Protokoll der Sitzung vom 13.06.2013

Rote Hilfe

Bitte schön, Herr Kollege!

Vielen Dank, Herr Präsident! – Ich frage den Senat:

1. Wie beurteilt der Senat die Verfassungsmäßigkeit des Vereins „Rote Hilfe“, der im Verfassungsschutzbericht für Berlin 2012 als „mit Abstand größte linksextremistische Organisation der Stadt“ bezeichnet wird?

2. Welche Aktivitäten des Vereins „Rote Hilfe“ sind dem Senat bekannt?

Es antwortet Herr Senator Henkel – bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Dregger! Die Rote Hilfe – ich nehme Bezug auf Ihre Fragestellung mit Blick auf den Verfassungsschutz, wo man eine Menge dazu nachlesen kann – wurde unter historischer Bezugnahme auf einen von 1924 bis 1936 bestehenden gleichnamigen Vorläufer 1975 als eingetragener Verein neu gegründet. 1995 entstand die Ortsgruppe Berlin, welche sich mittlerweile zur – Sie haben es in der Fragestellung antizipiert – größten linksextremistischen Organisation der Stadt entwickelt hat. Die Rote Hilfe versteht sich gemäß ihrer eigenen Satzung als linke Schutz- und Solidaritätsorganisation für alle, die in der

(Senatorin Dilek Kolat)

Bundesrepublik Deutschland aufgrund ihrer politischen Betätigung verfolgt werden. Sie unterstützt von Strafermittlung Betroffene rechtlich, politisch und auch materiell.

Die Verfassungsmäßigkeit des Vereins Rote Hilfe bewertet der Senat folgendermaßen: Die Rote Hilfe diskreditiert das deutsche Rechtssystem in regelmäßigen Abständen und solidarisiert sich mit ehemaligen Angehörigen terroristischer Gruppen. Zudem stellt sich die Rote Hilfe als eine wichtige Infrastruktur innerhalb der linksextremistischen Szene dar, ohne dass alle Mitglieder selbst Extremisten wären. Das Engagement zielt allerdings darauf ab, die strafrechtlichen Konsequenzen für politisch links motivierte und für linksextremistische Straf- und Gewalttäter abzumildern. Die Unterstützung für die Einzelnen soll zugleich ein Beitrag zur Stärkung der Bewegung sein und ermutigt damit zum Weiterkämpfen. Eine Abgrenzung zum linksextremistischen Spektrum wird bewusst nicht vorgenommen. Stattdessen wertet die Rote Hilfe Straftaten, die gegen die bestehende Rechts- und Werteordnung gerichtet sind, als Ausdruck – ich zitiere – „des demokratischen Widerstands“.

Ausschlaggebend für die Unterstützung der von Strafermittlungen Betroffenen ist, dass die Straftat einen politischen Hintergrund besitzt und der Betroffene nicht mit Polizei und Justiz kooperiert.

[Zuruf von der CDU: So, so!]

Die Rote Hilfe diskreditiert das deutsche Rechtssystem als ein Instrument der politischen Unterdrückung, Diskriminierung Andersdenkender und als Gesinnungsjustiz. Polizeiliches Einschreiten und Gerichtsurteile werden meist als willkürlich, grund- und menschenrechtswidrig kommentiert. Die Rote Hilfe verharmlost die Straftaten terroristischer Gruppen. Anlässlich des seit September 2012 laufenden Prozesses gegen die ehemalige Angehörige der terroristischen Vereinigung Rote Armee Fraktion Verena Becker wegen Beihilfe zum Mordanschlag auf Generalbundesanwalt Siegfried Buback und dessen Begleiter am 7. April 1977 schrieb die Rote Hilfe, dieses Verfahren verdeutliche – Zitat –:

dass dem Staatsschutzsenat, der Bundesanwaltschaft und der Nebenklage jedes Mittel recht ist, um die ehemaligen Militanten der RAF zu brechen und zur Denunziation ihrer politischen Geschichte zu veranlassen.

Sie fordert die Einstellung des Verfahrens gegen Sonja S. und Christian G., die als ehemalige Angehörige der Revolutionären Zellen wegen ihrer mutmaßlichen Beteiligung am Anschlag auf die OPEC-Konferenz im Jahr 1975 in Wien vor Gericht stehen.

