Entschuldigung, Frau Eichstädt-Bohlig! Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herr Abgeordneten Liebich?
Wir können ja nachher noch ein bisschen streiten. An dem Thema werden wir noch lange und häufig streiten, so lange, bis wir diese Autobahn in der Spree erfolgreich versenkt haben.
Ja, bei dieser Entscheidung geht es wirklich um eine sehr grundsätzliche Richtungsentscheidung. Es ist tatsächlich die Frage, Kollege Gaebler, ob Berlin verkehrspolitisch fit gemacht wird fürs 21. Jahrhundert und in Richtung Nachhaltigkeit, Zukunftsfähigkeit und Klimaschutz entwickelt wird oder ob Berlin wieder Rolle rückwärts in die autogerechte Stadt des vorigen Jahrhunderts getrieben wird. Das ist die Entscheidung. Da helfen nicht schöne Worte aus dem StEP Verkehr, sondern da helfen klare Taten und klare politische Entscheidungen, und die werden von Ihnen gefordert und nicht große schwülstige Reden.
Wir sind in unserer Entscheidung völlig klar. Wir unterstützen Sie da, wo Sie leider, leider sehr, sehr selten diese nachhaltige Mobilitätspolitik aktiv vorantreiben,. Da hat ja eben auch meine Kollegin Claudia Hämmerling schon was dazu gesagt. Sie versuchen immer wieder die Rolle
rückwärts zu legitimieren und dann mit schönen Worten zu garnieren. So kann man nicht Politik machen.
Ich möchte schon ein paar Worte zu den verschiedenen Begründungen sagen, die für den Weiterbau der A 100 vorgebracht werden, denn sie sind eigentlich erstaunlich dürftig. Ich nehme mal das Erste. Ich nenne das das Junge-Reyer-Argument für mehr Lebensqualität. Also das nimmt mir immer wieder den Atem. Da wird gesagt und in dieser wunderbaren Broschüre ja auch inszeniert, wenn diese Autobahn gebaut wird, dann bringt das mehr Lebensqualität, mehr Entlastung vom Autoverkehr, ja sogar mehr Umstieg auf den ÖPNV, mehr Klimaschutz.
Sehr geehrte Frau Senatorin! Diese Argumentation ist schlicht peinlich, und sie ist sehr weit unter SPD-Niveau.
Ich glaube schon, dass es auch zynisch ist, das gegenüber den Menschen in der Beermannstraße, die zum Teil abgerissen werden soll, zu sagen, zu Menschen, die diese widerlichen Belastungen bekommen sollen, sodass überhaupt keine Lebensqualität mehr da ist. Denen wollen Sie das wirklich sagen, den Menschen in der Kiefholzstraße, in der Schlesischen Straße, in der Sonnenallee und künftig in der Frankfurter Alle auch noch den Friedrichshainern. Das ist doch absolut zynisch, mit diesem Argument in die Öffentlichkeit zu gehen. Schämen sollten Sie sich dafür!
Sie wissen es längst seit Jahr und Tag sehr viel besser, dass Sie mit vernünftigen Rad- und Fußwegen, mit vernünftigem öffentlichen Verkehr und Schienenverkehr die Lebensqualität erhöhen, aber nicht mit einem Autobahnbau. Da hilft kein einziger Meter.
Die Grünen fahren mit dem öffentlichen Verkehr zum Flughafen und warten darauf, dass der Senat für den BBI endlich eine vernünftige Anbindung plant und baut.
Das zweite Argument ist das, was vor allem die IHK vorbringt und heute auch der Kollege Ueckert von der CDU: das Wirtschaftsargument. Da sage ich Ihnen ganz deutlich: Nicht die 3,2 Kilometer neue Autobahn entlasten den Gewerbeverkehr, sondern genau das, wo Berlin in letzter Zeit schon Schritt für Schritt vorbildlich vorangegangen ist. Wir sind eine Stadt, die inzwischen 317 Autos pro 1 000 Einwohner hat, während andere Großstädte etwa 500 Autos auf 1 000 Einwohner haben. Das entlastet
die Straßen. Das bringt die Lebensqualität, die wir uns auch für Berlin wünschen und auf die wir hart hinarbeiten. Das entlastet auch gleichzeitig die Straßen für den Gewerbeverkehr, soweit er auf das Auto angewiesen ist. Deshalb kann ich nur sagen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der IHK: Unser Mobilitätskonzept ist sehr viel hilfreicher, auch für den Wirtschaftsverkehr, als jeder Meter Autobahn, der gebaut werden soll.
