Protocol of the Session on September 23, 2010

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Ich rufe jetzt auf

lfd. Nr. 6:

Erste Lesung

Gesetz über die Erlaubnis und den Betrieb von Spielhallen im Land Berlin (Spielhallengesetz Berlin)

Antrag der CDU Drs 16/3456

Ich eröffne die erste Lesung. Die Reden werden zu Protokoll gegeben.

Das Problem der ausufernden Spielhallen, die durch ihr spezielles Erscheinungsbild das Bild unserer Innenstädte ungünstig beeinflussen, ist seit Jahrzehnten Gegenstand der kommunalpolitischen Diskussion. Solange es diese Diskussion gibt, hat man von der kommunalen Ebene her versucht, dieses Problem – das in erster Linie als ein Problem der Stadtentwicklung gesehen wurde – insbesondere über bau- bzw. bauplanungsrechtliche Gestaltungen in den Griff zu bekommen. Hingegen waren die ordnungsrechtlichen Möglichkeiten, die das Gewerberecht geboten hat, wenig hilfreich, weil die Kommune nur bei persönlicher Unzuverlässigkeit bzw. nur im Fall von Verstößen Eingriffsmöglichkeiten hatte. Diese Rechtslage war über die Jahrzehnte durch die Gewerbeordnung des Bundes festgeschrieben, eine Gestaltung durch Landesrecht oder kommunales Satzungsrecht war nicht möglich. Das ist mit der Umsetzung der I. Föderalismusreform seit dem Jahr 2006 nicht mehr so.

Herr Wowereit würde die Verantwortung für das Problem der Spielhallen – wie man heute liest – gerne auf den Bund abschieben, aber die Gesetzgebungskompetenz für

die Angelegenheiten der Spielhallen liegt nach Artikel 125a GG in Verbindung mit Artikel 74 GG jetzt bei den Ländern. Damit hat Berlin als Stadtstaat seit vier Jahren die Möglichkeit, wirksame Regelungen zur Eingrenzung der Spielhallen zu treffen, und deshalb werden sich auch Herr Wowereit und die Berliner SPD jetzt klar positionieren müssen.

Nachdem hierzu weder vom Senat noch von der Regierungskoalition eine Gesetzesinitiative ergriffen wurde, legen wir jetzt einen eigenen Gesetzentwurf vor. Wir wollen nicht mehr warten, denn Spielhallen sind nicht in erster Linie ein städtebauliches Problem, sie sind insbesondere auch Ausdruck unseres gesellschaftlichen Wertesystems. Dazu führe ich nachher weiter aus.

Wie wird dies aber z. B. in der SPD gesehen? – Während dem Finanzsenator bei der Diskussion die Euro-Zeichen in den Augen leuchteten – Zitat aus der „BZ“ vom 2. August –:

Ich stehe einer Erhöhung der Vergnügungssteuer sehr aufgeschlossen gegenüber.

er sich aber noch nicht auf einen Prozentsatz festlegen will, hat der Kollege Buchholz konkretere Pläne. Er forderte an gleicher Stelle eine Erhöhung des Steuersatzes von 11 auf 20 Prozent und argumentiert:

Spielhallen und Wettbüros sind eine wahre Plage. Sie nisten sich in leerstehende Geschäfte ein, können auch hohe Mieten bezahlen. Die kleineren Läden können da nicht mithalten. Baurechtlich können neue Spielhallen nicht verhindert werden.

Diese Aussagen lassen zwei Schlussfolgerungen zu: Offensichtlich hat der Senat hier seit 2006 etwas verschlafen, und im Vordergrund stehen höhere Einnahmen aus der Vergnügungssteuer.

Die Berliner CDU hat sich bisher nur sehr zurückhaltend geäußert. Während Sie sich öffentlich reich gerechnet und in der Presse dargestellt haben, haben wir unsere Hausaufgaben gemacht und einen Gesetzentwurf erarbeitet, der schon jetzt das Interesse aus anderen Bundesländern geweckt hat. Warum aber haben wir uns dabei nicht in die Diskussion um die Vergnügungssteuer eingemischt? – Zum einen ist diese Diskussion bigott. Man gibt vor, mit einer Steuererhöhung die Zahl der Spielhallen beschränken zu können, weiß aber auf der anderen Seite, dass wegen des sogenannten Erdrosselungsverbots die Steuer nicht so hoch bemessen sein darf, dass der Betrieb von Spielhallen unattraktiv wird.

Zum Zweiten stößt die Sichtweise von Herrn Dr. Nußbaum und Herr Buchholz ab. Sie setzen nämlich den Tanz um das goldene Kalb, der in und mit den Spielhallen getrieben wird, fort und eröffnen ihm das Parkett staatlicher Ordnungspolitik.

