Protokoll der Sitzung vom 24.09.2015

[Zuruf von Joachim Esser (GRÜNE)]

So oder so wird das Kalkül des Senats und insbesondere der SPD nicht aufgehen, die Wohnungsfrage damit aus dem Wahlkampf herauszuhalten. Dafür sorgt der Senat schon selbst mit seinem Handeln. Politik von oben sollte passé sein. Die Lektion von Tempelhof hat der Senat offenbar nur halb verstanden, wenn überhaupt. Zeitgleich mit dem Mietenkompromiss hat er den Bebauungsplan für ein Areal beschlossen, auf dem eigentlich der Mauerpark erweitert werden sollte. Tausende Einwendungen dagegen haben nicht gefruchtet. Für maximal 120 halbwegs bezahlbare Wohnungen und 220 Kleinstwohnungen in einem Lärmschutzblock an der Bahn schaffen Senat und Koalition lukratives Bauland für mehr teure Neubauten unter dubiosen Umständen.

[Torsten Schneider (SPD): Wer wird denn bei euch Spitzenkandidat?]

Auch wenn es den Investor Groth freut, wir werden das nicht hinnehmen!

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN und den PIRATEN]

Für eine nachhaltige Stadtentwicklung sind Entmachtung der Bezirke, Ignoranz gegenüber Bürgerinteressen und Beschleunigungsgesetze kontraproduktiv. Ein Blick in das kleine Werk zum Wohnungsbau mit sechs Artikeln, das uns in Kürze erreichen wird, zeigt: Viel Wind um nichts! Kein Beitrag zur Beschleunigung von Genehmigungen, dafür aber massive Angriffe auf den Denkmalschutz, auf Umweltverbände, auf Friedhofsflächen und sogar den Berliner Wald – und das im hundertsten Jahr des Bestehens des Dauerwaldvertrags. Das ist die falsche Politik!

[Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN]

Berlin muss gerade als wachsende Stadt lebenswert bleiben und zukunftsfähig werden. Wir dürfen weder das Grün in der Stadt noch die Demokratie in der Planung dem Mantra des Bauen, Bauen, Bauen opfern. Wir müssen begreifen, dass Stadt entwickeln mehr ist als Wohnungen bauen. Wohnungsneubau geht nicht ohne soziale, grüne und verkehrliche Infrastruktur. Ohne einen Plan, ohne Akzeptanz in der Nachbarschaft und in der Gesellschaft und insbesondere ohne leistungsfähige und motivierte Behörden wird das nichts.

Die Fraktion Die Linke im Abgeordnetenhaus setzt diesen Ankündigungen und dem Handeln des Senats ihre Strategie „Soziales Wohnen“ mit sechs zentralen Handlungsfeldern entgegen: Die staatliche Verantwortung für die soziale Wohnraumversorgung muss ausgebaut werden. Für die Versorgung Benachteiligter müssen ausreichende Wohnungskontingente zu tragbaren Mieten bereitgehalten werden. Die bezirklichen Behörden müssen gestärkt werden, damit Wohnungsmarktaufsicht, Zweckentfremdungsverbot, Milieuschutz etc. geschärft und tatsächlich umgesetzt werden können, denn daran hapert es bisher gewaltig. Die städtischen Wohnungsunternehmen als zentrales wohnungspolitisches Steuerungsinstrument Berlins müssen sozial ausgerichtet und finanziell gestärkt werden. Die Wohnraumförderung muss erhöht und neben Neubau eben auch Ankauf und Ertüchtigung von Bestandsbauten umfassen. Mieterinnen und Mieter müssen vom Senat und den Bezirken in der Wahrung ihrer Rechte gestärkt und unterstützt werden. Achselzucken und Verweis auf privatrechtliche Verträge helfen hier nicht.

[Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN]

Die Wohnungspolitik muss mit der Stadtplanung eng vernetzt werden. Dazu gehören auch strategischer Flächenankauf sowie das Vorgehen gegen Bodenspekulation und Flächenfraß.

