Protokoll der Sitzung vom 22.03.2012

[Beifall bei den GRÜNEN und den PIRATEN]

Wir finden die Idee, dem Ansinnen der Brüder Humboldt einen weiteren Ort im Berliner Zentrum zu widmen, eigentlich sehr gut. Sie stehen für Forscherdrang, sie stehen für Freiheit in der Wissenschaft und vor allem für einen weltoffenen Dialog der Kulturen. Sie planen hier allerdings – an allen vorbei –

[Zuruf von Torsten Schneider (SPD)]

ein eurozentrisches Bauwerk, das jede andere Kultur von vorneherein erschlägt. Die Unvereinbarkeit dieser Planung geht noch weiter, denn gleich neben dem Schloss planen Sie auf dem Sockel des ehemaligen Kaiser-Wilhelm-I.-Denkmals ein Freiheits- und Einheitsdenkmal für die friedliche Revolution in der DDR. Wie das miteinander vereinbar sein soll, das müssen Sie mir wirklich einmal erklären!

[Beifall bei den GRÜNEN]

Zudem gibt es in Berlin reichlich Orte, die an die friedliche Bürgerbewegung der DDR erinnern – der Schlossplatz ist das definitiv nicht!

[Beifall bei den GRÜNEN und den PIRATEN]

Für den Umgang mit der Berliner Geschichte hat der Senat in der gesamten historischen Mitte bisher keinen Fahrplan. Es gibt bis heute kein Gesamtkonzept für die einzelnen Teilräume,

[Torsten Schneider (SPD): Sagen Sie doch einfach nein!]

es gibt weder einen Plan, wie man sie inhaltlich noch städtebaulich zusammenführen will. Deshalb haben Sie gestern im Stadtentwicklungsausschuss auch noch die Mittel für den städtebaulichen Wettbewerb für das Rathausforum gestrichen. Das alleine liefert reichlich Gesprächsbedarf für heute.

[Beifall bei den GRÜNEN]

Wer durch die historische Mitte Berlins läuft, sieht an den zahlreichen archäologischen Grabungen, welch großes historisches Erbe Berlin hat. Dieses Erbe besteht aber nicht nur in den mittelalterlichen Mauern oder den barocken Resten, sondern es besteht auch aus den vielen Brüchen, die es in dieser Stadt gibt: in den 1920er-Jahren, im Krieg, in der Nachkriegszeit, vor allem auch in der DDR und in der Zeit bis heute. Es gilt, all diese Zeugen der Berliner Geschichte in künftige Planungen zu integrieren.

[Beifall bei den GRÜNEN und den PIRATEN]

Davon lebt Berlin, das macht Berlin spannend, und das hätten wir uns bei Ihren Schlossplanungen gewünscht!

[Beifall bei den GRÜNEN]

Berlin feiert in diesem Jahr seinen 775. Geburtstag – das erste Mal seit Langem gemeinsam.

[Torsten Schneider (SPD): Dagegen sind Sie doch auch!]

Herr Wowereit – herzlichen Glückwunsch! Hier hat der Senat endlich mal ein Konzept, auch wenn es wieder einmal nur ums Feiern geht.

[Beifall bei den GRÜNEN und den PIRATEN – Heiterkeit]

Wenn wir schon bei Ihnen sind, Herr Wowereit: Im Wahlkampf haben Sie vollmundig den Bau eines archäologischen Besucherzentrums am Petriplatz versprochen. Wenige Wochen später wollten Sie davon nichts mehr wissen. Der Koalitionsvertrag – vergessen! Erst durch unseren erheblichen Druck an verschiedener Stelle

[Heiterkeit bei den GRÜNEN – Lachen bei der SPD und der CDU]

haben sich die Koalitionsfraktionen gestern dazu durchringen können, einer Finanzierung stattzugeben. Dieser Vorgang ist zwar im Ergebnis richtig, ansonsten aber peinlich, peinlich, peinlich!

[Beifall bei den GRÜNEN]

Peinlich ist es auch, dass Sie Bundesbauminister Ramsauer die Möglichkeit einräumen, sich in die Berliner Stadtgestaltung einzumischen. Das kann er nur, weil Sie selbst keinen Plan haben, sonst würde sich nämlich niemand für das Geschwätz von Peter Ramsauer zum MarxEngels-Forum interessieren.

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN]

Deshalb möchten wir Grüne, dass die Entscheidung über die künftige Gestaltung unserer Stadtmitte nicht allein dem Senat, Peter Ramsauer oder irgendwelchen Investoren überlassen wird. Wir meinen, diese Gestaltung eines gemeinsamen Zentrums ist die wahre Chance, dass Ost und West zusammenwachsen können, dass sich hier Alte und Junge finden, dass alteingesessene Berliner mit Zugezogenen einen gemeinsamen Raum finden. Darin liegt die Chance eines Berliner Zentrums und auch einer historischen Mitte.

[Torsten Schneider (SPD): Und Sie sind dagegen!]

