Protokoll der Sitzung vom 16.05.2013

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Grundsätzlich sind wir uns über alle Fraktionsgrenzen hinweg über die Bedeutung des Kleingartenwesens in unserer Stadt einig. Auch im Bezirk Lichtenberg, wo sich mein Wahlkreis befindet, gibt es 48 Anlagen mit rund 6 300 Parzellen auf einer Fläche von rund 290 Hektar. Berlinweit nehmen die Kleingärten eine Fläche von rund 3 000 Hektar ein und sind somit mit zirka drei Prozent an der gesamten Stadtfläche vertreten. Laut Auskunft der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung gibt es in keiner vergleichbaren Metropole eine so große Anzahl an privat nutzbaren Gärten im unmittelbaren Einzugsbereich der Innenstadtbereich.

Für die CDU-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus sind die Interessen des Berliner Kleingartenwesens wie schon in der Vergangenheit auch in Zukunft besonders wichtig. Wir wissen um die bedeutsame ökologische und soziale Funktion der Kleingärten in unserer Stadt. Durch die wohnortnahe Grünversorgung für alle Bürgerinnen und Bürger und insbesondere für Familien mit Kindern tragen Kleingärten in hohem Maße zu einer Verbesserung der Lebensqualität in unserer Großstadt bei. Deshalb ist es dringend erforderlich, dass der Erhalt von Kleingartenflächen und die damit verbundene Rechts- und Planungssicherheit für die Kleingärtnerinnen und Kleingärtner weiter vorangebracht wird.

In diesem Zusammenhang kann ich auch die Einwände derjenigen nachvollziehen, die das Wachstum unserer Stadt mit gewisser Sorge betrachten, da sie um die Existenz ihrer Parzellen fürchten müssen. Selbstverständlich müssen wir in Berlin zum Beispiel für die Errichtung von dringend benötigten Neubauwohnungen und der dazugehörenden Infrastruktur entsprechende Flächen nicht nur im innerstädtischen Bereich bebauen. Ich kann Ihnen jedoch versichern, dass in diesem Zusammenhang für uns die Nutzung von tatsächlich freien Flächen, die verstärkte Schließung von Baulücken sowie eine grundsätzliche Verdichtung im Bestand Priorität haben. Kleingärtenflächen hingegen sollten grundsätzlich unangetastet bleiben. Diese Position vertreten nicht nur wir als CDU-Fraktion, sondern das wird gemeinsam von der Koalition und vom Senat getragen. An dieser Tatsache ändert sich nichts, auch wenn Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, in der Öffentlichkeit und in den Medien das Gegenteil behaupten. Dies führt nur zu einer Verunsicherung der Kleingärtnerinnen und -gärtner.

Lassen Sie uns daher einen Blick auf die Fakten werfen! Das ist ganz entscheidend, denn wenn man sich diese Zahlen vergegenwärtigt, dann weiß man ziemlich schnell, dass die Sorgen zwar da sind, aber nicht vollends berechtigt sind. 82 Prozent der Berliner Kleingärten sind dauerhaft zu erhalten – das ist Status quo. Weitere 8 Prozent sind unter einer gewissen Schutzfrist bis 2020 sicher. Das sind in der Summe 90 Prozent – ich wiederhole: 90 Prozent. Uns ist klar, dass jede Parzelle, die dauerhaft gesichert werden kann, ein Gewinn für das Kleingartenwesen ist und somit auch der Erhaltung der Lebensqualität in unserer Stadt dient. Der Senat und die Bezirke verfolgen diese Strategie konsequent.

Leider ist Ihr Antrag, meine Damen und Herren von der Fraktion Die Linke, im Wesentlichen populistischen Forderungen zum Opfer gefallen. Ich möchte an dieser Stelle nur zwei Punkte herausgreifen: Sie sagen, dass die Inanspruchnahme von Kleingartenland für soziale Infrastruktur nur bei nachgewiesenem Bedarf für zum Beispiel eine Kita oder eine Schule zulässig wäre. Sie glauben doch nicht ernsthaft, dass das Land oder die Bezirke soziale Infrastruktureinrichtungen bauen, ohne vorher

einen konkreten Bedarf angemeldet oder auch nachgewiesen zu haben! Alles andere wäre utopisch und vor dem Hintergrund der allen bekannten finanziellen Lage des Landes völlig absurd.

[Dr. Wolfgang Albers (LINKE): Aber das steht doch da!]

Oder nehmen wir einen anderen Punkt, der inzwischen immer wieder angeführt wird: Die Inanspruchnahme von Kleingartenflächen als Wohnungsbaupotenzial soll Ihrem Antrag zufolge bis zum Abschluss der Neuaufstellung des Kleingartenentwicklungsplans ausgesetzt werden. Bitte nehmen Sie endlich zur Kenntnis, dass die Berliner Bevölkerung bis zum Jahr 2025 um bis zu 240 000 Menschen anwachsen wird! Wir haben hier demzufolge einen äußerst dringenden Handlungsbedarf und deshalb eine hohe Verantwortung. Die SPD und die CDU werden dieser als Koalition auch gerecht werden.

[Beifall bei der CDU – Weitere Zurufe von Dr. Wolfgang Albers (Linke)]

Eines kann ich Ihnen abschließend versichern – da können Sie pöbeln, soviel Sie wollen, das interessiert mich nicht –: Bei Abwägung aller unterschiedlichen Interessenslagen wird sich die CDU-Fraktion auch in Zukunft – wie schon in der Vergangenheit – für die Interessen der Tausenden Kleingärtnerinnen und Kleingärtner in unserer Stadt einsetzen, so auch in den bevorstehenden Beratungen im zuständigen Fachausschuss. Da gibt es vielleicht etwas mehr Konstruktivität und keine Pöbelei am Rande. – Herzlichen Dank!

[Beifall bei der CDU]

Vielen Dank, Herr Freymark! – Das Wort für eine Kurzintervention hat der Abgeordnete Herr Dr. Altug. – Bitte sehr!

Herr Freymark! Es ist interessant, dass Sie behaupten, dass wir die Öffentlichkeit verunsichern. Das ist komisch! Es waren nicht wir, die am Ende des letzten Jahres gesagt haben, dass man die Kleingärten als Baufläche verwenden könnte. Das war der Senator Herr Müller. Das muss man einmal klarstellen.

[Dr. Wolfgang Albers (LINKE): Genauso war’s!]

Ich frage mich, wie Sie sich erklären, dass sich die CDU in den Bezirken als Speerspitze der Kleingärten aufführt, Sie sich hier aber nicht dafür einsetzen, dass die Kleingärten gesichert werden, zum Beispiel die Anlage Oeynhausen oder die Anlage Fliedergrund in Neukölln.

Vielen Dank! – Bitte, Herr Freymark, Sie möchten antworten.

Vielen Dank für die Nachfrage! Ich wiederhole gern: Erst einmal ist klar, dass 82 Prozent langfristig gesichert sind, bis 2020 weitere 8 Prozent. Wir reden hier also über maximal 10 Prozent, wo es im Allgemeinen immer auch bekannt war, dass das Flächen sind, die nur einen gewissen gesicherten Zeitraum haben. Das gehört einfach zur Wahrheit dazu. Das ist nicht optimal, aber das gehört zur Wahrheit dazu. Das muss man auch ehrlich sagen.

[Zuruf von Dr. Wolfgang Albers (LINKE)]

Mir geht es darum, dass man nicht mit den Sorgen und Ängsten der Menschen spielt. Das ist ja so ein bisschen Ihre Stärke und in der Opposition vielleicht auch gang und gäbe – ich weiß es nicht; ich bin ja noch nie in er Opposition gewesen und will auch gar nicht da hin.

[Beifall bei der CDU – Zurufe von Dr. Wolfgang Albers (LINKE)]

Herr Albers! Sie sehe ich im Wahlkreis überhaupt nicht, aber hier pöbeln Sie immer herum! Ich kann nur sagen: Sie spielen mit den Ängsten; Sie kokettieren mit den Ängsten. Das sieht man an diesem Antrag. Wenn man ihn inhaltlich prüft und mit Leuten aus der Fachszene bespricht, stellt man sehr schnell fest, dass viel Übertreibung dabei ist. Alles andere ist bereits gesagt. – Herzlichen Dank!

