Jetzt kommt die Fortsetzung. – Herr Präsident! Meine Herren, meine Damen! Und zwar kommt die Fortsetzung von der Rede von Frau Dr. Tesch. Wer hat die beitragsfreie Kita eingeführt? Wer hat die Vorschule abgeschafft? Wer hat die Sprachförderung eingeführt? Wer hat die Fort- und Weiterbildung der Lehrkräfte intensiviert? Das war die SPD gemeinsam mit der Linken. Die eigentliche Frage, die wir uns stellen müssen, und die hat hier noch keiner gestellt, ist: Was hat das Ganze gebracht? – Nichts! Nichts hat das Ganze gebracht, sonst stünden wir nämlich hier heute nicht, verdammt noch mal!
Das ist doch das, was uns zornig machen muss. Hier stehen wir alle ganz cool und tun so, als würden wir das erste Mal über diese Geschichte reden. Seit 2001 reden wir darüber, über „Bärenstark“, über „Deutsch plus“ usw. Sie haben „eingeführt“ – richtig. Aber was haben Sie
Jetzt bin ich wieder ganz freundlich. Wir haben heute mehrfach gehört, dass die ca. 1 000 Lehrkräfte, pädagogischen Kräfte den Schulsenator letzte Woche wieder einmal mit der Realität konfrontiert haben. Ich will einige Anmerkungen aus diesem sogenannten Brandbrief oder Protestbrief zitieren:
Unsere Kinder sind mit den Tests hoffnungslos überfordert. Unsere Schüler können die Texte und Fragen der Deutscharbeiten in der vorgegebenen Zeit nicht oder nur unvollständig durchdringen. Die Kinder werden vor unlösbare Aufgaben gestellt.
Nur einige, drei Anmerkungen. Als Hauptgrund wird die unzureichende Sprachkompetenz der Schüler und Schülerinnen genannt. Herr Senator Zöllner, diese Ohrfeige muss sitzen. Die müsste Ihnen eigentlich auch richtig weh tun, zeigt sie doch in aller Klarheit die Ergebnisse Ihrer rot-roten Politik seit 2001.
Die sind nicht nur miserabel. Die sind eine Katastrophe für die Schüler und Schülerinnen dieser Stadt, insbesondere für diejenigen, für die Sie sich angeblich – ich betone angeblich – seit Jahren stark machen, für die Kinder aus Migrantenfamilien und bildungsfernen Elternhäusern. Wie wir gerade auch von Frau Dr. Tesch gehört haben: Auf diese Klientel haben Sie sich fokussiert. Das müssen wir uns einmal auf der Zunge zergehen lassen. Die Kinder sind fast vier Jahre durch die Berliner Bildungslandschaft geturnt: ein Jahr Kita, fast drei Jahre Schule. Und das Ergebnis lautet: Die Teilnahme am Vergleichstest wollen wir verhindern. Unsere Kinder sind nicht in der Lage, Texte und Aufgaben zu verstehen und zu bearbeiten. Ein bundesweiter Vergleichstest kann ihnen nicht zugemutet werden. – Das ist das Ergebnis.
Ich sage noch einmal, dass mich das zornig macht. Ich kann hier keinen, insbesondere keinen Bildungspolitiker, verstehen, der sich das hier in Ruhe anhört. Es muss endlich Schluss mit der Lobhudelei von Rot-Rot sein, Frau Dr. Tesch, mit der Schulterklopferei und mit rot-roter, ideologischer Schulpolitik, durchsetzt mit grünen Sprenkeln. Es muss Schluss sein mit dem blinden, oktroyierten Reformeifer.
