Protokoll der Sitzung vom 09.06.2016

Werte Kollegen, Mangel war gestern. – Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Kommen wir zur Bauordnung. Es ist tatsächlich ein langes Gesetzgebungsverfahren für ein doch auch umfangreiches und dickes Gesetz. Alle Kollegen, die daran beteiligt waren, und vor allem auch die Verwaltung wissen davon ein Lied zu singen. Es gebührt auch einmal der Dank, dass die Verwaltung hier so intensiv an dem Thema gearbeitet hat, und auch der Dank an die Fachverbände, die die Diskussion über die lange Dauer begleitet haben. Im Kern kann man feststellen, dass es etwa alle zehn Jahre eine Novelle gibt. Insofern passt es an der Stelle sehr gut.

(Andreas Otto)

Unter welcher Überschrift stand und steht für uns das Thema Bauordnung? – Wir fangen einmal ganz oben an, weil es ein drängendes Thema ist. Die Grundüberschrift lautet schon: mehr bauen. Deswegen wundert es auch nicht, dass das Thema Abstandsflächenrecht hier ganz intensiv behandelt wurde, als es darum ging, aus den vorhandenen Möglichkeiten wieder mehr Wohnraum zu schöpfen. Das macht die Bauordnung in der vorgeschlagenen Fassung an der Stelle auch sehr gut.

Der zweite Punkt – das klang auch schon ein wenig an – in den Diskussion lautet, dass Berlin wächst. Das ist richtig. Deswegen brauchen wir auch mehr Wohnraum. Gleichzeitig wird Berlin aber auch älter. Insofern war die Barrierefreiheit ein Kernpunkt in der Diskussion und eine Frage, wie wir hier mit dem Bauordnungsrecht und dessen Möglichkeiten darauf reagieren. Ich glaube, dass wir einen sehr guten Kompromiss in der Situation gefunden haben, was man nutzen kann, wenn viel gebaut wird. Wie kann man die Quote der barrierefreien Wohnungen erhöhen und gleichzeitig – das schwebt in der Bauordnung immer ein wenig mit und ist für uns dort auch sehr wichtig – die Kosten im Zaum halten, denn Baukosten schlagen sich immer in den Mieten nieder? Wir haben einen sehr guten Kompromiss gefunden, indem wir gesagt haben, dass die Zugänge auf der notwendigen Breite, die Flächen auf der richtigen Breite und ein Quote von 50 Prozent erfolgen soll. Das ist ein deutlicher Fortschritt, den wir erzielt haben. Es ist sehr nachhaltig für diese Stadt.

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Nein, keine Zwischenfrage! – Natürlich passt auch das Thema Toiletten dort hinein, was wir in dem Gesetz in dem Bereich vorfinden.

Wir haben uns auch intensiv damit auseinandergesetzt, höher zu bauen, um die Flächen gerade in der Stadt besser ausnutzen zu können. Das haben wir jetzt zwar nicht im Gesetz, sind uns aber mit dem Koalitionspartner einig, dass die Verordnung angepasst wird und wir in dem Bereich der Häuser, die ein Stückchen darüber liegen, ein oder zwei Geschosse, deutliche Erleichterungen vorsehen, sodass wir hier auf jeden Fall die vorhandene Fläche in der Innenstadt besser ausnutzen und Wohnraum für die Menschen schaffen können.

Natürlich kamen auch andere Themen vor wie Innovation, das Thema Brandschutz, das auch ein wichtiges Thema in der Stadt ist. Wenn man aber höher und dichter baut, muss man damit anders umgehen. Ich glaube, dass wir hier auch einen richtigen Weg beschritten haben. Die Grünen haben das auch an der Stelle gefordert. Wir sind ihnen dort gefolgt. Gleiches gilt auch für den Prozess –

wen wundert es bei einer Vorlage in dieser Zeit – des digitalen Bauantragsverfahrens. Auch das gehört dazu. Es ist ein rundes Paket. Deswegen werbe ich hier auch für die Zustimmung. – Vielen Dank!

