Protocol of the Session on January 13, 2011

Login to download PDF

[Heiterkeit und Beifall bei den Grünen]

O.k., ich mache es einfach lauter! – Die Deutsche Bahn AG hält lukrative Jobs für große und kleine Lichter von CDU und SPD bereit, die sich konzernfreundlich verhalten. So funktioniert auch seit Jahrzehnten Landespolitik in der SPD, und als letztes Beispiel bringe ich den Rechnungshofpräsidenten: Sie nutzen dieses Instrument zu Ihrem Zweck und nicht zum Nutzen der Stadt.

[Beifall bei den Grünen]

Herr Wowereit, wir wollen von Ihnen heute wissen: Sie regieren – was haben Sie nach zwei Jahren S-Bahnchaos den Berlinerinnen und Berlinern zu sagen? Wie sieht Ihre S-Bahnstrategie aus?

[Zurufe von der Linksfraktion]

Warum lösen Sie sich nicht aus der Abhängigkeit von diesem Bahnunternehmen? Warum halten Sie an der Bahn fest, obwohl kein einziges europäisches Bahnunternehmen so schlecht ist wie die S-Bahn, obwohl die S-Bahn seit zwei Jahren gegen ihren Vertrag verstößt und obwohl alle Prognosen, Versprechen und Informationen der Manager falsch und unehrlich waren?

[Zurufe von der SPD und der Linksfraktion]

Ein ehemaliger Bahnmanager hat gestern die Vorgänge im DB-Konzern als Wirtschaftskrimi beschrieben. Warum wollen Sie, Herr Wowereit, sich an diesem Krimi beteiligen? Sagen Sie den Bürgerinnen und Bürgern, was Ihr Konzept ist, und lösen Sie sich aus dieser Abhängigkeit!

[Beifall bei den Grünen]

Für die FDP-Fraktion hat jetzt Frau Senftleben das Wort. – Bitte schön, Frau Senftleben!

Herr Präsident! Meine Herren, meine Damen! Ich will Ihnen erst einmal ein frohes neues Jahr wünschen – vielleicht beruhigt das ein bisschen die Gemüter, damit wir dann wieder zum Thema kommen können.

[Beifall bei der FDP, der SPD und den Grünen]

Lehrermangel, Notstundenpläne, Unterrichtsausfall, übervolle Klassen, Aufnahmekriterien an den Oberschulen – das sind Themen, die die Stadt bewegen, die Eltern, Lehrer, Schüler bewegen. Neben dem nun allseits bekannten S-Bahnchaos haben wir es in Berlin mit dem ebenfalls allseits bekannten Schulchaos zu tun.

[Beifall bei der FDP]

Lieber Herr Henkel! Unsere Fraktion hat sich heute in der Tat dafür entschieden, nicht über das eine, sondern über das andere Chaos zu reden. Das will ich hier in aller Deutlichkeit sagen. Es gibt nämlich durchaus Parallelen. Einige möchte ich aufzählen: Bei der S-Bahn werden Züge aus dem Verkehr gezogen, weil sie defekt sind. In den Schulen wird der reguläre Unterricht gestrichen, weil nicht genügend Personal da ist. Bei S-Bahn und Schulen fehlt es also an Grundvoraussetzungen für einen reibungslosen und damit erfolgversprechenden Betrieb.

[Beifall bei der FDP]

Übertreibt Harald Martenstein eigentlich in seiner Kolumne aus dem „Tagesspiegel“ vom Sonntag, wenn er von einem „failing state“ redet und damit Berlin meint? Weitere Parallelen: Die S-Bahn erstellt einen Notfahrplan, die Schulen reagieren mit einem Notstundenplan. Das Chaos der S-Bahn bewirkt Unpünktlichkeit – viele Menschen erreichen ihr Ziel, wenn überhaupt, dann nur verspätet; die Verlässlichkeit ist dahin –, das Chaos in den Schulen bewirkt weitere Chancenungerechtigkeit. Schülerinnen und Schüler erreichen die geforderten Bildungsziele, wenn überhaupt, dann verspätet. Die Verlässlichkeit ist dahin. Also: Nichts Neues bei der S-Bahn, nichts Neues auch in den Schulen.

Eines ist allerdings neu: Die Eltern haben nicht nur die Faxen dicke, denen platzt langsam der Kragen. Wie wir wissen, bereitet der Landeselternausschuss gerade eine Protestdemonstration für Ende des Monats vor. Die Gründe: Personalmangel an den Schulen mit den damit verbundenen Folgen – Unterrichtsausfall, Notstundenpläne –, die angedrohte Klagewelle der Eltern bezüglich der Aufnahmekriterien an den Oberschulen, die völlig verschlafene und unzureichende Vorbereitung der Inklusion und so weiter und so fort. Es gibt zu viele Baustellen, an denen, wenn überhaupt, nur notdürftig repariert wird.

Wann hört der Bildungssenator mit seiner Schönrechnerei auf? Es ist unerträglich. Eltern sehen zum Beispiel einen Mehrbedarf von 25 Prozent an den Oberschulen im kommenden Schuljahr, was sie ordentlich recherchiert haben. Sie, Herr Senator, reden von einem Mehrbedarf von 16 Prozent. Selbst wenn Sie recht hätten – zeigen Sie es! Unterlegen Sie die Zahlen, und sorgen Sie dafür, dass wenigsten dieser Mehrbedarf an Personal und Räumen berücksichtigt wird, und legen Sie es den Eltern dar!

[Beifall bei der FDP]

Wann hört der Senator endlich auf, als Oberlehrer den Eltern mitzuteilen, es gäbe vor Ort eigentlich gar keine Probleme, das seien alles nur gefühlte Probleme? Wann beginnt der Senator endlich mit einer verlässlichen Lehrerbedarfsplanung, die ihren Namen verdient, damit individuelle Förderung realisiert und Inklusion stattfinden kann? Wann denkt der Senator endlich über ein attraktives Besoldungssystem nach, über attraktive Arbeitsbedingungen, weniger Bürokratie, mehr Flexibilität, damit junge, gut ausgebildete Pädagogen in Berlin bleiben und nicht abwandern?

[Beifall bei der FDP]

Wann ergreift der Senator endlich die Initiative, eine Aufgabenkritik der 2 600 Vollzeitlehrerstellen vorzunehmen, die nicht mit Unterricht befasst sind, damit er sie wieder in den Unterricht zurückschicken kann? Und wann denkt der Senator endlich über mögliche Aufgabenbereiche für die über 1 000 dauerhaft erkrankten Lehrkräfte nach?

[Beifall bei der FDP]

Herr Senator! Sie reden sich gern damit heraus, Sie prahlen geradezu damit, Berlin rangiere bei den Bildungsausgaben an der bundesdeutschen Spitze. Um so blamabler ist es, dass Sie es nicht schaffen, die Voraussetzungen für gute Schule herzustellen.

Herr Senator! Ihre Zeit läuft ab. Das nächste Schuljahr steht vor der Tür. Auch wenn mir Ihre berufliche Zukunft eigentlich egal ist, die Zukunft der Berliner Schule, die Zukunft der Berliner Schülerinnen und Schüler sind mir nicht wurscht. Deshalb ist es nötig, die soeben gestellten Fragen hier zu beantworten.

[Beifall bei der FDP]

Die SPD plant vorsorglich keine weiteren Schulreformen. Prima. Die SPD will vorsorglich auch das Schulthema aus dem Wahlkampf heraushalten. Dazu versichere ich Ihnen, dass die SPD die Rechnung ohne den Wirt und vor allem ohne die Eltern gemacht hat. Deren Protest ist überfällig und berechtigt. Es geht um die Zukunft der Berliner Jugendlichen, um mehr Chancengerechtigkeit, mehr Bildungs- und Leistungsgerechtigkeit. Es geht darum, die Chancen für eine bessere Lebensperspektive zu gewährleisten. – Vielen Dank!

[Beifall bei der FDP]

Danke schön, Frau Kollegin Senftleben! – Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor.

Ich lasse abstimmen, und zwar zuerst über den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, für den sich im Ältestenrat eine Mehrheit abgezeichnet hat. Wer diesem Antrag von Bündnis 90/Die Grünen seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen! – Das sind CDU, SPD, Bündnis 90/Die Grünen und die Linke. – Die Gegenprobe! – Die FDP. Ersteres war die Mehrheit, dann ist das so beschlossen. Enthaltungen sehe ich nicht. Das Thema für die Aktuelle Stunde rufe ich unter dem Tagesordnungspunkt 3 auf. Die anderen Themen haben damit ihre Erledigung gefunden.

Dann weise ich Sie auf die Ihnen vorliegende Konsensliste sowie auf das Verzeichnis der Dringlichkeiten hin. Ich gehe davon aus, dass allen eingegangenen Vorgängen die dringliche Behandlung zugebilligt wird. Sollte dies im Einzelfall nicht Ihre Zustimmung finden, bitte ich um entsprechende Mitteilung.

[Unruhe]

Ich rufe auf

lfd. Nr. 1:

Fragestunde – Mündliche Anfragen

Bevor ich die erste Frage aufrufe, warte ich, bis wieder Ruhe im Saal einkehrt. Außerdem schlage ich Ihnen vor, dass wir die Fragen Nr. 1 und 5 zur JVA Heidering, sowie Nr. 4 und 10 zum Dioxinskandal zusammen aufrufen. – Widerspruch dazu höre ich nicht, dann verfahren wir so.

[Unruhe]

Das Wort wird erst dann erteilt, wenn wieder Ruhe im Saal ist. Ich bitte diejenigen, die den Saal verlassen möchten, dies zu tun und notwendige Gespräche bitte außerhalb zu führen. Danach wird der Kollege Kohlmeier aufgerufen. Können wir das bitte realisieren? Wenn diejenigen, die gehen wollen, bitte ein bisschen schneller gehen!

Jetzt hat das Wort zur ersten Mündlichen Anfrage der Kollege Sven Kohlmeier von der SPD-Fraktion zum Thema

Konzept für die Organisation der Justizvollzugsanstalten Berlins nach der Inbetriebnahme der JVA Heidering

Bitte schön, Herr Kollege Kohlmeier!

Ich danke Ihnen ganz herzlich, sehr geehrter Herr Präsident! Ich frage den Senat:

1. Gibt es Überlegungen in der Senatsverwaltung für Justiz, wie der mit der Inbetriebnahme der JVA Heidering gewonnene Spielraum bei den Justizvollzugsanstalten genutzt werden kann?

2. Existiert ein Geheimplan der Senatsverwaltung für Justiz zur Streichung von 1 200 Haftplätzen in Berlin, wie in der Presse berichtet wurde?

Danke schön! – Das verbinden wir mit der Frage Nr. 5 des Kollegen Dr. Kluckert von der FDP-Fraktion zum Thema

Brauchen wir eine JVA Heidering, wenn die Senatorin 1 200 Haftplätze streichen möchte?

Bitte schön, Herr Dr. Kluckert!

Vielen Dank, Herr Präsident! Ich frage den Senat:

1. Treffen Medienberichte zu, nach denen die Senatsverwaltung für Justiz in Berlin in den nächsten Jahren bis zu 1 200 Haftplätze abbauen möchte?