Wenn Sie mit den Studentinnen und Studenten, mit den Hochschullehrerinnen und Hochschullehrern reden würden, würden die Ihnen genau das Gegenteil sagen. Ich habe bei den Landesmitteln das zugestanden, was vertretbar ist – zusammen mit dem Kollegen. Die Hochschulen werden ohnehin in ein paar Jahren mit Kürzungen umgehen müssen, nämlich dann, wenn der Bund seine Programme zurückfahren wird. Wenn Sie dort Geld wegnehmen wollen, sagen Sie bitte, wie Sie das machen wollen und wo.
Mit Erstaunen habe ich zur Kenntnis genommen, dass der eine oder andere hier im Haus meint, der Senat solle eine Haushaltssperre verhängen. Ich bin absolut damit einverstanden, dass sich Oppositionsabgeordnete den Kopf des Senats zerbrechen. Aber wissen Sie eigentlich, welche Auswirkungen eine Haushaltssperre haben würde? Wollen Sie den Handwerksbetrieben sagen, dass sie jetzt doch keine Konjunkturpaketmittel erhalten?
Sollen wir den freien Trägern sagen, die häufig die Aufgaben günstiger wahrnehmen als der Staat es selbst könnte,
dass sie ihre Mitarbeiter entlassen sollen, weil wir ihnen keine Bewilligungsbescheide mehr schicken, und stattdessen nähmen wir die Aufgaben teurer selbst wahr?
Eine Haushaltssperre wirkt blind, nach dem Rasenmäherprinzip. Sie wirkt nach formalen, nicht nach inhaltlichen Gesichtspunkten. Deshalb führt sie in allen Ländern nur zu geringen Einsparungen und wird deshalb in allen Ländern kaum eingesetzt.
Sie wird vor allem eingesetzt, um ein politisches Signal zu geben, aber nicht, um effektive Haushaltseinsparungen zu erreichen.
Sollen wir das Vertrauen in die Verlässlichkeit des Staates aufgeben, dass er sich langfristig stabil verhält?
Ich bin gespannt auf Ihre Einsparvorschläge. Insgesamt freue ich mich auf die Debatte, weil es meiner Meinung nach gelingen wird, die Schwerpunkte und die Richtigkeit der Regierungspolitik deutlich zu machen. Ich möchte in diesem Zusammenhang noch einmal ausdrücklich betonen, dass die in der Koalition einvernehmlich beschlossene Anpassung der Ausgabenlinie mit der Orientierung auf das Jahr 2020 nicht bedeutet, dass wir erst im Jahr 2020 wieder einen ausgeglichenen Haushalt realisieren wollen.
Wir lassen uns Optionen offen, dieses Ziel auch früher zu erreichen. Jede vermiedene Schuldenaufnahme bedeutet vermiedene Zinsbelastungen in den Folgejahren. Jeder Steuerungserfolg bei den Transferausgaben und jeder Verbesserungsvorschlag beim Personal helfen uns beträchtlich. Ich sage allerdings auch, ob und wie weit uns ein früherer Haushaltsausgleich gelingt, hängt entscheidend von der Entwicklung der Steuereinnahmen ab. Deswegen müssen wir, nachdem wir unsere eigenen Aufgaben getan haben, auch ein Stück darauf vertrauen, dass sich die Konjunktur verbessert. Und wir müssen vor allen Dingen auch für Verbesserungen der Steuereinnahmen auf Bundesebene kämpfen. Unser Beitrag im Land Berlin kann deshalb vorrangig nur der sein, dass wir auf der Ausgabenseite mit einer klaren Linie, mit klaren Beschränkungen fahren und dass wir auch eine Beschränkung der Zuwachsraten vermeiden. Dabei müssen wir uns an den anderen Ländern, aber auch an unserer eigenen Ausgangslage messen lassen. Genau das ist das, was in der Koalition vereinbart worden ist.
Gerade heraus, verlässlich und berechenbar – das sind die Vorgaben, an denen sich die Berliner Finanzpolitik orientiert. Genau deshalb sind der Entwurf des Doppelhaushalts 2010/2011 und die Finanzplanung bis 2013 eine gute Basis für die kommenden Jahre. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
Vielen Dank, Herr Senator Dr. Nußbaum! – Für die Beratung steht den Fraktionen jeweils eine Redezeit von bis zu
20 Minuten zur Verfügung, die auf zwei Redebeiträge beliebig aufgeteilt werden kann. Es handelt sich zwar um die Priorität der Koalitionsfraktionen, aber die Geschäftsführer haben sich darauf verständigt, dass die erste Debatte der Haushaltsberatungen traditionsgemäß von der stärksten Oppositionsfraktion begonnen wird. Die hat jetzt das Wort, und zwar Herr Goetze für die CDU.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sehr verehrter Herr Nußbaum! Sie haben viele Fragen gestellt. Wir hätten uns gewünscht, dass Sie auch ein paar beantwortet hätten. Wir wollen versuchen, das nachzuholen.
