Protokoll der Sitzung vom 14.06.2012

[Beifall bei der SPD und der CDU – Beifall von Wolfram Prieß (PIRATEN)]

Und diese Spitzenforschung zahlt sich aus. Bei der Einwerbung von Drittmitteln haben wir bundesweit den ersten Rang eingenommen. Auch die Bevölkerung wächst Gott sei Dank wieder, seit 2004 um rund 100 000 Menschen. Das sind jetzt nicht Völkerwanderungen, die die Bilanz ausmachen, aber ein stetiges Wachstum. Wir hatten auch schon andere Situationen und Zeiten in dieser Stadt.

Und auch neueste Ansiedlungen zeigen: Berlin zieht allein 400 neue Arbeitsplätze von Eon. Aber selbstverständlich: Da, wo ein Erfolg ist, gibt es auch immer wieder Rückschritte, wie in der Solar- und Fotovoltaikindustrie. Dort hatten wir leider auch Schwierigkeiten in der Vergangenheit. Dies ist leider auch Teil der Wirklichkeit. Aber in der Bilanz insgesamt kann man sagen, dass Berlins Wirtschaft sich hervorragend entwickelt. Wir haben vieles aufgeholt. Vieles ist noch zu tun, aber ich glaube, dass alle, die daran beteiligt sind, auch stolz darauf sein können.

[Beifall bei der SPD und der CDU]

Dies gibt neue Arbeitsplätze, und die zusätzlichen Steuereinnahmen schaffen die Basis dafür, dass wir Berlin gestalten können. Bei allen Restriktionen, die wir auch in diesem Haushalt haben, haben wir – wie gesagt – die richtigen Schwerpunkte gesetzt.

Wir stehen zu soliden Haushalten. Berlin ist allerdings auch keine Insel. Mit Sorge beobachten wir die Turbulenzen in Europa. Herr Wolf hat recht, wenn er sagt, dass uns die Diskussion über den Fiskalpakt unmittelbar betrifft – nicht nur die europäischen Ländern, sondern auch die Länder der Bundesrepublik und auch die Kommunen. Und wir haben eine Gesamtverantwortung. Auch das Land Berlin hat eine Gesamtverantwortung für ganz Europa, und wir sind in Solidarität mit Europa. Berlin weiß, dass wir ein vereintes, eine starkes Europa haben wollen. Deshalb ist die Solidarität gefordert. Gerade in Zeiten, in denen es einigen Mitgliedsstaaten schlecht geht, ist die Solidarität der Europäischen Gemeinschaft gefordert. Dazu bekennt sich auch das Land Berlin.

[Beifall bei der SPD und der CDU]

Aber wir wissen auch, dass diese Finanzkrise immer noch in der Weise anhält, dass auch Spekulanten gegen ganze Staaten Wetten abgeschlossen haben und ihre persönlichen und wirtschaftlichen Erfolg davon abhängig machen, dass es ganzen Staaten in Europa schlecht geht. Selbstverständlich wollen wir auch jene heranziehen, die diese Krise verursacht haben und die im Rahmen dieser Krise Gewinn hatten. Deshalb sind wir für die Finanztransaktionssteuer.

[Beifall bei der SPD und der CDU – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN, und den PIRATEN]

(Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit)

Sie muss kommen, und zwar nicht nur in Deutschland, nicht nur in neun Ländern der Europäischen Gemeinschaft, sondern in ganz Europa.

Und wir freuen uns, dass auch auf der Seite der Bundesregierung die Widerstände, die vorhanden waren, aufgegeben worden sind. Wir erwarten, dass die Bundeskanzlerin ihr Versprechen einhält, mit den Oppositionsparteien gemeinsam dafür zu werben, so viele Länder in Europa wie möglich in diesen Bereich mit hineinzubekommen. Es darf kein Argument sein, dass es alle machen müssen und es sonst keinen Sinn macht. Nein! Wir wollen anfangen, und wir wollen dafür werben, dass so viele Länder wie möglich mitmachen. Dies ist der richtige Weg!

Wir wollen auch sehen, dass der Fiskalpakt, so, wie er abgeschlossen worden ist, die richtigen Impulse gibt. Die Bürgerinnen und Bürger in Deutschland erwarten von den jeweiligen Regierungen zu Recht, dass sie Sorge dafür tragen, dass ihr Geld, das in die Mitgliedsstaaten als Hilfestellung transferiert wird, nicht einfach rausgeschleudert wird, sondern dass strikte Auflagen damit verbunden sind. Ich glaube, dies ist auch selbstverständlich. Es muss sich in den Ländern etwas ändern, sonst ist dieser Transfer ein Dauertransfer. Dann ändert sich nichts daran. Deshalb auch klare Bedingungen geknüpft an die Hilfe: Ich glaube, dies ist auch der richtige Weg.

Aber selbstverständlich müssen wir die Nationen, die wirtschaften, fit machen, damit sie die Chance haben, überhaupt neues Wachstum zu produzieren, dass sie überhaupt Hilfe bekommen. Deshalb sind Wachstumsprogramme unumgänglich, wenn man den Fiskalpakt ernst meint. Deshalb muss Europa hier ein Wachstumsprogramm auflegen, um den Ländern zu helfen, ihnen eine Perspektive zu geben. Dies ist damit eng verbunden, und dafür steht auch das Land Berlin.

[Beifall bei der SPD und der CDU]

Herr Wolf hat recht: Die Auswirkung des Fiskalpakts richten sich auch auf die Länder, und sie sind direkt. Deshalb ist die Forderung der Länder – und wir werden das heute im Rahmen der Ministerpräsidentenkonferenz auch mit der Bundeskanzlerin verhandeln – selbstverständlich, dass der Bund, wenn er diesen Vertrag international abschließt – das kann er machen –, die Verantwortung dafür übernimmt und dass die Schuldenbremse, so, wie sie in Deutschland vereinbart worden ist, wie sie in der Verfassung steht, nicht noch mal getoppt wird und die Länder noch mal zusätzliche Anstrengungen unternehmen müssen. Das können sie nicht tun, und die Länder werden sich dagegen wehren. Sie werden die Forderung weiter aufrecht erhalten, dass der Bund das nimmt. Wir haben Instrumente aufgezeigt – durch Änderung des Haushaltsstrukturgesetzes oder durch Verfassungsänderung –, es auch dauerhaft sicherzustellen, dass die Länder nicht zusätzlich zur Kasse gebeten werden. Das ist eine unmittelbare Forderung der Länder, und die müssen wir umsetzen.

[Beifall bei der SPD]

Wir brauchen auch für die Kommunen eine Hilfestellung. Dementsprechend sind auch die Forderungen nach Beteiligung der Bundesregierung an der Eingliederungshilfe ein Teil dieses Pakets. – Herr Wolf! Deshalb wird es nicht nur darum gehen, eine Schuldenbremse in Europa einzuziehen, sondern das Thema ist komplexer und es muss in der Tat, bevor eine Zustimmung der Länder erfolgen kann, ein Gesamtpaket geschnürt und auch so auf den Weg gebracht werden, dass es unumkehrbar ist. Das ist die Forderung der Länder, und sie ist Gott sei Dank auch parteiübergreifend, d. h. es ist nicht nur eine Frage von A- oder B-Ländern mit gegensätzlichen Positionen, sondern wir haben versucht, einheitlich vorzugehen. Ich hoffe, dass wir da zu einem guten Ergebnis kommen werden.

Der Bund hat für sich in Anspruch genommen, dass er europaweit deutlich macht: Deutschland ist Vorreiter, Deutschland ist Vorbild mit einer Schuldenbremse und mit einer aktiven Sparpolitik. Auf der anderen Seite ist die Bundesregierung allerdings weiter dabei, Schulden zu machen. Und sie macht Ausgaben, die kontraproduktiv sind, nämlich für zweifelhafte Projekte wie die Fernhalteprämie, das sogenannte Betreuungsgeld. Da werden Milliarden ohne Sinn und Verstand rausgeschmissen, und die Kommunen haben nicht die Möglichkeit, genügend Kitas zu bauen.

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN – Beifall von Wolfram Prieß (PIRATEN)]

Das ist eine falsche Entwicklung, und das passt nicht zusammen. Erst wird der Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz beschlossen, weil er bildungspolitisch auch richtig und wichtig ist, dann aber die Prämie dafür, dass man die Kinder zu Hause lässt. Das passt nicht zusammen.

Es geht nicht darum, den Eltern ihre Entscheidungsfreiheit zu nehmen. Wir wollen, dass Eltern es selbst entscheiden können. Aber wir können es doch nicht noch mit Anreizen unterlegen, dass gerade die Kinder, die dringend den Kitaplatz und die Betreuung bräuchten, nämlich die aus sozialschwachen Familien, aus Integrationsbereichen kommen, durch diese Prämie abgehalten werden. Das ist kontraproduktiv, und deshalb sind wir dagegen.

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN]

Nicht das Fernhalten von der Bildung sollte belohnt werden, sondern die Teilnahme an Bildung.

Berlin hat die Lehren aus der eigenen Überschuldung gezogen und schon vor zehn Jahren umgesteuert. Wenn Sie sich erinnern, wie hoch die Prognosen zum heutigen Schuldenstand des Landes Berlin waren, dann wären wir heute schon im Bereich von 90 Milliarden Euro und

(Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit)

mehr. Das heißt, es hat sich gelohnt umzusteuern, denn damit sind auch die Zinsbelastungen mit 2,3 Milliarden Euro in den letzten Jahren relativ stabil geblieben. Das liegt einerseits daran, heute Niedrigzinsen zahlen zu müssen. Das ist das eine, das uns geholfen hat. Aber vor allen Dingen hat uns geholfen, dass wir radikal umgesteuert haben. Das war schmerzlich, und es war auch nicht immer Vergnügungssteuer gemäß, sondern viele haben gegen unsere Maßnahmen protestiert, weil wir nicht alle, auch berechtigten Wünsche der Bürgerinnen und Bürger erfüllen konnten.

Das ist auch heute noch der Fall. 0,3 Prozent Ausgabensteigerung im Schnitt bedeuten in der Tat, dass wir Einschnitte machen, in vielen Bereichen umstrukturieren müssen – sonst ist das nicht zu halten. Aber wir gehen diesen Weg, auch wenn er steinig ist, weil wir es tatsächlich erreichen wollen, 2016 ohne neue Kreditaufnahme auszukommen und unseren Weg kontinuierlich weiterzugehen. Deshalb ist auch dieser Doppelhaushalt mit der Nettokreditaufnahme von unter einer Milliarde Euro für das Jahr 2012 und unter 500 Millionen Euro für das Jahr 2013 ein Meilenstein auf diesem Weg. Deshalb ist es kein Phantomziel, das wir uns mit 2016 gesetzt haben, sondern es ist real, es ist zu erreichen, und wir werden es erreichen.

[Beifall bei der SPD und der CDU]

Aber solide Finanzen sind kein Selbstzweck. Selbstverständlich muss ein Haushalt auch die Möglichkeiten haben, zu gestalten. Wir machen diese Finanzpolitik, um genau diese Gestaltungskraft wiederzugewinnen. Deshalb ist es wichtig, dass wir für wirtschaftliche Impulse, für eine Stärkung der Infrastruktur, für die Förderung von Bildung und Wissenschaft und für Investitionen in Kunst und Kultur Vorsorge treffen. Politisch gestalten als kreative und dynamische Metropole, als soziales Gemeinwesen und als weltoffene, liberale Stadt – darum geht es diesem Senat und der Koalition, und dafür ist dieser Doppelhaushalt ein Garant.

