Wie, richtig? Da versuchen Sie, alle für dumm zu verkaufen! Sie wissen genauso wie alle hier im Raum, dass die Tarifbindung nachlässt. Nur noch 68 Prozent der Beschäftigten in Westdeutschland und 53 Prozent der Beschäftigten in Ostdeutschland erhalten tarifgebundene Löhne.
[Dr. Martin Lindner (FDP): Für die Friseusen haben das doch die Gewerkschaften vereinbart! – Senatorin Dr. Heidi Knake-Werner: Friseurinnen inzwischen!]
Allen anderen nützen Tarifverträge nichts, denn sie profitieren nicht von Tarifverträgen. Sie brauchen einen gesetzlichen Mindestlohn, damit ihre Arbeit existenzsichernd wird und bleibt.
Und jetzt kommt noch etwas, Herr Lindner! Sie blenden auch die Realität von Tariflöhnen aus! Diese sind heute leider kein Garant mehr dafür, dass die Löhne existenzsichernd sind.
Deshalb brauchen auch die nach Tarif bezahlten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer einen gesetzlichen Mindestlohn. Ein gesetzlicher Mindestlohn würde die unterste Grenze abbilden. Geringere Löhne dürfte es nicht geben.
Und jetzt kommen wir zu den Tarifverträgen. Natürlich könnte es Tarifverträge geben, die einen Lohn oberhalb des Mindestlohns festlegen. Das würden die Tarifpartner aushandeln. Deshalb, Frau Kroll, verstehe ich nicht, wie Sie darauf kommen, dass die Tarifautonomie ausgehöhlt würde. Das würde sie natürlich nicht.
Dass Mindestlöhne kein Jobkiller sind, haben viele meiner Vorrednerinnen und Vorredner schon deutlich gemacht. Das zeigen die Erfahrungen in den anderen europäischen Ländern. Mindestlöhne und ein gesetzlicher Mindestlohn sind gesellschaftlich und sozialpolitisch vernünftig und auch notwendig,
Das können Sie an den Erfahrungen anderer europäischer Länder sehen. Sie können jetzt Nein sagen, aber vielleicht werden Sie es mir irgendwann im Ausschuss erklären, warum das nicht stimmt. – Eins ist klar: Aus der Position meiner Fraktion, ergibt sich – das wird Sie von der FDP aber auch nicht überraschen –: Wir werden Ihrem Antrag nicht zustimmen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben in diesem Haus schon häufig über dieses Thema gesprochen. Eigentlich sollten die Positionen ausgetauscht sein. Dass die Probleme groß sind, ist hier schon gesagt worden. Ich will nicht alle Argumente wiederholen, die für einen gesetzlichen Mindestlohn sprechen.
Die FDP wollte es mit ihrer Großen Anfrage noch einmal ganz genau wissen und hat sich wieder einmal ihre ideologische Brille gegen den Mindestlohn aufgesetzt. Sie wollte zeigen, dass überall da, wo Mindestlöhne gezahlt werden, Wirtschaftswachstum gering und die Arbeitslosigkeit hoch sei. Doch von den Ergebnissen wollen Sie nichts mehr wissen, weil Sie Ihnen nicht mehr passen, meine Herren und die Dame von der FDP, denn das Bild ist ein ganz anderes.
Die Zahlen aus Großbritannien und Irland – die Sie nun einmal abgefragt haben – zeigen, dass Wirtschaftswachstum, geringe Arbeitslosigkeit und Mindestlöhne sich nicht ausschließen. Es hat dort keinen massiven Preisanstieg gegeben, sogar die Schwarzarbeit ist eher zurückgegangen. Das sagt Ihnen nicht der Senat, dem müssen Sie auch nicht immer glauben, sondern die renommierte London School of Economics. Warum soll das alles nicht in Deutschland auch gehen? – Weil Sie vielleicht nicht wollen, Herr Lehmann, Herr Lindner?
Kennen Sie eigentlich die Umfrage der „Zeit“, die vor ungefähr einem Jahr zum Thema „wer ist links?“ veröffentlicht wurde? Da haben sich nämlich 68 Prozent der FDP-Anhänger als Befürworter eines Mindestlohns geoutet.