Gemessen an diesem Katalog sind die aktuellen Senatsprojekte bestenfalls Stückwerk. Wir brauchen endlich eine kooperative, auf Lebensqualität und Umweltgerechtigkeit gerichtete Stadtentwicklung anstelle der vom Senat forcierten Konfrontation, damit Berlin eine soziale Metropole wird! – Vielen Dank!

[Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN]

Vielen Dank Frau Kollegin! – Für die SPD-Fraktion hat jetzt Frau Kollegin Spranger das Wort. – Bitte schön!

[Martin Delius (PIRATEN): Die Mieterpartei!]

Genau! – Sehr verehrter Herr Präsident! Meine Damen, meine Herren, Kolleginnen und Kollegen! – Ich habe jetzt dagesessen und habe gedacht: Warum, Frau Lompscher, kriegen Sie es nicht einmal über Ihre Lippen: Eine gute Leistung der SPD, eine gute Leistung der Initiatoren?

[Uwe Doering (LINKE): Wenn es denn mal so wäre!]

Warum ist das mit Ihnen nicht möglich?

[Beifall bei der SPD]

(Katrin Lompscher)

[Martin Delius (PIRATEN): Das tut mir sehr leid, Frau Spranger! – Oliver Höfinghoff (PIRATEN): Das macht bestimmt Herr Brauner gleich!]

Es ist gut, es ist richtig, es ist notwendig, dass wir uns heute in dieser Aktuellen Stunde dem wirklich drängenden Thema der Stadt widmen, nämlich einer sozial gerechten Mietenpolitik und einem nachhaltigen Wohnungsbau in Berlin. Das Leitbild der SPD, soziale Gerechtigkeit und Ausgewogenheit, orientiert sich natürlich auch gerade an dieser Wohnungs- und Mietenpolitik.

[Martin Delius (PIRATEN): Mit Augenmaß!]

Wir spüren in der Stadt: Die Menschen in Berlin trauen uns zu, auch in der jetzt schwierigen stadtentwicklungspolitischen Situation, dass wir die notwendigen Aufgaben energisch und mit Herz anpacken. – Zu Recht! Die Berlinerinnen und Berliner können sich auf uns verlassen.

[Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Zugegeben, das seit mehreren Jahren anhaltende Wachstum in der Stadt ist natürlich wohltuend. Es ist chancenreich, es ist Herausforderung zugleich. Für immer mehr Menschen, die in unserer so tollen Stadt Berlin leben möchten, müssen wir verlässliche Rahmenbedingungen gerade in der Grundversorgung und Daseinsvorsorge schaffen; genügend Wohnraum und bezahlbare Mieten gehören natürlich dazu.

In den letzten Jahren – und wir haben ja auch vor der Sommerpause eine entsprechende Aktuelle Stunde dazu hier im Hohen Hause gehabt – habe ich schon mehrmals erwähnt, dass wir mit einem ganzen Bündel von Maßnahmen dafür gesorgt haben, dass die Mieten nicht ins Uferlose steigen, der Wohnungsneubau richtig in die Spur kommt und der Mieterschutz gestärkt wird.

[Dirk Behrendt (GRÜNE): Der 1. April!]

Deshalb noch mal einige Maßnahmen: Kappungsgrenze bei den Sozialmieten, Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum, Wohnungsbaugesellschaften haben ein umfangreiches Mietenbündnis, wir haben die Eigenbedarfskündigung erschwert, wir haben, was die Baugenehmigungen angeht, Anreize für die Bezirke geschaffen – hier würde ich mir zwar noch wünschen, dass B-Pläne von einzelnen Kollegen, wenn sie in Fachausschüssen entsprechend miteinander verhandelt sind, dann auch in anderen Ausschüssen schneller durchkommen –,

[Steffen Zillich (LINKE): Das war jetzt an die CDU gerichtet!]

Einrichtung eines Wohnungsneubaufonds; das sind natürlich nur einige Beispiele dafür.

Von Berlin – und auch das noch mal ganz klar ausgedrückt – ist der Druck ausgegangen, dass wir auch im Bundesrecht eine Verbesserung des Mieterschutzes konsequent umsetzen müssen. Und so war Berlin das erste

Bundesland, das sofort im Juni 2015 die Mietpreisbremse eingeführt hat.

