Protokoll der Sitzung vom 19.06.2014

[Katrin Schmidberger (GRÜNE): Das ist ja total vermieterunfreundlich!]

Der Mietspiegel für dieses Areal liegt bei 5,19 Euro. Angesichts der Zahlen habe ich natürlich Verständnis, dass der eine oder andere sagt, gerade wenn ich über 100 Quadratmeter für 2,80 Euro miete: Ich will hier keine Veränderung. Das kann ich durchaus nachvollziehen.

[Katrin Schmidberger (GRÜNE): Darum geht es hier doch gar nicht!]

Ich finde aber, dass das nicht der richtige Ansatz für eine allgemeine Debatte in der Stadt oder gar in der Bundesrepublik ist.

Mieter sind durch unsere Regelung sehr gut geschützt. Und da will ich Ihnen mal zeigen, was das hilft, was wir beschlossen haben: Unter dieser Mieter im Vergleich zu den durchschnittlichen 3,60 Euro dauert es dank unserer Regelung bei normalen Mietspiegelerhöhungen 12 Jahre, bis er überhaupt den Mietspiegelwert erreicht. Unter den 2,80 Euro, wo es diverse in den Wohnungslisten gibt, dauert es 20 Jahre. Ich denke, das ist ein sehr weitreichender Schutz der Mieter und rechtfertigt an der Stelle nicht unbedingt den Einsatz von Bundes- oder Landesmitteln, den wir sonst in anderen Fällen geben würden.

[Katrin Schmidberger (GRÜNE): Also wird die CDU wieder blockieren!]

Hören Sie mir doch erst einmal zu!

Wir sind an diesem Einzelfall, und der Einzelfall – 2,80 Euro Miete – ist, glaube ich, nicht zum Maßstab für die ganze Bundesrepublik geeignet. Gleichzeitig – und deswegen rede ich über den Einzelfall – ist der Ton bedenklich, der hier angeschlagen wird. Wir lassen uns von Einzelfällen treiben, auch von einzelnen Personen, was durchaus berechtigt ist, aber ich lese in der Presse, es gibt Sprüche – und da rate ich wirklich zu weniger Aufgeregtheit und zu verbaler Abrüstung: Investoren aufgepasst, einer ist in diesem Gelände schon verreckt! – Meine Damen und Herren! Ich glaube, das ist nicht die Sprache, die wir brauchen.

[Katrin Schmidberger (GRÜNE): Jetzt lenken Sie doch nicht ab!]

Mein Appell kann nur sein: Wir müssen wieder zu einem partnerschaftlichen Dialog zurückkommen,

[Oliver Höfinghoff (PIRATEN): Mit wem denn?]

zu dem Dialog, den wir 10 Jahre lang am Berliner Wohnungsmarkt sehr erfolgreich hatten, denn wir haben große

(Katrin Lompscher)

Herausforderungen und auf die müssen wir in diesem Haus unseren Blick und Fokus richten.

Bis zum Jahr 2050 wollen wir klimaneutrale Stadt werden. Das Gutachten, das Herr Müller in Auftrag gegeben hat, hat uns sehr deutlich ins Stammbuch geschrieben: Das geht nur, wenn wir mehr sanieren, und auch das geht nicht ohne Geld. Gleichzeitig gibt es viele Wohnungen in der wachsenden Stadt zu bauen, und wir haben demografische Herausforderungen. All das werden Sie nicht ohne Investitionen lösen. Das geht an der Stelle nur mit einem partnerschaftlichen und sachgerechten Dialog mit allen Beteiligten. Pauschale Verunglimpfungen helfen uns hier nicht und bringen uns keinen Vorteil.

Jetzt zur BImA: Die BImA wurde – Frau Schmidberger, hören Sie mir gut zu! – im Jahr 2005 errichtet. Das Errichtungsgesetz trägt also eine rot-grüne Handschrift. Im Errichtungsgesetz wurde ganz klar gesagt, die BImA darf nur zum Höchstpreisgebot verkaufen. Insofern: Jetzt kritisieren Sie jetzt nicht das, was Sie selber gemacht haben! – Auch an die Linke: Oskar Lafontaine war derjenige Finanzminister, der die letzten Ausnahmetatbestände zum Verkauf von Liegenschaften abgeschafft hat. Sie alle haben sich also in der Vergangenheit schön brav in diesen Themen bewegt, und jetzt bedauern Sie es. Schon sehr komisch!