Nein, meine Damen und Herren von der Koalition, Glücksspiel gehört nicht in den fiskalpolitischen, sondern in den gesellschaftspolitischen Kontext, Glücksspiel mit

seinen Auswirkungen wie Spielsucht, gesellschaftliche Isolation usw. muss zum Gegenstand der gesellschafts- und ordnungspolitischen Debatten gemacht werden. Das Bundesverfassungsgericht führt in seiner Entscheidung vom 28. März zur Verfassungsmäßigkeit des deutschen Sportwettenmonopols aus:

Ohne dass abschließend zu klären ist, inwieweit... ein Pflicht des Staates zum Schutz der Gesundheit der Bürger besteht, ist die Vermeidung und Abwehr von Suchtgefahren jedenfalls ein überragend wichtiges Gemeinwohlziel, da Spielsucht zu schwerwiegenden Folgen nicht nur für die Betroffenen selbst, sondern auch für ihre Familien und für die Gemeinschaft führen kann. Allerdings haben unterschiedliche Glücksspielformen ein unterschiedliches Suchtpotenzial. Bei weitem die meisten Spieler mit problematischem oder pathologischem Spielverhalten spielen nach derzeitigem Erkenntnisstand an Automaten, die nach der Gewerbeordnung betrieben werden dürfen.

Damit sagt das Bundesverfassungsgericht, dass die Gefahren, die vom Glücksspiel in Spielhallen ausgehend, größer sind als z. B. die von Sportwetten privater Anbieter.

Deshalb betone ich vor diesem Hintergrund – das wird durch die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs in Luxemburg vom 8. September, mit der das deutsche Monopol für Sportwetten und Glücksspiele gekippt wurde, unterstrichen –, es gibt für uns – für die CDU-Fraktion – kein gutes Glücksspiel, nämlich eines, wovon der Fiskus profitiert, und kein schlechtes Glücksspiel privater Anbieter.

Bei allen Problemen, die die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs aufwirft, ist deren ordnungspolitische Aussage richtig und wird von uns geteilt. Und diese Überlegungen sind nach unserer Auffassung auch bei der Neuordnung des Glücksspielwesens zu berücksichtigen.

Nun will ich von diesen allgemeineren Aspekten auf unseren Gesetzentwurf im Speziellen kommen.

Wir wollen vor dem Hintergrund der vom Glücksspiel ausgehenden Suchtgefahren, insbesondere auch im Hinblick auf den Jugendschutz, die Zahl der Spielhallen beschränken, und zwar auf eine Spielhalle je 50 000 Einwohner, d. h. bei 3,5 Millionen Einwohnern auf 70 Spielhallen für ganz Berlin. Insofern ist mit einem verminderten Steueraufkommen zu rechnen. Die CDU-Fraktion misst der ordnungspolitischen Komponente aber ein deutliche höheres Gesicht zu als der fiskalpolitischen – ihr ist der Mensch wichtiger als das Geld.

Das Gesetz trifft ausschließlich Regelungen für Spielhallen. Damit werden die konkurrierenden bundesrechtlichen Regelungen über Spielhallen in der Gewerbeordnung und der Spielverordnung ersetzt. Dies ist möglich, nachdem die Gesetzgebungskompetenz im Zuge der Föderalismuskommission I vom Bund auf die Länder übergegangen ist.

Der Begriff der Spielhalle entspricht dem bisher durch Bundesrecht festgelegten Begriff.

Damit werden keine Regelungen über andere Unternehmen, in denen Spielbetrieb stattfindet, getroffen. Dies betrifft insbesondere Gaststätten, weil in ihnen der Spielbetrieb eine untergeordnete Rolle spielt. Für Gaststätten gilt also das bisherige Recht unverändert fort.

Wer künftig eine Spielhalle betreiben will, bedarf der Erlaubnis. Bestehende Spielhallen haben für fünf Jahre Bestandsrecht, danach müssen sie sich dem im Gesetz vorgesehenen Genehmigungsverfahren unterwerfen.

Für die Genehmigung ist eine Gebühr in Höhe von 25 000 Euro vorgesehen. Mit dieser Gebühr sind auch alle Überwachungsmaßnahmen abgegolten. Um zu verhindern, dass diese Gebühr zu hoch bemessen ist, sollen für einen Übergangszeitraum von fünf Jahren die tatsächlichen Kosten der Verwaltung ermittelt werden und der endgültige Gebührensatz auf dieser Grundlage endgültig festgesetzt werden.

Das Erscheinungsbild der Spielhallen darf künftig nicht mehr besonders hervorstechen. Spielhallen im Umfeld von Oberschulen – hier ist die Gefahr der Verletzung des Jugendschutzes besonders hoch, weil zwischen einem Erwachsenen und einem erwachsen aussehenden Jugendlichen oft kaum unterschieden werden kann – sind untersagt. Werbung für den Spielbetrieb ist unzulässig.

