Das ist die Priorität der Linksfraktion unter dem Tagesordnungspunkt 33. Für die Beratung stehen den Fraktionen wie immer jeweils fünf Minuten zur Verfügung. Es beginnt die Linksfraktion. Das Wort hat die Abgeordnete Matuschek. – Bitte schön!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir legen Ihnen heute einen Antrag mit dem schlichten Titel „Grundstücksvergabe“ vor.
Verzeihung, Frau Kollegin! – Meine Damen und Herren! Auch wenn Sie den Saal verlassen, bitte ich Sie, das doch schweigend zu tun. – Bitte schön, Frau Matuschek!
Vielen Dank, Herr Präsident! – Der Titel ist schlicht und einfach, aber das Problem, das sich dahinter verbirgt, ist ein kompliziertes. Berlin hat eine reiche und lange Tradition verschiedenster Formen von Selbsthilfeprojekten. Die berühmte Hausbesetzerszene war dabei Vorreiter in wohnungspolitischer Hinsicht. Ich erinnere daran, von 1980 bis 2000 wurden fast 5 800 Wohn- und Gewerbeeinheiten, überwiegend in Altbauten, durch das Programm der wohnungspolitischen Selbsthilfe mit öffentlichen Zuschüssen und Muskelkraft dem Verfall entzogen. Weitere Projekte wurden ohne Zuschüsse, aber mit noch mehr Muskelkraft und privatem Engagement gestartet und realisiert. Berlin hat einen Ruf zu verteidigen für solche Art Projekte der Selbsthilfe und galt lange Zeit als Hauptstadt der Selbsthilfe.
Vielen dieser Projekte lag eine Handlungsmaxime zugrunde, die nicht nur das ganz private Bedürfnis nach einer Wohnung im Fokus hatte, sondern das soziale Umfeld und die Gestaltung der Wohngegend von vorneherein in das Selbsthilfeprojekt mit einbezog. Dadurch konnte ganzen Stadtteilen, hauptsächlich in Kreuzberg, später dann in Prenzlauer Berg und zum Teil in Friedrichshain, wieder eine Zukunft gegeben werden. Zwischen 2000 und 2005 wurde der Versuch unternommen, durch die Gewährung günstiger Kredite die Gründung oder Erweiterung von Wohnungsgenossenschaften in Berlin zu unterstützen, also eine andere Eigentumsform, aber mit ähnlichen Zielen. Auch diese Maßnahmen dienten dem stadtentwicklungspolitischen Ziel, Wohnen in der Stadt zu fördern, Stadtflucht zu verhindern, soziales und friedliches Miteinander zu gestalten.
Angesichts der Finanzkatastrophe Berlins und des erreichten Sanierungsstandes über den gesamten Wohnungsbestand hinweg wurden 2002 alle Programme, die eine finanzielle Förderung von baulichen Maßnahmen an privatem Wohneigentum vorsahen, eingestellt. Damit wurden leider aber auch Möglichkeiten, die in Selbsthilfeprojekten für privates und soziales Engagement steckten, überaus erschwert. Die Berliner Selbsthilfetradition lebt dennoch fort, und das ist gut so! Sie ist für Berlin nach wie vor ein Markenzeichen. Wir wollen sie im Rahmen der Möglichkeiten fördern.
Inzwischen gibt es einige gut funktionierende Projekte für gemeinschaftliches Wohnen und Arbeiten, die den heutigen und künftigen Ansprüchen einer älter werdenden Gesellschaft, den Bedürfnissen ganz spezieller Nutzergruppen mit hohen ökologischen Interessen entsprechen, die innerstädtisches Wohnen und Leben neu definieren. Ich möchte auf eine Internetseite verweisen: www.wohnprojekte-berlin.info. Dort kann man sich über 70 Projekte dieser Art im Detail anschauen.
