Protokoll der Sitzung vom 30.11.2017

Ich höre, es gibt eine Zwischenintervention von Herrn Gräff. – Bitte schön! Aber gerade so noch!

[Katrin Schmidberger (GRÜNE): Wie geil ist das denn?]

Frau Präsidentin! Vielen Dank für das Verständnis! – Lieber Herr Otto! Sie haben meinen Beitrag nicht richtig verfolgt. Ja, es geht auch um einzelne Projekte, und ja, das können wir sehr gern im Stadtentwicklungs- und Bauausschuss tun. Es geht aber darum, dass die Senatsverwaltung, die politische Leitung zu einem Workshop eingeladen hat: ganz konkrete Fragestellungen, die dieses gesamte Thema beschleunigen könnten. Diese liegen in

(Andreas Otto)

der Tat nicht alle in der Verantwortung des Landes Berlin, aber zum großen Teil auch in der Verantwortung. In dieser Runde sind ganz konkrete Projektvorschläge gemacht worden, und danach ist nichts mehr passiert. Mit Verlaub! Eine Bausenatorin muss sich schon anhören, dass es, wenn danach monatelang nichts passiert ist, der falsche Weg ist und dass man die Projekte angehen muss. Nur das habe ich gesagt. – Danke schön!

[Vereinzelter Beifall bei der CDU – Katrin Schmidberger (GRÜNE): Machen Sie doch mal eine Anfrage!]

Herr Otto! Möchten Sie erwidern? – Dann haben Sie das Wort. – Bitte!

Wir kommen jetzt hier in eine schräge Diskussion, Herr Gräff. Ich habe nur gesagt, dass ich es unfair finde, wenn Sie die Senatorin immer so pauschal kritisieren. Das halte ich auch aufrecht. Bitte nennen Sie uns die Projekte mit Namen und Adresse, dann laden wie sie in den Ausschuss ein und diskutieren, wo die Schwierigkeiten liegen. Ob sie bei einem Baustadtrat, welcher Couleur auch immer, einem Bezirk, im Haus der Senatsverwaltung oder bei Frau Merkel liegen, was die AfD immer behauptet, lassen Sie uns das ganz konkret klären. Ich finde solche pauschalen Verunglimpfungen hier nicht angemessen. – Danke!

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN]

Nun gibt es wirklich keine Wortmeldungen mehr zu diesem Tagesordnungspunkt. Die Überweisungen in die entsprechenden Ausschüsse hatte ich bereits vorgelesen.

Deshalb rufe ich jetzt auf

lfd. Nr. 3.6:

Priorität der Fraktion Die Linke

Tagesordnungspunkt 11

Beratung und Schutz für Mieterinnen und Mieter in Berlin verbessern

Beschlussempfehlung des Ausschusses für Stadtentwicklung und Wohnen vom 15. November 2017 Drucksache 18/0657

zum Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion Die Linke und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drucksache 18/0305

In der Beratung beginnt die Fraktion Die Linke, und hier hat die Abgeordnete Frau Gennburg das Wort. – Bitte schön!

Vielen Dank, sehr verehrte Präsidentin! – Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Abgeordnete! Die Priorität der Linken ist heute das Thema „Beratung und Schutz für Mieterinnen und Mieter in Berlin verbessern“. Gleich zu Anfang möchte ich Ihnen eine kleine Empfehlung geben: Kennen Sie eigentlich das wunderbare Peng!-Kollektiv? Die AfD hatte kürzlich in einer Anfrage danach gefragt. Es hat eine neue Aktion, die sich „Die Entmieteten kehren zurück“ nennt. Geben Sie einfach mal Peng in die Suchmaschine ein, und gucken mal, was das los ist.

Folgende Fragen bleiben dabei allerdings offen, und zwar: Hilft uns Satire? Und: In was für einer Zeit leben wir eigentlich, dass all die schlimmen Geschichten über Entmietungen, Entrechtungen und Entmenschlichungen so sehr Alltag sind, dass sie in einer riesigen Masse untergehen? Gestern gab es z. B. wieder einen Laternenumzug im Kunger-Kiez. Ca. 50 Mieterinnen und Mieter haben sich zusammengetan. Ein Kiez kämpft unter dem Motto „Wir sind das Milieu“, und mitten im Milieuschutzgebiet vollziehen sich völlig legal Entmietungsschweinereien. Das ist Alltag, und deshalb soll es zukünftig offene Mieterberatungen in den Bezirke geben.

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD und den GRÜNEN]

Der Mensch sei das Maß aller Dinge, so formulierte es Protagoras um 500 vor Christus und überliefert ist – ich zitiere –:

Der Mensch ist das Maß aller Dinge. Der seienden, dass sie sind, der nicht seienden, dass sie nicht sind.

Eine Anspielung – nicht nur für Fans von Wortwitzen – sei mir mit Blick auf die Maklerparteien Deutschlands, unsere hier versammelten Freunde von CDU und „AFDP“ gestattet: Nicht also der menschliche Makel und schon gar nicht der Makler oder die Maklerin ist das Maß aller Dinge, sondern der Mensch, mehr noch seine Grund- und Menschenrechte, und das Wohnen ist ein Menschenrecht. Es ist eben gut zu wissen, dass diese Linksregierung ein menschliches Gewissen hat und Menschenrechte als Anker ihres Handelns betrachtet,

[Vereinzelter Beifall bei der LINKEN – Beifall von Iris Spranger (SPD)]

ob bei der Unterbringung Geflüchteter oder bei der Sicherung leistbarer Mieten in Berliner Wohnungen. Entgegen unserem Gusto opponieren CDU-„AFDP“ in selbstherrlicher Art und werden nicht müde zu verkündigen: Bürgerbeteiligung stört, Mieterinteressen sind Partikularinteressen, und es gilt, den Marktwert zu erhöhen und den Standort zu polieren. Friedrich Engels hingegen for

(Christian Gräff)

mulierte im gedanklichen Vorgriff auf die Entmieteten 2.0 – ich zitiere –:

Aller Mehrwert – wie er sich auch verteile, als Gewinn des Kapitalisten, Grundrente, Steuer etc. – ist unbezahlte Arbeit.

In diesem Sinne muss auch die Enteignung von Räumen der Stadt gedacht und verstanden werden. Auch der öffentliche Raum wird zugunsten massiver Kommerzialisierung faktisch enteignet. Jetzt wird es ein bisschen kompliziert: Die systematische Enteignung des Gemeinwesens durch renditefanatisches Kapital – oder wie manche es sagen, Privatinteressen – zu verstehen, ist das Gebot der Stunde. Ein Beispiel: Wenn Mieterinnen und Mieter Mehrwert schaffen, weil sie seit Jahren recht hübsch in einem niedlichen Kiez wohnen und dort alles für alle immer hübscher wird und das dann als typisch Berlin gilt, dann ist es Enteignung, wenn auf der Grundlage dieses durch die Menschen produzierten Mehrwerts die marktüblichen Bodenpreise explodieren und bezahlbare Mietwohnungen verschwinden.

[Lachen von Ronald Gläser (AfD)]

Das finden Sie total witzig.

[Ronald Gläser (AfD): Absolut!]

An der Preisspirale für Mietpreise, Baupreise und Bodenpreise wird in der Hauptstadt gewaltig gedreht. Dies ist aber kein Naturgesetz. Wir werden alles unternehmen, um diese Marktradikalität, die sich ausschließlich gegen die Menschen wendet, zu stoppen.

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN]

Den über die Aneignung von Mehrwert enteigneten Raum, ob Wohnraum, Gewerberaum, Industrieflächen oder Grünräume, zurückzuerobern und damit dem Gemeinwohl, der Gesellschaft und damit den Menschen zurückzugeben, ist linke Politik, und die ist – Überraschung! – richtig.

Spaß beiseite: Der von der öffentlichen Hand gewährleistete Mieterinnen- und Mieterschutz über einerseits die Mieterberatung und andererseits den Mietrechtsschutz ist ab jetzt Teil öffentlicher Daseinsvorsorge. Wir wollen, dass die Menschen zu ihrem Recht kommen und dass der Staat dafür zuständig ist, diese Rechte zu gewährleisten. Ja, wir wollen eine Repolitisierung des Öffentlichen, mehr noch: Was öffentliches Interesse und Gemeinwohl ist, gilt es immer wieder, auch hier im Plenum, zu vertreten. Es geht eben darum, der systematischen Unzuständigkeit entgegenzuwirken und deutlich zu machen: Wir sind gekommen, um mit euch, mit Berlin Berlin zu bleiben. Ganz genau! Wir tun das mit Instrumenten der Ermächtigung, mit der Durchsetzung der kommunalen Ordnungsmacht, der ganzen Härte des Ordnungsrechtes und des öffentlichen Interesses. Wir tun das mit und für die Menschen in dieser tollen Stadt. – Vielen Dank!

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD und den GRÜNEN]

Für die Fraktion der CDU hat jetzt der Abgeordnete Herr Gräff das Wort. – Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Um vielleicht mal mit dem Positiven anzufangen, nämlich dem ersten Teil Ihres Antrags: Bei dem gehen wir inhaltlich mit, weil wir in der Tat auch der Auffassung sind, dass in allen zwölf Bezirken – einige Bezirke haben das ja schon eingerichtet – offene Mieterberatungen, und zwar für alle Mieterinnen und Mieter, eingerichtet werden sollten.

[Anne Helm (LINKE): Das ist ja schon mal schön!]

Das würden wir auf jeden Fall mitunterschreiben. Im Übrigen stellt sich dann aber schon mal die Frage, warum Sie nach den Haushaltsberatungen als Koalitionsfraktionen – Sie haben ja das Jahrtausend der Investitionen ausgerufen und gerade erst den Haushalt beschlossen – dieses richtige Ansinnen nicht in die Haushaltsberatungen eingebracht und die Bezirke in die Lage versetzt haben, diese Mittel einzustellen und die Mieterberatungen einzurichten.

Mit dem zweiten Teil Ihres Antrags gehen wir dezidiert nicht mit. Wir sind nicht der Auffassung, dass man dazu in einer Mieterorganisation – übrigens egal, in welcher – Mitglied sein muss. Das widerspricht ein Stück weit auch einer offenen Mieterberatung für alle in allen Bezirken. Insofern können wir diesem Antrag nicht zustimmen.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage der Abgeordneten Gennburg?

Gerne, Frau Präsidentin!

Bitte, Frau Gennburg!

Sehr geehrter Herr Gräff! Haben Sie vernommen, dass die Koalition schon darauf hingewirkt hat, dass der Mietrechtsschutz für Berlin im Haushalt mit 500 000 Euro jährlich und die bezirklichen Mieterberatungen mit 100 000 Euro pro Bezirk jährlich eingestellt werden sollen?

Ich stelle mal eine Rückfrage zu Ihrer Zwischenfrage: Habe ich Sie richtig verstanden, dass dann der erste Teil Ihres Antrags obsolet ist, denn in allen zwölf Bezirken werden mit der Untersetzung im jetzigen Haushalt Mieterberatungen eingerichtet? – Die geschätzte Kollegin schüttelt den Kopf. Also nicht! Gut! Haben wir also in den Haushaltsberatungen nicht gemacht.

[Iris Spranger (SPD) und von Katrin Schmidberger (GRÜNE): Doch!]

Ich sage noch einmal: An dem Punkt wären wir an Ihrer Seite.

Was aber in der gesamten Diskussion zu kurz kommt: Ja, auch wir in Marzahn-Hellersdorf haben Mieterhöhungen bei einigen Gesellschaften recht flächendeckend. Da landen wir wieder bei dem altbekannten Thema, dass sich die Marktsituation verändert hat und Vermieterinnen und Vermieter das heute können, weil die Mieterinnen und Mieter diese Mieten am Markt bezahlen – in Anführungszeichen – müssen.