Protokoll der Sitzung vom 14.06.2018

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN – Beifall von Bettina Domer (SPD)]

In Ihrer Rolle verhaspeln Sie sich ein bisschen, die ist noch neu als Genossenschaftsfreunde, weil Sie tatsächlich sagten: geben, zur Verfügung stellen. Sie sagten wohl in einer Wendung: zu vertretbaren Konditionen. Aber ich bin mir ganz sicher, dass das Land Berlin zwar Grundstücke in die eigenen Gesellschaften einbringen kann – also im Sinne von Geben –, aber an privatrechtlich organisierte Genossenschaften mit Sicherheit so nicht, sondern da muss man andere Wege finden, wie Sie jetzt gesagt haben, zu vertretbaren Konditionen, ob Kauf, Pacht, Erbpacht. Und wenn man zum Beispiel limitierte Preise und limitierte Pacht nimmt, dann müssen auch Gegenleistungen der Genossenschaften dafür kommen. Insofern war Ihr Beispiel, das Sie angebracht haben, dass die dann beauflagt werden, wenn sie Vorzugspreise oder Direktvergaben bekommen; das fanden Sie unmöglich. Das verstehe ich überhaupt nicht. Wenn – was wir wollen – die Genossenschaften über Direktvergabe, nicht in Konkurrenz auf dem freien Markt, Grundstücke bekommen, dann muss es natürlich auch eine dauerhafte Gegenleistung dafür geben. Insofern geht es da um Bedingungen, heißt Gegenleistungen, heißt Mietpreisbindung, heißt Belegungsbindung und sonst was. Das können die Genossenschaften auch leisten. Alle Genossenschaften, mit denen ich gesprochen habe, haben gesagt: Das machen wir. Wenn wir die Grundstücke zu ordentlichen Konditionen bekommen, verpflichten wir uns zu Gegenleistungen mit und ohne Förderung. Insofern geht Ihre Debatte ein bisschen an der Realität vorbei. Ich bin mir auch ganz sicher, dass Frau Meister im Hauptausschuss und im Vermögensausschuss darauf achten wird, dass wir keine öffentlichen Grundstücke sozusagen einfach verschenken.

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN]

Insofern haben wir jetzt ein Problem, das ist mit Ihrer Darstellung deutlich geworden. Bei den wenigen Grundstücken, drei sind es gewesen, drei sind im Augenblick im Konzeptverfahren und dauern ewig lange. Dafür bewerben sich auch viele. Dass es da echten Beschleunigungsbedarf gibt, dass man diese Verfahren auch einmal anders gestaltet, hat sich bei der Schöneberger Linse gezeigt. Eine Reihe von Genossenschaften ist ausgestiegen, weil sie an den Konditionen nicht mitwirken konnten. Insofern gibt es da sicher Nachsteuerungsbedarf. Es liegt also nicht am Willen, sondern daran, dass wir bei der Frage, wie wir mit solchen Grundstücken umgehen, die wir zielgerichtet den Genossenschaften – ich sage jetzt nicht geben – zur Verfügung stellen, verkaufen, verpachten usw. wollen, wie wir da mehr Beschleunigung reinbekommen.

Aber wir wollen auch keine Hoffnungen wecken, die wir nicht erfüllen können. Berlin hat begrenzt Grundstücke. Noch begrenzter sind die Wohngrundstücke. Insofern stimme ich Ihnen gerne zu, dass wir da besser werden sollen, aber uns zu unterstellen, wie es Herr Gräff gemacht hat, dass wir den Genossenschaften nicht das Schwarze unter dem Fingernagel gönnen – das war jetzt

die tollste Bemerkung –, das führt zu gar nichts. Ich denke, dass wir neue Wege gehen müssen – auch mit dem von Ihnen genannten Genossenschaftscampus –, dass wir in den neuen Stadtquartieren gute Angebote machen, und zwar gemischte Angebote. Das ist im städtebaulichen Sinne, im Sinne der Sozialentwicklung der Gebiete. Insofern freuen wir uns, dass Sie uns bei den Zielen, die wir ohnehin haben, unter Druck setzen. Machen Sie weiter so, liebe Genossen, Genossenschaftsfreunde aus dem rechten Lager!

