Protokoll der Sitzung vom 08.11.2007

Nun zur Beantwortung Ihrer Fragen im Einzelnen: In der Frage 1 fragen Sie nach Maßnahmen anderer europäischer Städte. Ich gehe davon aus, dass auch die FDP damit einverstanden ist, wenn ich nur einige Beispiele und nicht alle Maßnahmen aller anderen europäischen Städte aufzähle. Stockholm, Göteborg und Malmö haben Umweltzonen für Lkw älter als acht Jahre oder ohne Partikelfilter. In London gilt bereits die City-Maut, und es wird ab Februar 2008 eine Niedrigemissionszone – eine Umweltzone – für Lkw, Busse und Taxis im gesamten Stadtgebiet geben. In Rom gibt es eine Umweltzone für Diesel Euro 2 bei hohen Luftbelastungen und Fahrverbote abwechselnd für gerade und ungerade Kennzeichen bei hohen Luftbelastungen. In Kopenhagen gilt Partikelfilterpflicht. In Madrid gibt es eine Umweltzone in der Innenstadt ab 2008, allerdings nur für Euro 1. In Athen gibt es Fahrverbote abwechselnd für gerade und ungerade Kennzeichen bei hohen Luftbelastungen.

[Daniel Buchholz (SPD): Das wäre etwas für die FDP!]

In Ihrer zweiten Frage gehen Sie der Wirkung möglicher Maßnahmen nach, und in Frage 6 fragen Sie nach Alternativen zur Umweltzone. Eine verbesserte Motortechnik trägt zur Reduzierung der Feinstaubbelastung und insbesondere der Belastung durch karzinogene Dieselrußpartikel bei. Also ist die effektivste Maßnahme die Verpflichtung der Automobilindustrie, saubere Fahrzeuge zu bauen. Hier verweise ich auf die aktuelle Diskussion auf EUEbene und die nicht besonders hilfreiche Rolle, die das Autoland Deutschland dabei spielt.

Diese Regelungen wirken allerdings zukünftig. Wenn wir jetzt etwas für den Gesundheitsschutz der Menschen tun wollen, dann müssen wir uns auch darüber hinausgehende ordnungsrechtliche Maßnahmen einfallen lassen.

[Beifall bei der Linksfraktion – Beifall von Daniel Buchholz (SPD)]

In den 80er und 90er Jahren hat die Modernisierung der Großfeuerungsanlagen und die Umstellung der Heizungen von Kohle auf moderne Brennstoffe zu einer deutlichen Verbesserung der Luftqualität geführt. Wintersmog war früher in aller Munde und ist heute kein Thema mehr. Es ist im Übrigen in Modellversuchen auch geprüft worden, inwieweit eine intensivere Straßenreinigung das Problem

zumindest reduzieren könnte. Man hat dort aber keinen Effekt festgestellt.

Vorhin ist die Silbersteinstraße erwähnt worden, die außerhalb der künftigen Umweltzone liegt. Hier gilt ein Lkw-Durchfahrverbot. Diese Maßnahme ist erfolgreich, und wir haben dort eine Reduktion der Feinstaubbelastung um 3 bis 4 Mikrogramm pro Kubikmeter festgestellt. Allerdings führt diese Maßnahme nur zu einer Verlagerung der Belastung. Das muss uns klar sein, und das ist der Unterschied zum Konzept der Umweltzone.

Eine überdurchschnittliche Modernisierung großer Flotten ist selbstverständlich eine sinnvolle Ergänzung zur Umweltzone. Auch das Bauen von Ortsumfahrungen wäre als Alternative denkbar. Dies kann allerdings nur für kleinere Städte wie Helmstedt, Grünwald oder Hannover ernsthaft geprüft werden. Für Berlin ist es keine Option. Wir haben eine vergleichbare Maßnahme im Stadtentwicklungsplan Verkehr, und zwar das Konzept der tangentialen Ableitung. Der Stadtentwicklungsplan Verkehr liefert also auch einen wichtigen, wenn auch nicht ausreichenden Beitrag zur Feinstaubreduzierung.

In Ihrer Frage 3 fragen Sie nach Erfahrungen anderer Städte. Es gibt bisher kaum praktische Erfahrungen, da die Feinstaubwerte erst 2005 in Kraft getreten sind. Wir sind hier Vorreiter und greifen auf die europäischen Erfahrungen – wie bereits erwähnt – zurück.

In Ihrer Frage 4 wollen Sie wissen, welche Bestandteile der Umweltzone wir im Rahmen der Studien und Analysen optimiert haben. Hierzu nenne ich Ihnen die Stichworte, wo Veränderungen erfolgt sind: Abgaskriterien, Fahrzeugklassen, Größe des Gebiets, Zeitpunkt des Inkrafttretens. – Näheres können Sie wiederum dem Luftreinhalteplan, Seite A 86 f., entnehmen.