[Beifall bei der CDU und der SPD]

Danke schön, Kollege Brauner. – Frau Kollegin Lompscher, Sie haben jetzt das Wort für die Linksfraktion. – Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zur aktuellen Novelle der Bauordnung hat meine Fraktion einen umfangreichen Änderungsantrag gestellt. Unsere Vorschläge haben SPD und CDU bis auf zwei in der Sache abgelehnt, die wir jetzt nicht erneut einbringen: Toilettenpflicht nur für größere Geschäfte und längere Beteiligungsfristen für Nachbarn. – Na, immerhin, vielen Dank!

An unseren anderen Änderungsvorschlägen halten wir fest und sind uns besonders beim barrierefreien Bauen der Unterstützung aus der Zivilgesellschaft sicher. Der Senatsentwurf hat hier entgegen den Aussagen von Frau Spranger erhebliche Defizite. Senat und Koalition haben es versäumt, die UN-Behindertenrechtskonvention in das Bauordnungsrecht zu übertragen. Dieser Kritik müssen sich Senat und Koalition stellen.

[Beifall bei der LINKEN]

Wir, Die Linke, wollen mehr Barrierefreiheit. Ein barrierefreier Umbau von vorhandenen Gebäuden ist teuer und häufig technisch nicht möglich. Deshalb muss der Neubau den wesentlichen Beitrag zur Barrierefreiheit leisten. Wir wollen die Quote für barrierefreie Wohnungen bis 2020 auf 100 Prozent im Neubau erhöhen. In Neubauten mit Aufzügen sind ab sofort 100 Prozent der Wohnungen barrierefrei zu errichten. Wir wollen auch nicht die Aufzugspflicht für Dachgeschossausbauten streichen. Öffentliche Gebäude, das sollte klar sein, müssen komplett und nicht nur im Publikumsbereich barrierefrei sein.

[Beifall bei der LINKEN – Beifall von Simon Kowalewski (PIRATEN)]

Wir wollen außerdem, dass die Kosten für Einbau und Wartung von Rauchmeldern sowie Wasserzählern bei den Vermietern liegen. Der Zweck von Rauchwarnmeldern muss eingegrenzt werden. Sie dürfen nicht zur Sammlung und Weitergabe anderer Daten dienen. Wir wollen mehr und bessere Spielplätze. Auch die nach der Bauordnung zu errichtenden privaten Spielplätze sollen grundsätzlich öffentlich zugänglich sein. Ablösebeiträge wollen wir zweckgebunden für den Bau und die Erweiterung von öffentlich zugänglichen Spielplätzen nutzen. Ein Bauvorbescheid oder gar eine Baugenehmigung steigern den Grundstückswert enorm. Das begünstigt Spekulationen

(Matthias Brauner)

und verzögert das Bauen. Wir wollen die Geltungsdauer von Baugenehmigungen und Bauvorbescheiden befristen und verkürzen, um so gegen Bodenspekulationen vorzugehen.

[Beifall bei der LINKEN]

Last but not least wollen wir, dass die Baubehörden wieder umfassender prüfen. Die vorgeschlagene weitere Deregulierung führt dazu, dass Behörden Abstandsflächen, Spielplatzpflicht und Nachweise beispielsweise zur Energieeinsparverordnung gar nicht mehr prüfen. Eine Behebung von Mängeln ist nach Fertigstellung eines Bauwerks allerdings kaum mehr möglich. Wir wollen, dass die Baubehörden Gemeinwohlinteressen und die Einhaltung gesetzlicher Pflichten durchsetzen. Dafür brauchen sie wieder mehr Befugnisse bei der Genehmigung und bei der Überprüfung der Einhaltung. Sie brauchen auch mehr Personal. – Vielen Dank!

[Beifall bei der LINKEN]

Ich danke auch! – Die Piratenfraktion hat Herrn Kollegen Prieß benannt. Ich erteile ihm das Wort. – Bitte sehr!

Vielen Dank, Herr Präsident! – Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe verbliebene Gäste! Vor knapp vier Monaten haben wir die Bauordnung hier zum ersten Mal beraten. Schon damals habe ich deutlich gemacht, was wir an den Änderungen gut finden und bei welchen Problemen wir noch Verbesserungsbedarf sehen. Nach der Anhörung und der Ausschussdebatte hat die Koalition zwar einige Änderungen an der Gesetzesvorlage vorgenommen, aber die Schwierigkeiten, die wir in der Neufassung haben, konnten nicht behoben werden.

