Protokoll der Sitzung vom 10.09.2009

Konsolidierte Staatshaushalte, das zeigt die Erfahrung, sind langfristig die besten Wirtschaftsfördervoraussetzungen.

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der Linksfraktion]

Sie alle wissen, dass ein Problem aller Haushalte aller Gebietskörperschaften die Zinsen sind. Denn die Zinsen nehmen uns die Spielräume weg, die wir für gestaltende Ausgaben dringend brauchen. Wir rechnen damit, dass bis zum Jahr 2013 die Länder insgesamt zusätzlich 20 Milliarden Euro jährlich an Zinsen obendrauf legen müssen, und zwar dauerhaft. Berlin als hochverschuldetes Land unterliegt deshalb einem extrem hohen Haushaltsrisiko, wenn sich die Zinssätze krisenbedingt erhöhen sollten. Wir wissen, dass ein Prozentpunkt derzeit Berlin 700 Millionen Euro pro Jahr mehr kostet. Das können wir dann nicht selbst steuern. Wir können zwar die Höhe der Verbindlichkeiten steuern, aber wir können nicht die internationalen Märkte und die Zinssätze steuern. Und das bedeutet sofort eine zusätzliche Herausforderung an den Haushalt, die bei weitem das übersteigt, was wir in anderen lebensnotwendigen Bereichen ausgeben.

Das Problem, das ich in diesem Zusammenhang mit der sogenannten Schuldenbremse habe, wie der Bund sie im Rahmen der Föderalismusreform II ins Grundgesetz geschrieben hat, ist, dass für mich völlig offen ist, wie die Länder in ihrer Gesamtheit dieses Ziel erreichen sollen. Wir in Berlin erhalten Konsolidierungshilfen in Höhe von netto 59 Millionen Euro pro Jahr. Das ist eine Hilfestellung, aber auch nicht mehr. Aber wir haben trotzdem mit der neuen Ausgabenlinie sicherzustellen, dass wir in Berlin die Voraussetzungen erfüllen. Ich sage in diesem Zusammenhang auch: Ich bedaure es sehr, dass in der Föderalismusreform II keine Mehrheit vorhanden war für eine wie auch immer geartete echte Generalklausel zur langfristigen Sicherung der Einnahmen der Länder oder zu einer echten Teilentschuldung für hochverschuldete Länder.

[Beifall bei der SPD, der Linksfraktion und den Grünen]

Ich möchte darauf hinweisen, dass wir in Berlin eine anders geartete Situation haben als viele andere Länder, weil wir einerseits auf einem sehr hohen Schuldenberg sitzen, andererseits aber auch 1,8 Milliarden Euro Solidarpaktmittel bis 2020 verlieren. Dazu kommt, dass wir als Stadtstaat viel höhere Sozial- und Infrastrukturkosten haben als ein Flächenland. Deshalb sage ich: Länder und Kommunen in Deutschland brauchen eine aufgabengerechte Finanzausstattung. Deshalb kann es nicht die Logik der konjunkturellen Stabilisierung sein, dass wir uns heute verschulden und morgen die notwendigen Sozialausgaben kürzen oder dass wir die Ausgaben für den Bildungsbereich, die Kultur oder für Investitionen kürzen. Wir werden niemandem verständlich machen können, wenn die Folgen der Bankenkrise sozialisiert werden, die Kosten der Sozialisierung jedoch ausschließlich der kleine Mann und die kleine Frau tragen müssen und die öffentliche Infrastruktur Schaden nimmt.

[Beifall bei der SPD, der Linksfraktion und den Grünen]

Hier ist der Bund vorrangig in der Pflicht, und zwar in einer Pflicht, die er wegen des Verbots der Neuverschuldung der Länder schon wegen des Bundesstaatsprinzips ernster nehmen muss als zuvor. Das bekannte Politikmuster, der Bund demonstriert, wie er kraftvoll und machtvoll Politik macht, und wir zahlen die Zeche und nehmen die Kredite dafür auf – das geht nicht mehr.

Andererseits müssen wir klar akzeptieren, dass die Schuldenbremse im Grundgesetz festgeschrieben ist. Damit gilt sie auch für Berlin. Das heißt, wir müssen uns darauf ausrichten. Das heißt auch, dass wir ab 2012, nach einem Nullwachstum von 2010 auf 2011, die Ausgabenzuwächse beschränken müssen. Bei der jetzt gegebenen Einnahmesituation führt das dazu, dass wir uns maximal 0,3 Prozent erlauben können. Das bedeutet auch, dass die bisherige Ausgabenlinie von 1,3 Prozent, die sich an sehr deutlich optimistischeren Einnahmeprojektionen orientierte, so nicht mehr aufrechterhalten werden kann.

[Christoph Meyer (FDP): Warum klatschen die denn nicht?]

Wir brauchen in diesen schwierigen finanzpolitischen Zeiten auch ein Stück neues Denken. Mir wird manchmal gesagt: Wie sollen wir die Probleme der Zukunft lösen, wenn wir für wichtige Politikfelder kein zusätzliches Geld mehr ausgeben können? – Ich sage Ihnen: Lasst uns doch versuchen, aus den vorhandenen Mitteln das Beste herauszuholen! Der Doppelhaushalt stellt uns immerhin gute 44 Milliarden Euro zur Verfügung, damit kann man gestalten. Und wir tun das ja auch.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Ich meine, es geht nicht darum, beispielsweise zu den über 100 000 Beschäftigten im öffentlichen Dienst schlicht noch weitere hinzuzufügen, sondern wir müssen uns mit der Frage beschäftigen: Wie setzen wir sie ein? Was können sie noch besser machen? – Und damit geht es um Qualität. Die Qualität und nicht die Quantität ist in Zeiten, in denen die Ausgabenzuwächse begrenzt sind, wichtig.

Wir sind auch nicht leichtfertig. Diese neue Ausgabelinie ergibt einen Konsolidierungsbedarf von 225 Millionen Euro im Jahr 2012. Im Jahr 2013 müssen wir das Niveau noch einmal um 25 Millionen Euro herunterfahren. Ich meine, dass das bei einem Haushalt mit einem Umfang von 22 Milliarden Euro möglich sein muss. Das ist nicht einfach, sondern schmerzhaft. Ich weiß, dass viele Ausgaben langfristig festgelegt sind. Aber wir haben die Zeit, um jetzt die notwenigen Schritte zu gehen, und wir haben die Zeit, um die dafür notwendige politische Diskussion gemeinsam darüber zu führen, wo die Schwerpunkte liegen und wo wir umschichten müssen, um uns auch in der Zukunft bewegen zu können.

Ich will es hier nur kurz darlegen: Auf der Basis dieser Ausgabenlinie stellt sich die Entwicklung im mittelfristi

gen Planungszeitraum wie folgt dar: Das Finanzierungsdefizit wird deutlich zurückgeführt, es beläuft sich ab 2013 auf rund 1,7 Milliarden Euro. Nach heutigen Erkenntnissen wird für das Jahr 2013 mit einem Schuldenstand von 69,7 Milliarden Euro gerechnet, das sind 10,5 Milliarden Euro mehr als im Jahr 2008. Die Zinsausgaben steigen um 450 Millionen Euro gegenüber dem Jahr 2008, wenn wir davon ausgehen, dass der Zinssatz unverändert niedrig bleibt. Im Jahr 2013 zahlt Berlin dann 2,7 Milliarden Euro Zinsen, das ist genauso viel, wie wir für Schulen ausgeben, und es ist fast das Doppelte des Hochschuletats.

Unsere finanzpolitische Strategie ist langfristig angelegt. Es ist klar, dass wir nicht einfach große Teile des Haushalts herausschneiden und damit ganze Politikfelder aufgeben können. Deshalb wollen wir aus dem Problem dadurch herauswachsen, dass wir die dynamischen Zuwächse begrenzen. Darauf sollten wir uns konzentrieren. Nur insoweit uns das nicht gelingt, werden wir uns von Vorhaben oder Projekten trennen müssen. Das wird dann aber auch notwendig sein.

Ich möchte in diesem Zusammenhang einige Punkte ansprechen: Ein zentrales Thema sind die Transferausgaben. Mir geht es nicht darum, Bedürftigen ihre Ansprüche zu nehmen, sondern darum, mit der Dynamik und dem Element Steuerung zu arbeiten. Ich bin der festen Auffassung, dass man oft durch einen effektiveren Mitteleinsatz, durch eine optimalere Verwendung zum Teil mit gleichviel oder manchmal auch mit weniger Geld Besseres für die Menschen herausholen kann.

Zweitens werden wir uns die Investitionsvorhaben anschauen müssen.

[Ralf Wieland (SPD): Das machen wir!]

Wir müssen stärker die Frage stellen: Bringt es dem Gemeinwesen einen Ertrag? Ist es langfristig sinnvoll? Ich sage voraus, die Sicherheit, dass die gesamte Investitionsplanung in den kommenden Jahren ausfinanziert werden kann, wird es nicht geben. Wenn wir jetzt durch das Konjunkturprogramm öffentliche Investitionen in erheblichem Umfang vorziehen, heißt das auch nicht, dass wir nach der Krise auf diesem hohen Investitionsniveau weitermachen und dann Platz ist für viele zusätzliche Projekte.

