Protokoll der Sitzung vom 19.02.2015

Vielen Dank, Herr Dr. Lehmann-Brauns! – Für die Piratenfraktion hat jetzt das Wort Herr Abgeordneter Magalski. – Bitte!

Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Was soll man hier last not least noch dazu sagen, dass sich die SPD einer Debatte verweigert? Das ist ein GO-Trick, der im Kulturausschuss vielleicht noch geräuschlos vonstattengeht, aber hier im Plenum nicht.

[Beifall bei den PIRATEN, den GRÜNEN und der LINKEN]

Zumal es hier um einen Mann geht, der nicht einmal die formalen Kriterien der Ehrenbürgerschaft in Berlin erfüllt, da sich die Nazis 1933 der Mehrheit dafür ermächtigt haben, indem sie andere demokratisch gewählte Abgeordnete von der Abstimmung ausgeschlossen haben.

Die SPD scheint sich intern leider nicht darüber einig zu sein, wie mit diesem Thema umgegangen wird. Im Koalitionsvertrag ist das eigentlich nicht Gegenstand. Eigentlich müsste man sagen: Enthalten Sie sich an dieser Stelle zu diesem Antrag, und lassen Sie die Mehrheit dieses Hauses darüber abstimmen, Hindenburg von dieser Liste zu nehmen!

[Beifall bei den PIRATEN, den GRÜNEN und der LINKEN]

Aber es ist tatsächlich durchaus leider immer noch eine Kontroverse, über die Person, die Unperson von Hindenburg und sein politisches und militärisches Wirken zu debattieren, die verschiedenen Perspektiven aufzudröseln, die diese Debatte, die SPD hier entzweit.

Auch ich war in jungen Jahren einmal zu Ansichten über Hindenburg gelangt, die mir über den Historiker Werner Maser und seine Biografie Hindenburgs zugänglich gemacht wurden. Dieses Geschenk meines Opas, das ich mir zunächst vorurteilsfrei zu Gemüte führte, zeichnet eine Heroisierung Hindenburgs. Sie ist zwar mit historischen Fakten wie Tannenberg 1914 als Rettung Ostpreußens oder der Befreiung des russisch besetzten Polens durchtränkt, diese reichen aber bei Weitem nicht aus, um dem Bild dieses Mannes heutzutage noch etwas Ehrenvolles abzugewinnen.

Hindenburg war sicherlich auch ein Kind seiner Zeit, aber damit ist heute keine Ehrenbürgerschaft mehr zu begründen, höchstens noch damit, dass eben auch die Verleiher von damals Kinder ihrer Zeit waren. Wir aber sind Kinder unserer Zeit und haben die Möglichkeit, neueste Erkenntnisse der Geschichtswissenschaft und der renommiertesten Historiker der Geschichte der neuesten Zeit einzusehen.

[Beifall bei den PIRATEN und den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN]

Einige dieser Historiker überreichten der Verteidigungsministerin – wie der Kollege Brauer in der ersten Lesung schon erwähnt hat – einen Brief zur Tilgung des Namens Hindenburg von allen Kasernen. Zu Recht! Jener Werner

(Sabine Bangert)

Maser übrigens, dessen Buch mir damals von meinem Großvater für das Studium der Geschichte – nur im Nebenfach – geschenkt wurde, war nicht dabei. Der bereits 1994 Verstorbene gilt heute in der Wissenschaft als Geschichtsrevisionist. Vielleicht sollte auch der eine oder andere Kollege in diesem Haus seine Literatur auf den neuesten Stand der Wissenschaft hin prüfen.

[Beifall bei den PIRATEN, den GRÜNEN und der LINKEN]

Insofern ist die Zeit weiterhin längst reif – um nicht zu sagen überreif –, diesem Typen, der de facto in seiner Militärzeit bei der Obersten Heeresleitung der bis dato vorletzte Diktator war, die Ehrenbürgerwürde zu entziehen.

Dass sich die SPD so lange intern dazu abstimmen muss, obwohl dieser Mensch ihre Positionen grundlegend ablehnte, liegt vielleicht daran, dass sie ihn sowohl 1925 als auch 1932 mitgewählt hat. 1932 sicherlich als das geringere Übel im Vergleich zu Hitler, und das ist nachvollziehbar. Ihre heutige Zurückhaltung erklärt das indes nicht.

[Beifall bei den PIRATEN, den GRÜNEN und der LINKEN]

Denn dieser Missstand lässt sich auch nicht mit einer Koalitionsdisziplin erklären, ist unser Thema doch kein Teil der Koalitionsvereinbarung. Wie sagte eine Genosse kürzlich zu mir: Die rechten Genossen in der Fraktion machen uns doch manchmal sehr das Leben schwer.

[Heiterkeit]

Wenn das die neue Mitte ist, verzichte ich gern darauf. Vielleicht wäre es auch mal an der Zeit, dass der Regierende Bürgermeister und Kultursenator an dieser Stelle ein Machtwort spricht.

[Beifall bei den PIRATEN, den GRÜNEN und der LINKEN – Heiko Herberg (PIRATEN): Genau!]

In der Öffentlichkeit entstand der Eindruck, dass diese ganze Debatte nicht ernst genommen wird. Aber allein der Umstand, dass Hindenburg und Ludendorff es abgelehnt haben, Waffenstillstandsverhandlungen mit den Alliierten zu führen, um diese Aufgabe den Politikern zu übertragen, obwohl dies völlig unüblich und eine Finte war, um jegliche Verantwortung zurückzuweisen und die eigenen Hände in Unschuld zu waschen, ist skandalös.

[Alexander Spies (PIRATEN): Die Dolchstoßlegende!]

In der damaligen Öffentlichkeit entstand deshalb auch der Eindruck, die Politiker und die Weimarer Republik hätten die deutsche Niederlage herbeigeführt. Das begründete die Dolchstoßlegende, die die Nazis als Argumentationshilfe dankend zur Abschaffung der Demokratie gebrauchen konnten.

[Beifall bei den PIRATEN – Martin Delius (PIRATEN): Ja!]

Ihr Aus hat Hindenburg dann sogar eigenhändig unterschrieben. Bei allem Respekt – für diesen Mann nicht mehr!

[Beifall bei den PIRATEN und der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN]

Wo wir schon einmal dabei sind, und so schließt sich der heutige Kreis: Wenn Herr Kollege Evers als Landespolitiker anregt, den Rathausplatz nach dem jüngst verstorbenen Altbundespräsidenten zu benennen, dann schlage ich an dieser Stelle vor, das am besten im Doppelpack mit der Umbenennung des Hindenburgdamms in Richardvon-Weizsäcker-Allee zu tun. – Vielen Dank!

[Beifall bei den PIRATEN, den GRÜNEN und der LINKEN – Martin Delius (PIRATEN): Guter Vorschlag!]

Vielen Dank, Herr Magalski! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

[Unruhe]

Ich bitte kurz noch um Ihre Aufmerksamkeit, meine Damen und Herren! – Der Zwischenbericht des Ausschusses für Kulturelle Angelegenheiten ist damit zur Kenntnis genommen worden. Es liegt mittlerweile ein schriftlicher Antrag der Linksfraktion vor, die Überweisung des Antrags an den Ausschuss für Kulturelle Angelegenheiten aufzuheben. Ich lasse hierüber abstimmen. Ich bitte um das Handzeichen, wer für die Aufhebung der Ausschussüberweisung an den Ausschuss für Kulturelle Angelegenheiten ist. – Das sind die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, die Linksfraktion und die Piratenfraktion. Gegenstimmen? – Ich sehe keine Gegenstimmen. Enthaltungen? – Das sind die SPD-Fraktion, die CDU-Fraktion und der fraktionslose Abgeordnete. Damit ist die Ausschussüberweisung aufgehoben, und der Antrag steht auf der Tagesordnung der 61. Sitzung.

Das war die Tagesordnung der 60. Sitzung. Die nächste Sitzung findet dann am 12. März 2015 um 11.00 Uhr statt.

Die Sitzung ist geschlossen. Ich wünsche Ihnen allen einen guten Heimweg!

[Schluss der Sitzung: 18.23 Uhr]

(Philipp Magalski)

Anlage 1

Konsensliste

Vorbehaltlich von sich im Laufe der Plenarsitzung ergebenden Änderungen haben Ältestenrat und Geschäftsführer der Fraktionen vor der Sitzung empfohlen, nachstehende Tagesordnungspunkte ohne Aussprache wie folgt zu behandeln:

Lfd. Nr. 6:

Nachwahl eines Mitglieds des Richterwahlausschusses sowie der Stellvertretung

Nachwahl Drucksache 17/0100

vertagt

Lfd. Nr. 7:

Wahl von 15 Mitgliedern des Beirates der Berliner Stadtwerke GmbH

Wahl Drucksache 17/1917

vertagt

Lfd. Nr. 8:

Hürden im Alltag beseitigen – Unisextoiletten in öffentlichen Gebäuden einrichten

Beschlussempfehlung des Ausschusses für Arbeit, Integration, Berufliche Bildung und Frauen vom 22. Januar 2015 Drucksache 17/2070

zum Antrag der Piratenfraktion Drucksache 17/1554