Es gilt ein altes Sprichwort: Nichts ist so gut, dass es nicht noch besser werden kann. – Frau Lompscher! Natürlich werde ich auch auf die aktuelle Flüchtlingssituation hier eingehen müssen. Angesichts dieser Flüchtlingssituation lassen Sie mich Folgendes sagen: Die eben erwähnten, von uns schon eingeleiteten oder umgesetzten wohnungs- und mietenpolitischen Maßnahmen bezogen sich bisher immer im Wesentlichen auf ein Wachstum der Stadt, noch bevor die Anzahl der Asylsuchenden so sprunghaft angestiegen ist. Das heißt für uns: Wir müssen gewissermaßen zusätzlich auch für die große Anzahl an Flüchtlingen nachhaltige Unterkünfte zu menschenwürdigen Bedingungen schaffen, ohne aber hierbei natürlich auch die berechtigten Bedürfnisse und die Versorgung der Ansässigen, nämlich unserer Berlinerinnen und Berliner, zu vernachlässigen.

[Beifall bei der SPD – Zurufe von Martin Delius (PIRATEN) und Oliver Höfinghoff (PIRATEN)]

Das kann und das wird uns gelingen. Ich fordere hiermit – und da ist es gut, Frau Lompscher, dass unser Regierender Bürgermeister das jetzt zur Sprache bringt – von der Bundesregierung und vom Deutschen Bundestag, ihre gesamtstaatliche Verantwortung in der Art wahrzunehmen, dass die Länder und Kommunen bei der Bewältigung dieser Aufgaben organisatorisch, personell und finanziell stärker als bisher unterstützt werden.

[Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Die Summen, die wir jetzt dafür bekommen, sind lächerlich. Deshalb brauchen wir gerade mehr, und das ist sofort zu ändern.

[Beifall bei der SPD – Zuruf von Benedikt Lux (GRÜNE)]

Lassen Sie mich jetzt auf den Kompromiss zum Mietenvolksbegehren eingehen! In einer gemeinsamen Verhandlung mit dem Senator Andreas Geisel, mit seinem zuständigen Staatssekretär und dem geschäftsführenden Fraktionsvorstand wurde mit den Initiatoren des Volksbegehrens verhandelt. Ich selbst durfte an einigen Verhandlungen teilnehmen, und ich muss sagen: Wir haben dort sehr engagierte Bürgerinnen und Bürger kennengelernt, die für diese Stadt brennen und ernsthaft Probleme lösen werden und wollen.

[Zuruf von Dr. Klaus Lederer (LINKE)]

Ja, aber Sie sind nur Zaungäste, meine lieben Damen und Herren von der Linkspartei; es tut mir leid!

[Dr. Klaus Lederer (LINKE): Hochmut kommt vor dem Fall!]

Es ist den Verhandlungsführern der Initiative hoch anzurechnen, dass sie bereit waren, in stundenlangen Sitzungen über den richtigen Weg zu streiten und gemeinsam

mit der SPD nach sinnvollen Kompromissen zu suchen. Auf diese Berlinerinnen und Berliner

[Zuruf von Wolfgang Brauer (LINKE)]

und da ist es völlig unangebracht, dass Sie jetzt so rumschreien! – kann nämlich die Stadt Berlin richtig stolz sein.

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN]

Natürlich haben auch wir gelernt; man muss auch in solchen Situationen lernen: Eine wichtige Lehre für uns aus dem Scheitern für das Tempelhofer Feld war, dass wir frühzeitiger, offener und direkter mit den Bürgerinnen und Bürgern ins Gespräch kommen und um sinnvolle Kompromisse ringen müssen. Politik darf sich nicht darauf beschränken, Entscheidungen zu kommunizieren, sondern muss wirkliche Mitsprache organisieren. Wir müssen echten Anliegen auf echter Augenhöhe begegnen. Ich denke, das haben wir mit den Vertreterinnen und den Vertretern der Mieterinitiative sehr gut hinbekommen.

[Beifall bei der SPD]

Eins sei mir, nebenbei, gestattet – auch wenn die CDU die ganze Zeit nicht klatscht –: