aber die Rede trug viele konstruktive berlinfreundliche Ansätze. War und ist es wirklich klug, wie Sie jetzt reagieren? War es klug, dass Herr Sarrazin Herrn Wulff als „Großprovinzler von hinter dem Deich“ bezeichnet hat? Schafft man sich so Verbündete?
Ich hätte es anders gemacht. Ich hätte mich mit Christian Wulff über die eine oder andere Passage gestritten,
aber ich hätte die positiven Punkte in den Vordergrund gestellt. Er hat nämlich von der Faszination Berlins gesprochen, von der Attraktivität der Weltstadt, und er hat mehrfach den Anspruch Berlins auf Solidarität gewürdigt und einen nationalen Entschuldungspakt gefördert. Warum sind Sie da nicht auf ihn zugegangen und haben, anstatt ihn zu beschimpfen, gesagt: Über manche Passagen müssen wir diskutieren, aber was meinen Sie mit Entschuldungspakt? Lassen Sie uns eine gemeinsame Initiative daraus stricken! – Auf diese Art und Weise, Herr Regierender Bürgermeister, hätten Sie reagieren können.
Und wenn Sie sagen, das, was Wulff gesagt hat, sei eine Beschimpfung der Berliner mit der Subventionsmentalität, dann kann ich Ihnen nur sagen: Hören Sie einmal, was Herr Speer aus Brandenburg sagt. Er hat weitaus schärfer als Herr Wulff argumentiert. Das war keine Beschimpfung der Berliner, wie Sie es darzustellen versuchen, sondern es war Kritik am rot-roten Senat und der mangelnden Führung, die von diesem Senat in dieser Stadt ausgeht.
Ich glaube aber, dass Sie gar nicht das Interesse hatten, wirklich auf die anderen zuzugehen, sie zu gewinnen und
in langen Gesprächen zu werben zu versuchen, sondern Sie haben einen anderen Weg gewählt, nämlich den Weg, den Herr Lederer als „gallisches Dorf“ bezeichnet hat. Herr Lederer hat gegenüber dem „Tagesspiegel“ im Oktober erklärt, wir seien jetzt das gallische Dorf, einsam und frei. Das ist die Art und Weise, wie Sie versucht haben, auf Karlsruhe zu reagieren, nach dem Motto: Die ganze Welt versteht uns nicht, und nun solidarisiert euch mit Rot-Rot gegen die bösen und verständnislosen anderen.
Doch ich will Ihnen sagen, das ist ein ganz großer Fehler, dieses Bild vom gallischen Dorf und zwar aus folgenden Gründen: Wollen wir wirklich den anderen Deutschen um uns herum vorwerfen, sie seien die Römer, die ein kleines Dorf besetzen, überfallen und beherrschen wollen?
Wo sind die Asterixe? Gehen nicht zu viele Asterixe heraus aus dieser Stadt, weil die Leistungsträger sich anderswo besser fühlen?
Haben nicht zu viele Obelixe in dieser Stadt Pleite gemacht und verkaufen keine Hinkelsteine mehr, sondern beziehen Hartz IV? Vor allen Dingen aber: Wo ist der Zaubertrank, wo ist der Miraculix in dieser Stadt?
Ich glaube, es ist ein schwerer Fehler, sich auf diese Positionen zurückzuziehen und zu sagen: Wir sind das kleine, arme gallische Dorf. Nein, wir sind eine große Stadt mit fantastischen Potenzialen, und wir müssen die anderen überzeugen und mitnehmen.
Wir müssen unseren Teil leisten, um Berlin zu sanieren, dann können wir auch auf die anderen zugehen. Dann werden die anderen uns mehr noch als bisher unterstützen.
Hören Sie, was dagegen Thomas de Maiziere heute in der „Berliner Zeitung“ sagt, Herr Regierender Bürgermeister: Er warnt Sie im Namen der Bundesregierung, über Zusatzforderungen das bisherige Engagement des Bundes für Berliner Kultureinrichtungen zu gefährden. – Ich freue mich über solche Äußerungen nicht,
aber Sie sollten sie als echtes Alarmsignal empfinden und nicht hämisch darüber lachen. Es ist keine gute Botschaft, wenn sich das ganze Land mit ihrer Politik und damit leider auch mit unserer Hauptstadt entsolidarisiert. Das ist gefährlich, das wollen wir ändern.
Durch die Art Ihrer Reaktion, die Tonlage Ihrer Forderungen haben Sie Berlin geschadet und all denen, die unsere Stadt nicht besonders mögen, neue Vorwände geliefert. Sie haben die Entsolidarisierung mit unserer Hauptstadt vorangetrieben.
Ein dritter Punkt: Ich glaube, Herr Regierender Bürgermeister, dass Ihrem Senat der Kompass fehlt, dass Sie etwas von dem Koordinatensystem verrücken, das alle anderen Regierenden Bürgermeister in Berlin unantastbar als Wertsystem dieser Stadt überlebt hat.
Es gibt bei Ihnen in der Koalitionsvereinbarung eine umfangreiche Passage zum Rechtsextremismus. Das ist gut und wichtig, denn wir alle – das haben wir in einer gemeinsamen Demonstration im Märkischen Viertel gezeigt – bekämpfen jede Form von Ausländerfeindlichkeit, Rassismus und Antisemitismus. Das hat in Berlin nichts zu suchen. Da sind sich alle Demokraten dieser Stadt einig.
Warum ist Weimar zugrunde gegangen? – Nicht weil es zu viele Nazis, sondern weil es zu wenig Demokraten gab. Die, die es gab, lagen im Kampf miteinander und haben nicht geschlossen eine Einheitsfront aufgebaut.
Deshalb ist es gut und richtig, dass wir in solchen Fragen bei allem Streit an einem Strang ziehen. Die Frage ist nur: Gibt es eigentlich nur die Gefahr des Rechtsextremismus, oder hatten wir nicht einmal einen antitotalitären Konsens, der auch den Linksextremismus
Und es gibt noch eine andere Form des Extremismus, nämlich islamistischen Extremismus, den Glauben, man sollte hier die Scharia an die Stelle des Grundgesetzes setzen.
Auch diese Form des Extremismus, den Joschka Fischer „islamistischen Totalitarismus“ genannt hat, sollten wir ansprechen.
Mit knapper Not sind wir gerade einem Anschlag entkommen, bei dem ein Flugzeug über Frankfurt gesprengt werden sollte. Wir wissen doch um die Gefahr des islamistischen Extremismus und Terrorismus. Warum Sie Ihre Abwehrkräfte gegen Extremismus nur in die eine Richtung bringen und die anderen Gefahren für die Demokratie verschweigen, bleibt Ihr Geheimnis.
Ich finde es sehr richtig, dass wir gemeinsam dafür kämpfen, dass es keine No-go-Areas wegen rechtsextremen Umtrieben gibt. Aber ich möchte auch nicht, dass es Nogo-Areas irgendwo in Kreuzberg, im Wrangelkiez oder in Friedrichshain gibt,
wo Jugendliche mit Migrationshintergrund auf Polizisten einschlagen und von „Bullen“ sprechen. Auch das darf in dieser Stadt nicht passieren.
Ein vierter Punkt, Herr Regierender Bürgermeister! Sie haben ganz klar ein Wahlversprechen gebrochen. Auch das können wir Ihnen an dieser Stelle nicht ersparen. Sie haben noch wenige Tage vor der Wahl gesagt: Ich stehe nicht zur Verfügung für einen Koalitionsvertrag, in dem die Einheitsschule drinsteht.
Jetzt geben Sie 22 Millionen € dafür aus. Sie stärken nicht die Berliner Schulen und Hauptschulen in der Breite, sondern Sie machen auf Initiative der PDS bei einem neuen ideologischen Versuch mit.