Mit der Begleitresolution, die Sie hier heute einbringen, wird Ihre Forderung nicht besser. Sie fordern kurz und knapp ein Grundeinkommen statt eines Mindestlohns. Sie setzen hier ganz offen auf sinkende Löhne – dass der Reallohnverlust der letzten Jahre dramatisch war, wissen wir
Denn sonst propagieren Sie von der FDP gerne die radikale Steuersenkung. Wie bitte soll diese millionenschwere Lohnsubvention finanziert werden, Herr Lindner, Herr Lehmann? Heute Steuersenkung versprechen, morgen Steuermilliarden verschwenden, so ist das mit der Konsistenz der FDP!
Die eigentliche Frage ist eine moralische. Wer finanziert den Lebensunterhalt von Menschen, die regulär Vollzeit arbeiten? – Da sehe ich nicht vorrangig den Staat in der Pflicht, sondern die Arbeitgeber. Diese sind in der Pflicht, ihren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern so viel Gehalt zu zahlen, dass sie davon leben können. Die DIWStudie, die Sie hier angesprochen haben – Herr Lehmann, da sind Sie wohl über die Überschrift nicht hinausgekommen –,
sagt ganz deutlich, im Niedriglohnbereich käme es mit einem Mindestlohn zu einem substanziellen Anstieg von 30 Prozent der Bruttolöhne. Das ist doch schon einmal etwas.
Richtig ist, dass netto davon nicht mehr viel übrig bliebe. Das ist ein Problem, aber nicht wegen zu hoher Steuern. Rot-Grün hat den Grundfreibetrag für Niedrigverdiener gesenkt, Rot-Grün hat auch den Eingangssteuersatz abgesenkt. Insofern haben wir steuerlich für die Niedrigverdiener etwas getan. Aber wegen der hohen Sozialabgaben bleibt netto nicht mehr viel übrig. Da muss man mit unserem Progressivmodell herangehen. Niedriglohnverdiener sollen mit einem Progressivmodell von den Sozialabgaben entlastet werden, denn diese sind im Gegensatz zur Steuer immer pauschal und nie progressiv. Das ist tatsächlich ungerecht.
Noch ein paar Worte zum Senat, weil Sie bei der Beantwortung einiger Fragen schwach bleiben, gerade bei der Frage, warum die BIM Aufträge für 5,25 € die Stunde vergibt. Da bringen Sie die übliche Rechtfertigung, man wisse nicht so genau, wer im Land Berlin was vergebe, das habe man nicht richtig im Griff. – Ich weiß, dass sich diese Debatte durch das EuGH-Urteil über die Tariftreue ein Stück weit erledigt hat, aber dass dies die richtige Begründung der Linkspartei war, den EU-Reformvertrag abzulehnen, das wage ich zu bezweifeln
Denn dieses Eu-GH-Urteil, das Ihnen nicht und auch uns nicht gefällt, Herr Wolf, basiert gerade auf dem Status quo der EU. Diesen Status quo behält man bei, wenn man nicht für den EU-Reformvertrag stimmt. Da bekommt man nichts Besseres, sondern nur den ungenügenden IstZustand.
Als progressive Partei, Herr Albers, ist die Linkspartei gerade nicht bekannt. Der Parteienforscher Franz Walter – man kennt ihn ja – sagt völlig zu Recht, dass die Linkspartei das erste politische Vorhaben sei, das ohne den Zauber jugendlichen Fortschrittswillens auskomme. Das ist richtig, das hat der Parteitag der Linkspartei in Cottbus ganz eindrucksvoll gezeigt.
[Uwe Doering (Linksfraktion): Der nächste Quatsch! – Zurufe von Dr. Gabriele Hiller (Linksfraktion) und Dr. Wolfgang Albers (Linksfraktion)]
Und Herr Wolf, bei allen Ihren Umarmungsversuchen nach dem Motto „wir alle gemeinsam für den Mindestlohn“ kann ich Ihnen nur sagen, mit Bundesratsentscheidungen und Parteitagen wie die in der letzten Woche sind Sie im Bund nicht regierungsfähig, meine Damen und Herren von der Linkspartei. Mit solchen Auftritten wie letzte Woche verhindern Sie, dass irgendwann eine handlungsfähige Mehrheit im Bundestag den Mindestlohn beschließt.
Vielen Dank! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Große Anfrage ist damit beantwortet und besprochen.
Zum Antrag Drucksache 16/1415 empfiehlt der Ältestenrat die Überweisung federführend an den Ausschuss für Integration, Arbeit, Berufliche Bildung und Soziales und mitberatend an den Ausschuss für Wirtschaft, Technologie und Frauen, wozu ich keinen Widerspruch höre.