Dazu einen Satz, Frau Senatorin: Wenn Sie dem Güterverkehr in Berlin wirklich helfen wollen, dann kümmern Sie sich auch hier darum, dass mehr Güterverkehr auf die Schiene kommt statt auf die Straße. Das ist genau der falsche Weg, wenn es so gemacht wird, wie Sie es zurzeit wollen.
Das Dritte ist noch etwas verrückter, es ist das berühmte Gerechtigkeitsargument. Dieses Stück Autobahn brauche unbedingt der Osten Berlins, weil der Westen schon so ein Stück Autobahnring hat.
Da kann ich nur sagen: Wir haben in den vergangenen 20 Jahren schon sehr viel Aufbau Ost nach dem Prinzip Nachbau West erlebt. Das kann doch nicht wahr sein, dass man dem Osten all das zumutet, was man dem Westen schon an Lebensqualität genommen hat.
Gucken Sie sich doch den Breitenbachplatz und den Heidelberger Platz an, wie das aussieht. So kann man doch nicht für die Menschen in Ostdeutschland positive Lebensqualität definieren.
Deshalb ist das eine völlig falsche Argumentation, die keinem Bewohner von Ostberliner Bezirken hilft. Obendrein muss ich fragen: Wo bleibt denn die Nord-SüdGerechtigkeit? Heißt es dann im Endeffekt, dass wir über kurz oder lang diesem armen, unterentwickelten Norden, Reinickendorf, Pankow, Lichtenberg, Hohenschönhausen, dass wir denen endlich auch diese Autobahn bringen müssen?
Nun kommt das Konjunkturargument, die 420 Millionen Euro, die brächten eine so tolle Investitionsspritze und wunderbare Arbeitsplätze für Berlin. Da kann ich nur sagen: Erstens, selbst die derzeit angedachte Bauzeit verteilt sich auf fünf bis sechs Jahre, und zweitens: Zukunftsfähige Arbeitsplätze – das müsste inzwischen jeder hier wissen – bestehen nicht darin, große Mengen von Erde, Beton und Asphalt umzusetzen. Das ist nicht zukunftsfähig. Berlin braucht zukunftsfähige Arbeitsplätze und nicht diese Betonmischerei, die hier geplant ist.
Dann kommt das BBI-Argument. – Lieber Kollege Müller, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD! Der Tunnel in der A 113 ist immer wunderbar gesperrt oder verstopft, weil die Lkws drinnen stecken bleiben. Wieso wollen Sie dann, dass die Menschen aus dem Osten auch noch einen Autobahnanschluss haben, um in diesem Tunnel stecken zu bleiben, während es bisher jene sind, die überwiegend aus dem Westen kommen? Da muss man wirklich überlegen, ob das Argument überhaupt zieht und ob nicht der Anschluss, den wir zurzeit haben, ausreicht.
Jetzt das Wichtigste, das Versteckspiel gegenüber dem Bund: Ich wiederhole, was ich bereits im Ausschuss gesagt habe – und darauf können Sie sich verlassen, das können Sie von Ihren Kollegen selbst abfragen, Herr Kollege Gaebler oder auch Frau Senatorin Junge-Reyer –: Der Bund baut keinen Meter Autobahn, den nicht das Land plant, beantragt und einfordert.
Insofern kann sich Berlin nicht hinter dem Bund verstecken. Die Verantwortung für die Planung, für die Entscheidung, das liegt alles zu 100 Prozent bei Berlin, und der Bund nimmt der Stadt auch nicht ab, dass wir für diese Entscheidung verantwortlich sind. Da sollten Sie sich nicht verstecken.
Entschuldigung, die Argumente sind schon genügend ausgetauscht worden! Ich habe auch gar nicht gesagt, dass Sie das gesagt haben.
Die SPD hat das auch schon genügend gesagt, das ist völlig richtig. Und Sie haben es im Ausschuss gesagt, Kollege Gaebler. Also nun hören Sie aber auf!
Reden wir doch einmal Tacheles, was passiert. Richtig ist, wenn Berlin auf diesen Autobahnbau verzichtet, dann gehen die Gelder erst einmal in andere Bundesfernstraßenprojekte.
Richtig ist auch, dass sie nicht umgewidmet werden können in Bildung oder in sonstige Projekte. Aber wenn Berlin klug beraten ist und klug verhandeln würde – es hat schon bei einigen anderen Verkehrsprojekten Verhandlungen gegeben, jedenfalls ich kenne sie und habe sie miterlebt –, dann kann man sehr wohl beim Bund die Verlagerung und im Gegenzug den Gewinn von den entsprechenden Mitteln für Schienenverkehrsprojekte einhandeln und herausholen. Und um diese Aufgabe muss es gehen. Dazu fordere ich Sie auf, hier endlich aktiv zu werden. Nutzen Sie die Zeit, so lange es noch einen SPD