Protokoll der Sitzung vom 16.11.2017

Aber wenn Sie erst so spät aufwachen, dann verstehe ich nicht, warum Sie bei dem Thema so zynisch sind in Richtung Opposition.

[Holger Krestel (FDP): Das würde ich mir nicht gefallen lassen, Herr Wieland!]

Ich weiß, dass ich nicht gemeint war!

[Heiterkeit bei der FDP]

Schön, dass Sie lachen, aber uns ist das ein ernstes Thema. Wir alle kennen die Bilder von den kaputten Toiletten, von den defekten Heizungen, von den bröckelnden Fassaden, von den Wasserrohrbrüchen in den Berliner Schulen. Auch wir haben Anfang dieser Woche die Demonstrationen der Lehrer der Carlo-Schmid-Oberschule gesehen. Und wenn ich das sehe,

(Carsten Ubbelohde)

[Paul Fresdorf (FDP): Dann heißt das schon was! – Heiterkeit bei der FDP]

dann denke ich mir, wir müssen als Berliner Politikerinnen und Politiker alle ernsthaft damit umgehen, und wir sind alle in der Verantwortung. Wir sind es all denen schuldig, die jeden Tag in den Berliner Schulen das ausbaden, was Politik in den vergangenen Jahren vielleicht auch falsch gemacht hat, dass wir da von der Substanz gezehrt haben, dass wir Raubbau an den Schulen betrieben haben. Wir sind es all denen schuldig, dass wir jetzt die Ärmel hochkrempeln und loslegen, und das macht diese Koalition.

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN]

Wir gehen einen neuen Weg. Wir gehen ihn mutig. Wir gehen ihn gemeinsam. Wir gehen in die Offensive. Wir haben als rot-rot-grüne Koalition ein Milliardenpaket geschnürt, um den Sanierungsstau aufzulösen. Vielleicht ist Ihnen das nicht bewusst, aber 5,5 Milliarden Euro in zehn Jahren, das ist das größte Investitionsvorhaben Berlins seit Jahrzehnten!

[Frank-Christian Hansel (AfD): BER nicht vergessen!]

Wir machen das, weil es wichtig ist, weil wir damit die Grundlage für gute Bildungspolitik und soziale Gerechtigkeit in dieser Stadt schaffen.

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD und der LINKEN]

Wenn man das ernst nimmt, dann muss man sich auch die Frage stellen, wie diese Schulen ausschauen. Über ein Thema wurde in der heutigen Debatte zu wenig gesprochen: Sie reden die ganze Zeit von Schulen, als sei das die Summe ihrer Klassenräume, Toiletten, Brandschutzmaßnahmen und Treppenhäuser, als wäre das eine funktionale Hülle, die vor unwirtlichen Witterungseinflüssen schützen soll, aber Schulen sind viel mehr. Sie sind der Ort, wo unsere Kinder die meiste Zeit ihres Lebens verbringen. Deshalb sind sie so zentral für den Lernerfolg.

Das fängt schon morgens beim Betreten der Schule an – und das geht uns doch allen so: Wenn ich einen kalten, sterilen funktionalen Bau betrete, sinkt sogleich meine Bereitschaft zu lernen, mich zu konzentrieren und etwas zu leisten. – Keine Zwischenfragen! – Aber wenn ich ein Gebäude betrete, in dem ich mich wohlfühle, das mir bedeutet: Du bist hier willkommen, dass du was leistest, dass du was lernst! –, dann bringe ich doch eine ganz andere Motivation mit. Das gilt für Schüler und Lehrer gleichermaßen. Wir zeigen mit den Gebäuden unsere Wertschätzung. Und da werden wir liefern, nicht nur mit ein oder zwei Leuchtturmschulen, sondern mit dem Anspruch, hier in Berlin die moderne Schule der Zukunft zu bauen!

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Ja, Berlin steht dabei vor einer Mammutaufgabe. Wir müssen fast 80 000 neue Schulplätze schaffen. Wir müssen in die Jahre gekommene Schulgebäude sanieren – hier schlummert eine milliardenhohe versteckte Verschuldung –, und beides machen wir mit dem Anspruch, die Schule der Zukunft entstehen zu lassen, mit den Eckpunkten: digital, Ganztag, Inklusion und ökologisch. Ich will, dass man über die Berliner Schulen sagt: Ich will hier rein! – und nicht: Ich will hier raus!

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD und der LINKEN]

Das wird ein immenser Kraftakt, aber wir haben den unbedingten Willen, das zu schaffen. Deshalb ist für die Koalition auch klar: Intakte Schulgebäude sind eine der Prioritäten dieser Koalition. Wir gehen diesen Investitionsstau, wir gehen diesen Innovationsstau an – mit mehr Geld, mit mehr Personal und mit der richtigen Struktur. Deswegen hat die Koalition zum Beispiel bereits im ersten Jahr 1 200 neue Stellen für die Bezirke geschaffen. Wir sind da durchaus in die Offensive gegangen. Aber wie bei allen Bauvorhaben brauchen wir Fachpersonal, das die neuen Schulen baut und saniert. Und das zu bekommen, ist nicht einfach. Auf dem Bau herrscht gerade Hochkonjunktur, und das Land Berlin ist leider noch nicht als der tollste Arbeitgeber bekannt, der er sein sollte. Das müssen wir alle gemeinsam ändern.

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN – Beifall von Raed Saleh (SPD)]

Ein Beispiel: Aktuell dauert allein der Planungsvorlauf einer Schule acht Jahre. Er umfasst 21 Planungsschritte. Das ist nicht nur für uns und für die Menschen, die auf die Schule warten, nervig, das ist vor allem für die Beschäftigten, die in der Berliner Verwaltung engagiert dabei sind, frustrierend. Dabei könnte es doch so schön sein, gute Schulen zu bauen. Deshalb ist es unser Ziel, innerhalb von drei bis vier Jahren Schulen zu planen und zu bauen. Dafür hat der Senat die HOWOGE-Tochter gegründet. Vielleicht muss man ergänzend über einen Generalunternehmer nachdenken, der schlüsselfertige Schulen baut.

[Anja Kofbinger (GRÜNE): Ja! Richtig!]

Das bringt uns die dringend benötigten Schulplätze und entlastet die bestehenden Schulen. Wir brauchen neue und innovative Wege, damit Berlin das schafft.

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD und der LINKEN]

Sie sehen, es bedarf nicht nur Geldes und Personals, sondern auch der richtigen Struktur, um schnell die besten Schulen zu bauen. Deshalb ist auch eines der vier Hauptprojekte dieser Koalition in der Verwaltungsmodernisierung, eine neue Kooperation für effektiven Schulbau und Schulsanierung mit den Bezirken auf Augenhöhe zu schaffen. Unser Motto ist: Hand in Hand, Bezirke und Land! –, denn wir wissen: Dieses große

Regierungsversprechen können wir nur mit vereinten Kräften erreichen.

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD und der LINKEN]

Und der FDP-Vorschlag ist genau das Gegenteil. Er zentralisiert auch dort, wo die Bezirke mit anpacken können und wollen, sei es als GmbH oder als gemeinsame Geschäftsstellen. Die Bezirke haben Lust, neue Wege zu gehen und ihre Vor-Ort-Expertise einzubringen. Topdown bringt uns da nicht weiter. Vielleicht ist das bei Ihnen in der Partei so, dass Christian Lindner mit seinen Top-down-Entscheidungen seine Partei führt. Da will ich mich nicht einmischen, aber ich sage Ihnen: Das Land Berlin muss nicht über jeden Wasserhahn oder Stromkasten entscheiden, die Bezirke dürfen aber auch nicht mit dem Neubau von 40 Schulen alleingelassen werden. Deshalb haben wir das geändert.

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN]

Wir setzen auf eine Infrastrukturgesellschaft, die die großen und aufwändigen Sanierungs- und Neubauvorhaben übernimmt, und natürlich sind die Schulen dann weiterhin Gemeingut. Ich wüsste wirklich nicht, wer das anders sieht, denn Schulen sind zentral für unsere Gesellschaft und müssen deshalb Gemeingut bleiben.

