Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 48. Sitzung des Abgeordnetenhauses von Berlin und begrüße Sie, unsere Gäste und Zuhörer sowie die Medienvertreter sehr herzlich.
Bevor wir die Tagesordnung eintreten, habe ich wieder die Freude, Kinder im Umkreis des Abgeordnetenhauses zu begrüßen. Frau Susanne Kitschun hat am Dienstag einen Jungen namens Florian René entbunden. – Herzlichen Glückwunsch! Alles Gute für Mutter und Kind!
Der Kollege Lars Oberg hat am letzten Mittwoch einen Sohn namens Luan bekommen. – Herzlichen Glückwunsch! Glückwünsche an die Mutter! Glückwünsche an den glücklichen Vater!
Bei der Gelegenheit möchte ich noch sagen – weil es sich nicht allgemein herumgesprochen hat –, dass der Raum 170 heute für Mutter und Kind in Ruhe zur Verfügung steht, wenn das gewünscht wird.
Das war bei den letzten Sitzungen auch schon so, und ab nächster Sitzung wird es der Raum 174 sein, der bis dahin dann hoffentlich kindgerecht ausgestattet wird.
Im Übrigen möchte ich noch einmal auf die Regel aufmerksam machen, die das Präsidium bei dem ersten kleinen Säugling, den wir hier im Hause hatten, in der letzten Legislaturperiode beschlossen hat: Danach dürfen und müssen – wir wollen ja nicht Mutter und Säugling trennen – Kinder mitgebracht werden, aber ich bitte, in den hinteren Reihen die Nähe von Mutter und Kind zu gewährleisten und vorn nicht die Wahrnehmung der Sitzung durch die einzelnen Abgeordneten zu stören.
Dann habe ich vor Eintritt in die Tagesordnung wieder Geschäftliches mitzuteilen: Frau Abgeordnete Bilkay Öney war zuletzt fraktionslos und ist nunmehr Mitglied der Fraktion der SPD geworden.
Der Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen „Zukunftsorientierte Haushaltspolitik II: ICC sanieren“ – Drucksache 16/0304 –, überwiesen in der 8. Sitzung am 08. März 2007 federführend an den Ausschuss für Wirtschaft, Technologie und Frauen sowie mitberatend an den Ausschuss für Bauen und Wohnen und an den Hauptausschuss – wird nunmehr zurückgezogen.
1. Antrag der Fraktion der SPD und der Linksfraktion zum Thema: „Debatte um Autobahnbau in Berlin – wie geht es weiter mit der Verlängerung der A 100“,
2. Antrag der Fraktion der CDU zum Thema: „Aufgabenreduzierung, Verschwendung unterbinden, Leistungsanreize schaffen – Berlin erwartet von einem Finanzsenator mehr als die reflexhafte Erhöhung von Steuern und Tarifen“,
3. Antrag der Fraktion der Grünen zum Thema: „Offensiv für ein Europa des Klimaschutzes, der sozialen Gerechtigkeit und der neuen Arbeitsplätze!“,
4. Antrag der Fraktion der FDP zum Thema: „Das europapolitische Trauerspiel des rot-roten Senats: Klientelpolitik und kleinster gemeinsamer Koalitionsnenner statt wirkungsvoller Vertretung der Interessen Berlins.“.
Zur Begründung der Aktualität der Anträge rufe ich nunmehr SPD und Linksfraktion auf. Kollegin Haußdörfer hat das Wort. – Bitte schön, Frau Haußdörfer!
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Auch Sie kennen sicherlich den Spruch: „Hast du einen Opa, so schick ihn nach Europa!“ Dass diese ehrverletzende Redewendung nichts mit der europäischen Realität zu tun hat, wissen wir alle.
Das muss man einmal sagen. – Zudem brauchten Grüne und FDP auch ihre Aktualität im Hinblick auf die kommende Europawahl am 7. Juni nicht zu begründen. Dennoch – auch wenn sich die Koalition für ein anderes Thema entschieden hat – möchte ich Europa würdigen und dafür werben. Wir wollen ein starkes, handlungsfähiges Europa, ein soziales und solidarisches Europa. Dementsprechend kann ich hier heute nur alle Berlinerinnen und Berliner auffordern: Gehen Sie zur Europawahl, und geben Sie Ihre Stimme einer demokratischen Partei!
