Protokoll der Sitzung vom 22.11.2012

Von allen Rednern ist im Zusammenhang mit meiner Amtszeit das Thema NSU angesprochen worden.

[Zuruf von der LINKEN: Vollkommen überraschend, was?]

Das ist ein wichtiges Thema, das wir bereits in unzähligen Ausschuss- und Sondersitzungen und auch hier im Plenum beraten haben. Ich bin mir sicher, dass uns diese Beratungen auch noch eine ganze Weile begleiten werden. Zum einen, weil die Aufklärung bei Weitem noch nicht abgeschlossen ist – der von mir eingesetzte Sonderermittler arbeitet mit Hochdruck daran, Licht ins Dunkel zu bringen und Antworten auf die vielen offenen Fragen zu finden –, und zum anderen, weil wir natürlich Schlussfolgerungen ziehen müssen.

[Benedikt Lux (GRÜNE): Guten Morgen!]

Dies gilt für den Verfassungsschutz wie für die Polizei. Beim Verfassungsschutz hat es erste Konsequenzen gegeben, personell und strukturell, und weitere werden folgen.

[Udo Wolf (LINKE): Welche strukturellen?]

So soll es künftig ein eigenes Referat Rechtsextremismus geben

[Udo Wolf (LINKE): Das gab es noch nicht?]

und damit die Bedeutung des Themas auch organisatorisch unterstrichen werden. Wir müssen verlorengegangenen Vertrauen zurückgewinnen. Dazu will und dazu werde ich meinen Beitrag leisten.

Ich denke aber auch, dass es in diesem dunklen Kapitel der deutschen Geschichte, das ein erschreckendes Versagen der Sicherheitsbehörden offenbart hat, keine strahlenden Helden und keine weißen Ritter gibt. Die Medien werden heute sicher auch bereuen, dass sie seinerzeit von „Dönermorden“ gesprochen haben,

[Uwe Doering (LINKE): Wer hat denn die Legende verbreitet?]

„Der Spiegel“ noch im Februar 2011 von einer Allianz von türkischen Nationalisten, Gangstern und Geheimdienstlern geschrieben hat,

[Uwe Doering (LINKE): Wer hat denn die Legende verbreitet?]

die hinter den Morden stecken könnten. Falsch gemacht haben viele etwas.

[Uwe Doering (LINKE): Wer hat denn die Legende verbreitet?]

Damit meine ich auch mich selbst. Mich selbst nicht nur als Regierungsmitglied, sondern auch als Oppositionspolitiker. Auch ich hatte keine Vorstellung davon, was sich in unserem Land abspielt, und was es in Berlin für Ver

(Bürgermeister Frank Henkel)

strickungen gab. Ja, ich habe dies auch nicht mit Nachfragen thematisiert. Aber den Vorwurf, den müssen Sie sich auch machen lassen.

[Christopher Lauer (PIRATEN): Wir nicht!]

Insbesondere Herr Wolf als damaliges Mitglied einer Regierungsfraktion: Wie stand es denn um Ihre parlamentarische Rolle in der Vergangenheit? Sie kompensieren jetzt mit riesigen Fragenkatalogen, dass Sie als Regierungsfraktion gar keine Fragen gestellt haben oder die falschen. Mein Amtsvorgänger hat erst vor wenigen Wochen im Innenausschuss erklärt, er habe von dem dubiosen Berliner V-Mann, der 2002 Hinweise auf ein rechtsextremes Trio aus Thüringen hatte, nichts gewusst. Man habe ihm das nicht vorgelegt. Womöglich wusste er auch nicht, dass 2010 in seinem Haus rechtswidrig Akten zum Thema Rechtsextremismus geschreddert wurden, dass seit 2009 Akten in einem dunklen Raum lagerten, die möglicherweise wichtige Informationen enthalten haben. Ich glaube ihm das, aber das macht die Lage nicht besser. Aus heutiger Sicht müssen wir sehr bedauern, dass so vieles eben nicht funktioniert hat.

Aber es sind im Rahmen dieser Aktuellen Stunde auch noch viele andere Themen angesprochen worden. Ich freue mich, dass Sie mir dadurch die Gelegenheit geben, Auszüge meiner Bilanz vorzustellen, denn wir haben einiges erreicht – im Gegensatz zu dem, was ich mir jetzt minutenlang anhören musste.

Es wird 250 zusätzliche Polizeivollzugsbeamte geben, wie es SPD und CDU gemeinsam im Koalitionsvertrag beschlossen haben.

[Beifall bei der CDU und der SPD – Zurufe von den GRÜNEN und der LINKEN: Wann?]

Alle befinden sich mittlerweile in Ausbildung und werden hoffentlich bald für mehr Sicherheit in Bussen und Bahnen sorgen.

[Udo Wolf (LINKE): Wann und von wem bezahlt?]

Hätten Sie, Herr Wolf, dieses Thema für sich nicht erst im Wahlkampf entdeckt, dann hätten diese Beamten längst auf der Straße sein können und nicht jetzt erst auf der Polizeischule.

[Beifall bei der CDU – Udo Wolf (LINKE): Wann und von wem bezahlt?]

Sie haben sich vor vielen Fragen gedrückt, Herr Wolf. Ich denke da an die explodierende Zahl der Überstunden und die verheerende Personalsituation, gerade beim Objektschutz, die massiven Einsparungen im Vollzugsdienst in den letzten zehn Jahren, und wenn ich nicht so viele Beamtinnen und Beamte, die über viele Missstände hinwegsehen, hätte, müsste ich mir noch viel ernsthaftere Sorgen machen. Auch das sollte hier gewürdigt werden, das, was unsere Polizei tagtäglich für die Berlinerinnen und Berliner leistet.

[Beifall bei der CDU und der SPD]

Die große Koalition hat das Thema Rockerkriminalität angepackt, weil ich es nach wie vor für unerträglich halte, dass sich einige über Recht und Gesetz stellen und mafiöse Vereinigungen den Takt in manchen Stadtvierteln angeben wollen. Sie, Herr Wolf, haben in der Vergangenheit nicht gerade zu den treibenden Kräften gehört, wenn es um ein Verbot solcher kriminellen Vereinigungen ging. Auch hier waren es CDU und SPD, die gehandelt, die den Druck massiv erhöht haben. Auch darauf bin ich stolz!

[Beifall bei der CDU – Udo Wolf (LINKE): Stimmt doch gar nicht! – Uwe Doering (LINKE): Nennt man das Lüge oder wider besseres Wissen?]

Ich habe bei den Eltern von Burak B. und Jonny K. gesessen, zwei junge Menschen, die in unserer Stadt brutaler Straßengewalt zum Opfer gefallen sind.

[Uwe Doering (LINKE): Damit kritisieren Sie indirekt Herrn Wowereit! Merken Sie das eigentlich?]

Wenn sie in diese verzweifelten Gesichter blicken, dann wissen Sie auch, wofür sie Sicherheitspolitik machen und dass wir nach solchen Taten nicht einfach zur Tagesordnung übergehen dürfen. Auch deshalb geht es mir nicht nur um mehr Polizeipräsenz, sondern auch um einen Wertedialog, damit die Verrohung in unser Gesellschaft an der Wurzel gepackt wird.

Wir haben darüber hinaus eine schwierige Lage am 1.-Mai-Wochenende mit der friedlichsten Walpurgisnacht, die es jemals gab, bewältigt Wir haben uns nicht von Rechtspopulisten vor Berliner Moscheen provozieren lassen, die Bevölkerungsteile gegeneinander aufstacheln wollten, und das liegt an der erfolgreichen Arbeit der Polizei, die im Vorfeld viel kommuniziert und besonnen reagiert hat.

[Beifall bei der CDU und der SPD]

Und auch das lasse ich mir im Rahmen dieser Aktuellen Stunde und auch sonst von niemandem kaputt reden. Ich lasse schon gar keinen Keil zwischen mich und meine Polizeivizepräsidentin treiben, mit der ich diese Erfolge gemeinsam erzielt habe.

[Oliver Höfinghoff (PIRATEN): Das machen Sie schon selbst!]

Berlin hat eine klare Position beim Thema NPD-Verbot. Wir haben gesagt, wir haben es im Koalitionsvertrag niedergeschrieben, wir wollen ein rechtssicheres Verbotsverfahren und verschließen nicht die Augen vor den juristischen Risiken. Aber ich will mir nicht irgendwann einmal vorwerfen lassen, dass wir uns nicht getraut haben, als es darauf ankam. Ich habe deshalb im Vorfeld der IMK – ich werde es bei der IMK noch einmal wiederholen – von meinen Kollegen mehr Mut eingefordert, und dass wir im Umgang mit Verfassungsgegnern bereit sein müssen, Risiken einzugehen, anstatt unendlich zu

zaudern. Mangelnde Entschlossenheit wird uns als Schwäche ausgelegt, und die dürfen wir uns in diesem Fall nicht erlauben.

[Beifall bei der CDU und der SPD]

Ich musste ein bisschen über die Äußerungen der Opposition zum Thema Kennzeichnungspflicht schmunzeln. Ja, wir führen zum Jahreswechsel ein rotierendes Kennzeichnungssystem ein. Das ist ein klares Bekenntnis zur bürgernahen Hauptstadtpolizei, aber auch ein Ernstnehmen der Sicherheitsbedenken meiner Beamtinnen und Beamten. Die Opposition stichelt gern, dies sei ein bürokratisches Verfahren. Aber was denken Sie eigentlich von den Berliner Polizistinnen und Polizisten? Dass sie nicht in der Lage sind, drei Schilder eigenständig auszutauschen?

[Udo Wolf (LINKE): Das haben wir ja gesehen!]

Das kann doch nicht Ihr Ernst sein!

[Beifall bei der CDU und der SPD – Uwe Doering (LINKE): Warum machen sie es nicht?]

Berlin wird einen neuen Polizeipräsidenten bekommen. Nach dem, was Sie hier abgezogen haben, Herr Wolf, frage ich Sie: Wo haben Sie sich denn während Ihrer Regierungszeit bemüht, qualifizierte Frauen an die Spitze der Berliner Polizei zu bringen? Es war ein CDUInnensenator, ich war es, der Frau Koppers die Chance gegeben hat, sich zu bewerben, indem er in der Ausschreibung eben nicht auf Polizeivollzugserfahrungen Wert gelegt hat.

[Zurufe von der LINKEN]

Bei der hervorragenden Arbeit, die sie geleistet hat, hatte sie jeden Anspruch der Welt, sich zu bewerben. Sie hatte auch eine faire Chance.

[Beifall bei der CDU – Uwe Doering (LINKE): Und wo ist sie hingekommen?]

Aber, Herr Wolf, man muss eben auch einmal akzeptieren können, dass aus einem Wettbewerbsverfahren ein anderer hervorragender Kandidat als Sieger hervorgehen kann.