Für die Besprechung bzw. Beratung steht den Fraktionen jeweils eine Redezeit von bis zu zehn Minuten zur Verfügung, die auf zwei Redebeiträge aufgeteilt werden kann. Es beginnt die Fraktion der SPD. Der Kollege Kreins hat das Wort. – Bitte schön!
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Werte Kolleginnen und Kollegen! Die Zukunft der S-Bahn ist Thema der heutigen Aktuellen Stunde. Das Thema ist wichtiger denn je, denn die S-Bahn ist Rückgrat der Mobilität der Berlinerinnen und Berliner, und Mobilität ist ein Grundprinzip der öffentlichen Daseinsvorsorge. Die Berlinerinnen und Berliner sind auf ihre Mobilität angewiesen.
Die Regierungsfraktionen haben sich in ihrem Koalitionsvertrag auf eine Roadmap – ich würde besser sagen, auf einen Fahrplan – für die Ertüchtigung der Berliner S-Bahn geeinigt. Die Vorstellung der Oppositionsfraktionen, es gäbe eine schnelle Lösung – wie in Verlautbarung der Presse zu lesen – für langfristige Herausforderungen, scheint mir ebenso im Bereich des Illusionären zu liegen wie der Wunsch nach schneller Übertragung der S-Bahn, des S-Bahnnetzes in die öffentliche Hand. Es gibt keinen schnellen Einsatz, sondern einen Fahrplan, den der Senat schrittweise gehen muss und den wir als Parlament kritisch und konstruktiv begleiten werden.
Ziel der Koalitionsfraktionen ist die Gewährleistung eines qualitativ hochwertigen, sicheren und störungsfreien S-Bahnbetriebs. Wir alle können uns noch an die Win
termonate der Jahre 2010 und 2011 erinnern. Die S-Bahn konnte nicht einmal den Notfallplan einhalten. Bahnhöfe waren vom Gesamtnetz abgeschnitten. Auf einigen Linien kam der Verkehr gänzlich zum Erliegen. Ganze Stadtteile waren abgehängt. Die Umlandgemeinden waren mitunter nur mit Ersatzbussen erreichbar. Weichen waren eingefroren. Die Fahrgäste standen auf den Bahnhöfen, meist ohne zuverlässige Informationen, und froren. Ein Großteil der Berlinerinnen und Berliner kam zu spät zur Arbeit.
Der Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg gab in seiner Qualitätsbilanz 2010 an, dass die S-Bahn eine Pünktlichkeit von 76 Prozent erreicht hätte. 20 Prozent der Fahrten im Jahr 2010 waren ausgefallen. Der IGEB-Vorsitzende Wieseke verwies auf ca. 200 fehlende S-Bahnzüge für einen Normalbetrieb. In den Wintermonaten lag die Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit bei unter 40 Prozent.
An dieser Stelle ist aber auch ausdrücklich den Beschäftigten bei der S-Bahn zu danken – den Kundenbetreuern, die den genervten Berlinerinnen und Berlinern Rede und Antwort stehen mussten, den Zugführern, den Streckenposten, die im Winter vereiste Gleise und Weichen enteisen mussten, den Kolleginnen und Kollegen, die Motoren und Bremsanlagen in Akkord funktionstüchtig zu erhalten hatten.
Sie mussten einstecken, was an anderer Stelle verursacht worden ist, für Dinge, die zuvor kaputtgespart worden sind.
Die Strategie der Gewinnerzielung des Mutterkonzerns ist gescheitert. Stattdessen sind nach eigenen Angaben der S-Bahn rund 20 Millionen Euro zusätzlich in die technische Instandhaltung gesetzt worden. Dazu wurde der S-Bahn ein unabhängiges Expertengremium zur Seite gestellt, das technische Lösungen für zugefrorene Türen, Bremsen und Heizungsanlagen zu finden hatte. Der Senat hat im laufenden Jahr die Arbeit zur Sicherstellung des S-Bahnbetriebs mit Nachdruck und fachlicher Unterstützung begleitet. Er hat weiterhin wegen Minderleistung, Verspätung und Totalausfall im Jahr 2010 rund 70 Millionen Euro einbehalten – Gelder, die sachverwandt für die Mobilität in Berlin eingesetzt worden sind.
An diesem Punkt möchte ich ein kurzes Grußwort an Bahnchef Grube richten und ihn daran erinnern, dass wir Abgeordnete und der Senat alle rechtlichen Mittel ausschöpfen werden, um die S-Bahn insbesondere in den Wintermonaten zu einem zuverlässigen Betrieb zu zwingen.
Nehmen Sie die berichtigten Interessen der Berlinerinnen und Berliner ernst! – Dabei ist die Bahn zunehmend von einem gewinnorientierten Unternehmen in tiefrote Zahlen
gerutscht. Das schlechte Ergebnis aus dem Jahr 2009 ist mit minus 220 Millionen Euro im Jahr 2010 noch mal getoppt worden. Trotzdem darf der Einsatz zur Ertüchtigung im laufenden Betrieb kein Ende finden.
Aber klar ist auch, dass eine umfassende Lösung der Zuverlässigkeit der Berliner S-Bahn nur mit neuen Zügen gewährleistet werden kann. Hierbei muss dem Senat die Quadratur des Kreises gelingen.
Den Druck auf Bahn und S-Bahn aufrechtzuerhalten und gleichzeitig den Weg zu beschreiten, den Betrieb mit neuen, funktionsfähigen Zügen für die Zukunft vorzubereiten, das ist die Quadratur des Kreises. Die derzeit gültigen Verträge binden, und die Rechtslage schließt eine Direktvergabe an die Bahn aus. Erinnert sei hierbei an das Gerichtsurteil des Bundesgerichtshofs aus dem Februar dieses Jahres.
Wie sieht nun diese Roadmap, dieser Fahrplan für eine funktionierende S-Bahn aus? – Erstens: Die Gespräche mit der Deutschen Bahn über einen Verkauf der Berliner S-Bahn an das Land Berlin haben Vorrang. Scheitern diese, weil die Haltung der Deutschen Bahn so unnachgiebig ist wie eh und je, dann wird es zu einer Ausschreibung eines Viertelnetzes kommen, auch wenn dies keine wünschenswerte Option ist. Nur so erhöhen wir den Druck auf die Deutsche Bahn AG.
Wird ausgeschrieben, dann müssen zwingend in den Verträgen optimierte Bonus- und Malusregelungen gefunden, die Sicherung der Beschäftigten gewährleistet, die Kaufoption für den Fuhrpark verankert und rechtliche Regelungen zum Service, zur Wartung und zur Sicherheit getroffen werden. Ein guter Vertrag muss her!
Insbesondere die Kaufoption ermöglicht in Zukunft einen öffentlichen Aufgabenträger und zumindest die gewünschte kommunale Kontrolle.
Ihnen, sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen, ist aber auch klar, dass dieser Weg keine Frage von zwei Tagen, zwei Wochen oder zwei Monaten sein wird.
Den Berlinerinnen und Berlinern ist es aber auch nicht zuzumuten, Testfahrer unausgereifter Bahntechnik zu
sein. Die Industrie braucht, um sichere und hochwertige Produkte liefern zu können, einen ausreichenden Planungshorizont. Das gilt sowohl zeitlich als auch rechtlich. Schon allein deshalb wird es 2012 keine neuen Züge geben, und schon allein deshalb scheint mir der Antrag der Linken etwas vom Nachholbedarf der vergangenen Legislaturperiode geprägt zu sein, verbunden mit etwas Aktionismus.
In meinem Skript steht: Tumulte bei den Linken, mäßiger Applaus bei der SPD. – Da habe ich die Linken wohl etwas unterschätzt.
Sie sehen, die SPD-Fraktion hört noch nicht so ganz zu, wenn ich rede. Daran werden wir uns schon noch gewöhnen. – Aber zur fachlichen Beratung wollen wir den Antrag selbstverständlich in den zuständigen Ausschuss für Bauen, Wohnen und Verkehr überweisen.
Die Oppositionsfraktionen werden im Anschluss ihre Vorstellungen zu einer funktionierenden S-Bahn vorlegen können.
Wenn allerdings Wahlprogramme Richtschnur politischen Handelns sind, dann können wir mit Blick in dieselbigen grundlegende Unterschiede zum Koalitionsvertrag erkennen:
Weder die Grünen noch die Linken sehen irgendeine Möglichkeit, der Deutschen Bahn die S-Bahn abzuschwatzen und kurzfristig die Situation zu verbessern.
Selbst die Piraten formulieren in ihrer S-Bahnstrategie ausschließlich phrasenhafte Fragen, verbunden mit dem verständlichen Wunsch nach Offenlegung der S-Bahnverträge.
Das sind keine verheißungsvollen Strategien, das ist kein Fahrplan, wie ihn die Regierungsfraktion hat, aber das braucht die Opposition auch nie. Sie trägt nie Verantwortung, braucht keinen funktionierenden Plan.
Den Berlinerinnen und Berlinern ist es aber egal, auf welcher ideologischen Grundlage die S-Bahn betrieben wird. Die Berlinerinnen und Berliner wollen, dass die
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Winter steht vor der Tür – wahrscheinlich für den Senat überraschend. Wir erinnern uns, und zwar unangenehm, an das Schnee- und S-Bahnchaos der vorigen Jahre. Deshalb wollen wir als GrünenFraktion wissen, ob die S-Bahnthematik endlich ernst genommen wird, ob der Senat alles getan hat, damit es dieses Mal glimpflicher abläuft.