Protocol of the Session on November 13, 2008

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Meine Damen und Herren! Ich eröffnet die 37. Sitzung des Abgeordnetenhauses von Berlin und begrüße Sie, unsere Gäste, die Zuhörer sowie die Medienvertreter sehr herzlich.

Vor Eintritt in die Tagesordnung habe ich Geschäftliches mitzuteilen. Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat folgende Anträge zurückgezogen: „Kein Wildwuchs rund um das Humboldt-Forum“ Drucksache 16/0697, der am 05. Juli 2007 federführend an den Ausschuss für Stadtentwicklung und Verkehr sowie an den Ausschuss für Kulturelle Angelegenheiten überwiesen worden ist, außerdem: „Autoverkehr bei Sanierung der SpandauerDamm-Brücke in beiden Richtungen aufrecht erhalten“ auf Drucksache 16/1243, am 13. März 2008 an den Ausschuss für Stadtentwicklung und Verkehr überwiesen, und „Biologische Vielfalt (Biodiversität) auch in Berlin sicherstellen“ auf Drucksache 16/1461, der am 29. Mai 2008 federführend an den Ausschuss für Stadtentwicklung und Verkehr sowie an den Ausschuss für Gesundheit, Umwelt und Verbraucherschutz überwiesen worden ist.

Am Montag sind folgende vier Anträge auf Durchführung einer Aktuellen Stunde eingegangen.

1. Antrag der Linksfraktion und der Fraktion der SPD zum Thema: „Perspektiven der Berliner Wirtschaft – Beschäftigung sichern, Klein- und Mittelstand unterstützen“,

2. Antrag der Fraktion der CDU zum Thema: „BVGPersonal schutzlos, Fahrgäste gefährdet – Senat leistet nichts für sichere öffentliche Verkehrsmittel!“,

3. Antrag der Fraktion der Grünen zum Thema: „Tarifkonflikt schnell beilegen – beide Seiten müssen sich bewegen“,

4. Antrag der Fraktion der FDP zum Thema: „Mittelstandsfeindliche Zone: Die Umweltzone schadet Autofahrern und Unternehmen und nützt der Umwelt nicht.“.

Zur Begründung der Aktualität rufe ich nun die SPD und die Linksfraktion auf – Herr Kollege Gaebler für die SPD-Fraktion. – Bitte schön, Herr Gaebler!

Vielen Dank! – Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben als Koalition das Thema „Perspektiven der Berliner Wirtschaft“ beantragt. Wir wollten über Konjunkturprogramme und Ähnliches reden. Ich denke aber, dass wir uns in den vergangenen Wochen sehr intensiv mit der Frage des Tarifkonflikts im öffentlichen Dienst auseinandergesetzt haben. Da gibt es aktuelle Entwicklungen, die es uns gut anstehen lassen, hier heute aktuell

darüber zu diskutieren, uns darüber auszutauschen und uns informieren zu lassen. Deswegen ziehen wir unseren Antrag zur Aktuellen Stunde zurück, schließen uns dem der Grünen an und empfehlen Ihnen, das auch zu machen, vielleicht auch ohne Begründung, damit wir uns die Diskussion für die Aktuelle Stunde selbst aufheben. – Vielen Dank!

[Beifall bei der SPD, der Linksfraktion und den Grünen]

Danke schön, Herr Kollege Gaebler! – Für die Fraktion der CDU hat der Kollege Henkel, der Fraktionsvorsitzende, das Wort. – Bitte schön, Herr Kollege Henkel!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es vergeht kaum ein Tag, an dem nicht über brutale Übergriffe in Berlins öffentlichen Verkehrsmitteln berichtet wird. Die Zahlen zeigen, dass es sich keinesfalls um Einzelfälle handelt. Die polizeiliche Kriminalstatistik weist für den gesamten ÖPNV knapp 34 000 Straftaten aus, davon fast 4 800 Fälle von Körperverletzung. In erheblichem Maße sind auch die BVG-Mitarbeiter betroffen. 87 schwere Übergriffe auf Busfahrer hat es in den ersten neun Monaten dieses Jahres gegeben. Hier sagen wir: Jede dieser Taten ist in unseren Augen eine zu viel!

Wir müssen feststellen, dass wir es dabei mit einer neuen Intensität der Gewalt zu tun haben. Es ist erschreckend, welche Brutalität die Schläger an den Tag legen. Häufig wird ohne jeden Anlass auf Fahrgäste und Mitarbeiter eingeprügelt. Busfahrer werden bespuckt, beleidigt und geschlagen, die Taten dabei oftmals mit dem Handy gefilmt. Das ist keine oppositionelle Überzeichnung, sondern das ist bittere Realität, die auch Sie zur Kenntnis nehmen müssen.

[Beifall bei der CDU]

Die CDU wird es nicht hinnehmen, dass die öffentlichen Verkehrsmittel zu Angsträumen verkommen. Die Mitarbeiter der BVG haben einen Anspruch auf einen sicheren Arbeitsplatz, und auch die Fahrgäste dürfen auf ein Höchstmaß an Sicherheit hoffen, wenn sie einen Fahrschein lösen.

