Protokoll der Sitzung vom 08.11.2007

Sie brauchen doch nicht dazwischenschreien. – Ich habe gesagt: Es ist ein System, das mit einem zeitlichen Abstand immer wieder der Ergänzung bedarf, und diese Zwischenberichte liegen zwischen den jeweiligen großen Berichten, den Basisberichten. – Das macht in seiner Systematik auch Sinn, denn wir brauchen nicht halbjährlich Basisberichte, sondern wir brauchen über längere Zeiträume die Beschreibung der Tendenz der sozialen Entwicklung in dieser Stadt. Dazu soll auch eine kontinuierliche Sozialberichterstattung dienen.

Das haben wir mit diesem System erreicht, und es bedarf deshalb keiner zusätzlichen Datenerhebung, sondern vielmehr der intensiven fachpolitischen Überlegung, wie man aus diesen Daten, die man auch als Diagnoseinstrumente bezeichnen kann, Handlungsansätze für die sozialen Problemlagen dieser Stadt herausarbeiten kann. Dazu sollen diese Daten auch dienen. Wir brauchen keine Datenfriedhöfe, mit denen keiner arbeiten kann, sondern Daten, die so aggregiert sind, dass man daraus Handlungsansätze entwickeln und diese Handlungsansätze wiederum anhand der Daten, die sich daraus ergeben, überprüfen kann.

[Gregor Hoffmann (CDU): Aktuelle Daten!]

Das macht in sich Sinn und ist in sich kompatibel, und daran arbeiten wir auch.

[Gregor Hoffmann (CDU): Aber doch nicht mit Daten aus dem letzten Jahrhundert!]

Wofür brauchen wir die Daten, die wir erheben? – Bei unserem Politikansatz interessiert uns z. B. die Frage, welche Interventionen aufgrund der Datenlage sozial bedingte Ungleichheit vermindern. Herr Hoffmann! Das wäre doch einmal interessant gewesen, wenn Sie etwas dazu

gesagt hätten, welche Interventionsmöglichkeiten aus Ihrer Sicht aufgrund der Datenlage, die wir in Berlin haben, sozial bedingte Ungleichheit vermindern können. Aber jetzt haben Sie nicht einmal die Größe, zuzuhören, um danach vielleicht in einen fachlichen Disput einzusteigen.

Uns interessiert, welche Interventionen tatsächlich zu einer Vernetzung und Aktivierung der Ressourcen vor Ort führen. Dazu brauchen wir zunächst einmal nicht mehr Daten, denn die Datenlage ist vorhanden. Vielmehr brauchen wir nachprüfbare Interventionsansätze, um dann zu einem späteren Zeitpunkt anhand der neuen Datenlage festzustellen, ob diese Interventionen etwas gebracht haben. Wir müssen anhand der Daten, die wir haben, auch sozialpolitische Prioritäten setzen, und eine solche Prioritätensetzung haben wir in den letzten Jahren intensiv vorgenommen. Auch dafür sind wir von Ihnen gescholten worden – auch im Fachausschuss –, aber Sie hatten zu keinem Zeitpunkt die Größe, selbst Prioritäten zu setzen. Dann hätten Sie nämlich diese Datenlage auswerten und sagen müssen, was die gravierendsten sozialen Probleme in dieser Stadt sind und wofür wir Handlungsansätze brauchen.

[Gregor Hoffmann (CDU): Wir haben zig Anträge gestellt, die Sie alle abgelehnt haben!]

Schreien Sie nicht dazwischen! Sie können sich gern noch einmal zu Wort melden.

[Gregor Hoffmann (CDU): Sie wollen hier doch keine Vorlesung halten!]

Der Schwerpunkt sollte also sein, Daten dafür zu erheben, dass Maßnahmen für ressortübergreifende Handlungsansätze gefunden werden können, dass Prävention, Gesundheitsförderung und Empowerment gestärkt werden können und dass anhand überprüfbarer Daten auch die Wirkung solcher Instrumente nachgewiesen werden kann.

[Gregor Hoffmann (CDU): Aktuelle Daten!]

Letztendlich – das ist unser Ansatz, Herr Hoffmann! – geht es darum, diese Daten auch als Grundlage dafür zu nehmen, um Maßnahmen sozialpolitisch zu begründen und die Umverteilung von Finanzfördermitteln, die wir zur Verfügung haben, in dieser Stadt auch sozial gerechtfertigt umsetzen zu können. Also Reduzierung sozial bedingter Ungleichheit bedeutet für uns – und damit komme ich zum Schluss – Auswertung und Entwicklung von Handlungsansätzen auf der Grundlage dieser Daten. Das ist unser Ansatz, mit diesen Daten umzugehen. – Danke schön!

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD]

Jetzt hat Herr Lehmann das Wort für die FDP-Fraktion. – Bitte!

Frau Präsidentin! Meine Damen, meine Herren! Wie lange kann sich das Land Berlin Armut noch leisten? – Diese Frage habe ich bereits vor zwei Jahren gestellt und damit sehr großen Unmut bei Ihnen, Frau Knake-Werner, ausgelöst. Damals warfen Sie mir als Erstes vor, ich würde Wahlkampf betreiben. Frau Radziwill von der SPD hat sich indirekt angeschlossen und führte die Erhöhung der Mehrwertsteuer als hochgradig unsozial und als zusätzliche Belastung armer Menschen ins Feld. Nun, Frau Radziwill, war es nicht so, dass die CDU 2 Prozent und die SPD dann 3 Prozent gefordert hat? – Das Ergebnis kennen Sie und wir alle.

[Christian Gaebler (SPD): Die SPD hat das nicht gefordert!]

Nun liegt ein Antrag der CDU-Fraktion vor, der im Wesentlichen fordert, einen neuen Armutsbericht vorzulegen. Der letzte Armutsbericht stammt aus dem Jahr 2002, enthält also kaum Daten, die Ihrer Regierungsverantwortung unterliegen.

Was aber in Ihrer Verantwortung liegt, ist z. B. die Entwicklung der Arbeitslosenquote in dieser Zeit. Sie sind 2001 mit 16,1 Prozent gestartet und 2006 mit 17,4 Prozent gelandet, während die Arbeitslosigkeit in Brandenburg in dieser Zeit sogar leicht gesunken ist. Angesichts dieser Zahlen ist ein neuer Bericht längst überfällig. Wenn Sie selbst schon kein Interesse daran haben, den Ursachen auf den Grund zu gehen, haben die Bürgerinnen und Bürger dieser Stadt ein Recht darauf zu erfahren, weshalb Berlin in vielen Sachen derart schlecht dasteht.

[Beifall bei der FDP – Beifall von Gregor Hoffmann (CDU)]

Aber, verehrte Abgeordnete der CDU, Sie müssen uns und den Bürgerinnen und Bürgern auch einmal sagen, was Ihre Fraktion gegen die gravierende Armut dieser Stadt unternehmen möchte.

[Gregor Hoffmann (CDU): Ja, gerne!]

Welche Konzepte haben Sie? Mit Verlaub, die Forderung, dass dieser rot-rote Senat seinen Aktionsplan zur Armutsbekämpfung entwerfen soll, erscheint mir nicht nur sinnlos im Hinblick auf die Arbeitslosenstatistik dieser Stadt, sondern auch gefährlich. Daran wird auch eine gesicherte Datenlage wenig ändern. Die Politik dieses Senats werden wir nicht mittragen. Allein der öffentlich geförderte Beschäftigungssektor legt die Unfähigkeit des Senats zutage, wirksam etwas gegen Armut zu tun.

[Beifall bei der FDP]

An dieser Stelle erinnere ich auch gern noch einmal an die Debatte zur Kinderarmut, die wir hier geführt haben. Frau Bluhm prangerte die verkürzte Kindergeldzahlung an, da Studentinnen und Studenten aufgrund der Wartesemester erst Mitte 20 mit dem Studium beginnen. Liebe Frau Bluhm – auch wenn ich Sie im Moment nicht sehe –, unsere Antwort auf dieses Problem lautet: bessere Schulab

schlüsse durch mehr Exzellenz in der Bildung, Verzicht auf die Einheitsschule und eine auskömmliche Finanzierung verbunden mit mehr Autonomie der Universitäten.

[Beifall bei der FDP]

Es war schon immer so: Probleme haben Ursachen. Beim Thema Armut ist dieses die rot-rote Regierung.

[Beifall bei der FDP]

Und Herr Wowereit scheint auch noch stolz darauf zu sein. Solange viele Bürgerinnen und Bürger dieser Stadt arm sind, haben mehr als 450 000 Menschen, die auf Arbeitslosengeld I und II angewiesen sind, nichts davon, dass diese Stadt so sexy ist.

Man kann es in diesem Haus offensichtlich nicht oft genug sagen: Was wirksam gegen Armut hilft, sind Chancengerechtigkeit in der Bildung und die Bestreitung des eigenen Lebensunterhalts ohne staatliche Unterstützung.

[Beifall bei der FDP]

Wenn Sie endlich anfangen, das Richtige gegen Armut zu tun, sind solche Berichte überflüssig. Das heißt, Sie müssen Ihren sozialistischen Kurs ändern und für gute Bildung schon im frühkindlichen Alter sorgen. Dazu sind die Eltern nicht aus ihrer Erziehungsverantwortung zu entlasten, sondern wie Erzieherinnen und Erzieher und Lehrerinnen und Lehrer zu stärken und zu unterstützen.

[Beifall bei der FDP]

Schulen und Universitäten benötigen noch mehr Eigenständigkeit. Weiter ist ein Umdenken in der Arbeitsmarkt- und Wirtschaftspolitik erforderlich. Auch wenn Sie es nicht gerne hören und ich mich wiederhole, auch ein gering entlohnter Job ist ein Job.

[Dr. Stefanie Schulze (Linksfraktion): Man muss doch davon leben können!]

Keine Frage, dass diese Menschen zusätzliche Leistungen erhalten, wenn sie ihren Lebensunterhalt nicht decken! Aber Ihre Forderung nach Mindestlöhnen, die nicht der Produktivität entsprechen, ist Idiotie. Auch hier ist Bildung der Schlüssel. Wenn außerdem die Unternehmen von unnötiger staatlicher Gängelei befreit werden, haben sie wieder Raum, Menschen einzustellen. Für wirkliche Armutsbekämpfung gibt es also nur liberale Lösungsansätze.

[Beifall bei der FDP – Wolfgang Brauer (Linksfraktion): Aha! – Dr. Stefanie Schulze (Linksfraktion): Herr Lehmann, das glauben Sie doch selbst nicht!]

Solange Sie aber an sozialistischen Modellprojekten wie der Einheitsschule und einer Beschäftigungspolitik festhalten, die lediglich die Statistik schönt, brauchen wir diese Berichte, damit Sie und vor allem die Berlinerinnen und Berliner endlich die Folgen Ihrer Klientelpolitik aufgezeigt bekommen. – Vielen Dank!

[Beifall bei der FDP]

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Lehmann! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung an den Ausschuss für Integration, Arbeit, Berufliche Bildung und Soziales, wozu ich keinen Widerspruch höre.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 5:

II. Lesung

Erstes Gesetz zur Änderung des Berliner Ladenöffnungsgesetzes

Beschlussempfehlung GesUmVer Drs 16/0923 Vorlage – zur Beschlussfassung – Drs 16/0788

Hierzu liegt ein Änderungsantrag der Fraktion der FDP vor, Drucksache 16/0788-1.

Ich eröffne die II. Lesung und schlage vor, die Einzelberatung der zwei Artikel miteinander zu verbinden, und höre hierzu keinen Widerspruch.

Ich rufe also auf die Überschrift und die Einleitung sowie die Artikel I und II gemäß Drucksachen 16/0788, 16/0923 und 16/0788-1. Eine Beratung ist nicht vorgesehen, und ich lasse abstimmen. Wer dem Änderungsantrag der FDP Drucksache 16/0788-1 seine Zustimmung zu geben wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. – Gegenprobe! – Zustimmung war seitens der FDP. Die Gegenprobe: CDU, SPD, Grüne und Linksfraktion! Und noch Enthaltungen? – Da sehe ich keine. Damit ist der Änderungsantrag abgelehnt.

Wir kommen zur Beschlussvorlage zum Ladenöffnungsgesetz. Hierzu empfiehlt der Ausschuss einstimmig die Annahme mit Änderungen. Wer so gemäß Drucksachen 16/0788 und 16/0923 beschließen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind alle Fraktionen. Gegenprobe! – Enthaltungen? – Damit ist das Gesetz zur Änderung des Berliner Ladenöffnungsgesetzes einstimmig so beschlossen.