Protokoll der Sitzung vom 23.11.2006

Das ist eine Vergangenheit, die nicht dadurch vergeht, dass Sie hier einfach blöde Sprüche machen.

[Stefan Liebich (Linksfraktion): Zu kurz gekommene Grüne!]

Ihr zweiter Fehler: Sie haben auf das Karlsruher Urteil ausschließlich mit Trotz und Jammern reagiert. Sie weichen den Aufgaben, die das Verfassungsgericht unserer Stadt gestellt hat, bis heute aus. Tut mir leid, Herr Müller, aber der Koalitionsvertrag enthält diese Aufgaben nicht. Frau Bluhm hat es eben mit großer Deutlichkeit dargestellt, dass sie sich diesen Aufgaben nicht stellen will, sondern dass sie erwartet, dass allein in der Verwaltung die Quadratur sämtlicher Kreise gelöst werden kann.

[Carola Bluhm (Linksfraktion): Nein! Das haben Sie vorgeschlagen!]

So kann man mit politischen Aufgaben nicht umgehen.

[Beifall bei den Grünen und der FDP]

Es ist schon ziemlich zynisch zu behaupten, man dürfe weiter Schulden machen, weil man die 61 Milliarden € sowieso nicht wegzaubern könne, und deswegen brauchten wir keinen Konsolidierungsplan für Berlin.

[Stefan Liebich (Linksfraktion): Sie hätten doch auch Schulden gemacht! Niemand kann in Berlin einen Haushalt ohne Schulden aufstellen!]

Herr Wowereit! Mama Merkel wird nicht bereit sein, das Taschengeld für Klausi zu erhöhen.

[Zurufe von der SPD und der Linksfraktion]

Das hat Herr de Maizière heute deutlich gesagt. Ich bin es allmählich leid, mit welcher Penetranz Sie immer wieder

nicht von den eigenen Aufgaben reden, sondern von den Aufgaben, die der Bund erledigen soll.

[Beifall bei den Grünen – Zurufe von der Linksfraktion]

Dieses Haus hat ein Recht darauf, dass von den Aufgaben hier geredet wird. Über die Aufgaben, die der Bund zu machen hat, wird im Reichstag geredet.

[Gelächter bei der SPD – Christian Gaebler (SPD): Das Parlament heißt Bundestag!]

Wenn Sie diese beiden Häuser ständig verwechseln, dann sind Sie hier fehl am Ort.

[Beifall bei den Grünen, der CDU und der FDP]

Der dritte Fehler, Herr Wowereit, ist dieser pflaumenweiche Koalitionsvertrag, der dieser Stadt kein Ziel gibt, keinen Leitfaden, der die Anforderungen von Karlsruhe ignoriert und ein simples Finanztableau enthält. Keine der anstehenden Aufgaben wird von Ihnen angepackt. Sagen Sie uns hier und heute, wie Sie das, was Herr Sarrazin in Klammern in das Finanztableau geschrieben hat, mit diesem Regierungsprogramm und mit dieser PDS überhaupt erreichen wollen! Ich weiß nicht einmal, ob Sie es erreichen wollen.

[Carola Bluhm (Linksfraktion): Was meinen Sie denn?]

Denn die 88 Seiten Papier sagen etwas anderes als die Klammern, die im Finanztableau stehen. Wir sind sehr gespannt, wie sie aufgelöst werden. Wir glauben nicht daran, dass Sie sie mit diesen Koalitionsfraktionen ernsthaft angehen werden. Das wird in den nächsten Jahren zum zentralen Problem Berlins werden.

[Beifall bei den Grünen, der CDU und der FDP]

Wir müssen nicht nur über Finanzen reden. Es ist eben schon deutlich geworden, was Frau Bluhm zur Bildungspolitik gesagt hat: Sie haben kein Konzept für die drängenden Probleme der Berliner Hauptschulen, stattdessen ein 22 Millionen € teures Spielzeug für Frau Bluhm. Damit werden Sie die soziale Spaltung in dieser Stadt nicht aufhalten, sondern eher noch vergrößern.

[Beifall bei den Grünen, der CDU und der FDP – Zurufe von der Linksfraktion]

Ihr Programm enthält keine Strategie für die Verknüpfung von Wissenschaft und Wirtschaft, kein Konzept für die Stärkung der Kreativwirtschaft, keine neuen Gedanken zur Gesundheitsstadt Berlin, kein Konzept für Umwelt- und Klimaschutz sowie für neue Energien in dieser Stadt. Das ist alles dürftig, weil Sie alles aus dem letzten Programm abgeschrieben haben. Wir wissen, dass Sie in den letzten fünf Jahren nichts dafür getan haben und dementsprechend in den kommenden fünf Jahren genauso wenig dafür tun werden.