Ich möchte aber ganz speziell auf das Projekt des Sonnenhauses in Niederschöneweide verweisen. Dort wurde in Gemeinschaft ein Haus saniert, von jungen und älteren
Menschen. Ein altes Haus wurde gekauft, saniert, eingerichtet. Es wurde eine behindertengerechte Wohnung eingebaut. Eine Jugend-WG fand dort eine Bleibe. Sie ist integriert in dieses Gemeinschaftshaus. Ein selbst betriebenes Café und ein Naturkostladen bieten Möglichkeiten für Arbeitsplätze. Dieses Projekt hat überdurchschnittliches Engagement und Durchhaltevermögen bewiesen. Es sind genau solche Projekte, die wir in der Stadt brauchen, weil sie über den privaten Tellerrand hinausschauen.
Die Schwierigkeiten, denen viele Interessenten für solche und ähnliche Projekte begegnen, sind vielfältig. Man braucht Ideen, viel Kraft, entsprechende Selbstorganisation, Geld und vor allen Dingen Grundstücke. Diese Grundstücke werden bislang im Moment über den Liegenschaftsfonds nach fiskalischem Interesse veräußert. Wir wollen gerne ein Prinzip einführen, das nicht das fiskalische Interesse überwiegt, es nicht ignoriert wird, sondern dass die verschiedenen Projektideen miteinander in Wettstreit treten. Dann sollen Grundstücke zum Verkehrswert an das beste Projekt veräußert werden.
Die Projektideen sollen also den Ausschlag geben für den Bieter, der es dann auch erwirbt. Dafür wollen wir die Voraussetzungen schaffen. Dafür müssen die Kriterien für alle Interessenten transparent entwickelt werden. Dafür muss Beratungsaufwand betrieben werden. Deswegen haben wir den Antrag so formuliert, dass wir ein solches Verfahren initiieren, zunächst mit einer Pilotphase, aber das kann nur der erste Schritt sein. Wir erhoffen uns, dass es viele Interessenten, dass es viele Projekte der Selbsthilfe in diesem Sinn der Stadtentwicklungspolitik im eigentlichen Sinn gibt, –
Ich bin beim letzten Satz. – dass der Verzicht auf potenzielle Einnahmen für den Landeshaushalt, aber Gewinn von Stadtrendite für bei der Grundstücksvergabe aus öffentlicher Hand alle Einzug hält. – Vielen Dank!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Man muss sich schon wundern, was die Koalition zur Priorität erklärt, und vor allen Dingen, welches Verständnis sie von der Arbeit des Parlaments hat. Der Senat beschließt am 18. Dezember ein „Konzept zur Grundstücksvergabe für
Baugemeinschaften im Festpreisverfahren“ und legt uns hierüber heute eine Mitteilung – zur Kenntnisnahme – vor. Die Koalition legt uns heute einen Antrag vor, in dem sie vom Senat einen Bericht fordert – der Antrag hat die vielsagende Überschrift „Grundstücksvergabe“ – über das, was der Senat im Grund schon entschieden hat. Sehr merkwürdig!
Ja, das habe ich sehr genau gelesen. Es machte den Eindruck, als hätten Sie aus der Senatsvorlage abgeschrieben. Aber gut! – Ihr Antrag, ohnehin nur ein Berichtsauftrag, ist angesichts des Senatsbeschlusses nichts weiter als ein Schaufensterantrag, über den zu reden eigentlich nicht lohnt. Aber Sie haben ihn zur Priorität erklärt, deswegen tun wir es heute.
Reden wir also zunächst über die Vorlage des Senats. Was will der Senat? – Der Senat will Grundstücke in TopLagen, in City-Lagen für Wohnungsbau zur Selbstnutzung zur Verfügung stellen, damit die Mischung aus Wohnung und Gewerbe auch in Berlins City-Lagen erhalten bleibt und sich diese Gebiete nicht zu reinen Gewerbegebieten entwickeln. Diese Grundüberlegung teilen wir.
Der Weg jedoch, wie Sie dies erreichen wollen, ist – mit Verlaub gesagt – ein wenig abenteuerlich. Es muss geprüft werden, ob dieser Weg den vergaberechtlichen und haushalterischen Vorschlägen standhält. Dass Sie das Parlament überhaupt nicht beteiligen wollen, ist ebenso wenig nachvollziehbar. Das Schlüsselinstrument der Stadtentwicklung, Herr Doering, so steht es in Ihrem Antrag, ist nicht die Vergabe landeseigener Grundstücke an bestimmte Zielgruppen, sondern es ist das kommunale Planungsrecht.
In der Gestaltung des Planungsrechts legen wir die Rahmenbedingungen dafür fest, was an welchem Ort geschieht. Die kommunale Planung gibt den Rahmen vor, an dem sich alle Investoren orientieren. Mit diesen Instrumenten entscheiden wir, ob Wohnen, Gewerbe oder andere Dinge in einem bestimmten Gebiet dominieren. Es gilt also zunächst das Planungsrecht in den Bezirken und im Senat auszuschöpfen.
Sie gehen aber einen anderen Weg. Sie nehmen Bezug auf das Hamburger Modell und wollen Vergabeverfahren so gestalten, dass eine gezielte Vergabe landeseigener Grundstücke an bestimmte Zielgruppen möglich wird. Aber die Situation in Hamburg ist eine völlig andere, und das Modell in Hamburg ist überhaupt nicht mit dem, was wir hier auf dem Tisch haben, zu vergleichen. Während in Hamburg Verträge u. a. mit Wohnungsverbänden, mit Vereinen usw. geschlossen werden und durch deutliche Auflagen – u. a. solche, die sie verpflichten, an anderer Stelle fast doppelt so viele Wohnungen auf ihren eigenen Grundstücken zu errichten – ein bestimmtes Ergebnis erzielt werden soll, nämlich die Errichtung zusätzlicher Wohnungen in der gesamten Stadt, haben wir in Berlin nach wie vor einen erheblichen Leerstand von mehr als
Ihr Vorhaben liest sich so, als ginge es einzig und allein darum, landeseigene Topgrundstücke an Ihre Klientel zu vergeben. Sicher kann man in wenigen Einzelfällen über solche Überlegungen reden. Aber dies als ein Konzept für eine Metropole wie Berlin – übrigens mit all seinen Problemen auch in wohnungspolitischer Sicht – zu verkaufen, halte ich für sehr gewagt. Ich halte es auch für unangemessen, dass Sie indirekt die Allgemeinheit, nämlich den Steuerzahler in Berlin, an diesen Vorhaben einiger Weniger beteiligen. Es ist nicht Ihr Vermögen, sondern das Vermögen der Berlinerinnen und Berliner.
Schauen wir uns einmal Ihre Zielgruppen an! Ich nehme ein Beispiel aus Ihrem Antrag. Glauben Sie wirklich daran, dass sich z. B. Selbsthilfegruppen – wie Sie im Antrag formulieren – am Gendarmenmarkt ein – wenn man das Konzept liest – trotz allem teures Grundstück kaufen, um darauf gemeinsam ein Mehrfamilienhaus zu bauen? Wo leben Sie eigentlich? – Ihre Sozialromantik ist wieder einmal höchst beeindruckend. Ein wenig mehr Realitätssinn dürfen wir auch von den linken Träumern in der Regierungskoalition erwarten. Wenn es Ihnen tatsächlich um die Schaffung zusätzlichen Wohnraums in Citylagen geht, warum reden Sie dann nicht mit den Verbänden – z. B. mit dem Bundesverband freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen oder mit anderen? – Oder Sie können das Planungsrecht nutzen. Aber warum gehen Sie diesen abenteuerlichen Weg?
Ich bin so weit fertig. – Wir werden dies im Ausschuss ausführlich beraten und haben deshalb schon im Dezember die Behandlung der Vorlage als Besprechungspunkt auf die Tagesordnung gesetzt – übrigens noch bevor wir Ihren Antrag gesehen haben. Aber folgerichtig gehört der auch in den Bauausschuss, und darüber werden wir dann ausgiebig beraten. Sie haben dann Gelegenheit, dazu Stellung zu nehmen. – Vielen Dank!
