Protokoll der Sitzung vom 03.07.2014

Tagesordnungspunkt 28

Mindestlohn ausnahmslos

Antrag der Fraktion Die Linke, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und der Piratenfraktion Drucksache 17/1725 Neu

Die Drucksache 17/1725 Neu ersetzt die Drucksache 17/1725 und liegt Ihnen als Tischvorlage vor. Für die Beratung steht den Fraktionen jeweils eine Redezeit von grundsätzlich fünf Minuten zur Verfügung. Es beginnt die Fraktion Die Linke. Das Wort hat Frau Abgeordnete Breitenbach. – Bitte sehr!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ein Meilenstein sei heute beschlossen worden, hat Arbeitssenatorin Nahles gesagt.

[Zurufe: Ministerin!]

Die Ministerin!

[Heiko Herberg (PIRATEN): Ist aber ein ganz schön kleiner Stein!]

Ich verstehe Sie nicht, Herr Herberg! – Also: Die Ministerin Nahles hat gesagt, ein Meilenstein sei heute beschlossen worden. Damit meinte sie das Mindestlohngesetz.

[Beifall bei der SPD – Zuruf von Martin Delius (PIRATEN)]

Mit dem Applaus – jetzt wird er ein bisschen stärker – hatte ich gerechnet. Liebe Kolleginnen und Kollegen der SPD! Seit vielen Jahren versprechen Sie einen einheitlichen, flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn für dieses Land.

[Zuruf von Lars Oberg (SPD)]

Und was ist heute herausgekommen? – Ein Flickenteppich und kein Meilenstein!

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN]

Der Mindestlohn, den Sie jetzt eingeführt haben, schließt ganz viele Menschen aus, weil sie ein bestimmtes Alter haben, weil sie eine bestimmte Tätigkeit verrichten, weil sie langzeiterwerbslos waren. Das ist nichts anderes als Willkür, und das wollen wir nicht hinnehmen.

[Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN – Zurufe von der SPD]

Da sollen die Langzeiterwerbslosen in den ersten sechs Monaten ihrer Arbeit keinen Mindestlohn erhalten. Was bedeutet das denn? – Das ist Ausgrenzung und Stigmatisierung.

[Martin Delius (PIRATEN): So ist es!]

Und es ist eine Einladung für die Arbeitgeber, dass sie entweder ihre neu eingestellten Beschäftigten direkt nach der Probezeit entlassen oder dass sie vorher gleich Erwerbslose befristet einstellen. Ist das das Ziel, das Sie mit Ihrem Mindestlohn verfolgen?

Und der Staat bezahlt. Das Geschäftsmodell baut darauf auf, Niedriglöhne zu zahlen und den Staat für die ergänzenden Leistungen aufkommen zu lassen. Allein in Berlin haben wir 105 000 Aufstocker. Das, was Sie jetzt machen, wird dazu führen, dass das noch weiter ausgeweitet wird.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage von Frau Grosse?

Selbstverständlich!

Bitte sehr!

Liebe Elke Breitenbach! Ich habe damit gerechnet, dass du jetzt da vorne so sprichst, aber du musst doch zugeben, dass das erst mal ein Schritt in die richtige Richtung

(Heiko Herberg)

ist, dass der gesetzliche Mindestlohn heute erst mal auf den Weg gebracht wurde! Dass man natürlich nicht ganz glücklich mit diesen Ausnahmen sein kann, das ist richtig. Aber dass er jetzt durchgesetzt wurde, und das auch noch mit der CDU, die immer dagegen war, das ist doch ein Fortschritt!

[Elke Breitenbach (LINKE): Und Ihre Frage?]

Das musst du doch wohl zugeben!

[Beifall bei der SPD – Zurufe von den PIRATEN]

Wenn wir davon reden, ob es kleine Schritte gibt – – Liebe Burgunde Grosse! Wenn du mich fragst, musst du mir auch zuhören! – Also, wenn wir davon reden, ob es richtige kleine Schritte gibt – es gibt immer richtige kleine Schritte, aber wir haben jetzt keinen flächendeckenden, einheitlichen gesetzlichen Mindestlohn, wie ihn die Mehrheit in dieser Gesellschaft will und auch die Mehrheit dieser Parteien sowohl im Bundestag als auch hier im Hause. Deshalb haben wir diesen Antrag vorgelegt. Dazu komme ich noch.

Gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage, dieses Mal von der Kollegin Bangert?

Selbstverständlich!

Bitte sehr!

Kollegin Breitenbach! Ist Ihnen aufgefallen, dass die zuständige Arbeitssenatorin nicht anwesend ist? Das finde ich ein bisschen misslich, denn ich glaube, sie hat diesbezüglich noch Fortbildungsbedarf.

[Beifall bei den GRÜNEN, der LINKEN und den PIRATEN]

Ja, das ist mir aufgefallen. Das wundert mich auch nicht. Aber wenn ich das jetzt als eine Anregung verstehe, dass die Senatorin geholt werden soll – –

Ich habe gerade vernommen, dass eine Fraktion die Herbeizitierung der Arbeitssenatorin beantragt. Gibt es hierzu Aussprachebedarf? – Das ist nicht der Fall. Dann bitte ich

darum. Sie ist bereits unterwegs, aber wir unterbrechen so lange.

[Kurze Unterbrechung]

Die Senatorin ist eingetroffen. Wir können fortfahren.

[Allgemeiner Beifall]

Dann fahren wir fort. – Zu der Ausnahme der Erwerbslosen vom Mindestlohn hatte ich etwas gesagt. Eine weitere Ausnahme ist, dass auch Jugendliche unter 18 Jahren nicht nach Mindestlohn bezahlt werden sollen. Angeblich, so die Arbeitsministerin Nahles, aber auch andere, würde das dazu führen, dass sie dann keine Ausbildung beginnen, sondern lieber als Ungelernte jobben.

[Beifall bei der CDU]

Das halte ich für kompletten Unsinn. Da brauchen Sie gar nicht zu klatschen!

[Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN]

Ich will Ihnen mal etwas sagen: Wer heute ungelernt arbeitet, verdient auch mehr als in der Ausbildung, und trotzdem suchen ganz viele Jugendliche einen Ausbildungsplatz. Leider finden nicht alle einen, und die drängen Sie in diesen weiteren Niedriglohnsektor.

[Beifall bei der LINKEN – Zurufe von der CDU]

Wenn Sie so oberschlau sind, dann gucken Sie sich mal in den Ländern um, wo es so was gibt wie einen Jugendmindestlohn! Wissen Sie, was dort passiert? – Die Jugendlichen werden in Armut getrieben, und die älteren Kolleginnen und Kollegen werden entlassen und verdrängt. Ist es das, was Sie mit Ihrem Mindestlohn erreichen wollen? Sind das Ihre Ziele?

[Zurufe von der CDU und den PIRATEN – Dr. Manuel Heide (CDU): Da gibt es auch kein Ausbildungssystem, Sie Oberschlaue!]

Sie können eine Zwischenfrage stellen, melden Sie sich, dann werden Sie bestimmt auch drangenommen von der Präsidentin!

[Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN]