Protokoll der Sitzung vom 10.12.2009

Wir haben immer wieder gesagt, dass die Grundschulen, wo die Weichen für die Zukunft gelegt werden, personell wie materiell mindestens genauso gut ausgestattet werden müssen wie die künftigen Sekundarschulen. Jetzt sind wir gespannt, ob diese Reduzierung der Klassenfrequenzen in

Dr. Margrit Barth

sozial benachteiligten Gebieten, die Sie vorwiegend durch Stundentafelveränderungen und Ähnliches finanzieren wollen, tatsächlich auch nächstes Jahr kommt. Wir werden es sehen, wir werden es begleiten.

Nun zur Schulstrukturreform: Meine Kollegin Frau Pop hat es in ihrer Rede zu Beginn gesagt und die Worte der Kollegin Tesch hier zitiert. Als wir vor ca. zwei Jahren einen Grünen-Antrag über die Prüfung der Zweigliedrigkeit hier eingereicht und diesen hier diskutiert haben, ich mich kann sehr gut an die Worte von der Koalition erinnern: Sie waren strikt dagegen.

[Zuruf von Mieke Senftleben (FDP)]

Heute setzen Sie diese richtige grüne Idee, diesen Vorschlag der Grünen, um und starten womöglich die größte Berliner Schulreform. Darüber freuen wir uns. Ja, Herr Saleh, es war richtig, die Hauptschulen abzuschaffen, aber tun Sie hier bitte nicht so, als hätten Sie das aus freien Stücken gemacht! Wir haben hier etliche Male über die Zukunft der Hauptschulen geredet, und Ihre Fraktion und Ihre Koalition war es, die da nicht einsichtig waren. Aber späte Einsicht ist auch okay, auch darüber freuen wir uns.

Auch da, finde ich, muss man ein Lob an den Senator loswerden, denn er war es, der pragmatisch gehandelt und nicht das übliche gewohnte Spiel in diesem Haus getrieben hat, nämlich alles, was von der Opposition kommt, ist falsch und abzulehnen. Er hat es gewagt, seine Koalition für diese Idee zu erwärmen und sie später überhaupt dafür zu gewinnen, diesen Weg zu gehen. Darüber freuen wir uns.

[Beifall bei den Grünen – Zuruf von Dr. Wolfgang Albers (Linksfraktion)]

Fraglich ist aber – und da muss ich, was die finanzielle Seite anbetrifft, Herrn Steuer recht geben –, wo Sie heute stünden, wenn nicht die K-II-Mittel gekommen wären. Wenn dieser Geldsegen nicht gekommen wäre, hätten wir womöglich diese Reform auch nicht gehabt.

[Mieke Senftleben (FDP): Mit Sicherheit nicht!]

Fraglich ist auch, ob die Mittel, die im Haushalt für die Umsetzung dieser Schulstrukturreform, die notwendig war und ist, vorgesehen sind, ausreichen werden.

An dieser Stelle nochmals: Es ist bedauerlich, dass die Koalition an ihren eigenen Beschlüssen nicht festgehalten hat und wider besseres Wissen an dem unsäglichen Probejahr festhält und weiterhin auch Sitzenbleiben an Gymnasien erlauben möchte. Diese Selektionsinstrumente widersprechen der Intention der gesamten Reform. Damit privilegieren Sie die Gymnasien und degradieren die Sekundarschule. Aus dem Grund haben wir große Probleme mit dem Weg, den Sie gehen.

Zum Schluss: Sie sehen viel Licht, aber auch viel Schatten im Bildungsetat. Wichtig ist, dass die Qualität der Bildung in den künftigen Jahren nachhaltig verbessert wird, dass Chancengerechtigkeit geschaffen wird. Wir

werden dies alles begleiten und beobachten. Wir werden Sie an Ihren Taten messen. Worte sind genug gesprochen.

[Beifall bei den Grünen]

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Mutlu! – Für die FDPFraktion hat jetzt Frau Abgeordnete Senftleben das Wort.

Frau Präsidentin! Verehrte Kollegen und Kolleginnen! Als ich heute Morgen um halb sieben den „Tagesspiegel“ las,

[Andreas Gram (CDU): So spät!]

musste ich mir doch wirklich die Augen reiben, und habe gesagt: Die vorbereitete Rede wird erst einmal ad acta gelegt, denn ich konnte lesen, was der Senator gestern Abend den Journalisten erzählt hatte. Was durfte ich lesen? Erstens: Die Schulen in freier Trägerschaft erhalten 9 bzw. 10 Millionen Euro mehr. – Toll, denkt da jeder, die Schulen in freier Trägerschaft kriegen mehr Knete, und das bei einem rot-roten Senat, da kann ich nur sagen: Halt, liebe Berliner und Berlinerinnen, liebe Journalisten, damit hier kein Missverständnis aufkommt. Die Schulen in freier Trägerschaft erhalten in den kommenden Jahren lediglich das, was ihnen zusteht. Von mehr kann keine Rede sein, denn die Schüler und die genehmigungspflichtigen Schulen werden mehr. Herr Senator, eine Bitte: Bleiben Sie in Ihrer Wortwahl korrekt, und streuen Sie den Menschen keinen Sand in die Augen!

