Protokoll der Sitzung vom 12.01.2012

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich eröffne die 6. Sitzung des Abgeordnetenhauses von Berlin und begrüße Sie, unsere Gäste und Zuhörer sowie die Medienvertreter sehr herzlich. Allen, denen ich es noch nicht persönlich sagen konnte, wünsche ich ein gutes neues Jahr, vor allem Gesundheit. Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Zu Beginn unserer heutigen Plenarsitzung habe ich eine traurige Pflicht zu erfüllen und bitte Sie, sich zu erheben.

[Die Anwesenden erheben sich von ihren Plätzen.]

Berlin nimmt Abschied von Prof. Dr. h. c. Werner Otto, der am 21. Dezember in Berlin verstorben ist. Er war ein herausragender Unternehmer, ein Mäzen, ein Förderer der Wissenschaft und ein sozial engagierter Bürger. Sein Wirken hat das Gesicht unserer Stadt mit geprägt.

Werner Otto wurde 1909 in Seelow als Sohn eines Lebensmittelgroßhändlers geboren. Seine Mutter starb ein Jahr nach seiner Geburt. Kurz vor dem Abitur brach der Betrieb seines Vaters zusammen, und er musste den Schulbesuch beenden.

In Angermünde ging Werner Otto in eine Lehre als Einzelhandelskaufmann und eröffnete schon früh einen Laden in Stettin. Später betrieb Werner Otto einen Zigarrenladen in der Nähe des Alexanderplatzes und zog 1939 nach Kulm, wo er ein Schuhgeschäft führte. Kurz vor Kriegsende wurde er noch zur Wehrmacht eingezogen und an der Front schwer verwundet.

Die von Werner Otto kurz nach Kriegsende eröffnete Schuhfabrik in Hamburg scheiterte zwar zunächst. Er ließ sich aber nicht entmutigen: Denn schon wenig später gründete er im August 1949 mit wenig Geld, nur drei Mitarbeitern und einfachsten Mitteln den Werner-OttoVersandhandel. Daraus wurde der uns allen bekannte Otto-Versand. Insgesamt hat der Otto-Konzern heute 50 000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Bereits 1957 führte Otto eine Sozialkasse, eine Alters-, Invaliditäts- und Hinterbliebenenversorgung in seinem Unternehmen ein.

Schon 1965 gab Werner Otto die Führung seines Unternehmens in andere Hände und fing noch einmal neu an: Er gründete das Unternehmen ECE. Nach dem Ende der Teilung Berlins errichtete dieses Unternehmen unter anderem die Potsdamer-Platz-Arkaden. Insgesamt betreibt ECE heute sieben Einkaufszentren in Berlin.

Werner Otto war ein Unternehmer, der Wagemut und Optimismus mit Können und Fleiß verband. Er sagte einmal: „Wer statisch denkt und aus Angst vor Fehlern

keinen Schritt nach vorne wagt, der sollte kein Unternehmer werden“. Diese Haltung erfüllte Werner Otto 102 Jahre mit Leben – und darin wird er nicht nur für Unternehmerinnen und Unternehmer ein Vorbild bleiben.

Noch im Alter von 90 Jahren zog Werner Otto von Garmisch nach Berlin. „Hier werden außergewöhnliche Dinge verwirklicht“, sagte er – und half dabei tatkräftig mit. Werner Otto betätigte sich nicht nur wirtschaftlich in Berlin, er engagierte sich auch als Förderer und Mäzen in unserer Stadt. So baute er ein Zentrum für hörgeschädigte Kinder in Neukölln auf. Er stiftete den Kammermusiksaal im Konzerthaus Berlin am Gendarmenmarkt. Die Werner-und-Maren-Otto-Stiftung kümmert sich heute um Seniorinnen und Senioren in Berlin und Brandenburg. Auch gehörte Werner Otto zu den Förderern des Jüdischen Museums in Berlin.

Für sein Wirken wurde Werner Otto vielfach geehrt. 2001 wurde er mit dem Großen Bundesverdienstkreuz geehrt. Berlin ehrte ihn im Jahr 2003 mit der Ernst-ReuterPlakette für seine besonderen Verdienste um unsere Stadt. An seinem 100. Geburtstag im Jahr 2009 wurde Werner Otto zum Ehrenbürger Berlins ernannt.

Seit März 2011 lässt sein außergewöhnliches VideoPortrait von Robert Wilson zur Musik von Gustav Mahler in der Ehrenbürgergalerie unseres Hauses viele Bürgerinnen und Bürger an ihn denken.

Werner Ottos Großmut und sein unermüdliches Wirken als eine der bedeutendsten Unternehmerpersönlichkeiten der Nachkriegszeit werden unvergessen bleiben. Unsere Gedanken sind in dieser Stunde bei seiner Familie. Wir werden unserem verstorbenen Ehrenbürger von Berlin, Prof. Dr. h. c. Werner Otto, ein ehrendes Andenken bewahren.

[Gedenkminute]

Sie haben sich zu Ehren von Herrn Otto erhoben. Ich danke Ihnen! Ich habe eine Mandatsänderung bekanntzugeben. In der Fraktion der CDU ist Herr Markus Klaer für Herrn Nicolas Zimmer nachgerückt. – Herr Kollege Klaer, herzlich willkommen!

[Allgemeiner Beifall]

Folgende Staatssekretäre bzw. Staatssekretärinnen sind seit der letzten Plenarsitzung vom Senat ernannt worden: für die Senatsverwaltung für Arbeit, Integration und Frauen Herr Farhad Dilmaghani-Marand, für die Senatsverwaltung für Justiz und Verbraucherschutz Herr Alexander Straßmeir, für die Senatsverwaltung für Wirtschaft, Technologie und Forschung Herr Christoph von Knobelsdorff und Herr Nicolas Zimmer und für die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt Herr Ephraim Gothe.