Zu Ihrer zweiten Frage: Die Rote Hilfe ist an vielen bedeutenden regionalen und überregionalen Veranstaltungen der linksextremistischen Szene beteiligt und verfügt über Kontakte zu zahlreichen Gruppierungen des links

extremistischen Spektrums. Ihre aus Mitgliedsbeiträgen und Spenden stammenden finanziellen Mittel setzt sie ein, um Angeklagte auf Gerichtsverfahren vorzubereiten, ihnen bei der Suche nach Anwälten zu helfen und anteilige Anwaltskosten zu übernehmen. Außerdem begleitet sie Prozesse durch Öffentlichkeitsarbeit und organisiert Solidaritätsveranstaltungen. Sie unterhält einen Literaturvertrieb, der die Broschüren „Was tun, wenn’s brennt?“ und „Aussageverweigerung“ betreibt. In diesen Schriften betont die Rote Hilfe, der Leser solle beispielsweise im Falle einer Verhaftung nicht mit staatlichen Organen zusammenarbeiten.

Zudem hält die Rote Hilfe persönlichen Kontakt zu sogenannten politischen Gefangenen. Jedes Jahr bringt sich die Rote Hilfe anlässlich des immer am 18. März stattfindenden „Tags des politischen Gefangenen“ ein und veröffentlicht eine Sonderzeitschrift ihrer Mitgliedszeitschrift „Die Rote Hilfe“.

Am 22. Mai 2013 sind in Berlin, Stuttgart und Magdeburg die Wohnungen mehrerer Linksextremisten durchsucht worden. Den Betroffenen wird vorgeworfen, dass sie Mitglied der Revolutionären Aktionszellen, einer mutmaßlichen Nachfolgeorganisation der Militanten Gruppe sein sollen. Wie die Rote Hilfe selbst schreibt, haben sich die Revolutionären Aktionszellen mehrerer Brandanschläge und der Versendung von Patronen an politische Gegner bezichtigt. Ohne jegliche Verurteilung dieser mutmaßlichen Taten beschreibt die Rote Hilfe die Durchsuchungen als Kriminalisierungsversuch gegen Links und ruft auf ihrer Homepage dazu auf, sich per Mail mit der Revolutionären Aktionszellen solidarisch zu zeigen.

Vielen Dank! – Herr Kollege Dregger für eine Nachfrage – bitte schön!

Vielen Dank! – Angesichts des Umfangs der linksextremistischen Aktivitäten dieser Organisation würde es mich natürlich interessieren, ob es dem Senat bekannt ist, dass der Verein von Personen unterstützt wird, die im Land Berlin politische Wahlämter innehaben. – Danke schön!

Herr Senator Henkel!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Abgeordneter Dregger! Ich bin wie Sie Zeitungsleser und habe insofern Kenntnis genommen von vermeintlichen Verquickungen. Ob diese tatsächlich zutreffen, ist allerdings

(Bürgermeister Frank Henkel)

nicht Gegenstand der Ermittlungen oder Erörterungen meiner Verfassungsschutzbehörde oder des polizeilichen Staatsschutzes.

Vielen Dank! – Für die zweite Nachfrage hat der Kollege Magalski das Wort. – Bitte schön, Herr Kollege!

Vielen Dank, Herr Präsident! – Abgesehen davon, dass jeder Anwalt zunächst dazu rät, vom Aussageverweigerungsrecht Gebrauch zu machen,

[Zuruf von der CDU: Stimmt doch gar nicht!]

frage ich den Senat: Wie bewertet denn der Senat die historischen Verdienste der Roten Hilfe, die unter anderem von der ehemaligen Sozialdemokratin und Frauenrechtlerin Clara Zetkin gegründet wurde und nach deren bekanntesten Mitgliedern auch heute Berliner Straßen – ich erwähne nur die Littenstraße, Standort des Landgerichts – benannt sind und der ca. 15 000 SPD-Mitglieder angehörten, von denen nicht wenige nach dem Verbot der Roten Hilfe durch die Nationalsozialisten 1933 durch selbige verfolgt und in den Tod getrieben wurden?

[Beifall bei den PIRATEN, den GRÜNEN und der LINKEN]

Herr Senator Henkel!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Magalski! Ich habe in meiner Beantwortung auf die historische Verfasstheit der Roten Hilfe abgestellt und auch die zeitliche Dimension genannt. Die Frage, die heute zu beantworten ist, mit Blick auf die Fragestellung des Kollegen Dregger und mit Blick auf den Verfassungsschutz, geht eben davon aus, und das ist nachzulesen, dass die Rote Hilfe heute ganz offensichtlich einen anderen für sich selbst gewählten und definierten Auftrag hat und das deutsche Rechtssystem als Instrument der politischen Unterdrückung diskreditiert und von Gesinnungsjustiz spricht. Das habe ich ausgeführt. Es hat sozusagen mit den historischen Verdiensten aus der Zeit 1924 bis 1936 nichts zu tun.

[Beifall bei der CDU]

Vielen Dank!

Ich rufe auf Frage Nr. 3 von Sabine Bangert von den Grünen

Gefährdet der Senat den Standort des Berliner Ensembles am Schiffbauerdamm?

Bitte schön, Frau Kollegin.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich frage den Senat:

1. Trifft es zu, dass das Land Berlin, vertreten durch die Senatskanzlei, das Theater am Schiffbauerdamm unzulässigerweise an die landeseigene Immobiliengesellschaft BIM untervermietet hat und dadurch nun die fristlose Kündigung durch die Vermieterin, die Ilse-Holzapfel-Stiftung, erfolgt ist?

2. Wer ist für das Vorgehen des Landes Berlin verantwortlich, das zu der Kündigung geführt hat, und welche Maßnahmen wird der Regierende Bürgermeister und Kultursenator Klaus Wowereit, der ja heute leider mal wieder nicht da ist, ergreifen, um den Standort des Berliner Ensembles am Schiffbauerdamm zu sichern?

[Lars Oberg (SPD): Was soll er denn sonst machen als bei der Kanzlerin sein?]

Vielen Dank! – Herr Staatssekretär Schmitz! Bitte schön, Sie haben das Wort!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Liebe Frau Bangert! Ich glaube, Sie wissen – der Präsident hat es vorhin verlesen –, dass der Regierende Bürgermeister bei der Ministerpräsidentenkonferenz ist. Deshalb habe ich die Ehre, Ihre Fragen zu beantworten.

Zur ersten Frage: Es trifft nicht zu, dass das Land Berlin das Theater am Schiffbauer Damm an die BIM vermietet hat. Im Gegenteil: Das Land Berlin hat das FacilityManagement – das ist etwas anderes ein Mietvertrag – sämtlicher Kulturliegenschaften seit 2009 an seine Berliner Immobilien Management GmbH zur Verwaltung übergeben. Das schließt die Verwaltung bestehender Mietverträge ein. Die BIM GmbH – und nicht die Senatskanzlei/Kulturelle Angelegenheiten – vertritt das Land Berlin in dieser Sache. Der Senat folgt damit einem Beschluss des Abgeordnetenhauses vom 31. Oktober 2002. Die Senatskanzlei/Kulturelle Angelegenheiten hat mit der BIM GmbH eine Rahmenvereinbarung geschlossen, in der vereinbart ist, dass die BIM GmbH die Vertretung des Landes Berlin gegenüber den Vermietern derjenigen Liegenschaften übernimmt, die die Senatskanzlei/Kulturelle Angelegenheiten von Dritten angemietet hat. Sie ist damit berechtigt, auch gegenüber der Ilse

(Bürgermeister Frank Henkel)

Holzapfel-Stiftung als Vermieterin des Theaters am Schiffbauer Damm Erklärungen abzugeben und entgegenzunehmen. Mit einem Untermietverhältnis hat das nichts zu tun.

Zur zweiten Frage: Am Montag ist die Kündigung im Rathaus eingegangen. Die juristische Prüfung der Kündigung dauert an. Der Senat geht allerdings von einer Nichtigkeit der Kündigung aus, denn der Mietvertrag ist nach unserer bisherigen Einschätzung – die wird jetzt, wie gesagt, noch einmal überprüft wird – rechtssicher. Der Standort des Berliner Ensembles ist nach unserer Einschätzung nicht gefährdet.

Vielen Dank! – Wünschen Sie eine Nachfrage, Frau Kollegin? – Bitte schön Frau Bangert, Sie haben das Wort!

Vielen Dank, Herr Präsident! – Herr Staatssekretär Schmitz! Wenn sich das Land Berlin so sicher ist, dass nicht gegen den Vertrag verstoßen wurde, frage ich, ob das Land Berlin eine Feststellungsklage anstrengen wird, um die Kündigung möglichst schnell für unwirksam zu erklären und dem Berliner Ensemble möglichst schnell die Sicherheit zu bieten, die es braucht, um in diesem Haus weiterzuspielen.

Bitte schön, Herr Staatssekretär!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Liebe Frau Bangert! Ich hatte ja ausgeführt, dass die juristische Prüfung im Moment andauert. Das Kündigungsschreiben ist am Montag eingegangen. Vorher wurde es schon in der Presse verkündet. Deshalb möchte ich dem nicht vorgreifen. Ich denke, wir werden – so mein jetziger Wissensstand – erst einmal ausführlich schriftlich das Kündigungsschreiben beantworten.