Protocol of the Session on March 3, 2016

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[Zuruf von Stefan Gelbhaar (GRÜNE)]

Wir reden bei dem Volksbegehren über den Entwurf eines Entwurfs. Das Volksbegehren selbst existiert noch nicht. Die Diskussion hat gerade erst begonnen. Es gibt einige Punkte, die in der Tat schlüssig sind, die ich auch so sehe wie die Initiatoren des Volksbegehrens. Andere Punkte sind für mich nicht nachvollziehbar, weil wir eigentlich ein gemeinsames Grundverständnis mit dem ADFC hatten, beispielsweise was die Zahl der Abstellanlagen betrifft. Wir sind mit dem ADFC einig, dass wir in Berlin etwa 60 000 zusätzliche Fahrradabstellanlagen brauchen. Der Volksentscheid fordert jetzt 200 000. Die Zahl ist aus der Luft gegriffen. Man müsste ausdiskutieren, warum das so ist und wie das im Einzelnen ausgeführt wird.

Auch die Argumentation, wir würden zu wenig Geld für den Radverkehr einsetzen, teile ich ausdrücklich nicht. Wir haben im Jahr 2015 13,8 Millionen Euro eingesetzt und steigern das jetzt um 10 Prozent auf 15,3 Millionen Euro im Jahr 2016. Wenn wir das mit dem vergleichen, was wir in den vergangenen Jahren eingesetzt haben, haben wir die Mittel gegenüber 2012 verdreifacht. Gerade in den letzten drei Jahren ist viel passiert. Es ist aber völlig richtig – wir brechen uns keinen Zacken aus der Krone, wenn wir das sagen –, dass wir noch besser werden können. Das Geld wird auch nicht vollständig umgesetzt. Es gibt nichts, das so gut ist, dass es nicht noch besser gemacht werden könnte. Auch daraus ziehen wir Schlussfolgerungen gerade im Hinblick auf die personelle Verstärkung und auf die Frage, wie wir die Bezirke in die Lage versetzen, die zur Verfügung gestellten Mittel auch auszugeben. Ein weiterer Punkt, den wir jetzt vereinbart haben, ist, den Bezirken den Projektsteuerer, der die Bauplanungsunterlagen erstellt, zur Umsetzung dieser baulichen Vorhaben weiterhin zur Verfügung zu stellen, damit wir es schaffen, mehr Geld umzusetzen und die Defizite, die an einigen Stellen noch vorhanden sind, schneller zu beseitigen als in den vergangenen Jahren.

Was passiert noch in diesem Jahr? – Ich möchte ein Beispiel nennen, nämlich die Yorckbrücken. Diese sind gegenwärtig im Bau. Im November dieses Jahres werden wir sie fertigstellen. Dann haben wir einen durchgängigen Radweg vom Brandenburger Tor, über den Park am Gleisdreieck, über das Südgelände Schöneberg bis nach

(Senator Andreas Geisel)

Lichtenrade. Das sind 40 Kilometer durch das grüne Berlin mit einem durchgängigen Radweg als Alternative zu den Fahrradstreifen auf der Straße. Das ist ein Angebot, das die Menschen überzeugen wird. Dass Fahrradfahren auf diese Art und Weise gefördert wird, wird die Menschen mitnehmen, auch wenn es an dieser Stelle nicht unbedingt zulasten des Autoverkehrs geht.

Ein Fazit: ein klares Nein zum vorgeschlagenen Weg der Verbote, ein klares Nein zur vorgeschlagenen Zwangsbeglückung der Menschen, aber ein ebenso deutliches Ja zum Ausbau der Fahrradinfrastruktur in Berlin, ein Ja zum veränderten Mobilitätsverhalten in Berlin. Wir brauchen Mobilität für alle, nicht nur für junge, kräftige und gesunde Menschen, sondern auch für ältere Menschen, für Menschen mit Behinderung und auch für Menschen in den Außenbezirken Berlins, die aufgrund der Entfernung nicht allein auf den Fahrradverkehr setzen können.

[Beifall bei der SPD und der CDU]

Wir gehen in Berlin den Weg eines integrierten Verkehrs. Wir wollen das Zusammenspiel von öffentlichem Personennahverkehr und Fußgängerverkehr. Wir gehen auch den Weg des Autoverkehrs, denn Berlin ist auch eine Stadt der Arbeitsplätze, und Wirtschaftsverkehr ist notwendig. Fahrradverkehr muss weiter ausgebaut werden. All das gehört dazu. – Ich werbe vielleicht für den längeren Weg. Mit Sicherheit werbe ich für den schwierigeren Weg, aber die Stadt zu verändern bedeutet, die Menschen mitzunehmen. Zu dieser Diskussion, die gerade erst beginnt, lade ich ein – ausdrücklich auch die Initiatorinnen und Initiatoren des Volksbegehrens. – Vielen Dank!

[Beifall bei der SPD und der CDU]

Danke schön! – In der zweiten Rederunde hat jetzt noch der Kollege Baum das Wort. – Bitte schön!

[Zuruf von Joachim Esser (GRÜNE)]

Herr Kollege Esser! Ich hatte nicht Ihnen, sondern dem Kollegen Baum das Wort erteilt.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Geisel! Das Ende hat mich gefreut. Mal sehen, was dabei herauskommt.

[Stefan Gelbhaar (GRÜNE): Lasse dich nicht blenden!]

Auf ein paar Dinge möchte ich aber noch einmal eingehen. Sie haben hier unter anderem gesagt, wenn Sie mit Amsterdamern reden, hören Sie, in Berlin mache das Fahrradfahren Spaß. Ja, in Berlin gibt es tatsächlich Stellen, wo das Fahrradfahren Spaß macht. Gerade als Tourist findet man diese Stellen oft. Aber es ist ein Unterschied, ob ich auf den Routen, wo es inzwischen eine

einigermaßen gute Infrastruktur gibt und wo ich als Tourist möglicherweise von einem ortskundigen Fahrradtouristenführer entlanggeführt werde, unterwegs bin und merke, hier sieht es ganz gut aus, oder ob ich auf meinem tagtäglichen Weg zur Arbeit an vielen Stellen vorbeikomme, an denen ich in gefährliche Situationen gerate und ausweichen muss, beispielsweise Lieferfahrzeugen, die auf Radspuren parken, oder auf Radwegen, die im Nichts enden. Da ist die Wahrnehmung unterschiedlich.

[Beifall bei den PIRATEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN]

In Vorzeigefahrradstädten wie Kopenhagen und Amsterdam

[Ole Kreins (SPD): Kopenhagen ist kleiner als Spandau!]

finden Sie im Vergleich zu Berlin doch auch sehr alte Menschen auf dem Fahrrad, die Sie in Berlin so nicht sehen. Sie sind dort auf dem Fahrrad und nicht mit dem Rollator unterwegs, da Sie nicht irgendwann vom Auto auf den Rollator umsteigen, sondern schon lange das Fahrrad nutzen. Genau darum geht es letzten Endes – dass man eine Fahrradinfrastruktur für alle Menschen hat, sowohl für ganz junge – auch hier gibt es ja Veränderungen, dass Eltern mit Kindern beispielsweise auf dem Gehweg fahren dürfen; das halte ich für sehr wichtig – wie auch für ganz alte Menschen. Ich glaube, dass es hier noch einiges zu tun gibt.

Aus den je Einwohner ausgegebenen Euros pro Jahr ergibt sich ein schiefes Bild. Wenn Sie fragen, ob das Ziel denn wohl das richtige sei, ob das Unterfangen wohl zum richtigen Erfolg führe, muss ich sagen, dass man das nicht als Ziel in die Radverkehrsstrategie aufnehmen sollte. Denn wenn man dann merkt, dass man es nicht erreicht – und das bestätigen meine Anfragen –, heißt es, das Ziel sei verkehrt. So kommt man ja nun nicht voran.

[Beifall bei den PIRATEN und den GRÜNEN – Zuruf von Ole Kreins (SPD)]

Zu den Ladezonen: Ich wünsche mir sehr viel mehr davon. Ich wünsche mir sehr viel mehr von denen, die benutzbar und frei sind, die für Lieferfahrzeuge zur Verfügung stehen, sodass die Kraftfahrzeugführer die Möglichkeit haben, diese auch zu nutzen und ihr Fahrzeug gerade nicht auf die Radverkehrsanlagen stellen müssen. Es ist ein Problem, dass diese Zonen häufig nicht für die Zwecke, für die sie gedacht sind, zur Verfügung stehen. Hier gibt es sicherlich noch viel Luft nach oben und auch Gelegenheit für die Bezirke, sich entsprechend zu beteiligen und diese Zonen freizuhalten.

Zum Thema Zwangsbeglückung: Wenn ein Volksentscheid erfolgreich ist – möglicherweise auch in dem Maße wie beim Tempelhofer Feld, wobei es dort im Vorfeld nicht so viel Kommunikation und Austausch mit dem Senat gegeben hat –, dann würde ich nicht von Zwangsbeglückung reden, sondern dann ist das genau das, was

(Senator Andreas Geisel)

eine Mehrheit der Berlinerinnen und Berliner für diese Situation wünscht. Ganz anders ist da vielleicht die Möglichkeit, Parteien zu wählen, die dann entsprechende Koalitionsvereinbarungen abschließen. Am Ende kommen da vielleicht ganz andere Dinge heraus, über die man so konkret nicht abstimmen konnte, wie das bei einem Volksentscheid aber durchaus möglich ist.

[Beifall bei den PIRATEN]

Vielen Dank! – Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Die Aktuelle Stunde hat damit ihre Erledigung gefunden.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 2:

Fragestunde

gemäß § 51 der Geschäftsordnung des Abgeordnetenhauses von Berlin

Die Wortmeldungen beginnen wie immer in zwei Runden nach Stärke der Fraktionen mit je einer Fragestellung an den Senat. Das Verfahren ist Ihnen bekannt. Die erste Frage steht der Fraktion der SPD zu. – Frau Kollegin Radziwill, bitte schön, Sie haben das Wort!

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen, meine Herren! Ich frage den Senat: Welche Erkenntnisse hat der Senat über die in der Presse berichteten mutmaßlichen Korruptionsfälle am LAGeSo? Hält der Senat zusätzliche Maßnahmen bzw. Sicherungsmaßnahmen gegen solche Fälle für notwendig?

Vielen Dank! – Es antwortet Herr Senator Czaja. – Bitte schön!

Herr Präsident! Frau Abgeordnete Radziwill! Das Landesamt für Gesundheit und Soziales ist – ebenso wie die Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales – in der letzten Woche darüber informiert worden, dass es eine Hausdurchsuchung bei einem Mitarbeiter des LAGeSo gegeben hat. Der Vorwurf lautet, dass es zu Bestechlichkeit im Rahmen der Vergabe eines Sicherheitsauftrags von der Arbeiterwohlfahrt an ein Sicherheitsunternehmen gekommen sei und dieser Mitarbeiter dabei eine Bestechungssumme von diesem Sicherheitsdienst entgegengenommen habe. Unsere Überprüfungen haben ergeben, dass in den letzten Jahren vonseiten des LAGeSo keine Zahlungen an diesen Sicherheitsdienst erfolgt sind bzw.

seitens des LAGeSo keine Vertragsverhältnisse mit dieser Firma vorliegen, sondern dass es sich um ein Vertragsverhältnis zwischen der Arbeiterwohlfahrt und dem Sicherheitsdienst handelt.

Nichtsdestotrotz ist es erforderlich, aus solchen Vorkommnissen Schlussfolgerungen zu ziehen, mit der Innenrevision zu sprechen, den Gefährdungsatlas, der in jeder öffentlichen Verwaltung, die mit Vergabe zu tun hat, vorliegen muss, noch einmal durchzugehen und zu klären, ob auch alle Maßnahmen der Innenrevision vorgenommen werden, um solche Fälle zu vermeiden. Die strafbare Handlung, wie sie sich hier abzeichnet – Sie wissen, dass sich sowohl der Geschäftsführer des Sicherheitsunternehmens wie auch der Mitarbeiter des LAGeSo derzeit in Untersuchungshaft befinden –, hat sich bei einer Vergabe zwischen der Arbeiterwohlfahrt und dem Sicherheitsdienst vollzogen und nicht bei einer Vergabe, die das LAGeSo erteilt hat. Wir wissen heute, dass das Sicherheitsunternehmen nicht als Verpflichtung in einem der Verträge mit der Arbeiterwohlfahrt aufgenommen worden ist; dies wäre auch völlig gegen jede Maßgabe des LAGeSo. Sie wissen, dass wir vom Vier-AugenPrinzip, das im LAGeSo in der Vergangenheit angewandt worden ist, durch das Hinzuziehen der Fachaufsicht zu einem Sechs-Augen-Prinzip gelangt sind. Auch im letzten Jahr haben wir schon viele Maßnahmen unternommen und Vorkehrungen getroffen, um solche Vorkommnisse von Bestechung – die innerhalb des LAGeSo ja immer wieder vermutet wurden, von denen der Rechnungshof und die Wirtschaftsprüfer aber in all ihren Überprüfungen feststellten, dass sie nicht vorhanden sind – zu verhindern und um sicherzustellen, dass mit den Steuergeldern sachgemäß und richtig umgegangen wird und dass Korruption und Bestechlichkeit verhindert werden.

Vielen Dank! – Frau Radziwill! Wollen Sie eine Nachfrage stellen? – Bitte schön, dann bekommen Sie das Wort.

Vielen Dank, Herr Czaja, für Ihre Antwort. Wenn ich diese richtig verstanden habe, so ist es nicht das Verschulden des Trägers, sondern das eines Mitarbeiters dort. Können Sie ähnliche Fälle strafbarer Handlungen ausschließen? Gibt es Verbesserungen bei den Kriterien für die Vergabe von Aufträgen an Sicherheitsunternehmen?

Bitte schön, Herr Senator Czaja!

(Andreas Baum)

Herr Präsident! Frau Abgeordnete! Ich kann überhaupt keine Aussagen zu dem Verfahren an sich tätigen, weil dies in den Händen der Staatsanwaltschaft und nicht in unseren Händen liegt. Wir haben vernommen, dass es Hausdurchsuchungen bei der Sicherheitsfirma, bei der Arbeiterwohlfahrt und bei dem Mitarbeiter des LAGeSo gegeben hat und daraus zwei Festnahmen entstanden sind. Wie es zu dem Vorgang der Bestechung kommen konnte, muss die Staatsanwaltschaft aufklären, ebenso, welche weiteren Kriterien dafür erforderlich waren.

Einfluss auf die Vergabe bei den Trägern nehmen wir insofern, dass deren Wirtschaftlichkeit nachgewiesen sein muss – und der Träger hat ja auch öffentlich dargelegt, dass er über unterschiedliche Angebote von unterschiedlichen Anbietern zu diesem Sicherheitsdienst gekommen sei. Die Qualitätskriterien für den Betrieb einer Unterkunft finden sich in den Verträgen der Berliner Unterbringungsleitstelle. Sie sind die Vorgabe für jeden Betreiber, um die adäquate Leistung dann auch zu erhalten.

Im Gefährdungsatlas ist, wie in jeder öffentlichen Verwaltung, festgehalten, dass alle Schritte zu unternehmen sind, um Korruption und Bestechlichkeit zu verhindern. Am Ende des Tages ist es so, dass Sie, um strafbaren Handlungen von einzelnen Mitarbeitern vorzubeugen, natürlich viele Sicherheitsinstrumente einbauen können. Um aber von vornherein auszuschließen, dass es in irgendeiner Form zu einer strafbaren Handlung kommt, bedarf des Hineinschauens in die Seele jedes einzelnen Mitarbeiters, was keine Behörde, wir auch nicht, leisten kann. Wir tun aber alles, damit so etwas nicht möglich ist. Es handelt sich ja auch nicht um einen Bestechungsvorgang von Zahlungen des LAGeSo an einen Betreiber oder an ein Sicherheitsunternehmen, sondern von einem Betreiber an ein solches Unternehmen. Es geht nicht um ein Vertragsverhältnis zwischen uns und einem anderen Dienstleister.

Vielen Dank! – Die zweite Frage geht an Frau Bayram von den Grünen. – Bitte schön!

Meine Frage lautet, wie lange der Mitarbeiter, der jetzt der Bestechlichkeit beschuldigt wird, in einer Position eingesetzt war, in der er für Vergabeangelegenheiten zuständig war.

Bitte schön, Herr Senator!

Herr Präsident! Frau Abgeordnete! Dieser Mitarbeiter war für einen Zeitraum von ca. einem Jahr für den Bereich der Unterbringung zuständig.