[Beifall bei der FDP und der CDU]

Was Sie und Ihre Genossen von den freien Schulen halten, wissen wir. Sie erfüllen denselben Bildungsauftrag wie die öffentlichen Schulen, erhalten aber lediglich ca. 65 Prozent eines Schülerkostensatzes. Den Rest finanzieren sie selbst. Die FDP-Fraktion will das ändern, langfristig über ein Bürgerschulsystem, kurzfristig, indem in den nächsten Jahren die Personalkosten stufenweise zu 100 Prozent ersetzt werden.

Im „Tagesspiegel“ war zum Zweiten zu lesen, dass der Bedarf an Schulhelfern gestiegen ist. Hört, hört! Die Mittel sollen von 5,2 Millionen auf 8,3 bzw. 8,7 Millionen Euro erhöht werden. Herr Senator, das ist dreist! Auch hier spielen Sie mit falschen Zahlen. Richtig ist: Der Ansatz 2009 lag bei 5,2 Millionen Euro, 2008 aber schon bei 8 Millionen Euro. Wir haben es hier also lediglich mit einer Fortschreibung zu tun, verbunden mit der Hoffnung – wie die Staatssekretärin meinte –, das würde schon genügen. Aber alle hier im Hause wissen: Es genügt nicht. Nötig sind 9,5 Millionen Euro. Das sind die echten Zahlen, und hier verweigern Sie sich wieder einmal der Realität. Ihr Umgang mit den Schwächsten der Gesellschaft, Herr Senator, ist unverantwortlich, und dieses skandalöse Verhalten setzen Sie ungeniert in den nächsten Jahren fort.

[Beifall bei der FDP]

Özcan Mutlu

Im „Tagesspiegel“ lese ich drittens – und das finde ich schon ein bisschen komisch –, die Bildungsausgaben pro Schüler beliefen sich im Jahr 2010 auf 5 671 Euro und 2011 auf 5 734 Euro. Der Bundesbildungsfinanzbericht 2009 – so etwas gibt es, der ist relativ neu – spricht von Bildungsausgaben pro Schüler für Berlin von 6 300 Euro. Wenn wir also Ihren Zahlen glauben sollen, Herr Senator, haben Sie die Kosten gesenkt – einmal um ca. 630 Euro und einmal um 530 Euro. Ich habe den Haushalt eigentlich immer anders verstanden, nämlich so, dass hier mehr ausgegeben werden soll. Also, machen Sie sich auch hier ehrlich und erklären Sie diesen Umstand der erstaunten Öffentlichkeit.

Bildung ist wichtig. Das sieht Herr Müller auch so. Das sieht auch der Regierende so. Herr Müller erklärt uns heute Morgen doch wahrlich Folgendes: Die Sprachlernbücher machten deutlich, dass unsere Kitas Bildungseinrichtungen seien. Das habe ich wörtlich mitgeschrieben. Offensichtlich glaubt Herr Müller auch noch an den Weihnachtsmann. Ich möchte ihn hier und heute daran erinnern, dass sich die Quote derjenigen, die mit unzureichenden Deutschkenntnissen eingeschult werden, in den letzten acht Jahren um 0,4 Prozent reduziert hat, nämlich von 25 auf 24,6 Prozent. Wenn Sie, verehrte Kollegen von Rot-Rot und den Grünen, wirklich gegen Bildungsarmut angehen wollen – und das wollen wir alle –,

[Zuruf von Özcan Mutlu (Grüne)]

dann nehmen Sie endlich die Fakten zur Kenntnis! Beginnen Sie dort etwas zu ändern, wo Bildungswurzeln entstehen, also bei der frühkindlichen Bildung und in der Grundschule!

[Beifall bei der FDP]

Der Regierende setzt der Debatte die Krone auf. Er hat nämlich gesagt, die Gymnasien würden gestärkt. Da frage ich ihn, wer denn primär vom Konjunkturpaket profitiert habe. Das ist die Sekundarschule. Wer erhält einen regulären Ganztagsbetrieb? – Die Sekundarschulen. Und wer erhält mehr Personal, mehr Erzieher, mehr Lehrer? – Natürlich die Sekundarschulen. Offensichtlich hat die Ahnungslosigkeit des Regierenden hier wieder einmal zugeschlagen, wenn er sich hier hinstellt und sagt, die Gymnasien würden gestärkt.

Der rot-rote Bildungshaushalt steht für unfaire, intransparente und unzuverlässige Planung.

[Beifall bei der FDP]

Unfair, weil nur diejenigen gezielt und individuell gefördert werden, die eine Schule besuchen, die dem rot-roten Mainstream entspricht, sprich eine Gemeinschaftsschule und künftig eine Sekundarschule.