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN – Beifall von Bettina Domer (SPD)]

Vielen Dank! – Dann hat das Wort für eine Zwischenbemerkung der Kollege Förster.

Frau Präsidentin! Lieber Kollege Nelken! Es ist schon bemerkenswert, dass Sie sich hier hinstellen und sagen: Wir sind doch eigentlich auf einem ganz guten Weg, nur die Vergabeverfahren dauern ein bisschen lange,

[Steffen Zillich (LINKE): Das hat er nicht gesagt]

und gleichzeitig noch betonen – Nein, die Hauptaussage war natürlich: Wir haben nur begrenzt Grundstücke. –

[Zuruf von Katrin Schmidberger (GRÜNE)]

Wenn Sie, ich habe es Ihnen vorhin aufgezählt, 171 Grundstücke den städtischen Gesellschaften geschenkt haben – geschenkt! – und da auch auf Hunderte Millionen Euro Verkaufserlöse verzichtet haben, die aber gleichzeitig gerade drei davon mit 150 Wohnungen bebaut haben, dann liegt es doch nicht an den Grundstücken, sondern Sie haben sie einfach an die falschen Leute gegeben. Das muss man einmal ganz klar sagen.

[Beifall bei der FDP und der CDU – Steffen Zillich (LINKE): Sie wollen die Grundstücke nicht an die Städtischen, sondern an die Genossenschaften geben?]

Sie hätten diese Grundstücke – ich habe es ja vorhin gesagt – sicherlich von den Genossenschaften wesentlich schneller gebaut bekommen. Jedenfalls deutlich mehr als 150 Wohnungen, da lege ich mich fest, wären mittlerweile längst entstanden. Sie haben ja die Pläne in der Schublade, sie haben auch eine hohe Basis an Eigenkapital, aber können gerade im Innenstadtbereich natürlich nicht astronomische Summen für Grundstücke ausgegeben.

Dass man gewisse Konditionen daran koppelt – meinetwegen. Aber bei dem Beispiel, das ich aus Lichtenberg genannt habe, zu sagen „Ihr kriegt gerade mal 60 Jahre Erbbaupacht, sollt aber gleichzeitig noch 30 Prozent Sozialquote einbauen!“, wo die Genossenschaft per se –

(Dr. Michail Nelken)

ich habe Ihnen ja die Beispiele genannt – ohnehin die günstigsten Mieten in der Stadt haben, das sind ja nicht die Preistreiber, ist doch geradezu absurd! Packen Sie noch zehn Auflagen mehr drauf, und keine einzige Wohnung wird genossenschaftlich entstehen. Das ist doch das Problem, dass wir hier an dieser Stelle haben!

[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Dann will ich als dritten Punkt noch sagen: Die FDP und auch Liberale insgesamt haben nie Schaum vor dem Mund gehabt, wenn es um Genossenschaften geht, auch die CDU ja nicht. Auch da ist immer ganz klar gesagt worden, dass Genossenschaften, wo Leute gemeinsam einzahlen und einen gemeinsamen Zweck verfolgen, gerade beim Bauen, im Prinzip etwas Wunderbares sind, nämlich gemeinschaftlich zu bauen und gemeinschaftlich auch die Kosten zu tragen.

Ich will aber auch ganz klar sagen: Ich wünsche mir bei Rot-Rot-Grün dann aber nicht nur im wirtschaftlichen Sinne, sondern auch ganz konkret Unterstützung. Ich sage mal – das sei mir zum Schluss noch gestattet – ein ganz konkretes Beispiel aus meiner Köpenicker Heimat: Die Wohnungsbaugenossenschaft Amtsfeld hat bei mir vor der Haustür im Allende-Viertel Geschosswohnungsbau der Siebziger- und Achtzigerjahre ringsumher und viele ältere Menschen, die gern in ihrem Wohnumfeld bleiben wollen. Dazu bedarf es barrierefreier Wohnungen. Die Wohnungsbaugenossenschaft will seit vielen Jahren dort ein Grundstück haben, wo ein Seniorenheim draufstand, das zwischenzeitlich auch mal anderweitig genutzt wurde.