Aber nicht nur Europa ist aktuell, aktuell ist auch ein Thema, das in den letzten Wochen bis heute sehr stark und emotional in unserer Stadt diskutiert wird, nämlich der Weiterbau der Stadtautobahn A 100. Wir haben nicht erst an diesem Montag im Verkehrsausschuss langwierige Diskussionen zu diesem Thema geführt, sondern schon seit Jahren mit den Betroffenen, in den Fachgremien sowie in den Parteien und Bezirken in öffentlichen Runden mit den zahl- und facettenreichen Argumenten auseinandergesetzt. Da helfen auch keine pauschalisierenden Aussagen, die Aspekte einfach ausblenden, wie die der Christdemokraten, die behaupten, Autobahnbau sei gelebter Umweltschutz. Es helfen aber auch nicht unsinnige Bemerkungen und plakative Gesten wie zum Beispiel die der Grünen, das Geld könnte auch für andere Zwecke wie
Bildung oder Radwege verwendet werden, wenn man es nur wollte. Jedoch hilft eine Diskussion, die die verschiedenen Aspekte, Vor- und Nachteile, Risiken und Chancen als auch Potenziale diskutiert und bewertet.
Heute möchten wir mit Ihnen aber auch darüber sprechen, in welchem größeren Rahmen wir moderne Verkehrspolitik in der Metropole Berlin verstehen. Eine Debatte, welche alle Aspekte wie wirtschaftliche, umweltpolitische, verkehrspolitische, soziale und eben auch individuelle Gründe berücksichtigt, sich Bewertungen erlaubt und sachlich bleibt. In diesem Sinne: Diskutieren Sie mit uns, gern auch hart, aber bitte auch ebenso sachlich und am Thema orientiert! – Herzlichen Dank!
Danke schön, Frau Kollegin Haußdörfer! – Für die CDUFraktion begründet nunmehr der Kollege Goetze. – Bitte schön, Herr Goetze!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Senat hat für 2009 eine Neuverschuldung von 1,6 Milliarden Euro beschlossen, und der Finanzsenator hat für den Rest der Wahlperiode von Herrn Wowereit für 2010 2,6 Milliarden Euro und für 2011 auch 2,6 Milliarden Euro neue Schulden angekündigt. Das sind zusammen 6,6 Milliarden Euro neue Schulden in drei Jahren, und darüber müssen wir hier heute reden.
Wir hätten uns schon sehr gefreut, wenn der erste Auftritt des Finanzsenators nicht vor der IHK, sondern vor dem Hauptausschuss des Abgeordnetenhauses oder vielleicht hier im Parlament stattgefunden hätte, aber so konnten wir immerhin erfahren, dass Herr Sarrazin nur drei Grundrechenarten beherrscht und dass sein Nachfolger, Herr Nußbaum, die Planungen revidiert, die sehr optimistisch, vielleicht zu optimistisch, waren, so das Zitat von ihm.
Die rot-rote Konsolidierungsblase ist geplatzt, die Berliner sind in den nächsten drei Jahren vom Neugeborenen bis zum Greis mit 1 800 € pro Kopf neu verschuldet. Dieses Thema ist für uns daher das aktuellste.
Der mit Richtlinienkompetenz ausgestattete Regierende Bürgermeister steht in seinen beiden Amtszeiten für 25 Milliarden € neue Schulden – 7 300 € für jeden Bürger. Wenn wir gelernt haben, dass man als sozialdemokratischer Finanzsenator nur drei Grundrechenarten beherrschen muss, dann steht fest: Dieser sozialdemokratischsozialistischer Ausgleich des Haushalts hat nicht stattgefunden, Berlin ist in eine ganz tiefe Verschuldungskrise gerutscht.