Intransparent ist der Haushalt, weil das zentrale bildungspolitische Projekt nicht vernünftig dargestellt wird, nämlich die Strukturreform. Ohne unser Nachhaken, das Nachhaken der Opposition wäre das auch so geblieben. Zuerst war von 4,7 Millionen Euro für die Strukturreform die Rede. In den Berichtsaufträgen wurde deutlich, dass

es eigentlich 18 Millionen Euro sind. Schließlich mussten Sie zugeben, dass diese 18 Millionen Euro lediglich für 50 Prozent der Schulen reichen werden. Heute lese ich im „Tagesspiegel“, dass es Ausgaben in Höhe von 48,4 Millionen und 53,5 Millionen sind. Das sind insgesamt 101,9 Millionen Euro. Mit welcher Zahl sollen wir nun etwas anfangen? Vielleicht klären Sie uns gleich einmal auf. Es geht hier munter, sehr munter durcheinander.

[Beifall bei der FDP]

Verlässlichkeit und Transparenz – vergessen Sie es. Die FDP sagt nein zu dieser übereilten Strukturreform, denn Tatsache ist, dass einige Realschulen gar nicht wollen. Wenn Sie sie zwingen – und das kann ich Ihnen jetzt schon sagen –, dann geht das schief.

Tatsache ist auch, dass es in vielen Fällen nicht zur Fusion kommt. Was passiert dann? Dann wird an die Hauptschule das Schild „Sekundarschule“ geklebt, und an die Realschule wird auch das Schild „Sekundarschule“ geklebt. Damit haben wir nichts anderes als einen Etikettenschwindel, und das wollen wir nicht. Das verstehe ich nicht unter einer Schulreform.

[Beifall bei der FDP]

Die FDP will die vorhandenen Mittel für prozessbegleitende Schulentwicklung mit dem Ziel, ja auch mit dem Auftrag an die Schulen einsetzen, einen Reformansatz darzustellen und darzulegen, wie es weitergehen soll. Diese Reform soll gemeinsam mit den Beteiligten an der jeweiligen Schule, aus dem Umfeld, aber auch aus dem gesamten Bezirk entwickelt werden. Da sollten zwei Jahre genügen, um zu Lösungen zu kommen.

Und dann? Dann brauchen wir Ruhe. Dann muss endlich einmal Ruhe sein. Dann kann es auch nicht mehr darum gehen, die nächste Reform einzuläuten und der Lust der Linken auf eine Gemeinschaftsschule einfach nachzugeben. Dann ist einfach einmal finito.

[Beifall bei der FDP]

Da bin ich zum Schluss beim Thema Gemeinschaftsschule. Mit fairer Finanzierung hat das nun wahrlich nichts mehr zu tun. Insgesamt werden 22 Millionen Euro ausgegeben. Das ist viel Knete bei momentan nur 13 Gemeinschaftsschulen. Sie bevorzugen die Gemeinschaftsschulen, wir lehnen das ab. Setzen Sie auf Transparenz, denn Transparenz führt zu mehr Gerechtigkeit im Schulbetrieb! Setzen Sie auf mehr Transparenz, denn Transparenz macht Klientelpolitik deutlich sichtbar! – Vielen Dank!

[Beifall bei der FDP]

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Senftleben! – Für den Senat bekommt jetzt der Senator für Bildung, Wissenschaft und Forschung, Herr Prof. Dr. Zöllner, das Wort. – Bitte sehr!

Mieke Senftleben

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn der Haushalt, wie man so schön sagt, in Zahlen gegossene Politik ist, dann ist die Bewertung eines Landeshaushalts letzten Endes nur möglich, indem man die Inhalte bewertet und sieht, ob damit Politik gemacht wird.

Sowohl die Vorsitzenden der Koalitionsfraktionen als auch die einzelnen Redner zu diesem Einzelhaushalt haben eine Vielzahl von Beispielen aufgeführt, die die Steigerungsraten, die Probleme und die Zuwächse umfassten. Deswegen will ich bei meinem Beitrag nicht mit weiteren Aufzählungen kommen. Ich will mich auf einige Beispiele beschränken, an denen deutlich wird, wie mit diesem Haushalt aus meiner Sicht in den drei zentralen Bereichen meines Verantwortungsbereichs Durchbrüche erzielt worden sind, die nach meiner festen Überzeugung in der Bundesrepublik Messlatte für weiteres erfolgreiches Handeln sein werden.

[Vereinzelter Beifall bei der Linksfraktion]

Das Erste ist der Bereich der vorschulischen Betreuung von Kindern, der Kitabereich, in dem es einen Konsens gibt – egal, wo man politisch steht –, dass er sich zu einer Bildungseinrichtung weiterentwickeln muss. Das ist leichter gesagt als getan. Zwei zentrale Voraussetzungen gehören dazu, wenn es wirklich ein ernst gemeinter Bildungsbereich sein soll: So, wie wir in Deutschland Bildung verstehen – und ich gehe davon aus, dass auch Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, es so verstehen –, ist Bildung etwas, was jedem unentgeltlich zur Verfügung stehen muss, weil es von zentraler Bedeutung für die eigene Zukunftsfähigkeit, aber auch für die Zukunftsfähigkeit der Gesellschaft ist.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]