Protokoll der Sitzung vom 12.12.2013

Wovon Klaus Wowereit mit seiner Bibliothek am alten Tempelhofer Flughafen noch träumt, das hat sich Senator Müller im Schnellverfahren selbst genehmigt: Sein Bauwerk für die Ewigkeit! Die 3 Hektar Land, die auf dem Tempelhofer Feld als „Regenwasserbecken“ zubetoniert werden, sind umweltpolitische Augenwischerei!

[Beifall bei den GRÜNEN – Beifall von Fabio Reinhardt (PIRATEN)]

Das Michael-Müller-Gedächtnisbecken steht damit symbolisch für die Umweltpolitik der rot-schwarzen Koalition.

[Zuruf von Wolfgang Brauer (LINKE)]

Mit Finanzmitteln für dezentrales Regenwassermanagement wird ein Betonklotz gebaut. Dieser wird dann noch als Ausgleichsfläche im Sinne des Naturschutzes etikettiert, obwohl durch den daneben aufgeschütteten Erdwall geschützte Vogelarten überbaggert und große Flächen versiegelt werden. Das Ganze kostet 11 Millionen Euro und 30 000 Euro pro Jahr an Unterhalt, aber wir sparen ja 300 000 Euro an den Regenwassergebühren ein. Ich sehe da ein dickes Minus unterm Strich, haushälterisch wie auch umweltpolitisch!

[Beifall bei den GRÜNEN – Andreas Otto (GRÜNE): Zahlt ja Herr Buchholz!]

Die Ziele der Wasserrahmenrichtlinie sollten eigentlich bis 2015 erreicht sein. Davon sind Sie jedoch weit entfernt. Mit Großprojekten allein werden Sie das Ziel auch nie erreichen. Deshalb sollte so viel Regenwasser wie möglich dem Kreislauf zurückgeführt werden. Das entlastet unsere Mischwasserkanalisation, und das führt zu einer Kühlung der Stadt, Stichwort Klimaanpassung. Doch leider haben Sie unseren Antrag zum innovativen dezentralen Regenwassermanagement abgelehnt. Über das Nachfolgeprogramm des UEP wird in diesem Haus überhaupt nicht gesprochen. Dabei wäre so ein Programm da bestens aufgehoben. Die 11 Millionen Euro, die in das Michael-Müller-Gedächtnisbecken fließen, könnte man dort äußerst sinnvoll verwenden,

[Beifall bei den GRÜNEN]

zumindest sofern das Nachfolgeprogramm des Umweltentlastungsprogramms überhaupt noch Umweltschutz beinhalten wird.

Wir begrüßen, dass der passive Lärmschutz aufgestockt werden soll, das hat Herr Buchholz vorhin schon erwähnt. Aber grundsätzlich sollten Sie doch wirklich an die Lärmursachen ran, das haben wir auch im Ausschuss so besprochen! Denn da, wo Lärm ist, haben wir auch oft eine erhöhte Luftverschmutzung. Es bringt doch nichts, die Blechlawinen über Flüsterasphalt rollen zu lassen

(Daniel Buchholz)

oder die Leute hinter schalldichten Fenstern einzusperren, wenn die dann, wenn sie das Haus verlassen oder das Fenster öffnen, mit Stickoxiden und Feinstoff überzogen werden. Es ist ja schön, dass Sie so viele Lärmaktions- und Luftreinhaltepläne machen: Wenn Sie Ihre Pläne nicht umsetzen und die Verkehrswende in Berlin nicht endlich einläuten, wird sich im Umweltschutz nie etwas ändern!

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN]

Beim Naturschutz brilliert der Senat – aber leider nur mit Ankündigungspolitik. Finanziell untermauert ist das eben leider nicht. Wir haben mit Anträgen gezeigt, wie Ihre großen Versprechen wie z. B. die Umsetzung der Strategie Stadtlandschaft ausreichend finanziert werden könnten. Aber auch das haben Sie abgelehnt. Wie wollen Sie es denn schaffen, zusätzlich 10 000 Straßenbäume zu pflanzen, wenn Ihre aktuelle Baumbilanz in 2012 bei minus 1 000 liegt? Wie wollen Sie den Berliner Stadtkindern die Natur näherbringen, wenn Sie kein Geld in die Umweltbildung in Kitas und Schulen stecken? Die Natur schützt sich nicht selbst, da ist auch finanzieller Einsatz gefragt!

