Protokoll der Sitzung vom 13.09.2007

[Beifall bei der FDP und der CDU]

Im Haushaltsplan des Landes Berlin sind für Ihre Bezahlung 133 000 € eingestellt. Der Bürger erwartet von Ihnen, dass Sie bei dieser Bezahlung mehr Einsatz zeigen.

[Beifall bei der FDP und der CDU]

Weitere Ärgernisse sind die Auftritte der Justizsenatorin vor Presse und Rechtsausschuss. Dem Rechtsausschuss haben Sie vor einer Woche einen ungenießbaren Brei aus unbestimmten Angaben und politischen Plattitüden aufgetischt – kaum Zahlen, kaum Daten, einfach substanzlos. Ihr Parteifreund, der Kollege Kleineidam, konnte sich nach dem Vortrag des Polizeipräsidenten den Kommentar

nicht verkneifen: „Man hat endlich mal das Gefühl, dass man etwas greifen kann.“ – Die Unterrichtung durch Sie, Frau von der Aue, fand der SPD-Kollege Kleineidam wohl ziemlich nichtssagend – die Opposition auch.

[Beifall bei der FDP und der CDU]

Zu Ihrer einhellig als peinlich empfundenen Pressekonferenz schreibt Joachim Fahrun in der „Morgenpost“:

Wer aber solche Lücken in seiner Detailkenntnis offenbart wie gestern die Justizsenatorin, sollte mit der Politik lieber aufhören und sich wieder in eine Beamtenstube zurückziehen. Nicht einmal die simpelste aller Fragen, wie viele Straftäter im Jugendgefängnis einsitzen und wie viele Beamte sie beaufsichtigen, konnte von der Aue auf Anhieb beantworten.

Wissen Sie, was mich wundert, Frau von der Aue? – Sie wissen in der Sache fast nichts, aber Sie wissen eins ganz genau, nämlich alles richtig gemacht zu haben.

[Beifall bei der FDP, der CDU und den Grünen]

Am Dienstag, dem 5. September sagte der Regierende Bürgermeister in einem Interview mit dem Radiosender 88,8, man habe in der Jugendstrafanstalt im Frühjahr mit einer Verstärkung der Hofrundgänge und der Videoüberwachung reagiert. – Der Regierende Bürgermeister von Berlin hat den Berlinerinnen und Berlinern die Unwahrheit gesagt. Von der Justizsenatorin wissen wir, dass die Videoanlage zuletzt im Jahr 2006 verändert wurde. Und die zusätzlichen Hofposten wurden auch erst vor ein paar Tagen eingerichtet. Wenn der Regierende Bürgermeister im Radio dann die Unwahrheit verbreitet, dann gibt es dafür nur zwei Gründe. Entweder hat der Regierende Bürgermeister ins Blaue hinein fabuliert,

[Christoph Meyer (FDP): Macht er öfter!]

oder aber die Justizsenatorin hat ihn falsch informiert. Im ersten Fall könnte ich es nachvollziehen, wenn aufgebrachte Bürger den Regierenden Bürgermeister als Lügner bezeichnen würden.

[Wolfgang Brauer (Linksfraktion): Großzügig von Ihnen, Herr Kollege!]

Ihm und der SPD ist dann zu empfehlen, die notwendigen politischen Konsequenzen hinsichtlich der Person des Regierenden Bürgermeisters zu ziehen.

[Beifall bei der FDP und der CDU]

Im zweiten Fall wäre der Regierende Bürgermeister nur ein schlecht informierter Regierungschef. Ihm ist dann aber zu empfehlen, dass er die notwendigen Konsequenzen hinsichtlich der Justizsenatorin zieht.

[Beifall bei der FDP und der CDU]

Die Senatorin selbst hätte dabei auch für sehr weitgehende Schritte des Regierenden Bürgermeisters vollstes Verständnis. Sie hat ja gerade erst selbst im Februar ihren Staatssekretär Flügge entlassen, weil sie sich von ihm falsch informiert fühlte.

[Beifall bei der FDP, der CDU und den Grünen]

Aber wir wissen, dass Sie keine Konsequenzen ziehen werden, um weiter die Senatsapanagen kassieren zu können. Trotzdem erwarten wir dann wenigstens, wenn Sie schon auf dem Posten sitzen bleiben: Bringen Sie den Berlinern und Berlinerinnen die entsprechende Gegenleistung. – Vielen Dank!

[Beifall bei der FDP und der CDU]

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Kluckert. – Für den Senat hat die Senatorin für Justiz, Frau Gisela von der Aue, das Wort.

Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich werde, Herr Kluckert, auf Ihre Fehlinformation nicht eingehen, weil ansonsten die Zeit nicht für das übrig ist, was ich Ihnen mitteilen möchte.

[Dr. Martin Lindner (FDP): Sie haben alle Zeit!]

Sie werden es möglicherweise nicht glauben, aber ich bin Ihnen für die Gelegenheit, dem Parlament Rede und Antwort zu stehen und mit Ihnen die Grundlagen des Berliner Strafvollzugs zu diskutieren, außerordentlich dankbar.

[Dr. Martin Lindner (FDP): Das haben Sie im Rechtsaus- schuss auch schon gesagt, da kam auch nichts!]

Hören Sie doch erst mal zu! – Es hat in den letzten Tagen viele Missverständnisse und Widersprüche gegeben, vermeintliche und tatsächlich Widersprüche; das stimmt. Aber diese vermeintlichen und tatsächlichen Missverständnisse und Widersprüche sind Gegenstand ausschließlich politischer Spielchen geworden. Mir geht es aber nicht um politische Spielchen. Ich habe dafür Sorge zu tragen, dass die Anstalten in Berlin sicher sind und die Unterbringung menschenwürdig ist. Was also ist Inhalt der Aufregung? Werden hier nicht Tatsachen, die seit langem bekannt sind, aufgebauscht? Wo liegt der Skandal, wenn Gegenstände über die Mauer geworfen und sogleich sichergestellt werden? Wenn zwei Gefangene sich schlagen, wenn ein Bediensteter durch einen Gefangenen bedroht und angegriffen wird, dann sind das die täglichen Herausforderungen für die Mitarbeiter des Vollzugs. Für eine politische Skandalisierung, wie Sie sie betreiben, meine Damen und Herren von der Opposition, sind solche Vorkommnisse aber gänzlich ungeeignet.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Was ist wirklich passiert? – Es kam in diesem Jahr zu vermehrten Überwürfen von unerlaubten Gegenständen. Das ist ein Problem, und zwar eines, das in unterschiedlicher Ausprägung seit Jahren und Jahrzehnten existiert. Seit dem Frühjahr wurden deshalb die Haftraumkontrollen in der Anstalt verschärft, die Beamten der Jugendstrafanstalt zu erhöhter Wachsamkeit angehalten und die Bilder der Videoüberwachungsanlage der Polizei zur Auswertung übergeben. Die neuen Videokameras wurden im Jahr

im Jahr 2006 installiert, diese Anlage ist auf der Höhe des technischen Standards.

Warum kann es überhaupt seit vielen Jahren an der Mauer der Jugendstrafanstalt zu solchen Überwürfen kommen? Das hat der Kollege Dr. Felgentreu schon ausgeführt, deswegen spare ich mir das an dieser Stelle. Von dieser Anstalt ist unter der Verantwortung meiner Vorgängerinnen und Vorgänger im Amt, die im Übrigen ganz unterschiedlichen Parteien angehört haben, bereits Folgendes gegen die Überwurfproblematik veranlasst worden: Es ist ein Hofpostensystem eingerichtet worden, das i. Ü. nicht nur einen, sondern sechs Hofposten beinhaltet, Herr Kluckert. Es sind engmaschige Vorsatzgitter eingesetzt worden, und die technische Ausstattung der Videoüberwachung ist erneuert und verbessert worden.

Bis zum Frühjahr 2007 wurde eine Vielzahl von unerlaubten Gegenständen in der Anstalt sichergestellt. Das ist wie bei Dopingkontrollen im Radsport: Wo mehr kontrolliert wird, wird auch mehr gefunden. Diese Häufung der Funde hat die Anstalt dann im März dieses Jahres an meine Fachabteilung weitergeleitet und die Montage massiverer Vorsatzgitter angeregt. Lieferschwierigkeiten haben uns zeitlich zurückgeworfen, aber seit letzter Woche werden die Gitter nun montiert.

