Protokoll der Sitzung vom 14.12.2017

Das Thema Netzwerke der Berliner Wirtschaft ist sicherlich weder ausreichend noch abschließend diskutiert. Die Anhörung im Ausschuss kann nur der Beginn gewesen sein. Dass R2G das Thema ernst nimmt, zeigt sich daran, dass die Zukunftsorte erstmalig im Einzelplan verankert wurden und die Geschäftsstelle ihre Arbeit nun aufnimmt. Das darf allerdings nicht alles gewesen sein; es ist zumindest ein Anfang.

Toleranz und Weltoffenheit sind wichtige Zugpferde für den Erfolg des Wirtschaftsstandorts Berlin. Dies zu befördern, ist eine der besten Maßnahmen, die man in der Stadt umsetzen kann,

[Beifall bei den GRÜNEN]

auch wenn es noch viel mehr eine moralische Verpflichtung ist. Ein Beispiel ist das Eine-Welt-Haus, das sowohl mit investivem als auch konsumtivem Zuschuss Plansicherheit für die kommenden Jahre erhält.

Berlin steht für Vielfalt und Verantwortung, und nur so wird die Stadt nachhaltig erfolgreich sein. Dies spiegelt sich im Einzelplan, und deshalb ist er gut.

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Für die Fraktion der FDP hat jetzt der Abgeordnete Herr Swyter das Wort. – Bitte schön!

Danke schön, Frau Präsidentin! – Meine sehr geehrten Damen und Herren! In der Tat haben wir in Berlin eine stabile und insgesamt auch gute wirtschaftliche Situation, keine Frage. Ich möchte an der Stelle trotzdem ein paar grundsätzliche Anmerkungen machen, was diese wirtschaftliche Situation und insbesondere, was die Grundhaltung dieser Regierungskoalition zum Thema Wirtschaft anbetrifft.

Wir dürfen eines nicht vergessen: Wir reden heute über einen Doppelhaushalt mit einem Volumen von insgesamt fast 60 Milliarden Euro, die zu verteilen sind. Es sind Rekordsteuereinnahmen, die zugrunde gelegt werden, die von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern erwirtschaftet wurden, aber eben dadurch, dass sie in Unternehmen tätig sind. Sie sind notwendige Grundlage dafür, dass wir überhaupt so viel Geld verteilen können, wie wir es gerade tun.

Es ist kein Selbstläufer, dass es so ist. Wirtschaft ist dynamisch. Wir haben fundamentale Änderungen und Anpassungsdruck. Und das haben wir in den letzten Wochen eben auch gespürt. Wir haben durch internationalen Wettbewerb eine Situation, dass Unternehmen in Anpassungsdruck geraten sind. Das heißt nicht, dass wir Unternehmen und auch Konzerne aus der sozialen Verantwortung entlassen wollen. Davon ist nicht die Rede. Es ist auch für große Konzerne klar, das gilt aber auch für Mittelständler, dass Entlassungen in aller Regel und auch in den hier diskutierten Fällen die Ultima Ratio sind, die es nur geben kann. Sie sind aber eben auch in einer Situation, die bei wirtschaftlichem Anpassungsdruck entstehen kann, denn – das ist anders als im öffentlichen Dienst – man kann nicht einfach Steuern erhöhen, wenn man merkt, dass es nicht läuft. Man kann im schlimmsten Fall pleitegehen. Deswegen müssen Sie auch mit dieser schweren Situation klarkommen, dass ein Unternehmen

trotz Gewinnen seinen Unternehmenszweck anpassen muss. Das gehört leider auch zur Wirtschaft.

Was überhaupt nicht hilft, ist Besserwisserei.

[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei der AfD]

Es ist – das habe ich in dieser Woche im Wirtschaftsausschuss erlebt, der Name fiel schon, Knorr-Bremse – schon ein starkes Stück, was ich erlebt habe. Da ist ein Unternehmen, das Arbeitsplätze in Berlin in vierstelliger Höhe hat. Sie haben 150 Millionen Euro investiert, davon waren 28 Millionen Euro Förderung. Sie müssen sich fast schon als Subventionsbetrüger beschimpfen lassen. So geht man mit Unternehmen nicht um, die in Berlin Arbeitsplätze geschaffen haben und halten wollen. So geht das nicht.

