Die Haushaltsgesetze Drucksachen 16/0740 und 16/0750 hatte ich bereits vorab an die Ausschüsse überwiesen. Die nachträgliche Zustimmung hierzu stelle ich fest. Die Fachausschüsse und der Hauptausschuss haben bereits mit den Haushaltsberatungen begonnen. Für die heutige gemeinsame Beratung steht den Fraktionen nach der mündlichen Einbringung der Haushaltsgesetze durch Senator Dr. Sarrazin jeweils eine Redezeit von bis zu 20 Minuten zur Verfügung, die auf zwei Redebeiträge beliebig aufgeteilt werden kann. Bei Überschreitung dieser Rahmenredezeit werden wir hier vom Präsidium großzügig verfahren, bitten aber, nicht zu übertreiben. Das Wort hat nunmehr Herr Senator Dr. Sarrazin. – Bitte!
Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Meine Damen und Herren! Dieser Haushalt ist für Berlin ein Novum. Zum ersten Mal, solange das Land existiert, haben wir einen Haushalt ohne neue Schulden.
Es waren mal mehr Schulden, es waren mal weniger Schulden. Mal waren es im Jahr 100 Millionen €, mal waren es 5 Milliarden €, aber es war doch eine liebe Gewohnheit – oder auch keine liebe, jedenfalls eine teure –, dass es immer Schulden gab. Und dies war so nicht geplant.
Ich hätte niemals gedacht, als ich vor fünfeinhalb Jahren zum ersten Mal vor Ihnen stand, dass es so weit käme.
Wir hatten damals bescheidenere Ziele. Damals hatte ich gesagt, dass wir anstreben, die Ausgaben ohne Zinsen mit den Einnahmen zu bestreiten. Das fanden viele irreal. Ich empfand es als mutig.
Nun sind wir ein Stück weiter. Wir bezahlen ab nächstes Jahr sogar unsere Zinsen voll aus unseren Einnahmen. Darüber hinaus werden wir tilgen.
Ganz klar, das ist nicht nur unsere eigene Leistung. Es ist auch ein gutes Stück Glück dabei: im letzten Jahr ein An
stieg der Einnahmen von über zehn Prozent, dieses Jahr von elf Prozent. Das sind Dinge, die einem schon helfen.
Andererseits gilt: Üblicherweise wachsen öffentliche Haushalte mit zwei Prozent pro Jahr. Nehmen wir die Ausgaben von 2001, ziehen die Ausgaben für die Bankgesellschaft ab, die nur einmal anfielen, und wenn wir diesen Haushalt mit zwei Prozent pro Jahr fortschrieben, dann kämen wir nächstes Jahr auf Ausgaben, die um 3 Milliarden € höher wären, als sie tatsächlich sind. Hätte sich Berlin seit dem Jahr 2001 wie ein normaler Haushalt weiterentwickelt, müssten wir trotz der positiven Einnahmen im nächsten Jahr noch immer 3 Milliarden € neue Schulden machen. Das ist etwas, was einen freut. Im Jahr 2001 – im letzten Jahr vor meiner Amtszeit – stiegen die Berliner Schulden um 5,2 Milliarden €, 2002 – in meinem ersten Amtsjahr – um 5,1 Milliarden € – dann so weiter –, 2005 um 3,2 Milliarden €, 2006 um 1,5 Milliarden €, in diesem Jahr fast keine Neuverschuldung mehr, nur noch wenige Hundert Millionen. Ab nächstes Jahr können wir tilgen. Dies ist auch dringend nötig, denn wir haben noch immer 60 Milliarden € Schulden, mehr als doppelt so viel wie der Bundesdurchschnitt der Länder.
Es geht aber nicht nur um Geld. Ich habe Berlin über viele Jahre aus der Außensicht betrachtet. Ich kann sagen, in den Neunzigerjahren hatte das Prestige Berlins insgesamt – auch das Image der Stadt – massiv unter dem gelitten, was man von außen einfach als Berliner Misswirtschaft wahrnahm. Man sah die Dinge nicht so genau. Man ist von außen vielleicht auch ungerecht. Aber so wurde es empfunden. Ich sage offen, ich aus dem fernen Rheinland-Pfalz, aus der Tiefe der Provinz, habe es ähnlich empfunden. Darunter litt die Glaubwürdigkeit der Stadt. Darunter litt auch der politische Einfluss Berlins im Bund. Diese Zeiten sind vorbei. Auch das merke ich im Umgang mit Kolleginnen und Kollegen, im Umgang mit anderen Ländern, in der Art, wie man einem beim Bund begegnet. Unsere Leistung findet bundesweit Respekt und Anerkennung. Berlin insgesamt hat dadurch an Statur und Autorität im Bundesstaat gewonnen.
Andererseits gilt auch: Konsolidierung ist kein Selbstzweck. Der Staat ist nicht dazu da, um Goldschätze anzuhäufen. Er ist dazu da – und darum haben wir staatliche Finanzen –, dass wir den Staat vernünftig finanzieren, dass wir dem Gemeinwesen die politisch gewünschten Dienste effizient, wirtschaftlich und hochwertig zur Verfügung stellen und dass wir diese so finanzieren, dass der Bürger es bezahlen kann und – soweit er das kann – das auch gerne bezahlt und dass wir es auch dauerhaft finanzieren können. Darüber kann man immer diskutieren. Es geht darum, dass man auch unterschiedliche politische Inhalte sinnvoll finanziert. Aber über gewisse Fragen, wie man finanziert, kann man eben nicht diskutieren.
Kredite sind überall dort sinnvoll, wo sie einen Wachstumsbeitrag leisten können, der über die Kosten ihrer Zinsen hinausgeht. Das führt zu einem Paradox. Staaten, die
stark wachsen, können sich auch Kredite leisten, weil ihre Einnahmen stark wachsen. Diese Staaten brauchen aber keine Kredite. Deutschland brauchte kaum öffentliche Darlehen in den Fünfzigerjahren. China braucht heute keine Darlehen. Staaten wiederum, welche nicht stark wachsen und Kredite brauchen könnten, können sich solche nicht leisten. Deutschland gehört zu den Staaten, welche langsam wachsen. Wir sind den letzten zehn Jahren um 1,5 Prozentpunkte pro Jahr real gewachsen. Das ist nicht viel. Die Weltwirtschaft wächst jedes Jahr um durchschnittlich fünf Prozent. Dieses Jahr werden wir um 2,5 Prozent wachsen, aber China und Indien wachsen um zehn Prozent. Relativ fällt Deutschland – wie die ganze industrialisierte Welt – weltweit gesehen im Wachstum zurück. Das ist auch unvermeidlich. Die Alterung kommt hinzu. Es ist kein Wunder, dass gerade die Staaten, die immer darauf achten, dass sie auch staatliche Vorsorge machen, jetzt gezielt Schulden abbauen.
Die skandinavischen Staaten sind allesamt seit 10 Jahren in eine Phase des immer stärker werdenden Schuldenabbaus eingetreten. Sie sorgen für die Zukunft vor. Deutschland insgesamt muss diesen Weg auch gehen. Wir werden nicht die Verhältnisse in Deutschland ändern, aber wir mit unserem Berliner Haushalt müssen das tun, was für uns und für Deutschland insgesamt richtig ist.
Die Berliner Schulden – ich hatte gesagt, wir haben seit dem Jahr 1950 immer Schulden gemacht – betrugen im Jahr 1990, am Abend der Einheit, 9,5 Milliarden €. Sie sind bis jetzt auf 60 Milliarden € gestiegen. Dieser Zuwachs bindet Jahr für Jahr auf der Ausgabenseite für Zinsausgaben 2,2 Milliarden €. Jeder von Ihnen hat seinen Lieblingseinzelplan, jeder kann diese Zahl mit seinem Lieblingseinzelplan vergleichen. Ich könnte hier vorrechnen, wie viel man hieraus bezahlen könnte, wie viele Opern man daraus bezahlen könnte, wie viele Lehrer man daraus bezahlen könnte, wie viele Polizisten man daraus bezahlen könnte und wie viel man davon bauen könnte oder anderes. Da die Einnahmeseite unabhängig von den Ausgaben ist, heißt dies ganz banal: In diesem Umfang geben wir weniger aus, als wir anderenfalls ausgeben könnten, und wir geben es vor allem auch auf weniger soziale Weise aus – dazu komme ich noch gleich.
Natürlich könnte ich Ihnen jetzt eine goldene Zukunft zeichnen, indem ich die Einnahmezuwachsraten der vergangenen Jahre in die Zukunft fortschreibe. Das können wir jedoch nicht. Wir hoffen auf einige gute Jahre, aber insgesamt gilt: Die Konjunktur ist so verlässlich wie das Wetter im April. Ich bin gleichwohl für die nächsten drei, vier Jahre optimistisch, trotz der gegenwärtigen Krise an den Finanzmärkten. Wir wissen es jedoch nicht genau. Vielleicht stehen wir hier in einem Jahr, ringen die Hände und haben ganz andere Sorgen. Das kann man nicht genau planen. Man kann nur die Einnahmen vernünftig schätzen. Das haben wir getan, verantwortungsbewusst und eher vorsichtig für die nächsten Jahre mit 3,5 Prozent Einnahmewachstum pro Jahr bei den Steuern.