Das Thema Sprachförderung ist nicht neu. Ende 2002 gab es einen sehr differenzierten Sprachtest, nämlich „Bärenstark“. 19 Prozent der Kinder hatten einen erheblichen Förderbedarf und 26 Prozent einen Förderbedarf. Das war demnach fast die Hälfte aller einzuschulenden Kinder. das hat uns damals ziemlich wachgerüttelt. Aber was passierte? – Zunächst einmal wieder gar nichts. Dieses Wort fällt mir hierzu immer wieder ein. Unser Vorschlag von der FDP, Sprachmentoren, ausgebildete DaZ-Lehrer in die
Kitas zu schicken, wurde – na klar – abgelehnt. Eins passierte dann doch: 2003 gab es überraschenderweise keinen Sprachtest mehr. Das änderte sich zum Glück 2004. da gab es ein vereinfachtes Verfahren: Es wurde nur noch in „mit“ und „ohne Förderbedarf“ unterteilt. Dieses Verfahren hieß dann „Deutsch Plus“. Seit 2004 werden wir mit demselben Ergebnis konfrontiert: Ein Viertel aller Einzuschulenden haben eklatante Mängel bei der Sprachfähigkeit. Sie können dem Unterricht nicht folgen. Die Konsequenzen habe ich hier mehrfach dargestellt. Das erspare ich mir und Ihnen heute. Allerdings gibt mir der Brandbrief recht.
Zurück zu „Deutsch Plus“. Ziel war es, rechtzeitig bei der Einschulung festzustellen, bei welchen Kindern die Deutschkenntnisse so gering sind, dass ernsthafte Probleme beim Schulanfang zu erwarten sind, wenn zuvor keine gezielte Förderung stattfindet. So lautete die Antwort der Senatsverwaltung auf die Kleine Anfrage. In der Tat: Die Maßnahmen wurden ergriffen, verpflichtende Sprachkurse ab 2005 eingeführt. – Drei lange Jahre nach der ersten Debatte wurden Maßnahmen ergriffen. So lange hat es gedauert.
Herr Zöllner! Ihr Vorgänger, Klaus Böger, hat gleichzeitig mit der Einführung von „Deutsch Plus“ veranlasst, dass die Schulen an VERA teilnehmen sollen. Die Ergebnisse des ersten Tests waren schlecht. 40 Prozent der Schüler hatten einen unmittelbaren Handlungs- oder Förderbedarf – so die Senatsverwaltung. Danach sollten nach Ansicht der Schulverwaltung vor allem „Maßnahmen und Aktivitäten zur Unterstützung der Schulen durch die Schulaufsicht sowie zur Gestaltung der Lehreraus- und -fortbildung“ durchgeführt werden. Das war 2004. Es sollte etwas getan werden. Was wurde getan? Welche Maßnahmen wurden eingeleitet? – Ich komme auf mein Eingangsstatement zurück: Die Vorschule wurde abgeschafft. Alle mussten mit fünf Jahren in die Schule. JÜL wurde als Mantra und Allheilmittel vor sich hergetragen. Es wurden auch Ganztagsschulen eingerichtet. Was ist aber mit den Lückekindern in der fünften und sechsten Klasse? – Die gehen lieber nachmittags auf die Straße oder hocken vor der Glotze. Es wurde auch ein verbindlicher Sprachunterricht vor der Schule angeboten. Aber was bringt der, und wer geht da eigentlich hin? Haben Sie sich diese Frage schon einmal gestellt?
Sie, Herr Senator, und Ihr Vorgänger haben sich bemüht, Abhilfe zu schaffen. Sie haben sich bemüht, Kinder an eine erfolgreiche Schulkarriere heranzuführen. Sie haben sich nicht nur bemüht, sie haben sich sogar damit gebrüstet, so wahnsinnig viel für diese Klientel zu tun. Und – das sagte auch Frau Dr. Tesch vorhin – alle Ihre Reformen waren auf diese Klientel fokussiert. Das Ergebnis Ihrer Bemühungen ist der Brandbrief, der von 1 200 Pädagogen unterschrieben wurde und in aller Deutlichkeit zeigt, dass Ihre Bemühungen und Maßnahmen für die Katz waren. Außer Spesen nichts gewesen!
Herr Senator Dr. Zöllner! Die FDP-Fraktion fordert Sie auf, in der nächsten Zeit acht Punkte zur Verbesserung der Situation zu beachten. Schaffen Sie klare Strukturen, damit die Kinder wirklich eine Chance auf eine erfolgreiche Bildungskarriere haben.
Im Gegensatz zu meinen Kollegen aus der Opposition möchte ich Ihnen konkrete Vorschläge machen und bitte Sie, darauf gleich einzugehen. Ich denke, dazu sind Sie in der Lage.