(Präsident Ralf Wieland)

Allen entpflichteten Staatssekretären und Staatssekretären möchte ich im Namen des Hauses für ihre geleistete Arbeit recht herzlich danken.

[Allgemeiner Beifall]

Dann möchte ich auf die Ihnen vorliegende Konsensliste hinweisen.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 1:

Vereidigung der weiteren Mitglieder des Senats von Berlin

Mit Schreiben vom heutigen Tag hat der Regierende Bürgermeister von Berlin mir Folgendes mitgeteilt:

Sehr geehrter Herr Präsident!

Nach Artikel 56 Absatz 2 der Verfassung von Berlin und gemäß § 3 Absatz 1 des Senatorengesetzes habe ich heute Herrn Thomas Heilmann zum Senator für Justiz und Verbraucherschutz ernannt. Ich möchte Sie bitten, Herrn Senator Heilmann zu Beginn der heutigen Sitzung des Abgeordnetenhauses von Berlin, wie bereits in der Tagesordnung vorgesehen, gemäß § 3 Abs. 2 und § 4 des Senatorengesetzes zu vereidigen.

Mit freundlichen Grüßen

Klaus Wowereit

Gemäß § 3 Abs. 2 Senatorengesetzes werden die Senatsmitglieder vor dem Abgeordnetenhaus vereidigt. Das Amt darf erst nach der Vereidigung ausgeübt werden. Zur Vereidigung bitte ich Sie, Herrn Heilmann, in die Mitte des Saales an die Mikrofone zu treten. Ich bitte Sie alle, sich von Ihren Plätzen zu erheben!

[Die Anwesenden erheben sich von ihren Plätzen.]

Die vom Regierenden Bürgermeister ernannten Mitglieder des Senats leisten vor dem Abgeordnetenhaus folgenden Eid, der jetzt von mir vorgesprochen wird:

Ich schwöre, mein Amt gerecht und unparteiisch, getreu der Verfassung und den Gesetzen zu führen und meine ganze Kraft dem Wohle des Volkes zu widmen.

Die Mitglieder des Senats leisten den Eid mit der Schwurformel „Ich schwöre es, so wahr mir Gott helfe!“ oder „Ich schwöre es!“

Herr Heilmann, ich bitte Sie nun um Ihre Schwurformel!

Ich schwöre, so wahr mir Gott helfe!

Danke sehr! Herzlichen Glückwunsch und alles Gute für die Amtsführung!

Danke sehr!

[Allgemeiner Beifall]

Wir fahren fort, wenn Herr Senator Heilmann Platz genommen hat.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 2:

a) Erklärung des Regierenden Bürgermeisters zum Thema „Richtlinien der Regierungspolitik“

b) Billigung der Richtlinien der Regierungspolitik

Vorlage – zur Beschlussfassung – Drucksache 17/0077

Zu einer Erklärung gemäß Artikel 58 Abs. 1 S. 1 der Verfassung von Berlin erteile ich dem Regierenden Bürgermeister das Wort. – Bitte sehr, Herr Wowereit, Sie haben das Wort!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zu Beginn des Jahres 2012 möchte ich die Gelegenheit nutzen, Ihnen allen ein gesundes und erfolgreiches Jahr 2012 zu wünschen. Diesem Haus wünsche ich eine gute Arbeit und eine konstruktive Auseinandersetzung mit der Regierungspolitik, aber auch eine gemeinsame Arbeit für die Interessen des Landes Berlin, für die Bürgerinnen und Bürger in dieser Stadt. Ich bin sicher, dass wir in dem parlamentarisch üblichen, demokratischen Gebrauch – Regierung und Opposition – zu konstruktiven Lösungen kommen werden.

Mit der Vereidigung des Senators für Justiz und Verbraucherschutz ist der Senat wieder komplett. Wir hatten zwischendurch einen Vakanz; die ist heute beendet. In seiner neuen Konstellation von SPD und CD hat der Senat seine Arbeit aufgenommen – sicherlich für die eine oder den anderen etwas gewöhnungsbedürftig. Wenn wir uns die Voraussetzungen des Wahlkampfes, die Analysen und Prognosen vergegenwärtigen, wie der neue Senat zusammengesetzt sein wird, dann war das sicherlich nicht von jeder und jedem die Voraussage. Ich weiß nicht, wie es Herrn Henkel in den vergangenen Wochen ergangen ist, ich jedenfalls habe festgestellt, dass diese Koalition auf eine breite Zustimmung in der Bevölkerung trifft – und das ist auch gut so!

(Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit)

[Beifall bei der SPD und der CDU – Zuruf von der LINKEN]

Wir wollen Berlin zu einer starken und menschlichen Metropole entwickeln. Die Richtlinien der Regierungspolitik setzen einen klaren Akzent – für eine starke Wirtschaft, für gute Arbeit und vor allen Dingen auch für den sozialen Zusammenhalt in Berlin. Für diesen Dreiklang steht der Senat. Das ist unsere Vision einer modernen Metropole im 21. Jahrhundert. Eine Metropole, die auf leistungsfähige und dynamische Unternehmen setzt. Eine Metropole, in der es fair und gerecht zugeht. Eine weltoffene Metropole, in der alle eine Chance haben – unabhängig von ihrer Herkunft, von ihrem Aussehen, ihrer Religion oder Lebensweise. Eine menschliche Metropole. Das ist das Berlin, für das sich dieser Senat einsetzt, mit großer Freude am Gestalten und mit aller Kraft. Wir werben dafür um Unterstützung bei Ihnen und bei der Bevölkerung.