Frage 5 fragt nach der Berücksichtigung von Gutachten: Ende 2001 ist ein Messprogramm mit mehreren Universitäten und Forschungseinrichtungen initiiert worden. Teile dieses Programms kofinanziert das Bundesforschungsministerium. Eine weitere Untersuchung startete 2003. Hier sind Varianten der Umweltzone hinsichtlich ihrer umweltseitigen Wirkungen überprüft worden.

Mein Eindruck ist, dass Ihr Interesse an den Antworten begrenzt ist, aber für das Protokoll werde ich die Antworten weiter vortragen, damit Sie das dann nachlesen können.

[Heidi Kosche (Grüne): Uns interessiert das sehr, Frau Senatorin!]

Die bei dieser Untersuchung eingesetzten Simulationsmodelle kamen auch bei der Erarbeitung der Grundlagen der europäischen Strategie „Saubere Luft für Europa“ zum Einsatz. Umgekehrt sind von der EU-Kommission verwendete Daten und Prognosen auch in unsere Konzepte eingeflossen. In vielen Arbeitspapieren der EUKommission wird übrigens der Berliner Luftreinhalteplan

und auch das Konzept der Umweltzone als wegweisendes Konzept erwähnt.

Zu Frage 7: Die sichere Einhaltung der Grenzwerte interessiert Sie. Wie im Luftreinhalteplan dargestellt, ist aufgrund der komplexen Ursachen der Feinstaubbelastung keine Maßnahme allein geeignet, Grenzwerte sicher einzuhalten. Zur Umsetzung der Luftqualitätsrichtlinie müssen aber auch Maßnahmen ergriffen werden, um das Ausmaß der Überschreitung zu reduzieren. Mit der Umweltzone reduzieren wir z. B. die Zahl der betroffenen Bürger immerhin um 25 Prozent. Ich meine, das ist viel.

[Beifall bei der Linksfraktion – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

In der Frage 8 wollen Sie die Höhe der Überschreitungen und die Bedingungen, unter denen sie eintreten, wissen. Unsere Studien kommen zu folgendem Ergebnis: Trotz Umweltzone wird erwartet, dass innerhalb der Umweltzone noch etwa 25 000 bis 33 000 Anwohner von Grenzwertüberschreitungen betroffen sein werden. Im gesamten Land Berlin können es noch zwischen 64 000 und 81 000 Personen sein. Mit den Abgaskriterien der Stufe 1 – d. h. rote Plakette – wird die mittlere Emission der Fahrzeugflotte in Berlin um ca. 20 bis 30 Prozent reduziert. Diese Emissionsreduzierung lässt bei normalen meteorologischen Verhältnisse einen Rückgang von 10 bis 15 Tagen mit Überschreitung des Tagesmittelwerts zu. Zur Erinnerung: Der Grenzwert der EU liegt bei 35 Tagen.

Die Frage 9 fragt nach der Quantifizierung der gesundheitlichen Auswirkungen. Mit der Umweltzone – auch das ist bereits erwähnt worden – werden gezielt die Dieselrußemissionen reduziert. Diese ultrafeinen Partikel sind besonders gesundheitsgefährdend, weil krebserregend. Durch die Reduzierung der Dieselrußkonzentration wird gleichzeitig die Luftbelastung durch die ebenfalls krebserregenden polyaromatischen Kohlenwasserstoffe, die an den Dieselrußpartikeln anhaften, vermindert. Nach den Wirkungsstudien der Weltgesundheitsorganisation WHO und der Europäischen Kommission bedeutet statistisch die Reduzierung der mittleren Feinstaubbelastung um 1 Mikrogramm pro Kubikmeter eine Verlängerung der Lebenserwartung eines Menschen um einen halben Monat.

[Klaus-Peter von Lüdeke (FDP): Das ist genau berechnet! – Gelächter bei der FDP]

Ich finde, an dieser Stelle ist das Lachen wirklich sehr unangebracht.

[Beifall bei der SPD und den Grünen – Dr. Martin Lindner (FDP): Nein! Das ist eine lächerliche Berechnung!]

In Frage 10 wollen Sie wissen, warum wir den S-Bahnring als Geltungsbereich gewählt haben.

Diese Frage kann ich einfach beantworten. Hier wohnt mit einer Million Einwohnern eine große Zahl von Menschen auf geringer Fläche. Damit ist ein besonders hoher

Nutzen gegeben. Fast jede Hauptverkehrsstraße im S-Bahnring – und das ist das größere Problem – ist von den Überschreitungen der Grenzwerte betroffen. Der S-Bahnring ist räumlich gut abzugrenzen und hat durch die begrenzte Zahl von Über- und Unterführungen auch nur einen geringen Bedarf an zusätzlichen Verkehrszeichen. Auch dass soll man nicht unterschätzen. Im Übrigen ist es gut zu kommunizieren, weil jede Berlinerin und jeder Berliner weiß, welches Gebiet gemeint ist.

Dann fragen Sie in Frage 11 danach, wie die Räume jenseits des Geltungsbereichs durch die EU-Richtlinie betroffen sind. Die Antwort auf diese Frage ist einfach, weil die Richtlinie in gleicher Weise überall gilt.

Frage 12: Welche Maßnahmen wollen wir außerhalb des Geltungsbereichs überlegen? – Zunächst bewirkt die Umweltzone durch die Modernisierung der Fahrzeugflotten und die flächenhafte Reduzierung der Verkehrsemissionen auch eine Entlastung jenseits der Grenzen der Umweltzone. Zusätzliche Maßnahmen für ganz Berlin stehen zwar auch im Luftreinhalteplan, aber ich nenne sie noch einmal kurz: Entlastungen durch lokales Verkehrsmanagement, Förderung moderner Fahrzeugtechnik, Prüfung von Maßnahmen bei anderen Quellengruppen, z. B. Feststoffheizung, Baustaub usw.

In der Frage 13 wollen Sie wissen, ob es möglicherweise höhere Belastungen in angrenzenden Gebieten geben könnte. Sehr punktuell wurden Mehrbelastungen durch Ausweichverkehr in den Simulationen berechnet, die wir im Vorfeld angestellt haben. Diese werden jedoch auf Dauer zurückgehen, da sich langfristig alle Fahrzeughalter auf die Umweltzone einstellen werden. Zusätzlich werden dort auch Maßnahmen des Verkehrsmanagements geprüft. Die Wirkung derartiger Maßnahmen soll z. B. im Rahmen eines Modellversuchs IQ Mobility, der vom Bundesforschungsministerium gefördert wird, gezielt in der Leipziger Straße untersucht werden.

Frage 14: Wie soll die Kontrolle der Einfahrtregelung erfolgen? – Der Senat hat sich hierzu natürlich mit den zuständigen Behörden abgestimmt. Die Polizei wird die Überprüfung des fließenden Verkehrs übernehmen, sicherlich auch Schwerpunktkontrollen durchführen und künftig im Rahmen ihrer regulären Überwachungstätigkeit handeln. Es werden auch die Voraussetzungen dafür geschaffen, dass die Ordnungsämter im Rahmen der Überwachung des ruhenden Verkehrs Verstöße gegen die Umweltzone, also das Fehlen von Plakette oder Ausnahmegenehmigung, ahnden können.

Jetzt kommt die Frage 15 – wir haben es dann bald geschafft –: Wie soll die Plakettenausgabe an auswärtige Personen erfolgen? – Zur Erinnerung: Die Plakette ist bundesweit gültig. Sie ist überall in Deutschland und im Übrigen auch bei den ausländischen Dependancen von TÜV und Dekra erhältlich. Alle AU-Werkstätten bieten sie an. Allein in Berlin gibt es über 800. Auch ausländische Fahrzeuge können dort natürlich eine entsprechende

Plakette bekommen. Der Erwerb ist vor Einfahrt in die Umweltzone also problemlos möglich, vergleichbar mit der Vignettenvergabe in Österreich. Die Senatsverwaltung für Gesundheit, Umwelt und Verbraucherschutz hat – und hier noch einmal ein kleiner Werbeblock – alle Standorte der AU-Werkstätten, die in Berlin diese Plakette ausgeben, in einer interaktiven Karte ins Internet gestellt. Darüber hinaus wurde festgelegt, den Erwerb einer Plakette auch für in- und ausländische Touristen vorab durch Hotels, Gaststätten oder Gastgeber in Berlin bei Vorlage einer Kopie der Fahrzeugpapiere zu ermöglichen. Hinsichtlich der Information von Touristen und Reiseunternehmen verweise ich auf die Abstimmung mit unseren einschlägigen Tourismusgesellschaften.

Zu Frage 16: Sie wollen wissen, ob wir eine Beeinträchtigung des Tourismus sehen. Hierzu meine Antwort: Die Erfahrungen z. B. in London oder Rom zeigen, dass eine Beeinträchtigung des Tourismus durch Verkehrsbeschränkungen nicht zu erwarten ist.