[Beifall bei der CDU]

Deshalb auch von uns der klare Stand der Dinge: Wir müssen umdenken. Das haben wir in den letzten zwei Jahren in der Wohnungspolitik in Berlin getan. Wir haben umgesteuert, und wir haben auch in der Liegenschaftspolitik umgesteuert. Wir werden auch bei der BImA ein Umsteuern fordern, aber nicht getrieben von einem Einzelfall, sondern weil wir es in Berlin und angesichts des Wohnungsmarktes in Ballungszentren in ganz Deutschland für geboten halten. Das ist meines Erachtens die richtige Argumentation.

Wir wollen, dass kommunale Unternehmen wie auch Wohnungsgenossenschaften eine Vorkaufsmöglichkeit für Gelände der BImA haben. Gleichzeitig wollen wir, dass der beschlossenen Einnahmeverzicht nicht nur für Konversionsflächen gilt, sondern eben auch in Ballungsräumen bei Wohnungen, und wir würden auch mittelfristig eine Änderung des BImA-Gesetzes anstreben. Deswegen unterstützen wir da auch die Bemühungen, die die Senatsverwaltung eingegangen ist, und zwar aus den grundsätzlichen Überlegungen heraus und nicht wegen des Einzelfalls, denn wir machen Politik für ganz Berlin und nicht nur für einige wenige Standorte. Insofern können wir Ihrem Antrag, der standortfokussiert ist, so nicht zustimmen, sondern werden an der Stelle unsere eigenen Schlüsse ziehen. – Vielen Dank!

[Beifall bei der CDU]

Danke schön! – Herr Kollege Otto! Hat sich das erledigt?

[Zuruf von Andreas Otto (GRÜNE)]

Wir schlafen hier nicht. Wir haben nicht unterbrochen. – Herr Kollege Höfinghoff! Sie haben jetzt das Wort für die Piratenfraktion.

Vielen Dank, Herr Präsident! – Wir stehen mal wieder hier und fragen uns, welchen Interessen der Berliner Bausenat dient. Dazu eine kurze Korrektur, Herr Kollege Brauner: Es geht um 1 700 Altbauwohnungen. Das ist ein bisschen mehr als die gut 40, die Sie gerade angeführt haben. Tatsächlich müssen wir uns fragen, ob der Herr Müller sich dafür einsetzen will, dass die Mieterinnen und Mieter weiterhin bezahlbaren Wohnraum haben können, oder ob mal wieder das Prinzip herrscht, wer am meisten bietet und am meisten bezahlt, der bekommt am Ende den Zuschlag, mit allen nachfolgenden Konsequenzen.

Wir kennen die Praxis schon ganz gut aus Berlin, gerade auch aus dem wowereitschen Senat. In der Vergangenheit hat er eine exzessive Vermarktungspolitik landeseigener Immobilien betrieben, eben nach besagtem Höchstpreisprinzip. Was das für die betroffenen Mieterinnen und Mieter bedeutet, ist bekannt. Mietshäuser mit Bestandsmieterinnen und -mietern werden meistbietend auf den Markt geworfen. Und wer Höchstpreise bezahlt hat, der will natürlich auch seinen Gewinn daraus ziehen. Die Verwertungskette läuft. Wir zählen auf: erst die Modernisierung, dann die Mieterhöhung, Verdrängung der Altmieterinnen und -mieter, schließlich der Zuzug zahlungskräftiger Neumieter oder Umwandlung in Eigentumswohnungen. Das trifft ja irgendwie alles. Was in diesem unsinnigen Prozess zur unüblichen Verfahrensweise des Senats gehört: Wenn dann Mieterinnen und Mieter dagegen protestieren und sich zur Wehr setzen, dann werden sie zuerst diskreditiert und schließlich kriminalisiert. Das kennen wir auch alles.

Der Senat hätte jetzt die Chance, diese bekannte Kette beim Verkauf der bundeseigenen Wohnungen in Schöneberg in der Katzler und in der Großgörschenstraße zu unterbrechen. Er kann sich beim Bund und im Bundesrat dafür stark machen, dass diese Wohnungen nicht an rein gewinnorientierte Großinvestoren verkauft werden, sondern an landeseigene Wohnungsgesellschaften oder Stiftungen übergehen. Er kann, wenn er denn will. Grundsätzlich gilt ja beim Verkauf von Liegenschaften, die sich in öffentlicher Hand befinden, dass öffentliche Interessen berücksichtigt und sorgfältig gegen fiskalische Interessen abgewogen werden müssen. Daran müssen wir hier offensichtlich immer wieder in schöner Regelmäßigkeit erinnern. Von allein kommt der Senat darauf nicht.