Lassen Sie mich noch kurz auf das Thema Videoüberwachung eingehen. In den letzten Tagen wurden mehr Kameras, mehr Videoüberwachung und am besten Nachtsichtgeräte gefordert, damit auch jede Bewegung an den Mauern der JVA zur Kenntnis gelangt. Und dann? – Dann fragt ein CDU-Abgeordneter den Datenschutzbeauftragten nach seiner Meinung und erhält die Antwort, dass die Videoüberwachung möglicherweise rechtlich problematisch sei. Schon macht ein Teil der Opposition kehrt. Herr Jotzo! Meine Damen und Herren! Wir müssen hier Folgendes trennen: Zum einen geht es darum, die Sicherheit der Berlinerinnen und Berliner zu gewährleisten, zum anderen geht es auch um den Datenschutz. Es ist eine Frage der Abwägung. Meine Aufgabe ist es, eine Antwort auf die Frage zu finden, und genau das tue ich.

Es ist übrigens – nur ganz nebenbei gesagt –, sehr bezeichnend, was alles nicht Inhalt der derzeitigen Aufregung ist. Es geht nicht um Flucht, es geht nicht um Totschlag, worüber wir diskutieren, ist Folgendes: Die Vollzugsbeamten haben in diesem Jahr 400 Handys und rund 400 Gramm Haschisch sichergestellt. Das ist erst einmal ein Erfolg. Diese Zahlen zeugen von der hohen Aufmerksamkeit der Justizvollzugsbeamten.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion – Dr. Martin Lindner (FDP): Das hat doch keine Aussagekraft! Das kann viel, das kann wenig sein!]

Ist im Vollzug also alles gut? – Nein. Es gibt im Strafvollzug Probleme. Bevor ein junger Mensch ins Gefängnis kommt, muss viel passiert sein. Bei uns im Vollzug soll er dann ein anderer Mensch werden. Das wollen wir. Teils gelingt es, teils gelingt es leider nicht. Denn eingesperrte Menschen, die eine höchst problematische Vita

haben, die von dieser Gesellschaft nie oder nur unzureichend sozialisiert worden sind, sind eine ständige Herausforderung für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Der Vollzug muss sicher, aber auch menschenwürdig sein. Das scheinen Sie, insbesondere meine Damen und Herren von den Grünen, in der aufgeregten Debatte vergessen zu haben.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion – Volker Ratzmann (Grüne): Das ist eine Frechheit!]

Es ist schon seltsam, Herr Kollege Ratzmann, wie weit Sie sich in den letzten Wochen von Ihren Vorstellungen eines liberalen Strafvollzugs entfernt haben.

[Volker Ratzmann (Grüne): Das ist eine Frechheit!]

Sie scheinen aus rein populistischen Gründen bereit zu sein, auch die platteste Reduzierung auf eine bloße Sicherheitsdebatte mitzumachen.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion – Bravo! von der SPD – Zuruf von Volker Ratzmann (Grüne) – Weitere Zurufe von den Grünen]

Insofern bin ich froh über die Ausführungen, die Ihr Kollege Behrendt an dieser Stelle gemacht hat. Ich möchte Sie noch einmal an die Ziele des Jugendstrafvollzugs erinnern. Es geht um Sozialisierung, Resozialisierung, um Erziehung, um menschenwürdige Behandlung junger Gefangener. Diese Ziele dürfen wir nicht aus den Augen verlieren.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion – Zurufe von Benedikt Lux (Grüne) und Volker Ratzmann (Grüne)]

Drogen im Vollzug sind ein altes Problem. Handys im Vollzug sind ein neueres Problem. Dennoch ist es ein Problem, das allen, die den Vollzug kennen, schon seit Jahren bekannt ist. Auf diese neuere Entwicklung und die Zunahme der Überwürfe haben wir reagiert – auch meine Vorgänger schon. Wie aber hat die Opposition reagiert? – Es sei ein überraschendes Problem, konnte man hören, es komme völlig unerwartet, nie sei so etwas da gewesen, es sei unerhört. Dabei wissen Sie alle: Es gibt in den Haftanstalten, wie in allen anderen Haftanstalten der Welt auch, Drogen und Handys und Gewaltvorfälle – leider.

[Joachim Esser (Grüne): So diskutieren Sie die Bilder auch nicht weg!]

Aber jeder Drogenfund in einem Gefängnis, jede Schlägerei unter Gefangenen ist zu viel und darf nicht toleriert werden. Das ist die Linie in allen Berliner Vollzugsanstalten.

[Volker Ratzmann (Grüne): Zugucken, das ist das Problem!]

Dennoch wäre es blauäugig zu behaupten, man könne Gewalt und Drogen völlig aus den Haftanstalten verbannen. Was können wir erwarten, wenn wir Menschen, die häufig schwere Straftaten begangen haben, gegen ihren Willen auf engem Raum inhaftieren? Mit dieser schwierigen Situation jeden Tag umzugehen,