Was tut Rot-Rot, um dem Brutalisierungstrend entgegenzuwirken? – Im März, nach einer neuen Gewaltwelle, schien auch der Senat endlich aufgewacht zu sein. Eilig wurde ein Runder Tisch einberufen, um nach Lösungen zu suchen, um diese massiven Probleme in den Griff zu bekommen. Jetzt im November ist immer noch so gut wie gar nichts passiert. Ja, einige Uniformierte dürfen umsonst BVG fahren. Schon bei den Justizbediensteten ist diese Richtlinie bislang nicht umgesetzt worden, weil es an einer einzigen Unterschrift mangelt.

Der Innensenator und sein Polizeipräsident versuchen derweil, die Verantwortung abzuwälzen. Herr Körting ließ vor zwei Wochen über seinen Sprecher mitteilen, man würde die Bemühungen um mehr Sicherheit begrüßen. Das sei aber Sache der BVG. Am Montag haben Sie im Innenausschuss wieder erklärt, Herr Körting, was alles nicht geht. Die bloße Aufstockung von Personal sei keine Lösung, sagten Sie. Gebraucht würden intelligente Konzepte. Herr Körting, da kann ich nur sagen: Es ist auch Ihre Aufgabe, solche intelligenten Konzepte vorzulegen. Leider hören wir von Ihnen dazu überhaupt nichts.

[Beifall bei der CDU]

Rot-Rot lässt Fahrgäste und BVG-Mitarbeiter nicht nur im Stich, sondern fällt ihnen auch noch in den Rücken. Wenn ein SPD-Abgeordneter erklärt, die Busfahrer seien an einem Drittel der Taten selbst schuld, weil sie die Schläger provozieren würden, dann ist das der Gipfel der Unverfrorenheit. Das kann niemals eine Entschuldigung für Gewalt sein!

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Dann sind das nicht nur die falschen Antworten. Das sind Versuche, sich aus der Pflicht zu stehlen. Aber aus dieser werden wir Sie nicht entlassen.

Natürlich ist auch die BVG gefordert, bei Zuschüssen in Höhe von 250 Millionen Euro mehr für die Sicherheit von Personal und Fahrgästen zu tun. Bei den brutalen Übergriffen handelt es sich aber auch um Angriffe auf die öffentliche Ordnung, und da kann der Staat nicht einfach wegsehen. Meine Fraktion hat Ihnen Vorschläge dazu unterbreitet, was zu tun ist. Dazu gehört gut ausgebildetes Sicherheitspersonal. Wir brauchen vor allem mehr Polizeipräsenz. Wir halten es nach wie vor für einen fatalen Fehler, dass die gemischten Doppelstreifen abgeschafft wurden, weil dadurch viele Einsatzstunden weggefallen sind. Hinzu kommt: Die Ausweitung der Videoüberwachung muss zügig abgeschlossen werden. Ohne die ideologische Debatte hier im Hause wären wir heute schon ein Stück weiter, als wir es sind.

[Beifall bei der CDU]

Es kann aber nicht in unserem Interesse sein, immer nur auf Gewalt zu reagieren und die zunehmende Brutalität mit hochgerüsteten oder schwerbewaffneten Verkehrsmitteln zu beantworten. Nein! Wir müssen die Gewalt im Ansatz bekämpfen. Auch dazu haben wir Ihnen Vorschläge gemacht. So wären Beförderungsverbote erhebliche Einschnitte für die Täter und können deshalb helfen, Straftaten schon im Vorfeld zu verhindern. Zudem muss geprüft werden, inwieweit Übergriffe im Personennahverkehr über eine bundesgesetzliche Regelung gesondert bestraft werden können.

Über das Gewaltproblem und die erforderlichen Gegenmaßnahmen möchten wir heute mit Ihnen diskutieren, und wir fordern Sie auf: Legen Sie nicht länger die Hände in den Schoß, sondern handeln Sie endlich! – Herzlichen Dank!

[Beifall bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei der FDP]

Danke schön, Herr Kollege Henkel! – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat Herr Ratzmann, der Fraktionsvorsitzende, das Wort. – Bitte schön, Herr Ratzmann!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Am Montag haben wir unsere Aktuelle Stunde „Tarifauseinandersetzung beenden – beide Seiten müssen sich bewegen“ beantragt. Am Dienstag haben Senat und Gewerkschaften verhandelt. Am Mittwoch war ein Ergebnis da. Das geht doch, kann ich nur sagen.

[Beifall bei den Grünen]

Wir müssen trotzdem weiter über das Thema Tarifpolitik in dieser Stadt reden, weil das nicht das Ende aller Tarifauseinandersetzungen war. Wir alle schauen besorgt auf 2010. Dieses Thema ist und bleibt aktuell.

Ich will zu Anfang eines betonen: Das Recht, zur Wahrung und Förderung der Arbeit- und Wirtschaftsbedingungen Vereinigungen zu bilden, ist für jedermann und für alle Berufe gewährleistet. So steht es in Artikel 9, und das muss gewährleistet bleiben. Dieses Recht haben der Senat als Arbeitgeber und auch die Gewerkschaften wahrgenommen, und das darf von niemandem infrage gestellt werden.