Alkoholausschank soll obligatorisch verboten werden, weil die Spieler ohne Kontrollverlust spielen sollen.

Die Spielhallen unterliegen strengen Kontrollen, die gewonnenen Daten dürfen z. B. auch für die Strafverfolgung genutzt oder an die Finanzämter weitergegeben werden.

Wir hoffen, Ihnen mit unserem Gesetzentwurf vielleicht eine Anregung gegeben zu haben, die auch in Ihren Fraktionen eine interessante Auseinandersetzung auslösen wird, und wünschen uns eine konstruktive Diskussion, die am Ende dazu führt, dass unser Gesetzentwurf im Sinne der Menschen noch in dieser Legislaturperiode beschlossen werden kann.

Danke an die CDU, dieses Thema aufgegriffen und hier den Antrag gestellt zu haben! Der Senat beschränkt sich stattdessen auf Auswertungsrunden zur Änderung der SpielVO, ohne den eigenen Gestaltungsspielraum des Landes überhaupt zu sehen. Dieser besteht immerhin seit 2006. Wie weit dieser Gestaltungsspielraum reicht, gilt es noch genau auszuloten. Denn der Sache wäre nicht gedient, wenn die ersten Versagungen vom Gericht kassiert würden, weil das Gesetz kompetenzwidrig ist.

Was ist bauplanungsrechtlich passiert? – Immerhin ist der Ausschluss von Spielhallen im B-Plan möglich. Es ist sogar ein einfacher B-Plan, ein sog. Textbebauungsplan

ausreichend. Warum ist es in so geringem Umfang gelungen, steuernd einzugreifen? Gut sind das Alkoholverbot, Beschränkung der Größe und Anzahl im Stadtgebiet und Abstand zu Schulen sowie strenge Anforderungen an die Betreiber. Unklar ist der Ausschluss des Totensonntages.

Was ist mit der Unzahl von Geräten in Imbissen und Gaststätten? Dort sind jetzt drei statt früher zwei Geräte zulässig. Allein in Pankow stehen 2 500 solcher Geräte den 250 Geräten in Spielhallen gegenüber. Hierher gehört auch das Problem der Pseudogaststätte, die lediglich der Aufstellung der Geräte dient. Das ist zwar unzulässig, es besteht aber offenbar ein hohes Kontrolldefizit.

Zum Verhältnis zur aktuellen Rechtsprechung des EuGH zum Sportwettenmonopol: Hier wird zu entscheiden sein, ob das Monopol aufgegeben und über ein strenges Lizenzsystem Private zugelassen werden oder ob der Staat nun mal Konsequenz zeigt, die Werbung für Lotto, Toto und Oddset unterlässt und den Vertrieb über Zeitungsläden und das Monopol aufrechterhält. Beides ist jedenfalls besser als der jetzige rechtlose Zustand. Dieser ermöglicht es jedem, ohne jede Kontrolle Wettbüros zu öffnen. Hier ist schnelle Abhilfe angezeigt. Und auf Signale vom Senat, wohin die Reise gehen soll, warten wir bisher vergeblich. Das ist nach fast drei Wochen zu wenig!

Zur Suchtgefahr: Diese ist ernst zu nehmen. Schätzungen zufolge gibt es in Deutschland immerhin 250 000 Spielsüchtige. Und es ist ja kein Zufall, dass gerade in Bezirken mit sozialen Problemen wie Tiergarten, Wedding und Kreuzberg so viele Wettbüros und Spielhallen existieren. Hier tragen die Väter – in der Regel spielen Männer – das geringe Haushaltsgeld der Familien in diese Einrichtungen. Davor gilt es die Betroffenen und die Familien zu schützen.

Wir Grünen wollen jedenfalls wirksame Instrumente, um der modernen Landplage Spielhalle Herr zu werden. Das Gesetz kann ein Schritt hierzu sein.

Wer durch die Stadt geht , kann schon einmal den Eindruck gewinnen, dass sich inzwischen an jeder Ecke eine Spielhalle befindet. Dieser Eindruck ist ja auch nicht falsch, weil wir inzwischen alle wissen, dass sich das Problem Spielhallen ausweitet. In Berlin sollen es inzwischen rd. 350 Spielhallen sein. Und Berlin ist ganz offensichtlich damit nicht allein, sondern alle großen Städte in Deutschland haben inzwischen dieses Problem. Jede Stadt sucht nach Mitteln und Wegen, die stark ansteigende Zahl der Spielhallen einzudämmen.

In Berlin deutet der Finanzsenator an, dass er sich eine Erhöhung der Vergnügungssteuer vorstellen kann, die den Betreibern und Nutzern von Spielhallen die Freude am Spielen verderben soll. In anderen Städten wird darüber nachgedacht, ob über Bebauungspläne Spielhallen in Wohngebieten verhindert werden können. Auch in den Berliner Bezirken wird nach entsprechenden Möglichkei

ten gesucht, Neuansiedlung von Spielhallen einen Riegel vorzuschieben, ob über Planungsrecht oder Jugendschutz oder die Anzahl der Automaten. Dieser Umstand deutet ja schon darauf hin, dass es zur Zeit an gesetzlichen Möglichkeiten fehlt, wirksam die Anzahl von Spielhallen zu regulieren oder gar Spielhallen zu verhindern.

Auch der Gesundheitsausschuss des Bundestages hat sich mit dem Thema „Spielhallen“ befasst. Hier wurde in einer Anhörung von Experten eine Verschärfung der Spielverordnung für das gewerbliche Glücksspiel gefordert. Hier wurde auch festgestellt, dass das, was in Spielhallen geschieht, mit reiner Unterhaltung nichts mehr zu tun hat und es sich hier oft um reine Abzocke handelt. In dieser Anhörung wurde auch darauf hingewiesen, dass angesichts der besorgniserregenden Zahlen der süchtigen Spieler und der damit zusammenhängenden Kosten der Gesetzgeber dringend gefordert ist.

Seit dem Urteil des Europäischen Gerichtshofes hat die Debatte um die Frage, wie das gewerbliche Glücksspiel eingedämmt werden kann, einen neuen Schub erhalten. So hat denn auch Innensenator Körting in einer Berliner Tageszeitung die Frage gestellt, ob nicht bei einer konsequenten Bekämpfung der Spielsucht die bisherige Zulassung von Spielcasinos, Spielhallen, und Spielautomaten bei Aufrechterhaltung des Lottomonopols viel stärker eingeschränkt werden müsse als bisher. Die CDUFraktion hat die Debatte um die Flut von Spielhallen aufgegriffen und einen Antrag eingebracht, der über ein Landesgesetz die Erlaubnis und den Betrieb von Spielhallen in Berlin regeln soll. Ich denke, und das wird auch heute in dieser Debatte deutlich, dass wir in der Sache und im Anliegen des Antrages nicht weit auseinanderliegen. Ich will an dieser Stelle nur anmerken, dass im Gesetzentwurf der CDU die Problematik der Spielautomaten in den Gaststätten nicht aufgegriffen wird. Das lässt sich, denke ich, aber regeln.

Wichtig ist mit mir ein anderer Punkt: Eine Landesregelung zum Betrieb von Spielhallen soll laut CDU nach Expertise von Prof. Scholz möglich sein. Leider liegt mir dieses Gutachten nicht vor. Ich meine, es muss genau geprüft werden, was bundesrechtliche Regelungen sind und wie weit landesrechtliche Regelungen ggf. auch im Rahmen von Bundesrecht tatsächlich möglich sind. Hier gibt es unterschiedliche Auffassungen. Neben der Tatsache, dass das Rennwetten- und Lotteriegesetz zum Beispiel Bundesgesetze sind und auch die Gewerbeordnung in Verbindung mit der SpielVO Bundesrecht ist, stellt sich auch die Frage, ob nicht tatsächlich Bundesregierung und Bundesländer nach bundeseinheitlichen Regelungen suchen bzw. sie anstreben sollten. Oder wollen wir tatsächlich, dass jedes Bundesland eigene Regelungen formuliert? Diese Debatte sollte im Rechtsausschuss geführt werden.

Jenseits der Frage Bundesrecht oder Landesrecht müssen wir uns in den anderen Fachausschüssen den vorliegenden Gesetzentwurf genauer anschauen, und zwar dahin ge

hend, ob der Gesetzentwurf über die bereits bestehenden bau-, gewerbe- und jugendschutzrechtlichen Regelungen hinausgeht und damit effektiver ist. Sollte es tatsächlich gelingen, in den Beratungen der Fachausschüsse einen zusätzlichen gesetzlichen Gestaltungsspielraum für den Gesetzgeber zu ermöglichen, um den Betrieb von Spielhallen wirksam einzudämmen, würde ich das begrüßen. Insofern freue ich mich auf eine konstruktive und ergebnisorientierte Debatte in den Ausschüssen.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die FDPFraktion hat bereits während der Beratungen zum Glücksspielstaatsvertrag auf die Problematik der ausufernden Anzahl von Spielhallen in den Innenstadtbereichen aufmerksam gemacht. Für viele Bürgerinnen und Bürger ist der Boom von Spielhallen zu einer städtebaulichen Plage geworden. Das Bild ganzer Innenstadtquartiere wandelt sich zum Schlechten – eine Entwicklung, die wir Liberale mit Sorge betrachten.