Ich möchte drei wesentliche Punkte ansprechen – erstens: Der Anteil an barrierefreien Wohnungen ist in verschiedenen Redebeiträgen schon angeklungen. Es war in der Ausschussdiskussion unstrittig, dass der Bedarf an barrierefreien Wohnungen schon jetzt hoch ist und auch weiterhin wachsen wird. Um dieses Defizit zu reduzieren, müssen deutlich mehr barrierefreie Wohnungen errichtet werden, auch deutlich mehr, als in der jetzigen Fassung der Bauordnung vorgesehen ist. Frau Spranger meinte in der Diskussion vorhin, dass die jetzigen Regelungen ausreichend wären, um dem demografischen Wandel Rechnung zu tragen. Diese Ansicht teile ich nicht.

In der Anhörung wurde aber auch deutlich, dass das Argument der steigenden Baukosten, das ebenfalls angeführt wurde, beherrschbar ist. Intelligente Lösungen durch die Architekten sind durchaus möglich, um die Barrierefreiheit zu gewährleisten, ohne dass die Baukosten ins Unermessliche steigen müssen.

Die anderen Oppositionsfraktionen haben nun vorgeschlagen, eine 100-Prozent-Quote für barrierefreie Wohnungen ab 2020 in der Bauordnung zu verankern. Allerdings müssen wir sagen, diese Forderung käme einem Quasiverbot von architektonischen Lösungen wie z. B. den beliebten Maisonettewohnungen über die Bauordnung gleich. Als Piratenfraktion sehen wir es nicht als Ziel an, architektonische Lösungen, die eher im höherpreisigen Segment zu finden sind, zu schützen, aber ein Quasiverbot über die Bauordnung halten wir für kontraproduktiv. Deswegen haben wir einen Kompromissvorschlag mit einer 75-Prozent-Quote eingebracht, um die Barrierefreiheit zum De-facto-Standard zu erheben, aber auch Spielraum für andere Lösungen im Gesetz verbleiben zu lassen. Nur leider wollte dem keine andere Fraktion folgen. Schade!

Ein zweiter Punkt, bei dem wir vielleicht auch ein Alleinstellungsmerkmal in diesem Haus haben, ist die Verankerung der Rauchwarnmelderpflicht in der Bauordnung. Der sachlichen Argumentation, dass Rauchwarnmelder helfen können, Leben zu retten, möchte ich gar nicht widersprechen, auch wenn uns eindeutige statistische Daten dazu noch fehlen. Wir bauen hier auf eine Freiwilligkeit. Eine Verpflichtung würde nur zur Erhöhung der Betriebskosten führen. Der Änderungsantrag der Linken, der zwar formuliert, dass er die Vermieter in die Pflicht nehmen und eine Umlage auf die Betriebskosten vermeiden will, springt natürlich zu kurz, weil der Vermieter, wenn er die Kosten nicht über die Betriebskosten einbringen kann, die Grundmiete erhöhen muss, um auf den Kosten nicht sitzenzubleiben. Das wird er natürlich auch tun. Kein Vermieter wird mit seinem Miethaus Verlust machen.

Weiterhin plagen uns noch bei zentralisierten technischen Rauchwarnmeldersystemen die datenschutzrechtlichen Bedenken. Auch das ist im Änderungsantrag der Linken zu finden, wir würden allerdings von einer Rauchwarnmelderpflicht in der Bauordnung ganz absehen wollen, und deswegen lehnen wir diesen Punkt ab.

Zum Schluss noch ein kleines Problem – die Neuregelung des Abstandsflächenrechts: Die Gesetzesvorlage schafft hier Vereinfachungen, gut und schön, aber am Ende des Abschnitts kommt der explizite Hinweis, dass für Unterschreitungen der Abstandsflächen Ausnahmeregelungen möglich sind. Das wäre eine deutliche Einladung an die Bauwirtschaft, dass die Regelungen im Abstandsflächenrecht nicht ernst gemeint und Ausnahmegenehmigungen relativ einfach zu bekommen sind. Das wollten wir nicht und es aus dem Gesetz streichen – ohne Erfolg!

