung Reinickendorf erstmals zum Bezirksstadtrat gewählt und leitete in den folgenden Jahren bis 2006 im Bezirksamt die Abteilungen für Finanzen, Personal, Wirtschaft, Kultur, Schule. Der ausgewiesene Finanzexperte und dienstälteste Finanzdezernent in Berlin hat mit seiner Arbeit im Bezirk stets das Ziel verfolgt, gerade in den Zeiten der angespannten Haushaltssituation Handlungsspielräume für die Realisierung kommunalpolitischer Projekte zu ermöglichen.

Uwe Ewers erwarb sich mit seiner Kompetenz und seiner angenehmen und freundlichen Art hohes Ansehen über alle Parteigrenzen hinweg. Seiner Partei, der CDU, diente er seit seinem Eintritt 1967 in verschiedenen Parteifunktionen. Er war langjähriger Ortsverbandsvorsitzender und stellvertretender Kreisvorsitzender. Für sein großen Engagement wurde er von seinem Ortsverband Hermsdorf erst vor wenigen Monaten zum Ehrenvorsitzenden gewählt.

Der Christdemokrat Uwe Ewers, der sich in seiner Freizeit insbesondere der Musik, der Kunst und Kultur widmete, wird uns allen mit seiner bürgernahen und menschlichen Haltung stets als ein Vorbild sein. Er wird uns aufgrund seiner engagierten Politik für unsere Stadt in guter Erinnerung bleiben. Wir gedenken Uwe Ewers mit Hochachtung. – Sie haben sich zu Ehren von Uwe Ewers erhoben. Ich danke Ihnen!

Aus gegebenem Anlass weise ich Sie, meine verehrten Kolleginnen und Kollegen, die Senatsvertreter, die Pressevertreter und unsere Zuhörerinnen und Zuhörer darauf hin, dass während der Sitzung der Gebrauch von Handys nicht zulässig ist. Eingeschaltete Handys stören unsere technischen Anlagen – wir hatten in den letzten Sitzungen sehr damit zu tun – und machen es teilweise auch unmöglich, die Redner für das Protokoll aufzunehmen. Es führt dazu, dass Wortmeldungen nicht aufgezeichnet werden können. Schalten Sie, bitte, Ihre Handys aus! Das ist der sicherste Weg, um Störungen zu vermeiden. – Danke schön!

Dann das Geschäftliche: Am Montag, dem 2. Juli, sind folgende vier Anträge auf Durchführung einer Aktuellen Stunde eingegangen:

1. Antrag der Fraktion der SPD und der Linksfraktion zum Thema: „Vielfalt fördern, Zusammenarbeit stärken – Berliner Integrationspolitik auf stabiler und zukunftsfähiger Grundlage“,

2. Antrag der Fraktion der CDU zum Thema: „Vernachlässigte Jugendliche, Gewaltdelikte junger Straftäter und jetzt private Sicherheitsdienste an Schulen – eine Bankrotterklärung des SPD-Linkspartei-Senats“,

3. Antrag der Fraktion der Grünen zum Thema: „Bildungssenator Zöllner übt sich in Ankündigungsakrobatik bei den Unis und vernachlässigt Berliner Schulen“,

4. Antrag der Fraktion der FDP zum Thema: „Rot-roter Senat darf Zinsersparnis in Millionenhöhe nicht verschenken – Kapitel Bankgesellschaft zügig abschließen!“.

Die Fraktion der CDU hat am vergangenen Dienstag das Thema ihrer Aktuellen Stunde geändert. Es lautet nunmehr: „Wowereits Tabubruch stoppen – Abgrenzung statt Anbiederung gegenüber linken Demagogen“.

Zur Begründung der Aktualität rufe ich nun den Kollegen Udo Wolf auf. – Bitte!

Herr Präsident! Herzlichen Dank! – Meine Damen und Herren! Wir, die rot-rote Koalition, haben beantragt, in der heutigen Aktuellen Stunde über Integration zu sprechen. An der Aktualität des Themas kann kein Zweifel bestehen. Am 22. Juni fand im Roten Rathaus der Berliner Integrationsgipfel statt. Dort wurden die Schwerpunkte und Eckpfeiler des neuen Berliner Integrationskonzeptes II vorgestellt. Am 28. Juni hat der Rat der Bürgermeister dem Integrationskonzept des Berliner Senats zugestimmt, und morgen wird im Bundesrat leider über schlimme Verschärfungen des Aufenthaltsrechts gesprochen und wahrscheinlich auch beschlossen – genug aktueller Stoff für die Debatte. Wie den Medien zu entnehmen war, haben wir uns in der Koalition darauf verständigt, heute dem Antrag der Grünen für die Aktuelle Stunde zu entsprechen. Das Ritual zur Begründung der Aktualität

gibt mir aber die Möglichkeit, Ihnen zu versichern, dass unser Thema nichts an Aktualität verloren hat.

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD]

„Vielfalt fördern und Zusammenhalt stärken“ war das Motto des ersten Berliner Integrationskonzepts, und es ist auch der Titel der Fortsetzung. Es ist zugleich Selbstverpflichtung des Senats und eine Aufforderung an die sogenannte Aufnahme- und Mehrheitsgesellschaft, Integration zu fördern und sich bewusst für Menschen mit Migrationshintergrund zu öffnen. Damit geht der Senat von Berlin bewusst einen anderen Weg als die Bundesregierung, die mit der Verschärfung des Aufenthaltsrechts neue Integrationshürden aufbaut. Diese Verschärfungen sind im Geiste der Stigmatisierung und Abschreckung geschrieben. Sie führen zu großer Verärgerung in den Migrantencommunities und erbänden. v Fragen Sie z. B. Vertreter des TBB, wie diese Verschärfungen auf ihre Mitglieder wirkt. Fragen Sie, die Sie das „C“ im Parteinamen haben, bei der Caritas oder bei Pro Asyl nach, was sie von den Verschärfungen halten, dann werden Sie verstehen, warum der Berliner Senat morgen im Bundesrat diesen Verschärfungen nicht zustimmen wird, egal welche Falschmeldungen die Grünen in die Welt setzen.

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD – Zuruf von Özcan Mutlu (Grüne)]

Integrationspolitik wird in Berlin ein Schwerpunktthema bleiben und damit auch weiterhin aktuell sein. Deshalb ist der Berliner Integrationsgipfel selbstverständlich nur der Auftakt zu einer ausführlichen Debatte gewesen, die wir mit den Menschen mit und ohne Migrationshintergrund in dieser Stadt führen wollen. Nach der Sommerpause werden wir das Integrationskonzept in den Ausschüssen und im Plenum besprechen und bewerten.

Die Union hat kurzfristig ihr Thema für eine Aktuelle Stunde geändert. Sie beantragt heute „Wowereits Tabubruch stoppen – Abgrenzung statt Anbiederung gegenüber linken Demagogen“. Heute gibt es also schon wieder politische Folklore.

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD]

Mir scheint, die Themen Tempelhof und Oettinger, Oettinger und Tempelhof sind auch Ihnen zu langweilig geworden. Jetzt gibt es zum zweiten Mal hintereinander Predigten gegen den Antichristen. Was soll das werden? – Herr Henkel! Wollen Sie zusammen mit Herrn Lindner im Musical „Linie 1“ auftreten? Dann müssen Sie jetzt öfter proben „Wir sind die Wilmersdorfer Witwen, wir verteidigen Berlin“.

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD – Zuruf von Mieke Senftleben (FDP)]

Können Sie sich den Unsinn, den Sie in der letzten Plenumssitzung erzählt haben, selbst nicht merken, oder warum wollen Sie das heute noch einmal wiederholen? – Ja, liebe CDU, die Apokalypse ist nah,

[Frank Henkel (CDU): Sie sollen über Ihre Aktualität sprechen, nicht über unsere!]

die Nudeln werden auch immer teurer, und daran ist nur der Kommunismus und Oskar Lafontaine schuld.

[Beifall und Heiterkeit bei der Linksfraktion und der SPD]

Was an Ihrer Aktuellen Stunde aktuell sein soll, ist mir ein schweres Rätsel. Das Musical ist alt aber gut, der Tabubruch von Klaus Wowereit ist alt, und er war gut für die Stadt.

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD]

Die Grünen haben wenigstens ein Thema gefunden, das zumindest den Kriterien der Aktualität genügt. Weil wir nette Leute sind, weil in der Tat Wissenschafts- und Bildungspolitik in der aktuellen, im übrigen auch in der Integrationsdebatte ganz wesentliche Schwerpunkte bilden und darüber hinaus die Langfassung des Integrationskonzepts II allen Abgeordneten erst seit wenigen Tagen zugänglich ist, werden wir dem Grünen-Antrag zustimmen. Über erfolgreiche Integrationspolitik in Berlin, über die Vorbildfunktion des Berliner Integrationskonzeptes für die Bundesrepublik werden wir nach den Ferien reden. – Herzlichen Dank, Herr Henkel!

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD]

Danke schön, Herr Kollege! – Für die Fraktion der CDU hat Herr Kollege Dr. Pflüger das Wort!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es hat einen SPD-Landesparteitag mit einer Rede des Regierenden Bürgermeisters gegeben.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Vor dem Hintergrund dieser Rede stellen sich Fragen zum Zustand der SPD und zum zukünftigen Kurs der SPD. Wohin steuert diese Partei?

[Zurufe von der SPD und der Linksfraktion]

Es war nicht meine Partei, sondern es ist der Bundesvorsitzende der SPD, Kurt Beck, der auf dem Zukunftskongress der SPD in Hannover am 23. Juli gesagt hat:

In der SED/PDS sind heute noch Leute, die zu Mauer, Stacheldraht und Schießbefehl stehen.

Ist es wirklich der richtige Weg für die Sozialdemokratie in Deutschland, Herr Wowereit, sich auch im Bund und in den Ländern auf die Partei zuzubewegen, die ihr Verhältnis zur Vergangenheit der DDR-Diktatur bis heute nicht geklärt hat? – Diese Frage hätten wir gerne in der Aktuellen Stunde geklärt!

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Der neue Vorsitzende dieser Partei – ein etwas zu kurz gekommener Saarländischer Populist – wird von Andrea

Nahles, die nicht zum rechten Flügel der SPD gehört, sondern zum linken Flügel, in dieser Woche als ein Mann bezeichnet, der im tiefen Sinne antidemokratisch ist.

[Dr. Martin Lindner (FDP): Hört, hört!]

Wollen Sie wirklich mit einem Parteivorsitzenden zusammenarbeiten, von dem sogar die SPD-Linke auf Bundesebene sagt, er sei zutiefst antidemokratisch? – Diese Frage muss man sich stellen, und man muss die Frage stellen, ob Sie nicht Ihrer Partei auf Bundesebene mit dieser Art von Politik in den Rücken fallen und ihr das Leben schwermachen, Herr Wowereit!

[Beifall bei der CDU und der FDP – Dr. Wolfgang Albers (Linksfraktion): Immer die selben Sprüche!]

Das alles, so könnte man sagen, ist Sache der SPD. Hier werden aber grundsätzliche Fragen angerührt. Da sagt z. B. Herr Brie – immerhin einer der Chefideologen der PDS und Europaabgeordneter der PDS – am 1. März 2006 auf Spiegel Online: