Protokoll der Sitzung vom 14.06.2012

Frau Pop! Ihre Hoffnung, dass das Planergänzungsverfahren diesen Flughafen gefährdet, zusammenhängend mit der Verschiebung des Eröffnungstermins, ist gänzlich falsch, weil dieses Planergänzungsverfahren schon längst eingeleitet war, als noch gar nicht von der Verschiebung die Rede war. Es gibt in der Tat eine Unklarheit in dem Beschluss, die jeder ziemlich schnell nachvollziehen

(Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit)

kann: Wenn im Bereich der Lärmsituation heute die Tagzeit besser geschützt ist als die Nachtzeit, dann wird deutlich, dass da eine Diskrepanz besteht, die Widersprüchlichkeiten im eigenen Beschluss enthält. Das soll geklärt werden, und zwar unter Bürgerbeteiligung. Das ist kein Geheimverfahren, da wird auch nichts gemuschelt, sondern da ist ein Antrag gestellt worden, und der muss behandelt werden. Dieser Antrag wird dann höchstwahrscheinlich auch, wenn eine entsprechende Entscheidung getroffen worden ist, noch eine juristische Auseinandersetzung zur Folge haben, aber das hat mit der Eröffnung des Flughafens nichts zu tun, sondern bezieht sich sowieso auf den Zeitpunkt 2015 ff. Auch das hat nichts mit der Verschiebung dieses Termins zu tun.

Wir stehen für den Ausbau der Infrastruktur. Neben dem Flughafen – das ist heute schon erwähnt worden – sind natürlich die Verlängerung der A 100 und die Tangentialverbindung Ost ein wichtiges Thema. Ja, das ist der Unterschied zwischen den Parteien auch in diesem Haus: Wir stehen zu diesen Infrastrukturprojekten und werden die Voraussetzung dafür schaffen, dass sie verwirklicht werden können.

[Beifall bei der SPD und der CDU – Ramona Pop (GRÜNE): Davon steht nichts im Haushaltsplan!]

Wir wollen auch Zukunftsinvestitionen wie den Neubau der Zentral- und Landesbibliothek dafür nutzen, um Areale zu entwickeln, wie beispielsweise das Gelände des ehemaligen Flughafens Tempelhof. Es ist selbstverständlich nicht nur ein Standort untersucht worden, Frau Pop, sondern über zehn Standorte und selbstverständlich auch der Standort AGB.

[Zuruf von den GRÜNEN]

Wir sind zu der Auffassung gekommen – nach Abwägung dieser Untersuchung –, dass der Standort am Tempelhofer Damm ein richtiger und zukunftsweisender Standort ist, auch für weitere Investitionen im Zusammenhang mit Bildung an dieser Stelle. Deshalb wollen wir dort investieren und haben die Voraussetzungen dafür geschaffen.

[Beifall bei der SPD und der CDU – Zurufe von den GRÜNEN]

Wenn wir die letzten Jahre Revue passieren lassen, dann wird deutlich: Berlin lebt wesentlich von seinem Image als attraktive, weltoffene Metropole, die den Kreativen aus aller Welt Freiräume bietet. Eine Stadt der kulturellen Inspiration, ein Ort der Kunst, das ist unsere Stärke, und die wollen wir auch ausbauen. Das Medienboard wird weiter gestärkt. Wir haben gesehen, welche großen Erfolge wir mit der Entwicklung der Filmindustrie haben. Berlin ist ein Musikstandort von internationaler Bedeutung. Mit unserem neuen Musicboard wollen und werden wir diesen Standort international noch weiter stärken als bisher.

[Zuruf von den GRÜNEN]

Wir wollen die Musikbranche unterstützen und sind da in einem hervorragenden Dialogprozess mit den Beteiligten. Ich glaube, das ist der richtige Weg. – Wir verstärken die Förderung der freien Gruppen um eine Million Euro per anno,

[Zuruf von Wolfgang Brauer (LINKE)]

richten 25 neue Probenräume für Musik ein und fördern 100 zusätzliche Ateliers im Atelierförderprogramm – auch um einer Mietenentwicklung entgegenzusteuern, die sonst die Kreativität in dieser Stadt zerstören würde.

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Und wir freuen uns, dass wir den Wettbewerb „Nationales Schaufenster der Elektromobilität“ mit anderen Standorten gewonnen haben, aber Berlin ist da ein zentraler Standort. Das war gut vorbereitet, das war ein guter Kooperationspakt mit der Berliner Wirtschaft, aber auch mit großen Unternehmen, die am Zukunftsstandort Berlin festgehalten und an ihn geglaubt haben. Deshalb werden wir das jetzt umsetzen und deutlich innovative Zukunftsperspektiven entwickeln. Da wird sicherlich auch die weitere Entwicklung des ehemaligen Flugplatzes Tegel ab dem nächsten Jahr eine Rolle spielen, und da werden wir weiterkommen.

Morgen startet das BMW Guggenheim Lab. Die Debatte um den Standort war eine schändliche Debatte, die in dieser Stadt geführt worden ist.

[Beifall bei der SPD und der CDU]

Ich hätte mich gefreut, wenn das tatsächlich in Kreuzberg stattgefunden hätte.

[Beifall von Antje Kapek (GRÜNE)]

Aber wir sagen jetzt: Ein herzliches Willkommen, Guggenheim Lab in Berlin!

[Zurufe von den GRÜNEN und den PIRATEN]

Ja, das ist ein Diskussionsforum! Setzen Sie sich auseinander! Setzen Sie sich kritisch auseinander mit Entwicklungen in dieser Stadt, mit Gentrifizierungsdebatten oder anderen! Das soll intellektuell ausgetragen werden, aber doch nicht dadurch, dass man einen harmlosen Bau verhindert in einem Teil dieser Stadt.

[Beifall bei der SPD und der CDU – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN – Zurufe von den GRÜNEN und den PIRATEN]

Berlin kommt ökonomisch von weit unten, und es ist gut, dass wir einen Gründungsboom haben. Wir wissen aber auch, dass wir noch eine hohe Anzahl von Insolvenzen haben.

[Zuruf von Ramona Pop (GRÜNE)]

Deshalb ist es wichtig, dass Berlin Partner sich um den Bestand kümmert.

(Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit)

Berlin ist auch ein Hotspot der digitalen Gesellschaft geworden, mit hoher Gründungsdynamik, mit vielen Anbietern kreativer Inhalte und einer lebendigen Nutzerszene. Wir werden daher einen Schwerpunkt auf die Netzpolitik legen und die Chancen nutzen, die sich für Berlin ergeben. Dazu gehört der Ausbau von Open Data, die WLAN-Initiative und die weitere Digitalisierung der Verwaltung. Das sind Schwerpunkte, die intensiv bearbeitet werden. Ich glaube, dass das nicht erst seit dem Entstehen der Piraten ein Thema ist, sondern das muss für alle gelten.

Berlin ist im Wandel, und Berlin wächst. Wir freuen uns über diese Entwicklung und werden alles tun, um auch für die Zukunft beste Rahmenbedingungen für neue Arbeitsplätze zu schaffen. Aber wir wollen – bei allem Stolz über den ökonomischen Fortschritt und die Prosperität – nicht verkennen, dass es auch Folgen dieses Wandels gibt, nämlich soziale Nachteile und Verwerfungen, die dadurch in unserer Stadt entstehen. Aber wir können daraus keine Veränderungssperre für diese Stadt ableiten. Diese Stadt muss sich verändern! Da, wo es Verwerfungen gibt, muss gegengearbeitet werden, müssen Konzepte erarbeitet werden, um diese Verwerfungen zu konterkarieren und die Menschen aufzufangen, die darunter leiden.

[Beifall bei der SPD und der CDU]

Wir wollen eine soziale Mischung in der ganzen Stadt haben. Und wir wollen bessere Sozialstrukturen. Das heißt vor allem, Chancen und Aufstiegsperspektiven für alle, unabhängig von ihrer Herkunft und vom Portemonnaie der Eltern. Deshalb sind die Investitionen in Bildung so wichtig, und deshalb ist das Schlüsselthema für diejenigen, die arbeiten können und arbeiten wollen, Arbeit. Davon sind wir noch ein großes Stück entfernt, aber wir wollen bezahlbare Löhne haben.

[Lachen bei den PIRATEN]

Ja, bezahlbare Löhne auch, aber wir wollen Löhne haben, mit denen die Menschen in der Lage sind, ihren Lebensunterhalt selbst zu bestreiten, ohne zum Sozialamt zu gehen, ohne zum Jobcenter zu gehen. Deshalb ist der Mindestlohn von 8,50 Euro ein wesentlicher Punkt.

[Beifall bei der SPD und der CDU – Zuruf von den PIRATEN: Für wen denn?]

Für diejenigen, die arbeiten!

Und wir wollen die Joboffensive weiterführen, die wir begonnen haben. Wir haben in der Ausbildung Etliches getan. Mit der Kampagne „Berlin braucht dich!“ haben wir auch umgesetzt, dass wir Migrantinnen und Migranten stärker integrieren. Frau Kolat mit ihren Leuten wird alles dafür tun, dass hier neue Initiativen ergriffen werden und wir versuchen, die Menschen in Arbeit zu bringen, sie zu qualifizieren, ihnen eine Chance zu geben, teilzuhaben. Das ist wichtig für uns.

Im Wandel der Stadt – auch das wurde schon angesprochen – ist die Mietenpolitik ein wichtiges Thema.

[Beifall von Dirk Behrendt (GRÜNE)]

Ja, Herr Behrendt, stellen Sie sich das mal vor!

[Uwe Doering (LINKE): Das hat der Saleh vergessen!]

Der hat das nicht vergessen. Sie können sicher sein, dass die SPD-Fraktion intensiv daran arbeitet, den Senat bei seiner Mietenpolitik zu unterstützen.

[Beifall bei der SPD – Zurufe von den GRÜNEN – Uwe Doering (LINKE): Das stimmt doch gar nicht!]

Deswegen haben wir gegengesteuert. Wir haben die Aufstockung des Bestands an kommunalen Wohnungen um 30 000 auf 300 000 beschlossen. Wir wollen 30 000 Neubauwohnungen haben. Wir wollen die Begrenzung der Zweckentfremdung in der Innenstadt.

[Uwe Doering (LINKE): Darauf warten wir schon seit zwei Jahren!]

Wir haben die neue Liegenschaftspolitik auf den Weg gebracht. Und wir wollen natürlich insgesamt, dass alle Instrumente genutzt werden. Herr Müller ist dabei, mit der Unterstützung von vielen in dieser Stadt dagegenzusteuern.

Ich sage aber auch: Keiner wird heute eine Garantie dafür übernehmen zu können, dass in Berlin in den nächsten Jahren nicht die Mieten steigen werden. Das wird keiner können. Das ist auch kein Problem, wenn die Einkommen steigen. Wir haben aber Menschen in dieser Stadt, deren Einkommen in den nächsten Jahren eben nicht oder nicht so schnell steigen werden.

[Zurufe von den PIRATEN]

Um sie werden wir uns vordringlich kümmern. Das ist soziale Gerechtigkeit, und dafür steht dieser Senat.

[Beifall bei der SPD und der CDU – Zurufe von den PIRATEN]