Was wir tun können: Wir können die Ausgaben weiter beherrschen. Wir haben politisch entschieden, dass die Ausgaben bis zum Jahr 2011 nicht ansteigen sollen, und dafür ist dieser Doppelhaushalt und die Finanzplanung auch ein Beleg. Dies ist inhaltlich untermauert und hat auch keine wesentlichen Risiken.
Anders die Einnahmen: Ich erinnere an das Jahr 2000. Damals hatte Berlin Einnahmen aus Steuern und Finanzausgleich von 11,9 Milliarden €. Bis zum Jahr 2002 waren diese Einnahmen um 1,4 Milliarden € gefallen, ohne dass es große Krisen gab. Es gab nur eine falsch angelegte Steuerreform
Dann hatten wir drei Jahre lang praktisch keinen Einnahmewachstum. Sie erinnern sich an die Jahre 2003 bis 2005, da lagen die Einnahmen des Landes wie Blei im Keller. Dann, als es keiner mehr glaubte, ging es in diesem und im letzten Jahre wieder hoch mit den Einnahmen.
Man kann jetzt viel reden über kausale Zusammenhänge, allerdings kann man auch philosophieren oder es aber an dieser Stelle lassen und sich auf das konzentrieren, was man tun kann. Wir können uns bemühen, die Ausgaben im Griff zu behalten. Ich bin persönlich stolz, dass uns dies gemeinsam mit Ihnen gelungen ist. Jetzt sind wir auch in einer Position, dass wir – da wir die Ausgaben im Griff haben und auch die Zinsausgaben nicht mehr steigen, weil wir die Ausgaben im Griff haben – uns das eine oder andere leisten können.
Dazu hat etwas anderes beigetragen, das ich hier anführen will, obwohl es mit dem Haushalt selbst nur mittelbar zusammenhängt, und das sind unsere Landesbeteiligungen. Man darf es nicht vergessen: Unsere Beteiligungen hatten im Jahr 2001 Verluste von 1,2 Milliarden € und im Jahr 2002 in ähnlicher Höhe. Wir haben im Jahr 2006 – das war auch die Landesbank, aber nicht nur – über eine Milliarde € Gewinne gemacht. Auch nach dem Abgang der Landesbank bleibt davon einiges übrig. Verluste von Beteiligungen schlagen sich nicht unmittelbar im Haushalt nieder, wohl aber im Landesvermögen, und ähnlich ist es bei den Gewinnen. Auch waren die Beteiligungen für das Land Berlin ein großes Haushaltsrisiko.
Das hat sich geändert. Die Wohnungsgesellschaften, oft gescholten, haben gleichwohl im letzten Jahr 91 Millionen € Gewinn gemacht, immerhin ein guter Einstieg in eine gute Zukunft. Die Wasserbetriebe führen jährlich 100 Millionen € an uns ab. Der eine oder andere findet, aus den falschen Gründen, gleichwohl kommt das Geld in dem Landeshaushalt an. Die BVG hat immerhin ein positives Ergebnis vor Abschreibung und Zinsen, das
EBITDA ist also positiv und hat sich auch von Jahr zu Jahr verbessert. Vivantes schreibt seit drei Jahren immerhin schwarze Zahlen, wenn auch nicht in sehr eindrucksvollem Umfang, dennoch ist es auch nicht mehr das Haushaltsrisiko. Ich könnte in der Aufzählung fortfahren.
Die Landesbank haben wir verkauft. Das haben wir hier diskutiert. Ich darf anfügen: Ich hatte in den letzten Tagen bestimmt fünf bis sechs Anrufe von Menschen, die mir mitteilen wollten, was wir bei gegenwärtiger Marktlage für die Landesbank bekämen, nämlich entweder gar nichts, weil niemand sie kaufen würde, oder mindestens 1,5 Milliarden € weniger. Wir hatten auch Glück. Dadurch, dass wir den Verkauf in diesem Jahr zügig durchgezogen haben, ihn nicht unnötig verzögert haben, haben wir in einem Abstand von wenigen Wochen ein Resultat bekommen, was heute so an den Märkten nicht mehr zu erzielen wäre, und auch im nächsten Jahr wäre das fraglich.