[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei der AfD]

Was sollen wir als Unternehmen denn davon haben, oder die, die Sie werben wollen? Berlin Partner kann noch so viele bunte Folien malen,

[Heiterkeit bei Paul Fresdorf (FDP)]

wenn klar ist, dass ein Unternehmen, das dann unterwegs ist und einmal in Schwierigkeiten gerät, sich von Ihnen beschimpfen lassen muss.

[Beifall bei der FDP]

Wenn Sie das tun wollen, in der Tat, ist ein Gespräch mit den Unternehmen natürlich erforderlich, aber nicht draußen vor der Tür der Unternehmen sich Gewerkschaften anbiedern, rote Fahnen schwenken und sagen: Ich bin euer großer Retter. Nein! Das Ergebnis, Herr Regierender Bürgermeister, das wir bei Siemens haben, ist, dass Sie eigentlich nichts mitbringen können außer dem, was wir vorher wussten, dass die Sozialpartner bei Siemens, genau wie in den anderen Unternehmen, weiter über das verhandeln müssen, was dort nun an Umbaumaßnahmen erforderlich ist. Ich sage es deshalb, weil es eben auch zum Klima dieser Stadt gehört, dass wir ein wirtschaftsfreundliches Klima behalten und Unternehmen, ob kleine oder große, nicht Gefahr laufen, beschimpft zu werden.

Nun kommen wir einmal zu der eigentlichen Aufgabe, die Sie als Regierender Bürgermeister zu erfüllen haben. Die brauchen von Ihnen keine Besserwisserei, wenn Sie selbst gar nicht in der Lage sind, beispielsweise den BER zu managen. Welche Ratschläge in Sachen Strategie für die Zukunft soll man sich denn von Ihnen noch abholen?

[Beifall bei der FDP – Beifall von Hanno Bachmann (AfD) und Beifall von Andreas Wild (fraktionslos)]

Wir hatten gestern in der Tat ein interessantes Gespräch – Herr Gindra hat das schon angesprochen –, das Gespräch der Wirtschaftsförderer in den Bezirken. Ja, ich habe angesprochen, die Gewerbeflächen auszuweisen. Herr

Gräff hat das auch schon angesprochen. Ja, ich spreche mich ausdrücklich dafür aus, dass man es Unternehmen ermöglicht, und zwar möglichst rasch und klar ermöglicht, dass sie Flächen auch als Eigentum erwerben können. Das ist die Voraussetzung für Investitionen.

[Beifall bei der FDP]

Sperren Sie sich nicht! Herr Gindra, das meine ich mit unideologischer Politik. Sie sperren sich aus ideologischen Gründen. Das ist keine gute Wirtschaftspolitik. Wundern Sie sich nicht, wenn Investitionen ausbleiben oder sogar zurückgefahren werden.

[Beifall bei der FDP – Paul Fresdorf (FDP): Sehr richtig!]

Es gehört auch zu einer Wirtschaftspolitik, dass man Bürokratie abbaut. Sie haben mit dem Vergaberecht, dem Mindestlohn, dem Extra-Mindestlohn für das Land Berlin, das Gegenteil gemacht. Sie haben Bürokratie ausgebaut. Na, super! Sie haben damit nichts für Arbeitsplätze gewonnen. Ihre eigene Verwaltung haben Sie auch noch belastet. Wenn Sie wirklich etwas angehen wollen, rate ich Ihnen, Bürokratie abzubauen und zu vereinfachen, für einen Breitbandausbau zu sorgen. Da hätten Sie schon etwas gewonnen.

Der Tourismus wurde angesprochen. Ich möchte auch zwei Worte sagen, weil er exemplarisch für die Wirtschaftspolitik hier in dieser Stadt und für diesen Stillstand ist. Wir haben ein Kongresszentrum, das sich Internationales Congress Centrum Berlin nennt.

[Paul Fresdorf (FDP): Hört, hört!]