Abschließend bleibt mir nur zu sagen, dass einige Änderungen in der Bauordnung durchaus positiv zu bewerten sind. In der Gesamtschau kann ich allerdings mit diesen Änderungen nicht leben und den Antrag nur ablehnen. Ebenso haben wir Schwierigkeiten mit den Änderungs

(Katrin Lompscher)

anträgen der Oppositionsfraktionen und müssen sagen: Insgesamt, im Paket können wir uns dazu nur enthalten, weil wir in einigen Punkten nicht übereinstimmen. – Schade, meine Redezeit ist jetzt zu Ende. Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit!

[Beifall bei den PIRATEN]

Vielen Dank, Kollege Prieß! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich lasse zunächst über den Änderungsantrag der Fraktion Die Linke Drucksache 17/2713-1 abstimmen. Wer dem zustimmen möchte, den bitte ich ums Handzeichen. – Das ist Die Linke. Wer ist dagegen? – Das sind die Koalitionsfraktionen. Wer enthält sich? – Grüne und Piraten enthalten sich. Damit ist dieser Änderungsantrag abgelehnt. Die Nein-Stimmen waren die Mehrheit.

Nun lasse ich über den Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drucksache 17/2977-1 abstimmen. Wer dem zustimmen möchte, den bitte ich ums Handzeichen. – Das sind Linke und Grüne. Wer ist dagegen? – Das sind die Koalitionsfraktionen. Wer enthält sich? – Die Piraten enthalten sich. Damit ist auch dieser Änderungsantrag abgelehnt, weil die Koalitionsfraktionen die Mehrheit hatten.

Zu der Gesetzesvorlage Drucksache 17/2713 empfiehlt der Fachausschuss mehrheitlich – gegen die Oppositionsfraktionen – die Annahme mit Änderungen in der Beschlussempfehlung Drucksache 17/2977. Wer dem zustimmen möchte, den bitte ich ums Handzeichen. – Das sind die Koalitionsfraktionen, und zwar geschlossen. Wer ist dagegen? – Das sind Linke, Grüne und Piraten. Gibt es Enthaltungen? – Das ist nicht der Fall. Ersteres war die Mehrheit. Damit ist das Dritte Gesetz zur Änderung der Bauordnung für Berlin so beschlossen.

[Beifall bei der SPD]

Jetzt haben wir eine kleine Änderung im Programm. Statt mit 7 B gehen wir erst mal mit 7 C weiter. Das ist nach § 59 unserer Geschäftsordnung möglich, weil sich die Fraktionen einvernehmlich darauf verständigt haben. Ich rufe also auf

lfd. Nr. 7 C:

Gesetz über Hilfen und Schutzmaßnahmen bei psychischen Krankheiten (PsychKG)

Dringliche Beschlussempfehlung des Hauptausschusses Drucksache 17/2992

zur Vorlage – zur Beschlussfassung – Drucksache 17/2696

Zweite Lesung

hierzu:

Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drucksache 17/2992-1

Änderungsantrag der Piratenfraktion Drucksache 17/2696-1

Wird der Dringlichkeit widersprochen? – Das ist nicht der Fall. Ich eröffne die zweite Lesung der Gesetzesvorlage und schlage vor, die Einzelberatung zu den drei Artikeln miteinander zu verbinden, und höre hierzu keinen Widerspruch. Ich rufe also auf die Überschrift und die Einleitung sowie die Artikel I bis III der Drucksache 17/2696. Bevor ich den Rednern das Wort erteile, ist mir vorhin signalisiert worden, es gibt möglicherweise eine namentliche Abstimmung zu diesem Punkt. Ist das nach wie vor aktuell?

[Heiko Herberg (PIRATEN): Ja!]

Ja, dann bitte ich, das an dieser Stelle zu vermerken, dass wir nachher eine namentliche Abstimmung haben. Kollege Herberg bedauert es auch.

[Zuruf von den PIRATEN: Nicht nur er!]