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD und der LINKEN]

Sie sehen, wir schaffen hier etwas Neues. Unser Anspruch ist, dass wir so moderne, wegweisende Schulgebäude schaffen, dass sie auch andernorts kopiert werden. Genau dafür braucht Berlin eine funktionierende Struktur für Schulbau. Was Berlin aber nicht mehr braucht, sind Zentralisierungsfantasien und Strukturdebatten, die nur darauf abzielen, dem Land oder den Bezirken den Schwarzen Peter zuzuschieben. Denn all das wird uns nicht helfen, die Schulen zu bauen, in die wir Eltern unsere Kinder gerne schicken, in denen die Kinder und Jugendlichen Spaß am Lernen haben, in denen Lehrer und Lehrerinnen beim Unterrichten zu Höchstform auflaufen und in denen ihnen nämlich ein dritter Pädagoge, das Schulgebäude, zur Seite steht.

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD und der LINKEN]

Ich finde das wichtig, weil sich in diesen zehn oder zwölf Jahren entscheidet, welchen Lebensweg unsere Kinder einschlagen. Wir müssen dafür die besten Konzepte entwickeln und dann gemeinsam mit starken Bezirken bauen, sanieren, um die besten Schulen für unsere Kinder bereitzustellen. Denn es ist doch klar: Die Großprojekte unserer Zeit sind keine Schlösser oder Paläste, es sind die Schulen, und deren Realisierung sind wir der nächsten Generation schuldig!

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN]

Vielen Dank, Frau Kollegin! – Nun gebe ich Frau Senatorin Scheeres das Wort. – Bitte schön!

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte FPD! „Turbo-Schulbau statt Verantwortungspingpong“ –, da stehe ich voll an Ihrer Seite. Aber wir sind wirklich schon weiter. Sie sollten es mitbekommen haben, dass wir uns mit den Bezirken gemeinsam auf den Weg gemacht haben, dass wir Vereinbarungen getroffen haben. Die Bezirke sind verantwortlich, aber wir haben die Verantwortung auf beide Schultern verteilt. Das ist richtig so. Das ist ein Paradigmenwechsel, den wir hier im Land Berlin hinbekommen haben. Dafür bin ich dankbar, dass die Bezirke mit uns diesen Weg gehen.

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN]

Und sehr geehrter Herr Fresdorf! In dieser Phase kommen Sie nach einem Jahr in einem Schneckentempo mit Ihrem Antrag um die Ecke,

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN – Christian Gräff (CDU): Besser als nach sechs Jahren! Wer ist hier die Senatorin?]

eine Landesgesellschaft installieren zu wollen. Und wenn Sie sich damit auseinandergesetzt hätten, wüssten Sie, dass Hamburg sechs Jahre gebraucht hat, um diese Strukturen aufzubauen.

[Heiko Melzer (CDU): Wie viele Jahre brauchen Sie noch?]

Es ist eben angesprochen worden, dass Berlin eine völlig andere Verfassung hat und wir hätten Gesetze verändern müssen. Wir haben dazu keine Zeit. Das ist für Sie Turbo; das ist der Rückwärtsgang und kein Turbo für uns.

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN – Zuruf von Kurt Wansner (CDU)]

Eltern, Schüler, Lehrer haben ganz klare Erwartungen an uns, dass wir den Sanierungsstau auflösen, dass wir neue Schulen bauen, ja, es ist so, dass jahrelang aufgrund der Verschuldungssituation zu wenig investiert wurde, dass die Summen für den baulichen Unterhalt zu niedrig waren. Ja, wir sind in einer neuen Situation, dass wir eine wachsende Stadt sind. Aber wir haben an Fahrt aufgenommen.

[Christian Gräff (CDU): Das ist ja ganz was Neues! – Holger Krestel (FDP): Ganz neu!]

Liebe CDU! Gleich komme ich zu Ihnen, keine Sorge! – Unsere Schulbauoffensive ist gestartet. Das Land Berlin

(Silke Gebel)

nimmt 5,5 Milliarden Euro in die Hand. Das ist eine Schwerpunktsetzung.

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN]

Allein in diesem Jahr stehen hier 830 Millionen Euro zur Verfügung. So viel Geld stand dafür in einem Jahr noch nie zur Verfügung. Der Senat hat Verantwortung übernommen. Die Bezirke wurden entlastet.