Protokoll der Sitzung vom 28.01.2016

Ja, – –

[Lars Oberg (SPD): Sie haben Ja gesagt!]

Lieber Kollege Oberg! Wehe! Wehe Fotos! Das ist nicht aufgehoben!

[Weitere Zurufe]

Ich sage es nur, damit es nicht hinterher heißt, es war anders gemeint. Unsichtbares ist schwer zu fotografieren, das weiß selbst ich!

Ich würde sagen, dass der Kollege Dr. Weiß dann beginnt, wenn der Senat zumindest in Gestalt einer Senatorin – vielen Dank, Frau Scheeres – anwesend ist, aber ich denke, wir warten noch auf den zuständigen Senator. Er kommt, höre ich gerade. Warten wir den Augenblick noch. Das gebietet der Respekt vor dem Parlament.

[Benedikt Lux (GRÜNE): Eigentlich müssten bei dem Thema alle hier sein!]

So, der zuständige Senator ist im Raum. – Herr Dr. Weiß! Sie können beginnen. – Bitte schön!

Vielen Dank! – Gestatten Sie mir eine kurze Vorbemerkung. Das mit dem RBB, liebe Koalition, liegt an Ihnen, weil Sie spontan, ohne Vorwarnung, die Tagesordnung durcheinander wirbeln und der Kollege Delius mich deshalb vertreten musste, weil ich nicht zum selben Thema hier und dort sprechen konnte.

[Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN und der LINKEN]

Aber zum Thema: Die schlimme Situation an den Berliner Bürgerämtern ist bekannt. Darüber haben wir hier auch schon gesprochen. Ich erspare es Ihnen, sie noch einmal im Detail zu beschreiben. Ich will in vielleicht etwas ungewöhnlicher Weise damit beginnen, dass ich sage, was der vorliegende Antrag von uns nicht ist: Dieser Antrag ist nicht die Patentlösung, mit der wir jetzt die Probleme mit den Bürgerämtern in den Griff kriegen. Diese Lösung gibt es nämlich nicht.

[Torsten Schneider (SPD): Aha!]

Was schon vor langer Zeit hätte in Angriff genommen werden müssen, ist jetzt, muss man zugeben, tatsächlich in Angriff genommen worden. Es gibt jetzt zumindest eine Bewegung hin zu mehr Personal, und man macht sich anscheinend jetzt auch Gedanken um Prozessoptimierung. Das will ich auch anerkennen.

(Lars Oberg)

Wir haben aber auch ein anderes Problem. Wir haben das Problem, dass in diesem Jahr Wahlen sind. Damit die Wahlen ordnungsgemäß durchgeführt werden können, brauchen wir einen abgebauten Stau der Meldevorgänge, weil das Wahlrecht am Meldestatus hängt. Dieser Abbau ist momentan nicht in Aussicht, was die aktuelle Situation in den Bürgerämtern angeht, und damit ist die ordnungsgemäße Durchführung der nächsten Wahlen zum Berliner Abgeordnetenhaus gefährdet.

[Steffen Zillich (LINKE): Da müsste der Innensenator jetzt zuhören!]

Idealerweise müsste der Innensenator zuhören und auch verstehen, aber man kann ja nicht alles haben!

[Beifall von Andreas Baum (PIRATEN) – Anja Kofbinger (GRÜNE): Das interessiert ihn auch nicht wirklich!]

Was wir jetzt brauchen, sind Sofortmaßnahmen, um zumindest die daran hängenden Vorgänge abarbeiten zu können. Ja, Personalaufbau braucht seine Zeit, auch wenn glücklicherweise mit den Ausschreibungen schon begonnen wurde, und auch strukturelle Änderungen werden ihre Zeit brauchen. Auch wenn diese neue Software, die es jetzt gibt, wie es heißt, Verbesserungen bringen soll, hört man von Anlaufschwierigkeiten, und es ist die Frage, ob überhaupt rechtzeitig mögliche Effizienzgewinne zum Tragen kommen werden, bevor wir in die – ich wollte gerade Wahlphase sagen, aber es ist ja noch schlimmer. Es sind drei Monate davor die Frist, und eigentlich müsste schon drei Monate davor der Meldestau abgebaut sein, und das wird natürlich sehr knapp. Wie sieht ein solches mögliches Sofortprogramm aus, oder was können da Maßnahmen sein? Dazu haben wir Vorschläge gemacht.