Erstens: Wir fordern das Recht auf Förderunterricht für diejenigen mit nachweislichen Defiziten. Die Vermittlung von Sprachkompetenz gehört primär in die Grundschule und nicht in die Sekundarschule. Das ist absurd.
Zweitens: Wir wünschen eine Evaluation des bisherigen DaZ-Unterrichts bzw. der Sprachförderung für Kinder mit Migrationshintergrund und unter Umständen auch eine Neuorientierung der bisherigen Methode, denn wenn DaZ erfolgreich wäre, stünden wir hier heute wahrscheinlich nicht.
Drittens: Es fehlen eine wissenschaftliche Begleitung des jahrgangsübergreifenden Lernens und bis dato die völlig eigenverantwortliche Handhabe der jeweiligen Schule mit dieser Methode. Es gibt keine verbindliche Einführung.
Fünftens: Stellen Sie den Ganztagsschulen – gebunden oder offen – ein Budget für individuelle Förderung am Nachmittag zur Verfügung!
Sechstens – diesen Vorschlag finde ich besonders schön –: Legen Sie ein Programm in Kooperation mit den Universitäten auf, das die Studierenden auffordert, in die Berliner Schulen zu gehen, um dort unterstützend tätig zu werden!
Siebtens: Führen Sie die verbindliche Startklasse ein, in der Erzieher und Lehrer eng miteinander kooperieren, die Vermittlung der Sprachkompetenz qualifiziert umsetzt wird und Elternarbeit als verbindliches Element in das Bildungsprogramm implementiert wird!
Herr Senator Zöllner! Sie haben noch ein gutes Jahr Zeit. Nutzen Sie diese, um die Weichen für eine bessere Zukunft der Berliner Kinder zu stellen! – Danke!
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wieder ein neuer Brandbrief! VERA – im Prinzip ja, aber nicht bei mir! Kaum war der Brief geschrieben, kam ein neuer. Wen wundert’s? Mehr Stellen, mehr Geld, weniger Unterrichtsstunden usw. – wie in einem pawlowschen Reflex!
Von der Opposition wird ein Versagen der Grundschulpolitik, eine Vernachlässigung der Grundschulen konstatiert. Wir haben das von Herrn Steuer gehört.
Ich spekuliere nicht über die Motivation dieser Briefe und Reaktionen. Das liegt im Grunde auf der Hand. Ich will mich hier auf die Tatsachen, ihre objektive Bewertung und das beschränken, was aus meiner Sicht in den angesprochenen Punkten – nicht in dem großen Rundumschlag über die Schulpolitik – zu tun ist.
Zunächst zum Charakter dieser sogenannten Brandbriefe: Wenn wir weiter so miteinander umgehen, wird mir angst, wenn in Zukunft ein Brief in dieser Stadt geschrieben wird, in dem wirklich auf eine akute, brandaktuelle Situation hingewiesen wird.
Erstens, der VERA-Brief: Er ist von einer Initiative „Grundschule im sozialen Brennpunkt“ am 8. April an mich gerichtet worden. Ich weiß heute noch nicht, welche Schulen sich dahinter verbergen, wo sie sich befinden, ob er von Lehrerinnen und Lehrern stammt und von wie vielen. Auf jeden Fall hat die Presse weit früher davon erfahren.
So geht man nicht miteinander um, wenn man in der Sache etwas erreichen will. Das werde ich in aller Deutlichkeit klarstellen.
Wenn wir Schulpolitik und kein Schattenboxen machen wollen, stehe ich zur Verfügung. Ich befinde mich dazu im Einvernehmen mit den entsprechenden Bezirksstadträten aller Parteien, weil sie wissen, dass wir in der Schule nichts erreichen, wenn wir so miteinander umgehen.
Nun zum Brief des Grundschulverbandes: Er wurde als offener Brief an den Senator adressiert. Er lag den Medien offensichtlich am Montag vor. Ich habe ihn heute erst bekommen. Wenn ein Verband etwas von einer Ver
waltung, einem Senator erreichen will, dann geht man nicht so miteinander um, und dann will man in der Sache nichts erreichen, sondern etwas ganz anderes.