Die Frage 17 gilt den volkswirtschaftlichen Kosten der Umweltzone und der Erkundigung, ob wir diese näher untersucht hätten. Das haben wir nicht getan,

[Dr. Martin Lindner (FDP): Das passt!]

weil die Grenzwerte der Luftqualitätsrichtlinie bereits unter Berücksichtigung von Kosten-Nutzen-Analysen seitens der Europäischen Kommission festgelegt wurden. Die Einhaltung der Grenzwerte bzw. die Reduzierung des Ausmaßes der Überschreitung ist zudem eine rechtlich verbindliche Anforderung. Insofern handeln wir ohne Alternative.

[Zuruf von Henner Schmidt (FDP)]

Die Frage 18 bezieht sich auf die Einbeziehung der Verbände und die Erkundigung, welche Belange diese vorgetragen haben und wie wir dem Rechnung getragen haben. Natürlich sind die betroffenen Verbände wie IHK, Handwerkskammer, Fuhrgewerbe usw. einbezogen worden, und zwar seit 2004. In einer extra zusätzlich eingerichteten Arbeitsgruppe, an der auch Hersteller von Nutzfahrzeugen und Dieselrußfiltern beteiligt waren, wurde ausführlich über die technischen Möglichkeiten und die Kosten der Filternachrüstung informiert und diskutiert. Natürlich wurde seitens der Verbände die Kostenbelastung für die Unternehmen angesprochen, um ihren Fuhrpark rechtzeitig an die Kriterien der Umweltzone anzupassen. Das ist jetzt ein wichtiger Satz, da können Sie zuhören: Dem haben wir mit dem Stufenkonzept der Umweltzone entsprochen, das Übergangsfristen zwischen zwei und fünf Jahren vorsieht. Wir gehen davon aus, dass wir damit diesem Einwand Rechnung getragen haben.

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD]

Frau Senatorin! Erlauben Sie eine Anregung?

Angesichts der Vielzahl der Fragen muss ich hier diese Fragen beantworten, und danach bin ich für Anregungen offen.

Natürlich haben Sie das Recht, weiter zu reden, über die bisherigen 21 Minuten hinaus. Aber vielleicht nehmen Sie auch zur Kenntnis, dass die Aufmerksamkeit im Plenum begrenzt ist.

[Zurufe von der Linksfraktion]

Aber fahren Sie bitte fort!

Ich bedanke mich. – Ich bin auch schon bei den Fragen 19 und 20 – ich beantworte sie zusammen –: Welcher Aufwand tritt sowohl für das Land Berlin als auch für die Bezirke auf? – Da hier nicht wirklich ein Unterschied besteht, beantworte ich die Fragen zusammen. Der Aufwand bewegt sich im Rahmen der üblichen Maßnahmen zum Verkehrsmanagement wie z. B. Parkraumbewirtschaftung. Lediglich für eine Übergangszeit wird mehr Personal in den Bezirken benötigt, um Ausnahmeanträge zu bearbeiten. Dies wird durch die dafür zu entrichtenden Gebühren abgedeckt. Die notwendigen Personalressourcen im Umfang von ca. 80 Stellen wurden den Bezirken aus dem zentralen Stellenpool zur Verfügung gestellt.

Frage 21 gilt dem finanziellen Aufwand für die Umrüstung städtischer Fuhrparks. Hier ist auch schon darauf hingewiesen worden – das haben Herr Schäfer und Frau Eichstädt-Bohlig vorhin erwähnt –: Viele Fahrzeuge des Berliner Fuhrparks übererfüllen schon heute die Anforderungen der Umweltzone, da schon frühzeitig bei der Beschaffung von Fahrzeugen hohe Umweltstandards angestrebt wurden. Die BVG rüstet z. B. schon seit Jahren ihre Busse mit Partikelfiltern aus und ist seit Langem Vorreiter in Deutschland. Über die BSR ist auch schon gesprochen worden. Die braucht keine Ausnahmegenehmigungen.

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD – Zurufe von der Linksfraktion und den Grünen]

Der finanzielle Aufwand für die Umrüstung der städtischen Fuhrparks ist daher begrenzt, allerdings auch nicht zu unterschätzen. Betroffene Fahrzeuge müssen aufgrund ihres Alters auch ohne Umweltzone in absehbarer Zeit ersetzt werden. Hier verweise ich auf die aktualisierte, ökologisch anspruchsvolle Beschaffungsrichtlinie für Fahrzeuge, die dann selbstverständlich anzuwenden ist.

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD]

Um auf die Sonderfahrzeuge zurückzukommen: Hier hat der Bundesgesetzgeber allgemein festgelegte Ausnahmen geregelt, aber natürlich gilt für die das Gleiche. Bei Nachrüstung oder Ersatzbeschaffung gilt die erneuerte Richtlinie.