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Stadtkewitz! Jede Stadt muss ihren eigenen Weg gehen. Berlin ist eine prosperierende Stadt, auch wenn die Opposition das immer nicht wahr
haben will. Deutlich wird das an der wachsenden wirtschaftlichen Attraktivität unserer Metropole und dem damit verbundenen überdurchschnittlichen Anstieg des Erwerbspotenzials und der zusätzlichen Einkommen. Deutlich wird dies aber auch an einer steigenden Nachfrage nach Grundstücken in Innenstadtlagen – nicht nur am Gendarmenmarkt, worauf Sie sich fokussiert haben, sondern insgesamt in der Innenstadt – und an einem überdurchschnittlich entwickelten Preisniveau bei Grundstücken.
Schauen Sie – mit dem Ausschuss für Stadtentwicklung sind wir schon öfter mal in andere Metropolen gefahren – auf Paris, London, New York! Wer dort ist und beobachtet, der wird sehen, dass dort das Wohnen in der Innenstadt nur den einkommensstarken Schichten und SingleHaushalten vorbehalten bleibt. Andere Bevölkerungsgruppen – junge Familien mit Kindern, mit älteren Personen –
können an den Stadtrand ziehen. Die werden zunehmend aus den Kernbereichen der Stadt gedrängt. Diese Städte werden ärmer.
Die Attraktivität Berlins lebt von einer lebendigen Innenstadt, einer ausgewogenen Mischung von Wohnen, Arbeiten, Freizeitangeboten, von jungen und alten Bewohnern, von Kindern und manchmal auch Tieren. Es ist unser stadtentwicklungspolitisches Ziel, Herr von Lüdeke, auch zukünftig in der Innenstadt angemessene und bezahlbare Wohnungsangebote für junge bauwillige Familien mit Kindern, für Familien mit Pflege- und Betreuungsbedürftigen und auch für Interessierte an einem generationsübergreifenden Wohnen zu ermöglichen.
Dies ist eine zielgerichtete Liegenschaftspolitik und nicht eine Liegenschaftspolitik, wo nur der Markt entscheidet. Herr Stadtkewitz hat es bereits gesagt: Andere Städte sind hierbei schon weiter. – Vor dem Hintergrund des Leitbildes „Metropole Hamburg – Wachsende Stadt“ widmet die Finanzbehörde den Belangen des familienfreundlichen Wohnens besondere Aufmerksamkeit. Dies geschieht vor allem durch die Gestaltung familienfreundlicher Kriterien bei der Vergabe von Einfamilienhausgrundstücken und Wohnungsbaugrundstücken. Dabei werden geeignete Grundstücke für Baugemeinschaften ausgewählt. Durchschnittlich werden 15 Prozent aller baureifen Grundstücke für Baugemeinschaften reserviert. Bei mehreren Baugemeinschaftsbewerbungen haben Gruppen mit einem hohen Anteil der Familien Vorrang.
Wir wollen von diesen guten Erfahrungen profitieren, aber wir werden unseren eigenen Weg beschreiten. Wir fordern mit dieser Initiative den Senat auf, in enger Kooperation mit den Bezirken und dem Liegenschaftsfonds
ein Flächenportfolio für Baugruppen und andere Nutzer anzubieten und ein Konzept für qualifizierte Beratungsangebote vorzulegen.
Nach der gegenwärtigen Senatspraxis ist die Vergabe von Grundstücken des Landes Berlin durch den Liegenschaftsfonds immer noch allein durch fiskalische Aspekte bestimmt. Dies wollen wir sukzessive ändern. Das dauert eine Weile, und wir als Koalitionsfraktion verstehen uns nicht nur – wie die Opposition – als Kontrollorgan, sondern als Begleitungsorgan einer tüchtigen und erfolgreichen Senatspolitik. Fiskalische Kriterien sind sehr wichtig. Das hat auch Frau Matuschek gesagt. Sie genügen jedoch nicht, um eine nachhaltige Stadtentwicklung zu begründen. Stadtentwicklungspolitische, wohnungs- und wirtschaftspolitische Belange sollen gleichberechtigt zum Tragen kommen. Wir wollen Interessierte zu einem Wettbewerb der besten Konzepte für unsere Stadt einladen. Ich glaube, damit wird die Stadt nicht nur bunter, sondern auch schöner, wie der Regierende Bürgermeister heute Mittag gesagt hat. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!