Ich sage drittens: Wir müssen weiterhin die Personalüberausstattung konsequent abbauen – allerdings nicht nach der Rasenmähermethode, sondern qualitativ. Es ist deutlich, dass der Einstellungskorridor schmal bleiben wird, ebenso wie es deutlich ist, dass für Tarifzuwächse nur ein minimaler Raum besteht.

Auch im Bereich des Kreditmanagements werde ich mir viertens die Möglichkeiten und die Optimierungspotenziale sehr genau anschauen.

[Beifall bei der SPD]

Mit den parlamentarischen Beratungen des Doppelhaushalts 2010/2011 werden politische Weichenstellungen

durch die gewählten Volksvertreterinnen und Volkvertreter vorgenommen. Ich sage, dass Politik niemals alternativlos ist. Aber die Alternativen zu den Grundlinien, die der Senat hier vorschlägt, sind schlechte Alternativen. Deshalb gehe ich davon aus, dass es in den kommenden Haushaltsberatungen nicht um Ideen für neue, zusätzliche Ausgaben gehen kann, sondern darum, wie wir umschichten und gegebenenfalls auch noch einsparen.

[Beifall von Björn Jotzo (FDP) und Christoph Meyer (FDP)]

Diejenigen, die in der parlamentarischen Sommerpause Kritik geübt und gemeint haben, wir müssten noch viel, viel mehr sparen, frage ich: Sehen Sie wirklich Spielraum dafür, mit den Gewerkschaften einen neuen Anwendungstarifvertrag zu verhandeln? Jahrelang haben die Beschäftigten in Berlin zugesehen, wie ihre Kolleginnen und Kollegen in den anderen Ländern Lohnzuwächse verbucht haben.

[Burgunde Grosse (SPD): Genau!]

Zur Haushaltssanierung war eine Absenkung für Berlin vereinbart. Dieser Vertrag läuft jetzt aus. Das kostet uns 150 Millionen Euro jährlich.

[Burgunde Grosse (SPD): Das ist auch gut so!]

Halten Sie es wirklich für realistisch, dass die Gewerkschaften sich auf eine Verlängerung einlassen?

Wenn Sie mir sagen, wie Sie eigentlich 40 000 Beschäftigte aus dem öffentlichen Dienst entlassen wollen, was einmal vorgeschlagen worden ist von der Opposition,

[Wolfgang Brauer (Linksfraktion): Das machen die eiskalt!]

wenn Sie mir sagen, in welchem Bezirksamt Sie kürzen wollen, und wenn Sie mir sagen, welche Kitas Sie unnütz finden, wenn Sie mir konkret sagen, wo Sie diese 40 000 Stellen abbauen wollen, werde ich Ihnen gern zuhören, aber ich bin mir sicher, das können Sie nicht sagen. Deshalb sollten Sie solche Forderungen sein lassen.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion – Beifall von Joachim Esser (Grüne) und Lisa Paus (Grüne)]

Der jahrelange Streit um die Bezirksfinanzen ist beendet. Wir haben die Bezirke in eine Situation versetzt, um ihre Aufgaben auch in diesen schwierigen Zeiten zu bewältigen.

[Joachim Esser (Grüne): Nee!]

Das kostet uns zusätzlich 90 Millionen Euro.

[Zuruf von Ramona Pop (Grüne)]

Wir haben erreicht, dass der Einstieg in das Thema Steuerung der Sozialleistungen vereinbart worden ist. Ich glaube, dass das für uns in den kommenden Jahren ein sehr wichtiges Thema ist, das wir sehr sensibel, aber auch konsequent angehen sollten.

Meine Damen und Herren von der Opposition! Wollen Sie uns wirklich vorschlagen, dass wir auf Mehrausgaben bei der Kinderbetreuung verzichten sollen? 97 Millionen Euro Mehrausgaben haben wir für den Bereich der Kitas eingeplant, weil wir der Auffassung sind, dass das Thema frühkindliche Bildung wichtig ist für unser Land – sowohl für Berlin

[Michael Schäfer (Grüne): Ihr verbessert sie nicht!]

als auch für die Bundesrepublik.

[Özcan Mutlu (Grüne): Qualität statt Masse!]

Statt Kindergärten zu stärken und dafür zu sorgen, dass Bildung für alle früh anfängt, diskutiert die CDU über eine Herdprämie, die an Familien gezahlt werden soll, die ihre Kinder nicht in den Kindergarten schicken. Also Mehrausgaben ohne höhere Qualität oder mehr Verbindlichkeit für den Kindergartenbesuch, der so wichtig ist, wenn man etwas für die bessere Bildung für alle tun will.

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der Linksfraktion]

Meine Damen und Herren von der Opposition! Wollen Sie wirklich sagen, dass die Hochschulverträge zu üppig für die Hochschulen gestrickt sind?

[Joachim Esser (Grüne) und Lisa Paus (Grüne): Nein!]

Und dass sie zu einer Überausstattung führen?