[Beifall bei den Grünen – Zurufe von der SPD und der Linksfraktion]

Wir kennen die Art, wie Sie wunderschöne Worte machen, auch gerne einmal von den Grünen abschreiben, um es dann wieder in der Schublade verschwinden zu lassen.

[Gelächter bei der SPD und der Linksfraktion]

Ihr arbeitsmarktpolitisches Konzept ist auch wieder so eine Spielwiese für die PDS-Kollegen. Was nützt ein Modellprojekt für 2 500 Arbeitslose? – Wir brauchen Arbeit für 170 000 Menschen in dieser Stadt.

[Beifall bei den Grünen und der FDP – Zurufe von der Linksfraktion]

Wir brauchen vor allem das, worüber Sie nur ein paar Alibizeilen in das Programm schreiben: Ausbildung und Arbeit für die 55 000 arbeitslosen Jugendlichen unter 25 Jahren. Es ist dürftig, was Sie dazu im Programm zu stehen haben.

[Beifall bei den Grünen und der CDU – Stefan Liebich (Linksfraktion): Besser als Hartz IV!]

Das ist einer der zentralen Punkte, die in dieser Stadt gelöst werden müssen.

[Beifall bei den Grünen, der CDU und der FDP]

Es fehlt, Frau Kollegin Bluhm, in Ihrem Programm jegliche Strategie für den Fortgang der Verwaltungsreform und für die Notwendigkeit der Verwaltungsverschlankung. Wenn Herr Sarrazin sagt, 93 000 Beschäftigte ist die Zielzahl, auf die Sie hinarbeiten, dann würde ich das in Ihrem Programm gerne deutlicher dargestellt bekommen. Oder es stimmt das, was Sie eben gesagt haben, und Sie wollen an die Verwaltung überhaupt nicht heran, sondern alles so lassen, wie es ist,

[Zurufe von der Linksfraktion]

und die übliche PDS-Besitzstandswahrung über die nächsten fünf Jahre fortschreiben.

[Zurufe von der Linksfraktion]

Dasselbe gilt für die öffentlichen Betriebe. Sie setzen auf ein schlichtes „Weiter so“.

[Uwe Doering (Linksfraktion): Was würden Sie denn machen?]

Sie geben dazu passend – gerade in den letzten Tagen – die geschönten Bilanzen heraus, um die Probleme der städtischen Unternehmen zuzudecken, weil Sie die nächsten fünf Jahre am liebsten wieder weiter so machen wollen, nämlich nichts tun, damit die Schulden dort massiv anwachsen können.

[Zurufe von der Linksfraktion]

Stichwort BVG! Wir kennen das. Das Ganze nennen Sie dann ein Programm der sozialen Gerechtigkeit.

[Ja-Rufe von der Linksfraktion]

Ich sehe die soziale Gerechtigkeit in Ihrem Programm nicht.

[Uwe Doering (Linksfraktion): Das glaube ich!]

Ich sehe sehr viel Abschirmung von rot-roten Interessen. Ich kann aber keine soziale Gerechtigkeit erkennen, wenn die Wohnungsmieten gerade bei den städtischen Unternehmen schon wieder steigen, wenn die Sozialmieten über den ortsüblichen Vergleichsmieten liegen, wenn die BSR die Gebühren erhöht, die BVG 10 % Tarifsteigerung fordert, die Wasserpreise Herrn Wolf zuliebe hochgetrieben werden sollen. All das nennen Sie soziale Gerechtigkeit.

[Beifall bei den Grünen – Zurufe von der Linksfraktion]

Das ist Politik auf dem Rücken der Bürgerinnen und Bürger Berlins im Interesse der öffentlichen Unternehmen und im Interesse der Verwaltung.

[Beifall bei den Grünen]

Das ist eine Schieflage, die für Berlin schädlich ist. Es geht um ein solides soziales Austarieren zwischen den Notwendigkeiten der Unternehmen und der Verwaltung auf der einen Seite und den Bedürfnissen der Bevölkerung auf der anderen Seite. Das machen Sie gerade nicht.

[Beifall bei den Grünen, der CDU und der FDP – Zurufe von der Linksfraktion]