Die wirtschaftlichen Erfolge der letzten Jahre sind kein Endpunkt. Berlin ist reich an Potenzialen, und dieser Senat tut alles, damit sie sich entfalten können. Die wirtschaftlichen Potenziale, aber auch die kulturellen und wissenschaftlichen Chancen wollen wir nutzen. Das ist unsere große politische Botschaft. Ich sehe hier im Abgeordnetenhaus keine anderen Kräfte als die Koalitionsparteien, die konsequent für diese Botschaft stehen, und das ist der richtige Weg. Ein Schlüsselthema ist dabei die Infrastruktur. Eine moderne Infrastruktur ist die Grundlage für den wirtschaftlichen Erfolg.

Ich komme jetzt zum Flughafen.

[Zurufe von den PIRATEN – Lachen bei den PIRATEN]

Ja, da kann man wieder schön hämisch lachen. Dann lachen Sie sich mal kaputt! – In der Tat: Wenn man vier

Wochen vor dem Termin die Flughafeneröffnung leider verschieben muss, dann ist das kein Ruhmesblatt, aber es ist noch lange kein Grund für Ihre überschäumende Häme, und es ist noch lange kein Grund, diesen Flughafen infrage zu stellen.

[Beifall bei der SPD und der CDU – Zurufe von den PIRATEN]

Ich sage an dieser Stelle erneut ein Dankeschön an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Flughafengesellschaft und der vielen Baufirmen. Ich war gestern wieder auf der Baustelle. Es arbeiten dort Tausende, damit dieser Flughafen fertig wird.

[Zurufe von den GRÜNEN]

Die Desavouierung ihrer Arbeit in Gänze ist auch nicht hinnehmbar.

[Beifall bei der SPD und der CDU – Zurufe von den PIRATEN]

Frau Pop! Der Eröffnungstermin, der 17. März 2013, ist – genauso wie der letzte Eröffnungstermin – kein politischer Termin, den die Ministerpräsidenten oder die Vertreter des Bundes einfach in den Raum geworfen haben, weil er uns politisch passt.

[Zurufe von den GRÜNEN]

Dieser Termin ist analysiert worden durch die beteiligten Firmen, die alle gesagt haben: Ja, dieser Zeitplan ist zu halten. – Selbstverständlich – gerade nach dem Desaster, das wir mit der kurzfristigen Verschiebung hatten –

[Zurufe der PIRATEN]

werden der Aufsichtsrat und alle Beteiligten verstärkt darauf achten, ob dieser Termin zu halten ist, das ist völlig klar. Sie tun so, als ob das für uns von keiner Bedeutung ist.

[Zuruf von Benedikt Lux (GRÜNE)]

Ich weiß genau, was das einerseits ökonomisch für die gesamte Region bedeutet, aber, liebe Frau Pop, ich weiß auch, welch ein gefundenes Fressen es – politisch gesehen – für Sie wäre, wenn sich dieser Termin nicht halten ließe.

[Zuruf von Benedikt Lux (GRÜNE)]

Aber es geht hier nicht um politische Termine, sondern darum: Ist es möglich, oder ist es nicht möglich? – Wir werden das selbstverständlich hart überprüfen. Dafür stehen wir, und das werden wir auch weitermachen.

[Özcan Mutlu (GRÜNE): Das haben Sie schon mal gesagt!]

Frau Pop! Ihre Hoffnung, dass das Planergänzungsverfahren diesen Flughafen gefährdet, zusammenhängend mit der Verschiebung des Eröffnungstermins, ist gänzlich falsch, weil dieses Planergänzungsverfahren schon längst eingeleitet war, als noch gar nicht von der Verschiebung die Rede war. Es gibt in der Tat eine Unklarheit in dem Beschluss, die jeder ziemlich schnell nachvollziehen