Zunächst einmal: Es geht konkret um die Neuanmeldungen in Berlin. Da gibt es die Möglichkeit, die Berliner Wohnungswirtschaft stärker ins Boot zu holen, denn es handelt sich meistens um Leute, die zur Miete wohnen, und es gibt jetzt schon nach dem Bundesmeldegesetz eine Mitwirkungspflicht für Vermieter. Die müssen sowieso melden, wenn jemand bei ihnen einzieht, und das könnte verbunden werden mit entsprechenden Vollmachten, mit einer gebündelten Bearbeitung von Meldevorgängen, zumindest mit der Möglichkeit der gebündelten Bearbeitung von Meldevorgängen, weil das natürlich nur auf freiwilliger Basis denkbar ist. Dafür müsste aber die Verwaltung entsprechend ausgerüstet sein. Das bedeutet, sie muss dann vor Ort gehen und diese gebündelten Vorgänge bearbeiten können. Aber auch das ist kein Problem. Die Technik gibt es. Es gibt solche Koffer. Das ist quasi ein Meldeamt für unterwegs. Der Grund, warum die nicht eingesetzt werden, ist: Das Personal gibt es nicht her, solche zusätzlichen Einsätze zu machen. Die Frage ist natürlich: Wo bekommen wir jetzt das Personal her? Da gibt es zum Glück Ausschreibungen, die schon begonnen worden sind.

Problem ist, bis die Ausschreibung und die Einarbeitung, also die Ausbildung, die dafür nötig ist, durch sind, sind wir eigentlich schon kurz vor dem Wahltermin. Deshalb an dieser Stelle der Vorschlag: Wir müssen gucken, dass wir so schnell wie möglich die Qualifikation zumindest für die Abarbeitung der Meldevorgänge in den beschriebenen Verfahren hinbekommen. Dann werden die Leute zuerst da eingesetzt. Wir haben in dem Antrag, den wir vorgeschlagen haben, eine zentrale Stelle beim LABO ins Auge gefasst und können dann da entsprechend flexibel in die Stelle, wo versucht wird zu bündeln, gehen, und dann haben wir zumindest einen zusätzlichen Kanal, über den diese speziellen Fälle, an denen die korrekte Durchführung der Wahl hängt, abgearbeitet werden können. Das wird dann hoffentlich für eine ordnungsgemäße Durchführung reichen. Das ist der Plan.

Danach wird diese Stelle, das sage ich einmal vorweg, falls es nicht ganz klar ist, aufgelöst. Wir wollen das nicht über den Kopf der Bezirke hinweg zentralisieren. Es geht dabei wirklich um Notfallmaßnahmen, die in den nächsten Monaten gemacht werden müssen. Danach kann das Ganze genutzt werden, um die Bürgerämter endlich personell so aufzubauen, wie sie eigentlich sein müssen.

Abschließend noch einmal die Erinnerung an die letzte Plenarsitzung, wo Senator Henkel von Frau Kollegin Dr. West gefragt wurde: Sind denn die Wahlen durch dieses Problem gefährdet? – und er nicht geantwortet und dazu nur gesagt hat, was den Senat im Innersten zusammenhält und dass es mit dem Terminhandel ganz schlimm ist, aber sonst vor allem seine Antwort dazu genutzt hat, zu sagen, dass, wenn – ich paraphrasiere mal – das am Ende schiefgeht, dann auf jeden Fall nicht der Senat in der Verantwortung ist, sondern dann wird es die Schuld der Bezirke gewesen sein. So geht es aber nicht.

[Beifall bei den PIRATEN, den GRÜNEN und der LINKEN – Dr. Klaus Lederer (LINKE) und Anja Kofbinger (GRÜNE): Wie immer!]

Wir haben jetzt hier eine sofortige Abstimmung in Anbetracht der Eile, die sich von selbst erklärt, beantragt. Sie haben signalisiert, Sie werden es an den Ausschuss überweisen. Ich hoffe, dass Sie dann zumindest, wenn Sie unseren Vorschlägen hier schon nicht zustimmen, im Ausschuss Vorschläge machen, wie man diesem Akutproblem Herr werden kann. – Vielen Dank!

[Beifall bei den PIRATEN und der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN]

Vielen Dank! – Für die SPD-Fraktion spricht jetzt Frau Dr. West. – Bitte sehr, Frau Kollegin, Sie haben das Wort!

(Dr. Simon Weiß)

Sehr verehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Berlinerinnen und Berliner werden sich freuen, dass offenbar alle Mitglieder dieses Hauses jede Menge Überstunden schieben, um eine geniale Idee nach der nächsten zur Verbesserung der Bürgerämter zu produzieren. Reibungslos funktionierende Bürgerämter, diese Feder möchte sich gerne jeder von uns an den Hut stecken. So weit, so gut oder vielleicht auch nicht ganz so gut.