Interessant wird bei der Nachbetrachtung Ihrer Rede sein, wo die Koalitionsfraktionen nicht geklatscht haben.
Das werden wir uns natürlich ganz genau anschauen. Ansonsten muss ich sagen, dass die Begründung, die Sie angeführt haben, für die derzeitige Situation der Finanzen im Land Berlin, die Wirtschafts- und Finanzkrise, nicht wirklich trägt. Wir, das Land Berlin, kofinanzieren lediglich das umfassende Investitionsprogramm des Bundes. Ein eigenes Programm des Landes Berlin, eigene Anstrengungen der Hauptstadt im finanziellen Bereich zur Bewältigung der Krise hat es nicht gegeben. Das ist bis heute ein Mangel der gesamten Senatspolitik.
Dieser Doppelhaushalt ist Senatspolitik in Reinkultur. Es ist der Senatsbeschluss, der uns hier vorgelegt wird. Der Regierende Bürgermeister, alle Fachsenatoren und der Finanzsenator müssen sich daran messen lassen, was unter der Richtlinienkompetenz von Herrn Wowereit entstanden ist, welche politischen Inhalte uns vermittelt werden. Die Zahlen allerdings – einfach nackt betrachtet – sind schon mal nicht sehr positiv. Der Senat hat im März einschließlich Konjunkturprogramm II Ausgaben und eine Personalkostenvorsorge für 2010 mit 21,7 Milliarden Euro geplant. Jetzt sind knapp 22 Milliarden rausgekommen, also 300 Millionen mehr in wenigen Monaten. Ganz schlechte Performance! Trotz der ertragsstarken Jahre ist es dem Senat nicht gelungen, die Verschuldung zu senken. Der Liquiditätsbericht, den wir gestern im Hauptausschuss besprochen haben, weist aus, dass die Verschuldung des Landes Berlin unverändert bei über 60 Milliarden liegt. Wir haben gestern auch festgestellt, dass es mindestens 200 Millionen zusätzliches Defizit im laufenden Haushalt 2009 geben kann – auch nicht gerade ein Beleg dafür, dass Sie einen erfolgreichen Konsolidierungskurs fahren. Und wir haben den schleppenden Abfluss der Konjunkturprogrammmittel, nebenbei auch noch eine Überschreitung der Transferausgaben in den Bezirken von 400 Millionen. Wenn Sie allein diese Summen für das laufende Jahr 2009 addieren, dann gehen Sie mit einer katastrophalen Abschlussbilanz in ein Jahr, wo Sie
Aber große Defizite gibt es nicht nur im Haushalt. Schauen Sie sich in Berlin um! Unsere Stadt wird erkennbar wirtschaftspolitisch weit unter Wert regiert. Allein im Industriebereich klafft laut DIW eine Lücke von 90 000 Arbeitsplätzen, und das schon seit Jahren. Verändert hat sich hier nichts. Bei der Arbeitslosigkeit ist Berlin unter Rot-Rot von Platz zwölf auf den letzten Platz abgestürzt. Der Bildungsmonitor 2009 ist eine weitere Ohrfeige für die Bildungspolitik des Senats. Wieder befindet sich Berlin auf dem letzten Platz, während die Sieger wie auch bei PISA aus Thüringen, Sachsen, Bayern, Baden-Württemberg und Niedersachsen kommen. Hierauf gibt Ihr Haushalt, hierauf gibt Ihre Politik keine Antwort.
Es reicht eben nicht, dass der Regierende Bürgermeister auf Kampagnen statt auf Konzepte setzt. Er macht PRBesuche in Industriebetrieben statt strategische Industriepolitik.
Diese Inszenierung bringt Berlin nicht voran. Dieser Senat mit Herrn Wowereit an der Spitze ist wie das Führungsversagen bei der S-Bahn:
Durch das Fahrwerk gehen viele Risse. Hier und da wird eine Schraube locker. Und nur ein Viertel ist einsetzbar. Das ist ganz schlimm.