Nun zur Ausgabenseite: Die Ausgaben des Landes vor Zinsen, die Primärausgaben, verharren auch in den nächsten Jahren bei 18,2 Milliarden € jährlich. Es wird uns gelingen, den Rückgang der Solidarpaktmittel – 450 Millionen € an Einnahme entgehen uns bis zum Jahr 2011 – durch den Anstieg der Steuereinnahmen mehr als auszugleichen. Damit können wir in der Tat in eine Teilentschuldung eintreten. Der Finanzierungssaldo wird sich vom Jahr 2007 bis zum Jahr 2011 um 860 Millionen € verbessern, gleichwohl können wir auch den einen oder anderen inhaltlichen Akzent setzen. Das können wir deshalb tun, weil wir in den letzten Jahren nicht einfach Geld zusammengekratzt haben, sondern weil wir konzeptionell gespart haben – wir hatten dies gestern auch im Hauptausschuss diskutiert – und uns auf einige wesentliche strategische Punkte konzentriert haben, um die sich anderes gruppiert.
Ein zentrales Thema ist das Personal. Berlin hatte bedingt durch die Teilung, durch die Geschichte der geteilten Stadt in West und Ost, weitaus mehr Personal als vergleichbare Länder. Berlin war auch in den Jahren 1990 bis zum Jahr 2000 beim Personalabbau relativ zögerlich, und selbst jetzt nach den gewaltigen Einsparungen, die wir vorgenommen haben – allein in den letzten 5 Jahren 10 000 Vollzeitmitarbeiter weniger –, haben wir im Augenblick noch immer 17 000 Mitarbeiter mehr als Hamburg und Bremen. Aber auch das wird sich in den nächsten Jahren weiter reduzieren. Nach der Planung sollen bis zum Jahr 2011 die Mitarbeiter im unmittelbaren Landesdienst um weitere 11 000 Mitarbeiter sinken. Wir sind das maßvoll angegangen, denn gleichzeitig nehmen wir gezielte Neueinstellungen im Umfang von 7 300 Vollzeitmitarbeitern vor allem in den Bereichen Polizei, Feuerwehr, Justiz und Bildung vor. Es ist keineswegs so, dass wir alle Möglichkeiten zum Personalabbau nutzen, sondern wir sind das differenziert angegangen.
Die Personalausgaben des Landes Berlin sind seit dem Jahr 2002 um 880 Millionen € gefallen, etwa zu gleichen Teilen wegen des Solidarpaktes, der nachwirkt, und wegen des vorgenommenen Personalabbaus. Dies wird jedoch nicht so weitergehen können. Der Anwendungstarifvertrag gilt noch bis zum Jahr 2010, und bis dahin soll er auch gelten. Allerdings werden wir im Jahr 2009 darüber reden müssen, wie es danach weitergeht. Für mich ist es ganz klar, dass auch die Mitarbeiter im Land Berlin bis hin zum Senat wieder einmal an der allgemeinen Einkommensentwicklung eilnehmen müssen. t Aber natürlich wollen wir nicht so weit gehen, dass wir das, was wir einmal eingespart haben, wieder aufholen können. Das wird nicht der Fall sein.
Weil wir den Haushalt insgesamt bezüglich der Eckwerte so gut im Griff haben, konnten wir uns mit diesem Haushalt bei konstanten Ausgaben einige zusätzliche Akzente leisten, die teilweise größer sind, als ich es mir vor einem Jahr vorgestellt habe.
Allein für Bildung und Wissenschaft, für die Ausbildungs- und Exzellenzinitiative stellen wir zusätzlich zu den Bundesmitteln 185 Millionen € bereit.
Das ist nicht nur der Silberzunge des amtierenden Senators für Bildung, Wissenschaft und Forschung zu verdanken, sondern das ist ein wichtiger Akzent, bei dem ich zwar erst zögerte, aber man muss auch einmal sein Herz über die Hürde werfen.
Die im Hochschulpakt getroffenen Vereinbarungen bringen bis zum Jahr 2020 1 000 zusätzliche Studienplätze. Wir werden in den nächsten Jahren kontinuierlich neue Lehrerinnen und Lehrer einstellen, und zwar 450 bis 600 jährlich. Das sind mehr, als man braucht, um den Bedarf auszugleichen. – Gib es zu, Jürgen!
Vielleicht sind es weniger, als mancher haben will, aber auch das wird dazu beitragen, dass nicht alle unsere Lehrer mit grauen Haaren durch die Gegend laufen –
[Vereinzelter Beifall bei der SPD und der Linksfraktion – Dr. Felicitas Tesch (SPD): Jawohl, so ist es richtig!]
obwohl man hier auf der Regierungsbank sehen kann, dass Grauhaarige durchaus noch ihre Leistung bringen können.