[Beifall bei der SPD – Beifall von Philipp Magalski (PIRATEN)]

Lieber Senator Müller! Zu einer lebenswerten und zukunftsfähigen Stadt gehört zweifellos eine intakte Umwelt. Legen Sie endlich los! Treiben Sie eine ambitionierte Umweltpolitik für Berlin voran, Sie sind nicht nur Bausenator, Sie sind auch Umweltsenator! – Vielen Dank!

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN]

Vielen Dank, Frau Kollegin! – Für die Fraktion der CDU hat jetzt der Kollege Evers das Wort. – Bitte schön!

Vielen Dank, Herr Präsident! – Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Schön, dass wir noch zu tun haben! Die Schwierigkeit liegt darin, in fünf Minuten den Einzelplan 12 in all seinen Dimensionen zu streifen – ich will mein Bestes geben. Ich habe meine Zweifel, ob es mir so gut gelingt wie dem Kollegen Daniel Buchholz, aber vielleicht gibt die Stimmung im Saal es trotzdem her.

Berlin ist eine wachsende Stadt, das haben wir heute oft gehört. Berlin ist eine sich verändernde Stadt, und Berlin ist eine Stadt, deren Wandel wir als große Koalition nicht nur begleiten, dem wir nicht hilflos oder nur mit Kritik gegenüberstehen, ganz im Gegenteil. Wir sehen ihn positiv, wir wollen ihn kraftvoll und gemeinsam mit den

Berlinerinnen und Berlinern gestalten. Das zeichnet die Stadtentwicklungspolitik dieser großen Koalition aus!

Dabei geht es mehr als nur um Infrastruktur, dabei geht es mehr als nur um Bauwerke. Dabei geht es auch um Planungskultur und darum, das Miteinander in der Stadt neu zu gestalten. Dabei haben wir uns einige ganz wesentliche Projekte vorgenommen – auch ich muss von einem zum anderen springen und will, wie so viele andere, mit Tegel beginnen. Eins wird dieser großen Koalition nicht passieren: Wir werden keinen Flughafen schließen, für den es kein durchgearbeitetes Nachnutzungskonzept gibt.

[Zuruf von Joachim Esser (GRÜNE)]

Ich bin sehr froh, dass es uns gelungen ist – nachdem uns die Senatsvorlage doch etwas überrascht hat –,

[Zuruf von Clara Herrmann (GRÜNE)]

ausreichend Mittel in den Haushaltsberatungen dafür sicherzustellen, dass zwischen einem Zeitpunkt der Schließung und der Wiedereröffnung in seiner neuen Form keine Jahre vergehen, sondern dass wir hier so schnell wie möglich einen Startplatz für urbane Technologien, einen Ort, an dem Wissenschaft, Wirtschaft und Wohnen ineinandergreifen, schaffen. Das ist gut so, das ist richtig so, und das ist ein Verdienst dieser großen Koalition!

[Beifall bei der CDU]

Von Tegel nach Tempelhof. Auch das ist ein Beleg dafür, dass wir eine neue Art des Dialogs und des Miteinanders in der Stadt gefunden haben. Dieser Senat respektiert das Volksbegehren. Dieser Senat hat sehr deutlich gemacht, dass wir keine vollendeten Tatsachen schaffen werden, bevor das Ergebnis des Volksentscheids vorliegt. Aber auch hier arbeiten wir selbstverständlich vor, auch hier wird selbstverständlich geplant, und zwar nicht etwa im stillen Kämmerlein und hinter verschlossenen Türen, sondern in einer Vielzahl von Veranstaltungen in Dialogformaten, für die man die Senatsverwaltung an dieser Stelle ausdrücklich loben kann. Ich will einmal den Infopavillon als jüngste Maßnahme erwähnen, die deutlich macht, auf welche Art und Weise der Dialog auch mit den Kritikern des Projekts gesucht wird, um Überzeugungsarbeit zu leisten. Das ist der richtige Weg.