In diesem Sinne ist der vorliegende Haushalt ein Spiegelbild der rot-roten Koalition. Er ist mutlos. Er gibt keine Antwort darauf, in welche Richtung sich Berlin entwickeln soll. Und er geht an den Problemen der Stadt vorbei. Die entscheidenden Fragen sind nicht beantwortet: Wie schaffen wir es, gestärkt aus der Finanzkrise hervorzugehen und uns im Wettbewerb der Bundesländer optimal zu positionieren? Wie wollen Sie Berlin für den Wegfall der Solidarpaktmittel und die Einführung der Schuldenbremse bis 2020 rüsten? Wie wollen Sie das Ziel eines ausgeglichenen Haushalts aufrechterhalten und erfüllen? Die Fragen, sehr verehrter Herr Nußbaum, sind ja fast identisch, aber Sie als Regierung haben primär die Aufgabe zu beantworten, wie Sie das hinkriegen wollen, nicht wir.
Mir scheint, Sie haben sich von den entsprechenden Zielen schon längst verabschiedet. Stattdessen setzt Berlin die rot-rote Verschuldungspolitik der letzten Legislaturperiode fort. Auch der Doppelhaushalt 2010/2011 ist durch ein verfassungswidriges Überschreiten der Verschuldungsgrenze gekennzeichnet. Anstatt die dringend not
wendige Konsolidierung vorzunehmen, erhöht der Wowereit-Senat die Ausgabenlinie um 3,1 Prozent bei einer Inflationsrate von 0 Prozent, und da ist das Konjunkturpaket schon herausgerechnet. Sie wollen lieber heute Ihre Klientel bedienen, als an künftige Generationen zu denken. Wenn das ein Mentalitätswechsel sein soll, dann kann Berlin gerne darauf verzichten.
Der Finanzsenator sagt, es gibt einen Konsolidierungsdruck. Das hat er heute noch mal wiederholt. Aber in seiner Finanzplanung lässt sich lesen, wie der Senat mit dem Problem umgehen will. Da heißt es: „Der sich hieraus ergebende Handlungsbedarf wird mit der Aufstellung des Doppelhaushalts 2012/2013 umgesetzt.“ – Im nächsten Jahr noch mal 3,1 Prozent plus, der Schluck aus der Pulle, dann Wahlkampf und dann soll ein nachfolgender Senat erst mal richten, was Sie hier verbockt haben. Wir sind mit Ihnen ganz sicher, dass Sie damit nichts mehr zu tun haben werden.
Die Herausforderungen und Lasten einfach an die nächste Regierung weiterzugeben, obwohl es heute den Erkenntnisgewinn gibt, wie wir ja gerade vorhin gehört haben, das ist schon eine massive Verantwortungslosigkeit.
Da sind Einsparungen, aber auch Mehreinnahmen dabei. – Herr Finanzsenator! Da kann ich Ihnen auch gleich etwas für Ihr Haus mitgeben: Die Finanzverwaltung fährt die Finanzämter mit einer Zielgröße von 90 Prozent des Personaletats und der Beschäftigten. Wir wissen alle, dass dem Land Berlin dadurch hohe Steuereinnahmen verloren gehen und dass auch das Gerechtigkeitsgefühl unter den Steuerzahlern massiv darunter leidet, wenn es keine ausreichenden Prüfungen gibt und wenn in den Finanzämtern viel zu lange an den Vorgängen gearbeitet wird. Wir wissen, dass jeder Finanzbeamte ein Vielfaches seiner Kosten einspielt. Allein da könnten Sie mit einem Federstrich als verantwortlicher Senator für zusätzliche Einnahmen sorgen. Machen Sie das als einen ersten Schritt hin zu einer echten Glaubwürdigkeit!
Es gibt genug Klientelprojekte, die den Interessen der Koalition dienen, aber nicht den Interessen und Prioritäten unserer Stadt. Der öffentlich geförderte Beschäftigungssektor – eine rein Berliner Erfindung – und die Einheitsschule sind teuer, aber untaugliche Versuche der Linkspartei, sich zu profilieren. Dagegen fehlen zum Beispiel Lehrer für den Regelunterricht in den Schulen. Ich sattele doch nicht auf einer speziellen Schulform auf, während mir in allen Gremien nachgewiesen wird, dass wir überall in der Stadt Stundenausfälle und fehlende Lehrerstunden haben. Diese speziellen Projekte für eine kleine Partei aus