Liebe Piraten! In Ihrem Antrag fordern Sie, die BerlinWahl dadurch sicherzustellen, dass die Verzögerungen im Berliner Meldewesen aufgearbeitet werden. Prima! Das ist eine Sehnsucht, die wir teilen. Deshalb hat dieses Parlament am 1. Dezember 2015 einen umfangreichen Antrag verabschiedet und den beteiligten Verwaltungen sehr viele Maßnahmen ins Aufgabenheft geschrieben, die genau das garantieren sollen. Wir haben über diesen Antrag sehr leidenschaftlich diskutiert. Sie werden sich vielleicht noch erinnern, es ist noch nicht ganz so lange her.

Bei den Maßnahmen, die Sie jetzt vorschlagen, wird es gleich in mehrfacher Hinsicht interessant. Sie möchten, dass eine neue zentrale Stelle zur Bearbeitung von Melderechtsvorgängen beim Landesamt für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten eingerichtet wird. Ich weiß mir nicht zu helfen, Herr Dr. Weiß, ich habe das schon einmal irgendwo gehört. Ich muss einmal überlegen. In jedem Fall ist es wahrscheinlich eine ganz gute Idee, das Ganze „Musterbürgeramt“ zu nennen, oder finden Sie nicht? Normalerweise würde ein solcher Vorschlag in Ihrer Fraktion, Sie haben es selber schon angesprochen, für wahre Entrüstungsstürme sorgen. Normalerweise würden Sie das in der Luft zerreißen, und normalerweise würden Sie das geißeln als infamen und eiskalten Versuch, Bezirksautonomie zu unterminieren. Liebe Piraten! Ich frage mich allen Ernstes, wie ausgerechnet Sie auf die Idee kommen können, dass noch eine zusätzliche Behörde die Patentlösung sein könnte. Das muss man sich einmal vorstellen. Wir hätten dann 42 bezirkliche Bürgerämter, ein zentrales Bürgeramt, ein Bürgeramt für Flüchtlinge und dank Ihnen noch eine zentrale Melderechtsbearbeitungsstelle.

Das Personal für Ihre neue, tolle Superbehörde wollen Sie dann aus dem zentralen Bürgeramt holen, das der Senat gerade erst beschlossen hat, also genau das Personal, das vorgesehen ist, um den Stau in den Bürgerämtern aufzuarbeiten. Darauf muss man erst einmal kommen.

Herr Zillich hat eine Zwischenfrage. – Nein, jetzt nicht, später! – Dieses Personal soll, wie Sie schreiben, zunächst nur eingeschränkt ausgebildet und eingearbeitet werden. – Okay, Sie konstruieren eine neue Behörde, die in Doppelzuständigkeit arbeitet, und Sie wollen sie mit Leuten bestücken, die nur halb eingearbeitet sind. Man

könnte fast auf die böse Idee kommen, dass Sie den Senator Henkel reinlegen wollen. Erst tun Sie so, als würden Sie ihm sein Musterbürgeramt auf dem Silbertablett überreichen, und dann konstruieren Sie es so, dass es definitiv zum Scheitern verurteilt ist. Fürchte die Piraten, wenn sie mit Geschenken kommen!

[Vereinzelter Beifall bei der SPD und der CDU]

Ich möchte aber auch noch etwas Nettes über Ihren Antrag sagen, Herr Dr. Weiß. Über mobile Bürgerämter können wir gerne reden, wenn es mal wieder besser läuft, auch wenn das nichts Neues ist. Ich finde auch den Vorschlag mit den Wohnungsbaugesellschaften durchaus interessant, denn das würde sicherlich zur Erreichbarkeit der Bürgerämter beitragen. Aber darüber könnte man nachdenken, wenn wir die ärgsten Probleme gelöst haben.

Nichts davon löst die von Ihnen in markigen Worten beschriebenen Probleme im Hinblick auf die kommende Wahl. Damit alle Menschen sich rechtzeitig ummelden können, brauchen wir Termine. Dafür brauchen wir mehr motivierte Mitarbeiter und ein Terminvergabesystem, das diesen Namen auch wirklich verdient. Wir brauchen die Möglichkeit, Dinge auch online zu erledigen, und wir brauchen effizientere Abläufe in den Ämtern vor Ort. Genau das haben wir vor einem Monat beschlossen. Ich freue mich im Übrigen, dass die Bezirke jetzt schon, nach einem Monat, so weit sind, dass sie die meisten Stellen besetzen konnten.