Ein Ausweis für eine neue Kultur von Planung ist auch die Art und Weise, wie wir mit dem Thema und der stadtweit geführten gesellschaftlichen Diskussion zur historischen Mitte umgehen. Wir haben sichergestellt, dass das, was hier diskutiert wird, sich nicht im Unverbindlichen verliert. Wir werden als große Koalition, die Senatsverwaltung wird mit unserer Unterstützung diese Diskussionen bündeln und auf ein Ergebnis hinführen, damit wir die kommenden beiden Jahre nicht allein auf Diskussionen verwenden, sondern auch dafür, die Voraussetzungen für einen stadtgestalterischen Wettbewerb zu schaffen, dessen Ergebnis hier nicht vorwegzunehmen ist. Diese Ergebnisoffenheit ist etwas, worauf wir sehr

(Silke Gebel)

stolz sind. Wer die Diskussion begleitet, weiß, wie vielfältig die dabei in Einklang zu bringenden Überzeugungen sind.

Zur sozialen Stadt ist bereits vieles gesagt worden. Ich persönlich bin sehr glücklich darüber, dass sich hier die Handschrift der Bundesregierung – die Weisheit der SPD-Mitglieder vorausgesetzt – verändern wird. Wir haben aus Berlin heraus, wie viele andere Länder und Kommunen auch, die Kürzungen am Programm Soziale Stadt deutlich kritisiert. Ich bin froh, dass das zurückgenommen ist. Ich bin sehr froh, dass wir uns auch bei der Städtebauförderung auf zusätzliche Mittelflüsse einstellen können. Das erweitert unsere Möglichkeiten in den kommenden beiden Jahren deutlich. Das ist dem Bund und der künftigen Bundesregierung zu verdanken. Schon jetzt aus Berlin ein herzlicher Dank dafür!

Zur Liegenschaftspolitik ist ebenfalls schon viel Richtiges gesagt worden. Ich will nur darauf hinweisen, dass neben den rein verfahrensmäßigen Änderungen, die stattfinden werden, die dieses Haus in Gesetzesform schon einmal passiert haben, ein stadtentwicklungspolitischer Fokus in die Liegenschaftspolitik einzieht, wie er bundesweit in dieser Form bisher einmalig ist und im Übrigen auch beispielgebend, wenn wir schon so viel Lob über die künftige Koalition im Bund ausschütten, dann auch an dieser Stelle dafür, dem Berliner Beispiel folgen zu wollen, und die Bundesliegenschaftspolitik ebenfalls neu auszurichten.

Im Bereich der Bauvorhaben sei kurz auf das Bauhausarchiv verwiesen, auch das ein ganz zentraler Motor für die Entwicklung des westlichen Teils unserer Stadt. Das wird Hand in Hand gehen mit der Weiterentwicklung des Kulturforums, initiiert auch durch die Nutzer Stiftung Preußischer Kulturbesitz und die Staatlichen Museen.

Zum Thema Denkmalschutz ist schon erwähnt worden, dass wir uns insgesamt mehr vorgenommen haben. Als eines der wichtigsten Denkmäler in dieser Stadt – das ist bisher nicht genannt worden – sehen wir dabei auch die East-Side-Gallery. Wir haben in diesem Doppelhaushalt die Voraussetzungen dafür getroffen, gemeinsam mit dem Bund die Verantwortung für dieses wichtige Mauerdenkmal in unserer Stadt zu übernehmen und sie auch zu finanzieren.

[Vereinzelter Beifall bei der CDU und der SPD]

Gott sei Dank hat Daniel Buchholz schon all die lobenswerten umweltpolitischen Initiativen der Koalition angeführt. Dafür kann ich mich nur bedanken. Ich will auch unsere Umweltpolitiker noch einmal ausdrücklich für ihr Engagement loben. Ich wünsche uns weiter gute Diskussionen und einen hoffentlich weisen Haushaltsbeschluss heute Abend. – Vielen Dank!

[Beifall bei der CDU und der SPD]

Vielen Dank, Kollege Evers! – Für die Fraktion Die Linke hat jetzt die Kollegin Platta das Wort. – Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Diese Haushaltsdebatte zeigt nach nun fast zwölf Stunden: Alle Themen sind wichtig, aber einige sind wichtiger. Lebensqualität und Sicherheit verbinden viele auch hier im Hohen Haus eher mit Innenpolitik, und doch sind diese Themen für viele mehr. Es geht um Lebensgrundlagen wie saubere Luft, gesunden Boden – der übrigens nicht unendlich vermehrbar ist, auch nicht für den Wohnungsbau –, trinkbares Wasser, ökologisch nachhaltig organisierten Nahverkehr oder eben auch lärmfreie Lebensräume. Und es geht in diesem Fall um Umwelt- und Klimaschutz. Diese Themen brauchen aktive Menschen, nämlich die Bürgerinnen und Bürger dieser Stadt, die verstehen, was diese Lebensqualität ausmacht, auch, wie sie erreicht werden kann, und Menschen, die bei der Umsetzung mit Hand und Herz – und offensichtlich auch mit Geld für Bäume – dabei sind.

Wir haben auch in diesem Haushalt wieder Gelder für Gutachten und Studien eingestellt, die unterschiedliche Themen zumindest theoretisch für Berlins Umwelt voranbringen sollen. Aber genau an dieser Stelle wird es auch irdisch. Der Haushalt bleibt an vielen Stellen sinnbildlich in den Socken, die notwendigen Schuhe für die steinigen Wege bleiben im Schrank. Wir sollen mit Socken zufrieden sein, aber immerhin, keiner muss barfuß über den sommerheißen Asphalt, der in der Innenstadt an vielen Orten zu nahezu 100 Prozent versiegelter Fläche geführt hat, gehen. Übrigens sind diese Orte auch nicht gut für Schäferhundpfoten.

[Beifall bei der LINKEN und der SPD – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Aber, meine Damen und Herren, Schuhe sind die umgesetzten Maßnahmen. Die brauchen wir dringend, nicht nur deshalb, weil es Richtlinien aus der EU gibt.

Problematisch wird der weitere Personalabbau in der Umweltverwaltung – nicht nur beim Senat, sondern auch in den Bezirken. Dieser geplante Abbau von rund 25 Prozent treibt selbst einen leitenden Beamten dazu, in aller Öffentlichkeit vor überwiegend ehrenamtlich Tätigen im Naturschutz Weihnachtswünsche zu äußern, bei denen der Stopp des Personalabbaus in der Berliner Verwaltung ganz weit oben steht. Denn längst ist klar, dass hier die inhaltliche Arbeit besonders bei Konzepten und Genehmigungsverfahren zulasten der Menschen und der Umwelt geht.

Wir haben uns fraktionsübergreifend mit der Stiftung Naturschutz beschäftigt, die viel Inhaltliches wegträgt in dieser Stadt und trotzdem um jeden Euro betteln muss.

(Stefan Evers)

Hier hat fürs Erste mit der Aufstockung der institutionellen Förderung – ein Änderungsantrag des Hauptausschusses – zu mehr Luft geführt. Das begrüßen wir sehr. Die kleine Erhöhung des Etats für den Wildtierschutz zeigt, wie Verbandsarbeit zum Wohle der Tiere wirken kann.

Die Probleme beim Grundwassermanagement für Wohngebiete können auch in den Jahren 2014 und 2015 nicht gelöst werden, auch wenn Herr Buchholz es vorhin behauptet hat. Die Aufstockung des Titels ist nur mit 150 000 Euro jährlich erfolgt und gleicht damit einem Tropfen auf dem heißen Stein. Wir wollen hier wesentlich mehr, um den Problemen und auch dem Ergebnis des Rundes Tisches Grundwassermanagement gerechter zu werden.

[Vereinzelter Beifall bei der LINKEN – Zuruf von Daniel Buchholz (SPD)]

Da ging es um Millionen Euro, nun bleibt es bei dem Willen der Koalition, bei der Unterstützung von Pilotprojekten. Da werden sich besonders die Betroffenen im Blumenviertel in Johannisthal bedanken.

Dieser Haushalt überlässt gerade im Umweltbereich und im Klimaschutz vieles der Freiwilligkeit und dem bürgerschaftlichem Engagement. Trotzdem erfährt die finanzielle Basis zur Förderung der Projekte, zum Beispiel bei nachhaltiger Entwicklung und Ressourcenschonung, durch die Koalition keine bessere Ausstattung, genauso wenig wie die Titel, die zur Verbesserung der Organisation der Bürgerbeteiligung bereitgestellt sind. Anerkennung und Ehrung für das Engagement der Bürgerinnen und Bürger manifestieren sich auch in diesen Titeln. Das hat die Koalition wohl noch nicht verstanden.