Bevor ich die Beschlussfähigkeit des Hauses feststelle, möchte ich die vier an Jahren jüngsten Mitglieder des Abgeordnetenhauses in das amtierende Präsidium bitten. Ich bitte folgende Abgeordnete, neben mir Platz zu nehmen: die Jüngste, eine Abgeordnete von der Piratenfraktion, Frau Susanne Graf – wir haben uns ja gestern kennengelernt – und den Jüngsten, Herrn Heiko Herberg, ebenfalls von der Piratenfraktion, dann Herrn Joschka Langenbrinck von der Fraktion der SPD und Frau Clara Herrmann von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen – wie vor fünf Jahren, Frau Herrmann.
Ich werde nun die Beschlussfähigkeit des Hauses durch Namensaufruf feststellen lassen. Die aufgerufenen Kolleginnen und Kollegen bitte ich, auf den Namensaufruf jeweils mit Ja zu antworten und sich dabei vom Platz zu erheben. Ich bitte Frau Susanne Graf, mit dem Aufruf zu beginnen.
Vielen Dank, Frau Herrmann! – Wie vor fünf Jahren sind alle aufgerufen. Ich danke den Mitstreitern links und rechts von mir für die Hilfe dabei.
Ein Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, der Fraktion Die Linke und des Abgeordneten Martin Delius von der Piratenfraktion, Drucksache 17/0001-1, sowie ein Antrag der Fraktion Die Linke, Drucksache 17/0008, auf Änderung der Geschäftsordnung sowie Anträge der Piratenfraktion auf Änderung des Geschäftsordnung, Drucksachen 17/0012 und 17/0013.
Für die Beratung stehen den Fraktionen jeweils bis zu fünf Minuten Redezeit zur Verfügung. Es beginnt die Piratenfraktion, die darum gebeten hat, dass zwei von ihnen reden dürfen. – Bitte schön, Herr Reinhardt, für zweieinhalb Minuten!
Danke schön, Herr Präsident! – Sehr verehrte Damen und Herren! Die Piraten sind neu im Parlament. Wir hatten wenig Zeit und widrige Bedingungen, um uns auf diese Sitzung vorzubereiten. Allerdings haben wir uns intensiv mit der Geschäftsordnung des Abgeordnetenhauses beschäftigt, und – das soll keinen Affront gegen das Hohe Haus darstellen – wir haben festgestellt, dass wir mit der Geschäftsordnung in dieser Form nicht in vernünftiger Form arbeiten können.
Wir haben einige Probleme identifiziert und diese in zwei Bereiche eingeteilt. Diese haben wir in zwei Blöcken von Anträgen auf den Ihnen zur Verfügung stehenden Schriftstücken aufgearbeitet. Es geht zum einen um die Ungleichbehandlung kleiner Fraktionen gegenüber großen, im zweiten Block geht es um die Stellung einzelner Abgeordneter. Die Vorstellung der Anträge wird durch mich und meinen Kollegen Pavel Mayer erfolgen. Ich werde im Folgenden auf die Gleichstellung der Opposition und die Stellung der kleinen Fraktionen im Hohen Haus eingehen.
Die Gleichstellung der Opposition und das Recht auf politische Chancengleichheit ist in Artikel 38 Abs. 3 VvB geregelt. Diese Gleichstellung ist bei den Finanzen in der Oppositionszulage zu sehen, die den Oppositionsfraktionen zusteht. Des Weiteren ist in der Verfassung von Berlin zu erkennen, dass die kleinen Fraktionen in jedem Ausschuss vertreten sein müssen, was zeigt, dass die kleinen Fraktionen im Grunde den gleichen Status wie die großen bekommen sollen. Leider ist dies an mehreren Stellen in der Geschäftsordnung so nicht zu finden. Dazu
möchte ich zwei Punkte nennen: Der erste ist § 12 Abs. 1 der Geschäftsordnung. Dort steht, dass nur zwei Vizepräsidenten nach d’Hondt gewählt werden. Dies bedeutet konkret, dass uns sowie zwei weiteren Fraktionen, beziehungsweise einer weiteren Fraktion, wenn man den Präsidenten dazuzählt, kein Vizepräsident zusteht. Das empfinden wir als Ungleichbehandlung. Dies möchten wir gern ändern. Uns ist bewusst, dass wir dazu auch die Verfassung von Berlin in Artikel 41 Abs. 2 ändern müssen. Wichtig ist dies, damit wir in Arbeitszusammenhängen vertreten sind und um die Gleichstellung der Fraktionen auszudrücken. Ich weise darauf hin, dass das Präsidium einen überparteilichen Charakter hat und keine Partei- oder Fraktionspolitik machen soll. Diese Regelung ist übrigens im Bundestag und auch in mehreren anderen Landesparlamenten üblich und sollte bei uns eine Selbstverständlichkeit darstellen.
Ich weise auf einen anderen Paragrafen hin, § 56 Abs. 1 der Geschäftsordnung. Darin geht es um die Einberufung von Sondersitzungen. Geregelt ist dort, dass 20 Prozent der Abgeordneten eine Sondersitzung fordern können. Das bedeutet, dass drei der hier vertretenen Fraktionen eine Sondersitzung beantragen können, zwei weitere nicht. Wir empfinden dies als Ungleichbehandlung und möchten diesen Artikel ändern. Notwendig ist dies zur Wahrnehmung unserer unmittelbaren Verfassungsaufgaben nach Artikel 40 Abs. 2 VvB.
Herr Reinhardt! Ich möchte Sie nicht unterbrechen, aber wenn Sie Ihre Redezeit mit einem anderen Kollegen teilen, sollten Sie allmählich zum Ende kommen.
Danke! – Ich komme zum Schluss. Es ist uns wichtig, an dieser Stelle eine Positionierung vorzunehmen. Es geht uns nicht darum, dass die Piratenfraktion eine Sonderstellung möchte, sondern wir möchten gleichberechtigt agieren können. Dies uns ist wichtig für die Wahrnehmung unserer Aufgaben, die uns vom Bürger übertragen wurden. Deshalb bitte ich darum, dass diesen Anträgen zugestimmt wird, und gebe weiter an meinen Kollegen Pavel Mayer, der den zweiten Block vorstellen wird. – Danke schön!
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte
Damen und Herren auf der Zuschauertribüne! Geschätzter Kollege Reinhardt! Ich glaube, es war eben vom Alterspräsidenten keine böse Absicht, dass Ihr Kollege nicht als Zweiter spricht. Er wird danach noch rankommen und die restliche Redezeit wahrnehmen können.
Ich begrüße Sie ganz herzlich hier in diesem Hohen Haus. Zu Beginn der Legislaturperiode erlaube ich mir, Ihnen allen zu Ihrer Wahl zu gratulieren! Ich freue mich auf die gute Zusammenarbeit mit Ihnen, aber auch auf konstruktiven Streit in der Sache. Diesen konstruktiven Streit wollen wir am heutigen Tag gleich mit einer, wie ich finde, äußerst spannenden Geschäftsordnungsdebatte beginnen. Wir haben hierzu mehrere Anträge vorliegen.
Ich komme zum ersten Antrag, dem Oppositionsantrag des Inhalts, dass der Hauptausschuss der Opposition zustehen soll. Die Opposition beantragt, in der Geschäftsordnung festzuschreiben: Die Opposition führt automatisch den Hauptausschuss. – Dieser Antrag ist bei der letzten konstituierenden Sitzung ebenfalls von der Opposition gestellt worden. Ich habe mir die Drucksache 16/0001-1 – neu – vom 25. Oktober 2006 herausgesucht. Man mag sich wundern, der Antrag ist wortgleich übernommen worden. Die einzige Änderung, liebe Kollegen von der Opposition, über dem Antrag aus dem Jahr 2006 stand: der Fraktion der FDP, der Fraktion der CDU und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Alles andere ist gleich geblieben.
Daraus folgt: Wir haben den Antrag seinerzeit abgelehnt. Der Antrag wird immer von der Opposition gestellt. Daraus folgt, dass Linke, Grüne und CDU in diesem Haus dem Antrag schon einmal zugestimmt und ihn auch schon einmal abgelehnt haben, je nach dem, ob die Fraktionen gerade in einer Koalition oder in der Opposition waren.
[Heiterkeit und Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN – Beifall von Christian Gräff (CDU)]
Nein, nein! Nicht bis zum nächsten Mal, lieber Kollege Lederer! Ich würde es mir ja wünschen, Sie wissen es. – Der Grund, weshalb wir ihn abgelehnt haben, ist nicht, weil wir ihn ablehnen wollen
Nein! Sie müssen einfach einmal in die Begründung hineinsehen. Dort steht, die Opposition könnte die Regierung besser kontrollieren. Ich sage einmal ganz vorsichtig, liebe Kollegen: Wer uns in den letzten fünf Jahren als SPD-Fraktion erlebt hat, der kann uns tatsächlich nicht vorhalten, dass wir die Regierung nicht ordentlich kontrolliert hätten.
Wir haben in den letzten fünf Jahren sehr deutlich gezeigt – ich darf nur das Beispiel BIH nennen –, dass wir mit unseren Senatoren äußerst selbstbewusst umgehen. Ich kann Ihnen versprechen, dass das auch in den nächsten fünf Jahren so bleiben wird. Ich sehe, der Regierende Bürgermeister freut sich schon darauf.
Ich habe mir weiterhin angeschaut, dass in der Begründung steht, alle anderen Bundesländer würden es genauso machen, es gebe so viele Regelungen in den jeweiligen Geschäftsordnungen. Es gibt im Bundesländervergleich acht Bundesländer, in denen die Regierungskoalition den Hauptausschuss führt. In den anderen acht führt eine andere Fraktion den Hauptausschuss als die jeweiligen Regierungsfraktionen. Das einzige Bundesland, das eine entsprechende Reglung hat, ist Bremen. Bremen hat in § 63 Abs. 1 am Ende der Geschäftsordnung geschrieben:
Na ja, eines von 16 Bundesländern ist nicht viele, sondern eines. In allen anderen Geschäftsordnungen gibt es eine entsprechende Regelung nicht.
Und lieber Kollege von den Grünen – ich komme je gleich zu Ihnen –: Wir hätten den Antrag möglicherweise anders diskutiert – und Sie reden ja gerade dazwischen –, wenn Sie Ihre Wahlziele auch nur annähernd erreicht hätten. Dann würden Sie jetzt hier vorne stehen und uns allen wortreich erklären, warum der Antrag falsch ist und warum die bisherige Regelung so gut ist.
Es gibt im Parlament keine Fraktionen erster oder zweiter Klasse. Ich finde, das bisherige Verfahren des Zugriffs nach Ausschussstärke sollte so bestehen bleiben, und wir lehnen, wie gesagt, den Antrag ab.
Zu den Anträgen der Fraktion der Piraten – erste Anmerkung dazu: Ich hätte mir im Rahmen auch von Transparenz und von Vorbereitung durchaus gewünscht, dass die Anträge eher als eine Stunde vor der jetzigen Sitzung vorliegen.