Deshalb kann und muss diese Frage gemeinsam mit den Berlinerinnen und Berlinern diskutiert werden. Wir könnten heute den Auftakt dazu leisten. – Danke schön!

[Beifall bei den GRÜNEN, der LINKEN und den PIRATEN]

Vielen Dank! – Für die Fraktion Die Linke folgt nun Frau Breitenbach.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir versuchen erneut, mit Ihnen das Thema Mindestlohn zu diskutieren. Das Thema ist nicht immer noch aktuell, es wird mit jeder Sitzung aktueller!

[Beifall bei der LINKEN – Torsten Schneider (SPD): Und steht auf der Tagesordnung!]

Eine hauchdünne Mehrheit der SPD-Fraktion möchte ein bisschen Mindestlohn. Sie wollen, dass auch im Programm Berlin-Arbeit ein Mindestlohn wie im Vergabegesetz – also 8,50 Euro – zumindest für 30 Stunden bezahlt wird, immerhin! Sofort reagiert der Senat und beschließt, dass das nicht stattfindet. Im Programm Berlin-Arbeit gibt es keinen Mindestlohn, von dem man leben kann. Die Beschäftigten erhalten 975 Euro für 30 Stunden Arbeit. Neu ist allerdings, dass die viel gepriesene individuelle und punktgenaue Qualifizierung für den ersten Arbeitsmarkt freiwillig und deshalb unbezahlt stattfinden soll. Dann ist noch ein Coaching von bis zu 10 Stunden geplant – wie das alles bei 40 Stunden Arbeitszeit funktionieren soll, werden Sie uns vielleicht irgendwann einmal erklären.

[Beifall bei der LINKEN]

Das ist also Ihr Programm Berlin-Arbeit. Die gleiche Arbeit wie im ÖBS soll für deutlich wenige Geld verrichtet werden. Von Tariflöhnen wie im ÖBS wird nicht mehr geredet, von einem Mindestlohn auch nicht.

Die Damen und Herren vom Senat weiten den Niedriglohnsektor mit den hohen Weihen der staatlichen Arbeitsmarktpolitik aus. Die Begründung, dass es dann mehr Maßgaben geben könne, wenn die Leute weniger verdienen, ist, ehrlich gesagt, peinlich.

[Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN]

Mit welcher Autorität, liebe Senatoren, liebe Senatorinnen, liebe Koalition, möchten Sie eigentlich noch in Zukunft Unternehmen verpflichten, Mindestlöhne zu bezahlen? – Die können genauso behaupten, dass sie mehr Leute beschäftigen können, wenn sie geringere Löhne zahlen.

[Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN]

Deshalb, liebe Kolleginnen und Kollegen der SPD, interessiert uns, wie Sie das alles sehen, wie Sie sich positionieren. Wie stehen Sie wirklich zum Mindestlohn? War es mehr als Wahlkampfgetöse?

[Zuruf von Dr. Manuel Heide (CDU)]

Wir möchten gern mit Ihnen genauer über die Ausgestaltung des Programms „Berlin-Arbeit“ reden, denn die Umsetzung hat schon begonnen. Oder finden Sie, liebe SPD, wie der Regierende Bürgermeister und die Arbeitssenatorin, dass Beschäftigung im zweiten Arbeitsmarkt nichts mit Mindestlöhnen zu tun hat? Finden Sie, dass das keine richtige Arbeit ist?

[Zurufe von der SPD: Ja!]

Dann sollten Sie das allerdings auch den Nachbarschaftslotsen, den Kiezmüttern und anderen ÖBS-Beschäftigten so deutlich sagen. Das sind alles Menschen, die für den sozialen Zusammenhalt in dieser Stadt gearbeitet und

wichtige Arbeit gemacht haben. Sie haben ihnen in Ihrem Koalitionsvertrag versprochen, dass Sie diese Projekte retten werden. Sie haben allerdings nicht gesagt, unter welchen Bedingungen.

[Beifall bei der LINKEN – Beifall von Antje Kapek (GRÜNE) und Oliver Höfinghoff (PIRATEN)]

Deshalb wiederhole ich es immer wieder gern: Der Sinn eines Mindestlohnes ist, dass Menschen von ihrer Arbeit leben können. Wenn Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen der SPD jetzt zulassen, dass dies einem Teil der Beschäftigten verwehrt wird, entwerten Sie deren Arbeit, und Sie stellen den Mindestlohn insgesamt infrage,

[Beifall bei der LINKEN – Beifall von Martin Delius (PIRATEN)]

denn Mindestlohn ist unteilbar. Entweder ist er existenzsichernd, oder er ist es nicht. Ein bisschen Mindestlohn gibt es auf jeden Fall nicht. Es ist Zeit, endlich Position zu beziehen. Stimmen Sie deshalb unserer Aktuellen Stunde zu!

[Beifall bei der LINKEN – Beifall von Andreas Baum (PIRATEN)]

Vielen Dank! – Für die Piraten hat der Kollege Höfinghoff das Wort.