[Vereinzelter Beifall bei den Grünen]

Aber wie dieses Recht wahrgenommen wird, das darf und muss Gegenstand von Diskussionen sein, und für den öffentlichen Dienst muss das genau hier, im Parlament, diskutiert werden. Unser Kontrollobjekt ist der Senat, und der hat sich in dieser Auseinandersetzung wahrlich nicht mit Ruhm bekleckert.

[Beifall bei den Grünen, der CDU und der FDP]

Man muss sich das alles noch einmal in Erinnerung rufen: Wir haben jetzt fast anderthalb Jahre Streik in dieser Stadt, erst bei der BVG und der Bahn und dann nahtlos in den Bereich des öffentlichen Diensts übergehend. Wir sind die Streikhauptstadt Deutschlands, und das nur, weil unser Regierender Bürgermeister auch einmal Gerd Schröder sein und Basta-Politik machen wollte. Sie haben uns, Herr Regierender Bürgermeister, mit Ihrer Haltung diesen Marathon eingebrockt: Einnahmeverluste mangels Verkehrskontrollen, Eltern, die nicht wussten, wohin mit ihren Kindern, Unterrichtsausfälle usw. Vier große Streikwellen seit Januar 2008, und dann dieses Ergebnis! Ich kann nur sagen: peinlich.

[Beifall bei den Grünen]

Aber Sie haben noch etwas ganz anderes fertiggebracht, und das haben wir in der Bundesrepublik schon lange nicht mehr gesehen: Sie haben mit Ihrer Art und Weise, Tarifauseinandersetzungen auf dem Rücken der Berliner

Bevölkerung zu führen, die Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes an den Rand des Ruins getrieben, und das ist, sage ich Ihnen, eine finstere Arbeitgeberstrategie, in Tarifauseinandersetzungen zu sagen: Streikt doch, bis ihr schwarz werdet! Wir haben sowieso die Beamten, und Geld habt ihr irgendwann auch nicht mehr! – Das ist eine Strategie, die ich in der Bundesrepublik in Tarifauseinandersetzungen schon lange nicht mehr gesehen habe.

Das geschieht bei einer Landesregierung, die sich immer als das Bollwerk gegen den Neoliberalismus preist, mit einer Linkspartei, die im Bund immer predigt: keine Angriffe auf die Arbeitnehmerrechte, alles für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, keine Kürzungen, Anhebung des Lohnniveaus! – Nichts, aber auch gar nichts haben wir von Ihren Versprechungen aus dem Bund hier im Land wiedergefunden. Ich sage Ihnen: Ihnen kann man nicht trauen!

[Beifall bei den Grünen – Zuruf von der Linksfraktion]

Vielleicht wird es ja auch einige in dieser Stadt geben, die sich darüber freuen, dass man den Gewerkschaften einmal so richtig eins übergebraten hat. Aber ich kann Ihnen nur sagen: Wir werden sie 2010 wieder brauchen, wenn wir vernünftige Tarifverträge abschließen wollen, die diesem Land eine Zukunft für seine Personalpolitik sichern. Aber nach diesem Ergebnis und Ihrem Verhalten kann man da nur schwarzsehen. Wir werden Sie genau kontrollieren. Deshalb muss man das Ergebnis heute diskutieren. – Vielen Dank!

[Beifall bei den Grünen]

Danke schön, Herr Kollege Ratzmann! – Für die Fraktion der FDP hat nunmehr der Kollege von Lüdeke das Wort. – Bitte schön, Herr von Lüdeke!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die FDPFraktion würde heute gerne mit Ihnen über Sinn und Unsinn der Umweltzone reden, diese mittelstandsfeindliche Umweltzone, die Autofahrern und Unternehmen schadet und für die Umwelt keinerlei Nutzen bringt.

[Beifall bei der FDP]

Nun haben wir angesichts der konjunkturellen Entwicklung in der Bundesrepublik zumindest auf der Bundesebene ein gewisses Umdenken zu verzeichnen. Wir stellen fest, dass Politikern plötzlich wieder bewusst wird, wie viele Arbeitsplätze in Deutschland am Automobil hängen, und insofern weichen sich auch die Fronten bei der SPD ziemlich stark auf.

Heute ist beschlossen worden, die Kfz-Steuer für Neuwagen für das nächste halbe Jahr nicht mehr zu kassieren. Da hatten einige von der SPD schon wieder Bauchschmerzen, dass das auch größere Wagen betreffen könnte, zum Beispiel einen Porsche Cayenne und was alles so

herumfährt. Ich sage Ihnen: Auf diese Steuer zu verzichten, verkauft nicht einen Porsche Cayenne mehr. Denn das, was Sie an Kfz-Steuer erlösen und worauf Sie jetzt verzichten, deckt gerade die Überführungskosten für so einen Porsche Cayenne. Mehr ist das nicht.

[Beifall bei der FDP – Zuruf von der Linksfraktion]