Wir haben gleichzeitig Bedarf für ein Kongresszentrum. Mitten auf dem Messegelände steht ein Kongresszentrum schlichtweg leer.

[Paul Fresdorf (FDP): Was kann man da machen?]

Dann höre ich von Herrn Otto: Lassen Sie uns doch noch ein bisschen mehr Zeit verstreichen. – Nein! Wir haben die Konzepte. Jetzt muss einmal entschieden werden.

[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei der AfD]

Dazu höre ich von Ihnen diverse Ideen: ein bisschen verkaufen, Verkauf mit Vorgaben, vielleicht doch nicht verkaufen. – Einer von Ihnen schlägt schon vor, den ganzen Kasten abzureißen. Das nennt sich stringente Politik?

[Sven Heinemann (SPD): Das ist Wirtschaft!]

Das ist überhaupt nicht stringent. Wenn ich die Frau Senatorin frage, ob ein Verkauf dieses Kongresszentrums eine Option ist, höre ich, dass es nur eine hypothetische Frage ist. Nein! Das ist keine hypothetische Frage. Das ist erstens in Ihrem Bericht als Option genannt worden, und zweitens ist das real und gehört auf den Tisch. Natürlich wollen wir als FDP jedenfalls das ICC als Kongresszentrum weiter nutzen. Dafür ist es auch gebaut worden.

Der Bedarf besteht. Das sollte am besten mit einem Hotel kombiniert werden. Bitte, gehen Sie es an.

[Beifall bei der FDP]

Ich möchte auch auf gute Ansätze Ihrer Koalition eingehen und ein paar freundliche Worte zu später Stunde verlieren. Die Idee der Digitalagentur ist richtig, allerdings im Moment noch völlig unkonkret. Wir helfen aber gern dabei, sie zu konkretisieren. Es ist auch richtig, die Entwicklung der Zukunftsorte zu unterstützen.

Ich komme noch einmal zu einem Thema, das sind die Energiepolitik, die Stadtwerke und der Netzerwerb. Das ist fast das dümmste Projekt seit dem Turmbau zu Babel. Das braucht kein Mensch.

[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei der AfD – Heiterkeit von Paul Fresdorf (FDP)]

Sie wollen 100 Millionen Euro für ein Stadtwerk, das nicht gebraucht wird, Herr Stroedter – da können Sie den Kopf schütteln, es wird nicht gebraucht –, mit dem eigenen, angestrebten Zweck, den Klimaschutz zu fördern und kostengünstige Energie anzubieten. Gleichzeitig soll das Ding auch noch Gewinn erwirtschaften. Die eierlegende Wollmilchsau wollen Sie dort hinstellen. Daraus wird nichts. Das Ding ist der nächste Rohrkrepierer nach dem BER.

[Beifall bei der FDP – Beifall von Marc Vallendar (AfD) und Andreas Wild (fraktionslos)]

Lassen Sie es, ehe es zu spät ist! Entweder statten Sie dieses Stadtwerk mit Subventionen und Sonderkonditionen aus, dann wäre es aber gnadenlose Wettbewerbsverzerrung, oder es ist tatsächlich auf dem Level Playing Field, dann wäre es wirklich überflüssig und schade um das Geld.

[Beifall bei der FDP – Beifall von Andreas Wild (fraktionslos)]

Bei der Wahl Ihres Stadtwerks, Zwerg oder Zombie, wählen Sie bitte keines von beiden.

[Heiterkeit bei der FDP]

Kommen wir auch noch einmal zu einem anderen Thema, den Netzrückkauf. Da zoffen Sie sich mit den Unternehmen wunderbar vor Gerichten – mit Vattenfall, GASAG – herum. Die ersten Gewinner dieses Netzkaufs sind die Anwälte. Herzlichen Glückwunsch! Dieser Branche haben Sie schon reichlich geholfen.

[Beifall bei der FDP]

Wozu wollen Sie aber diese Netze kaufen? Es ist ein hochregulierter Markt. Es ist kein Nutzen für die Bürgerinnen und Bürger dieser Stadt erkennbar, wenn Sie sich damit befassen, diese Netze zu kaufen.