[Beifall bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Vielen Dank, Herr Freymark! – Für die Piratenfraktion hat jetzt der Herr Abgeordnete Prieß das Wort. – Bitte sehr!

Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste! Die Kleingärten in unserer Stadt leisten einen ganz erheblichen Beitrag zum Image von Berlin als grüner Metropole. Wir würdigen ganz ausdrücklich die positiven Auswirkungen, die diese grünen Oasen auf das Stadtklima und die Naturnähe des Wohnens in der Stadt haben.

[Beifall bei den PIRATEN]

Auch für die Haushalte der Bezirke wirkt sich das Stadtgrün der Kleingärten positiv aus. Schließlich übernehmen die Pächter der Gärten die Pflege dieser wertvollen Grünflächen und finden dabei gleich noch eine sinnstiftende Freizeitbeschäftigung, während öffentliche Grünflächen von der Stadt bewirtschaftet werden müssen, und das kostet Geld.

Historisch gesehen wurden die Kleingartenkolonien auf Freiflächen am Stadtrand angelegt. Die Zurverfügungstellung erfolgt zumeist temporär, und in ganz vielen Fällen

wurden Kolonien auch schon aufgelöst, wenn die Stadt entsprechend gewachsen ist. Verblieben sind von diesen Kleingartenkolonien nur noch Restflächen.

Die Piratenfraktion steht für einen verantwortungsvollen Umgang mit den Flächen in Berlin, und dazu zählen natürlich auch die Kleingärten. Natürlich begrüßen wir es, wenn die Planungen überarbeitet und den aktuellen Entwicklungen angepasst werden. Das gilt natürlich auch für die Kleingärten. Ganz definitiv befürworten wir dabei die Einbeziehung der breiten Bevölkerung in diesen Prozess.

Aber der Antrag der Linken will den augenblicklichen Entwicklungsstand weitgehend einfrieren und nur in Ausnahmefällen noch Kleingartenflächen der Weiterentwicklung der Stadt opfern. Das ist ein Entwicklungshemmnis und kein verantwortungsvoller Umgang, wie ihn sich die Piratenfraktion vorstellt. An Anfang des Antrags wird eine breite Bürgerbeteiligung gefordert. Da haben Sie die volle Unterstützung der Piraten. Allerdings muss so eine Bürgerbeteiligung auch ergebnisoffen erfolgen. Wir haben ein Problem damit, wenn die Ergebnisse im weiteren Text des Antrags schon vorweggenommen werden, und zwar mit einer klaren Bevorzugung von sozialer Infrastruktur, danach folgen die Partikularinteressen der Kleingärtner. Andere Ideen von Bürgern sind gar nicht gefragt und sollen nicht zur Debatte stehen.

Aus diesem Grund möchten wir als Piraten eine differenzierte Debatte über die Kleingärten und auch über andere Formen von öffentlichem Grün in der Stadt. Dazu gehören öffentliche Parks, aber auch Gemeinschaftsgärten, wie z. B. die Prinzessinnengärten oder der künftige Mörchenpark auf dem Holzmarktgelände. Wenn es um wertvolle Flächen geht, die auch anders genutzt werden können, müssen wir auch das differenziert diskutieren. Die Details sollten wir in der Ausschussdebatte klären. Ein Ausgleich der Gartenflächen im nahen Umfeld ist auch nicht in allen Fällen immer möglich. Auch das muss im Einzelfall geprüft werden. Auch das müssten wir im Ausschuss klären. – Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit!

[Beifall bei den PIRATEN – Beifall von Stefan Gelbhaar (GRÜNE)]

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Es wird die Überweisung des Antrags an den Ausschuss für Stadtentwicklung und Umwelt und an den Hauptausschuss empfohlen. Gibt es hierzu Widerspruch? – Das ist nicht der Fall. Dann verfahren wir so.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 5.5:

Priorität der Piratenfraktion

Tagesordnungspunkt 27

Offene Infrastruktur statt Zwei-Klassen-Internet: Berlin setzt sich ein für die Verteidigung der Netzneutralität

Antrag der Piratenfraktion Drucksache 17/0972

Für die Beratung steht den Fraktionen jeweils eine Redezeit von bis zu fünf Minuten zur Verfügung. Es beginnt die Piratenfraktion. Das Wort hat der Abgeordnete Herr Dr. Weiß. – Bitte sehr!

Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Sehr geehrte Damen und Herren! Mit Ihrer Erlaubnis möchte ich gerne mit einem Zitat einleiten:

Für den Ausbau des Telekommunikationsnetzes ist der Grundsatz anerkannt, dass der Netzbetreiber zur Netzneutralität verpflichtet ist. Der Netzbetreiber darf insbesondere nicht auf die Inhalte der Netznutzung sowie die Auswahl und Zulassung von Nutzern Einfluss haben.

Die Trennung der Verantwortung für die Netzerrichtung und -betreibung von der Verantwortung für die inhaltliche Nutzung des Netzes wird in der öffentlichen Diskussion durchgehend als Grundsatz auch für die Errichtung breitbandiger Telekommunikationsnetze anerkannt.

Das steht im Zwischenbericht der Enquetekommission des Bundestags „Neue Informations- und Kommunikationstechniken" vom – aufgepasst! – 9. April 1981.

[Beifall bei den PIRATEN]

Wir reden hier bei der Netzneutralität also nicht gerade von einer neuen Erfindung. Dennoch existiert bis heute keine wirksame gesetzliche Regelung, die die Anwendung der gleichen Regeln auf alle Teilnehmer des Netzes auch wirklich durchsetzt. Ohne eine solche wirksame Durchsetzung ist die Entstehung eines Zwei-KlassenInternets zu befürchten. Denn wenn Internetanbieter Daten willkürlich vorrangig behandeln können, können sie auf dieser Basis ein Geschäftsmodell aufbauen, mit dem einerseits zahlungskräftige Nutzer und Anbieter die Möglichkeit hätten, eine solche vorrangige Behandlung zu kaufen. Wenn man das auf eine andere Infrastruktur überträgt: Das wäre ungefähr so, als wenn man im Straßenverkehr das Vorfahrtsrecht mit genügend Geld meistbietend kaufen könnte – sowohl als Fahrer als auch als Autohersteller.

[Lars Oberg (SPD): Ist das nicht so?]

Vielleicht sollten Sie die Straßenverkehrsordnung noch einmal lesen.

[Beifall bei den PIRATEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN]

Gegen eine solche gesetzliche Festschreibung werden dabei vor allem zwei Argumente ins Feld geführt. Das eine kennen wir aus vielen Bereichen: Das regele der Markt schon alleine. – Dieses Argument kann inzwischen deutlich als widerlegt gelten. Die Ankündigungen der Telekom – die übrigens heute ihre Hauptversammlung hatte –, ihre Flatrate-Angebote in Zukunft nach einem gewissen Volumen zu drosseln, davon aber gleichzeitig entsprechend zahlungskräftige Inhalteanbieter auszunehmen, haben dies zuletzt deutlich gezeigt. Erwähnt werden muss aber auch, dass im Bereich des mobilen Internets diese Prinzipien der Netzneutralität schon lange keine Gültigkeit mehr haben. Hier filtern Netzanbieter längst standardmäßig den Datenverkehr ihrer Kunden, und das übrigens mit der gleichen Technologie von den gleichen Herstellern, mit denen auch Diktaturen den Internetverkehr ihrer Bürger kontrollieren und filtern.

Das zweite Argument: Es gäbe ja schon eine Regelung im Telekommunikationsgesetz zur Netzneutralität. – Das ist insoweit richtig, als es im Telekommunikationsgesetz einen Paragrafen mit der Überschrift „Netzneutralität“ gibt. Darüber hinaus ist es allerdings nicht richtig. Denn dieser gibt der Bundesregierung zwar die Kompetenz, eine Verordnung zur Netzneutralität zu erlassen, lässt aber erstens den Begriff Netzneutralität in seinen Grundzügen völlig undefiniert, und zweitens ist von dieser Verordnungskompetenz – trotz der schon angesprochenen Missstände – bis heute kein Gebrauch gemacht wurde.