Jetzt einmal konkret zu Berlin-Wahl 2016, denn das war das eigentliche Thema Ihres Antrages: Weil wir alle ein Interesse daran haben, dass diese Wahl sichergestellt wird, habe ich unter anderem – das haben Sie schon erwähnt – beim letzten Plenum eine Mündliche Anfrage dazu eingebracht. Auch hier sind wir ein kleines Stück weiter. Herr Senator Henkel hat Ihnen bei der Beantwortung meiner Frage vor zwei Wochen vermutlich aus purem Understatement unterschlagen, dass der Senat bereits im November das Dreizehnte Gesetz zur Änderung der Verfassung von Berlin ins Parlament eingebracht hat, und das ist auch schon durch den Rechtsausschuss gegangen. Mit der vorgeschlagenen Änderung sind zumindest diejenigen, die in der nächsten Zeit innerhalb von Berlin umziehen, von den Problemen nicht mehr betroffen.

[Dr. Klaus Lederer (LINKE): Hört, hört!]

Den Neuberlinern hilft das natürlich noch nicht weiter. Da wird sich Innenverwaltung wohl noch etwas einfallen lassen müssen. Ich gehe aber fest davon aus, dass die Innenverwaltung bereits mit Hochdruck daran arbeitet und uns eine funktionierende Lösung präsentieren wird, die ich allerdings in Ihrem Antrag beim besten Willen nicht erkennen konnte.

[Dr. Klaus Lederer (LINKE): Na, dann hoffen wir mal! – Steffen Zillich (LINKE): Zuversicht!]

Hoffnung stirbt zuletzt! – Wir wollen alle am 18. September 2016 wählen. Ich schätze einmal, die überwie

gende Mehrheit von Ihnen möchte auch gerne am 18. September 2016 wiedergewählt werden, und Aktionismus hilft uns da nicht weiter. Lassen Sie uns lieber in den nächsten Monaten gemeinsam darauf pochen, dass alle bereits beschlossenen Maßnahmen auch konsequent umgesetzt werden, damit es in den Berliner Bürgerämtern demnächst wieder normal zugeht! – Danke schön!

[Beifall bei der SPD und der CDU]

Vielen Dank, Frau Kollegin Dr. West! – Der Kollege Dr. Weiß erhält jetzt das Wort für eine Zwischenbemerkung. – Bitte schön!

[Steffen Zillich (LINKE): Das ist ja noch mal gutgegangen!]

Zunächst einmal sind wir uns im Prinzip einig, wohin es mit den Bürgerämtern gehen muss und was da nötig ist. Darüber müssen wir an der Stelle auch nicht weiter diskutieren, aber hier geht es darum, was in den nächsten Monaten nötig ist.

Zwei Missverständnisse möchte ich gerne ausräumen: Erstens, es geht hier in keiner Weise um irgendetwas, was man als Musterbürgeramt bezeichnen könnte. Es geht, wir haben den Begriff im Antrag verwendet, um das „Bürgeramt light“. Es geht um eine Spezialisierung auf Meldeangelegenheiten, und es geht auch nicht um eine neue Superbehörde oder Nebenbehörde, sondern um eine temporäre Einrichtung, die einige Monate lang existiert, und dann wird sie aufgelöst.

Was die Stellen angeht, geht es ja nicht darum, die irgendwie doppelt zu verwenden, oder dann irgendwo hin und her zu schieben. Es geht darum, sie möglichst früher einzusetzen, und das ist der Hintergrund dieser Ausbildung. Es geht nicht darum, dass die Leute dann keine Ahnung davon haben, was sie tun. Es geht darum, dass die Leute dann für die spezielle Aufgabe, auf die sie dann kurzzeitig ausgerichtet sind, auch punktgenau qualifiziert sind, damit man sie so früh wie möglich einsetzen kann.

Das andere Missverständnis betrifft die Änderung der Verfassung, die Sie angesprochen haben. Da handelt es sich tatsächlich – und so hat es der Senat auch im Rechtsausschuss korrekterweise dargestellt – lediglich um eine redaktionelle Änderung, mit der eine missverständliche Formulierung in der Verfassung an das angepasst wird, was bereits Praxis ist in der Umsetzung des Wahlrechts. Davon ist also leider keine Effizienzsteigerung zu erwarten.

[Beifall bei den PIRATEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN – Beifall von Carsten Schatz (LINKE)]