(Matthias Brauner)

Wir schauen kurz in die Vergangenheit, einer aus der es tatsächlich mal zu lernen gelte: das Kleingartengelände Oeynhausen in Schmargendorf oder die Kulturbrauerei in Prenzlauer Berg. Beide Gelände aus mittelbarem Grundbesitz des Bundes kamen im Rahmen von Paketverkäufen z. B. der Deutschen Post Immobilien oder der TLG an den Markt, ein Markt, auf den dann Spekulanten ab Paketgrößen von etwa 1 Milliarde Euro zugreifen. In diesen Dimensionen kann das Land Berlin natürlich nicht mehr mitbieten. Das Höchstpreisprinzip zwingt es auf die Zuschauerbank und gekauft werden darf nur zum Verkehrswert. Wir haben das beim Dragoner-Areal gesehen. Das hat einen Verkehrswert von rund 9 Millionen Euro, und verkauft worden ist es dann für 21 Millionen Euro. Die Konsequenz ist klar: Wer auf diesem Markt so unterwegs ist, will sein Gewinnpotenzial auch realisieren. In seiner Logik muss er dramatisch umstrukturieren und dann solch ein Areal für 30 Millionen Euro weiterveräußern.

Schlimm genug, dass diese Praxis bei Brach- und Gewerbeflächen Usus ist. Bei Wohnhäusern der öffentlichen Hand darf das einfach nicht passieren. Genügend Absichtserklärungen gibt es ja – darauf haben uns sowohl Frau Spranger als auch Herr Brauner hingewiesen. Sowohl hier im Land als auch im Bund haben die großen Koalitionen behauptet, dass sie die Mieterinnen und Mieter vor Verdrängung und Mietexplosion schützen wollen. Dann wäre es jetzt endlich an der Zeit, das unter Beweis zu stellen.

[Beifall von Martin Delius (PIRATEN)]

Danke! – Bewahren Sie die Mieter und Mieterinnen der 1 700 – – Ich markiere es noch mal: 1 700 – –

[Christopher Lauer (PIRATEN): Wie viele?]

[Martin Delius (PIRATEN): Wirklich?]

Es sind wirklich 1 700 bundeseigene Wohnungen! –

[Katrin Schmidberger (GRÜNE): Kein Einzelfall?]

Nein, das ist gar kein Einzelfall! Diese 1 700 Wohnungen sind wirklich kein Einzelfall.

Am Ende möchte ich noch mal eines festhalten, denn es gibt noch einen Punkt, der wirklich relevant ist: Mieterprotest wird in dieser Stadt gern unter Generalverdacht gestellt – mit irgendwelchem Extremismusgesülze – und kriminalisiert. Kriminalisieren Sie nicht den Protest, sondern ändern Sie endlich Ihre unwürdige Liegenschaftspolitik! Versuchen Sie auch endlich, Ihren Einfluss im Bund, den Sie durchaus haben, geltend zu machen, und zwar in eine sinnvolle Richtung! – Danke schön!

[Beifall bei den PIRATEN – Beifall von Katrin Schmidberger (GRÜNE)]

Vielen Dank, Herr Kollege Höfinghoff! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Es wird die Überweisung des Antrags an den Ausschuss für Bauen, Wohnen und Verkehr und an den Hauptausschuss empfohlen. – Widerspruch höre ich nicht. Dann verfahren wir so.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 5:

Einbürgerung erleichtern – Optionszwang abschaffen, zwei Pässe ermöglichen!

Beschlussempfehlung des Ausschusses für Inneres, Sicherheit und Ordnung vom 19. Mai 2014 Drucksache 17/1664

zum Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drucksache 17/0875

Dieser Antrag soll heute vertagt werden. – Ich höre hierzu auch keinen Widerspruch. Dann verfahren wir so.

Die Tagesordnungspunkte 6 und 7 standen auf der Konsensliste. Der Tagesordnungspunkt 8 war Priorität der Fraktion Die Linke unter Nr. 4.1.

Ich rufe nun auf

lfd. Nr. 9:

Empfehlungen des NSU-Untersuchungsausschusses umsetzen