Eine große Berliner Tageszeitung hat dazu gefragt: Ist das schicksalhaft hinzunehmen? – Und hat weiter ausgeführt: Von den dringlich erforderlichen Sparmaßnahmen, von strengster Haushaltsdisziplin, vom Durchforsten von in Berlin noch immer üppig fließenden Sozialprogrammen ohne gewünschte Rendite ist kaum noch die Rede. – Es wird weiter geschrieben: Droht Berlin in seinen alten Trott zu verfallen, zurück zur Politik des leichten Geldes, ohne Rücksicht auf nachfolgende Generationen? – Ja, meine sehr verehrten Damen und Herren, es droht nicht nur, sondern es findet tatsächlich statt.
Senator Nußbaum erklärt, es werde schon sehr schwer sein, den geschätzten Ausgabenzuwachs von 1,3 Prozent einzuhalten. Wozu 1,3 Prozent Ausgabenzuwachs? Die Inflationsrate liegt im Mai aktuell bei 0,0 Prozent. Von Haushaltsdisziplin also keine Rede. Nussbaum erklärt weiter: Die von Bund und Ländern vereinbarte Schuldenbremse im Grundgesetz, die ab dem Jahr 2020 das Verbot der Neuverschuldung vorsieht, ist ein ungeeignetes Instrument, sie ist ein Stück Placebo, und sie würde nicht funktionieren. Ungehemmte Weiterverschuldung, das ist das Programm, mit dem die Stadt konfrontiert ist. Wer glaubt ernsthaft noch daran, dass es eine Chance gibt, ohne radikale Einschnitte von 70 Milliarden € Schulden herunterzukommen? – Dies müssen wir aktuell besprechen!
Trotz der schwersten Wirtschaftskrise müssen die Berliner 2010 nach den Worten des Regierenden Bürgermeisters nicht mit neuen harten Sparopfern rechnen. Es gibt keine Situation, wo die Stadt auf den Kopf gestellt wird, sagt Wowereit in einem Gespräch mit der dpa. Das gilt wohl nur für die Prestigeprojekte der Genossen von SPD und Linkspartei. Es gilt erstaunlicherweise nicht für die dringend notwendige Wirtschaftsansiedlung, die uns Einnahmen und zudem Arbeitsplätze für die noch immer exorbitant hohe Zahl der Berliner Arbeitslosen verschaffen würde. Hier gilt: Lieber ein Sozialticket S finanzieren, so wie gestern im Hauptausschuss von Rot-Rot beschlossen, und dafür die Mittel aus der Wirtschaftsförderung und die Unterstützung für kleinere und mittlere Unternehmen kürzen. Das ist die völlig falsche Politik zu Lasten der Berliner Arbeitsplätze.
Der neue Finanzsenator hat uns klargemacht, dass man 2013 mit rund 70 Milliarden € Schulden für Berlin zu rechnen habe. Das ist fast vier Mal der Betrag eines gesamten Berliner Landeshaushalts. Vier Jahre Landeshaushalt als Verschuldung – wie lange wird Berlin noch Geld aus dem Bankensektor bekommen? Wie lange werden sich die günstigen Zinssätze halten? Wie lange werden die anderen Bundesländer, die in ihren Verfassungen eine Schuldenbremse einführen, Berlin noch finanziell unterstützen?
Wird der Bund trotz fehlender Schuldenbremse in Berlin tatsächlich mehr Geld in die Stadt pumpen? – Wir glauben das nicht, wir haben die Befürchtung, dass Berlin an die Wand gefahren wird und die Regierung nicht die Kraft hat, dagegenzusteuern, und deswegen ist dies für uns das aktuellste Thema. – Vielen Dank!
Danke schön, Herr Kollege Goetze! – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat nunmehr Frau Schillhaneck das Wort. – Bitte schön, Frau Schillhaneck!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Europa ist gut für Berlin, und Berlin muss gut positioniert in Europa sein. Welcher Zeitpunkt wäre besser geeignet, darüber zu debattieren, als diese Plenarsitzung – darüber zu debattieren, wie wir uns aufstellen wollen, wie wir offensiv für und um Europa streiten wollen.