Protokoll der Sitzung vom 10.12.2009

Das sehe ich genauso.

[Beifall bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei der FDP]

Wie wenig Vertrauen muss noch zwischen den einstigen Partnern herrschen, wenn man nicht einmal mehr in der Lage ist, Konflikte hinter verschlossenen Türen auszutragen? Der SPD-Fraktionsvorsitzende und der Wirtschaftssenator führen sich öffentlich im Plenum vor. Frau JungeReyer hat mit Rücktrittsforderungen aus den eigenen Reihen zu kämpfen. Finanzsenator Nußbaum und der SPD-Chef streiten sich um die Abschaffung des Solidaritätszuschlags, und Herr Müller findet nicht einmal für seine, wie sich finde berechtigte, Kritik am öffentlichen Beschäftigungssektor Bestätigung in seiner Fraktion. Und wenn der Innensenator einmal ausspricht, was die Menschen in unserer Stadt schon lange über den linken Extremismus denken, dann giftet der Kollege Lederer sofort zurück. Das ist keine Regierung mehr, sondern eine völlig zerrüttete Beziehung, bei der jeder Partner nur zu bequem ist, endlich seine Sachen zu packen und zu gehen.

[Beifall bei der CDU]

Ihre Misserfolge häufen sich. Von Ihrem angekündigten Mentalitätswechsel ist nichts übrig geblieben. Das hat sich ganz besonders bei Ihrem letzten Versuch gezeigt, sich die Stadt zur Beute zu machen. Die Personalie Dunger-Löper für die Spitze des Landesrechnungshofes war eine Provokation des Parlaments, war eine unsägliche Filzentscheidung. Sie durften mit dieser Skrupellosigkeit nicht durchkommen und sind es zum Glück auch nicht.

[Beifall bei der CDU und der FDP – Beifall von Astrid Schneider (Grüne)]

Der gescheiterte Mentalitätswechsel zeigt sich auch am Haushalt selbst. In Ihrer Amtszeit hat sich die Schuldenlast von 38,5 auf knapp 60 Milliarden Euro erhöht. Bis 2011 werden 5,5 Milliarden Euro neue Schulden dazukommen. Nachhaltigkeit und Generationengerechtigkeit sind bei Ihnen nur leere Hülsen. Wenn man sich den vorliegenden Haushalt ansieht, merkt man, dass bei Ihnen von der rot-roten Koalition nur die Schulden nachhaltig sind.

[Beifall bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei der FDP]

Dass es auch anders geht, haben Ihnen meine Fraktion und die anderen Oppositionsfraktionen gezeigt.

[Dr. Wolfgang Albers (Linksfraktion): Vielen Dank!]

Wir von der Union haben Ihnen Konsolidierungsvorschläge für den Doppelhaushalt in Höhe von knapp 500 Millionen Euro unterbreitet. Sie verschließen sich aber gegenüber der Realität. Ihr Finanzsenator sieht an

geblich Einsparvolumina von 20 Prozent, aber wo, will er dem Parlament nicht sagen. Für ihn sei heute nicht so wichtig, welche Akzente gesetzt werden – das sagte er in einem Interview mit der „Berliner Morgenpost“. Deshalb bleibt es auch so: Vor den drängenden Fragen wie den auslaufenden Solidarpaktmitteln, den steigenden Pensionslasten, der Einführung der Schuldenbremse, der Personalentwicklung und der Zukunft des öffentlichen Dienstes, drücken Sie sich. Ich finde das unverantwortlich.

[Beifall bei der CDU]

Herr Nußbaum! Herr Wowereit! Liebe Kollegen von der rot-roten Koalition! Deshalb ist dieser Haushalt nicht nur Ausdruck einer Wirtschaftskrise, sondern vor allem auch einer tiefen Sinnkrise dieser Regierung.

Wie realitätsfern Ihre Politik ist, zeigt sich beispielhaft am öffentlichen Beschäftigungssektor. Mit einem Programmvolumen von 155 Millionen Euro jährlich wollen Sie wenige Privilegierte an den staatlichen Tropf hängen, während der Großteil der über 220 000 Arbeitslosen leer ausgeht.

[Dr. Wolfgang Albers (Linksfraktion): Ich höre wohl nicht richtig!]

Dieses Geld fehlt, um Zukunftsinvestitionen zu tätigen: in die Bildung, für Lehrer oder die Sanierung von Schulen.

[Dr. Wolfgang Albers (Linksfraktion): Da redet der Blinde von der Sonne!]

Wenn ich mir überlege, wegen welcher Summen Musikschulen, Jugendclubs und Sozialeinrichtungen in unseren Bezirken geschlossen werden, dann macht das den ganzen Wahnsinn Ihrer teuren Staatsbeschäftigung deutlich. Das ist ineffizient, kostspielig und sozial ungerecht.

[Beifall bei der CDU und der FDP – Uwe Doering (Linksfraktion): Wem gegenüber?]

„Hauptstadt der verspielten Chancen“ titelte die „Welt am Sonntag“ am vergangenen Wochenende. In 7 von 16 Kategorien des Bundesländerrankings der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft steht Berlin mit am schlechtesten da: bei den Investitionen, den Schulden, der Arbeitsplatzversorgung, der Kriminalität, den Insolvenzen, den Lehrstellen und den Empfängern von Arbeitslosengeld II. Sie mögen sich damit abfinden und hier herumbrüllen, aber ich und meine Fraktion werden das nicht tun.

[Beifall bei der CDU]

An Potenzial mangelt es wahrlich nicht. Wir haben vieles, was für die wirtschaftliche Dynamik wichtig ist: hochqualifizierte, kreative Köpfe, lebenswerte Kieze, vergleichsweise niedrige Mieten, Platz für Ideen und hohe Attraktivität für Menschen aus aller Welt.

[Dr. Wolfgang Albers (Linksfraktion): Alles Sprechblasen!]

Doch dieses Potenzial liegt brach, weil dieser Senat konsequent jede Chance verspielt, die sich ihm bietet. Sehen Sie sich doch Ihre verheerende Bilanz in der Wirt

schaftspolitik an! Sie haben ein Millionenangebot ausgeschlagen, hinter dem namhafte Investoren standen, Lauder, die Deutsche Bahn, Siemens und viele andere.

[Zurufe von der Linksfraktion]

Ein Gesundheitszentrum am Standort Tempelhof wäre ein Projekt gewesen, das sich hervorragend in das Leitbild der Gesundheitsstadt Berlin eingefügt hätte.

[Beifall bei der CDU und der FDP]

In diesem Bereich ist schon jetzt jeder achte Beschäftigte angesiedelt. Aber statt mit Investoren seriös zu verhandeln, haben Sie sie öffentlich beleidigt und diffamiert. Und das, obwohl Sie nach wie vor kein überzeugendes Konzept haben, was stattdessen auf diesem riesigen Areal entstehen soll: Eventuell die Landeszentralbibliothek, ein bisschen Messe, ein bisschen Wiese, ein bisschen Gartenausstellung, Wowereits einsame und intransparente Bread-and-Butter-Entscheidung, aber nichts, was dazu beiträgt, dass dieses Gelände dauerhaft einen Beitrag zu Wachstum und Beschäftigung leistet. Das ist die Realität in unserer Stadt!

[Beifall bei der CDU – Zuruf von Daniel Buchholz (SPD)]

Herr Buchholz! Hören Sie auf zu krakeelen! – Nehmen Sie ein anderes Beispiel, nehmen wir das Beispiel Mediaspree: Das ist doch absurd! Herr Wowereit kümmert sich persönlich um jeden ausgeknautschten Kaugummi auf dem Alexanderplatz, aber dieses Milliardenprojekt scheint ihm völlig egal zu sein.

[Zuruf von Dr. Gabriele Hiller (Linksfraktion)]

Hier geht es um gewaltige Investitionsvolumen, um viele tausend Arbeitsplätze und um die Aufwertung eines ganzen Quartiers.

Natürlich müssen die Interessen der Anwohner ernst genommen werden!

[Zurufe von den Grünen]

Aber wenn es hier um einen komplizierten Interessenausgleich geht, bei einem Projekt von stadtweiter Bedeutung, wie können Sie es dann zulassen, dass sich ein Bezirksbürgermeister austoben kann, wie er will? Sie hätten dieses Projekt längst an sich ziehen müssen, und dass Sie es nicht getan haben, zeigt, wie egal Ihnen die wirtschaftliche Entwicklung in unserer Stadt ist!

[Beifall bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei der FDP]

Bezeichnend ist auch der Streit in der Koalition über den Weiterbau der A 100 – ein modernes Verkehrsprojekt, das der Bund fast komplett finanziert, ein verkehrs- und umweltpolitisch sinnvolles Projekt, das nicht nur die Anwohner vom Durchgangsverkehr entlastet, sondern das auch für die regionale Wirtschaft wichtig ist.

[Özcan Mutlu (Grüne): Quatsch!]

Auf die Frage der wirtschaftlichen Entwicklung in Bezug auf das große Infrastrukturprojekt der Region, dem Flug

hafen BBI, will ich in diesem Zusammenhang erst gar nicht eingehen.

[Özcan Mutlu (Grüne): Totaler Quatsch!]

Auch in dieser Frage sind Sie völlig zerstritten – ein Senat, der keinen Rückhalt in der eigenen Koalition hat. Und wieder einmal scheinen die Interessen, die ein SPDLandesparteitag formuliert hat, über den Interessen unserer Stadt, ihrer Menschen und Betriebe zu gehen.

[Beifall bei der CDU]

Die Chancen, die Sie hier ausschlagen oder bereits ausgeschlagen haben, werden sich nachhaltig zum Schaden unserer Stadt auswirken.

[Dr. Wolfgang Albers (Linksfraktion): Das ist das Kurzzeitgedächtnis der CDU!]

Deshalb, Herr Wowereit, bekennen Sie sich endlich zu Investitionen, Arbeitsplätzen und Infrastruktur, und handeln Sie auch danach!

[Beifall bei der CDU]

Herr Regierender Bürgermeister! Im Übrigen glaube ich zu wissen, warum Ihnen dieses Bekenntnis so schwerfällt. Es fällt Ihnen deshalb so schwer, weil Sie keine Idee, kein Leitbild für unsere Stadt haben,

[Oh! von der Linksfraktion]