Und jetzt kommt der rot-rot-grüne Senat auf die wunderbare Idee: Liebe Genossenschaft! Ihr kriegt das Grundstück doch nicht; wir setzen dort eine mobile Unterkunft für Flüchtlinge hin! – Anstatt gemeinsam mit der Genossenschaft eine Lösung zu suchen – und die wäre bereit gewesen, eine Lösung zu finden. Man kann doch sagen: Ihr baut dort barrierefrei und nehmt dann künftig drei Etagen für Flüchtlinge, und die sind dann für einen überschaubaren Zeitraum von meinetwegen 10, 15 Jahren dort rechtsverbindlich einzuquartieren. – Das kann man alles vereinbaren. Aber erst einmal zu sagen – und das ist eben tätiges Regierungshandeln –: „Wir geben das Grundstück für die Flüchtlingsunterkunft, und die Genossenschaft soll sehen, wo sie bleibt!“, das ist kein Beispiel von aktiver Genossenschaftsförderung, das ist rot-rot-grünes Chaos! – Herzlichen Dank!

Vielen Dank! – Dann hat der Abgeordnete Dr. Nelken die Gelegenheit zur Erwiderung.

Sehr geehrter Herr Förster! Das Problem, das Sie hier beschrieben haben, ist kein Problem. Die Frage ist, wie Sie gesagt haben: Sie wollen 150 Grundstücke, die an die städtischen Gesellschaften eingebracht worden sind und im Eigentum des Landes Berlin stehen. Da kann man Grundstücke einbringen, das ist sozusagen das Eigenkapital unserer eigenen Gesellschaften. Die können Sie nicht, wie Sie es jetzt vorgeschlagen haben, einfach den Genossenschaften übergeben. Da müssen Sie sich diskriminierungsfreie Verfahren einfallen lassen.

Sie können ja auch sagen: Wir stricken das Verfahren so, dass sich nur Genossenschaften daran beteiligen können. Da müssen Sie sich sehr viel Mühe geben, das ordentlich und rechtssicher hinzubekommen – das ist alles nicht so einfach. Sie können also nicht einfach den Vergleich “Entweder an die städtischen Gesellschaften oder an die Genossenschaften“ machen.

Dass wir natürlich den kommunalen Wohnungsneubau auch stärken und besonders fördern wollen, ist klar, ist Programm, ist von Ihnen eigentlich auch nicht bestritten worden. Woran es jetzt gelegen hat, haben wir ja schon oft diskutiert: Warum es bei den Grundstücken, bei den Planungen, die seit Jahren ja zum Teil entwickelt sind, scheinbar so langsam vorangeht. Dass es immer schneller wird im Augenblick, weil es ja immer eine gewisse Vorlaufzeit braucht, haben wir auch schon diskutiert.

Insofern ist das überhaupt keine Alternative, die Sie hier aufmachen. Insofern der rot-rot-grünen Regierung und der Koalition zu unterstellen, wir hätten kein Interesse an der Genossenschaftsentwicklung, das halte ich für ziemlich absurd. Insofern können wir uns über jedes einzelne Beispiel, das Sie angeführt haben, gern im Ausschuss oder im kleinen Kreis unterhalten. Aber diese globale Behauptung, die Sie hier aufstellen, ist Quatsch. Wir haben ja Ihren Antrag noch im Ausschuss zu beraten.

[Beifall bei der LINKEN und der SPD]

Dann gibt es eine weitere Zwischenbemerkung auf den ursprünglichen Redebeitrag des Kollegen Gräff – bitte sehr!

Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Dr. Nelken! Wir haben ja kritisiert, dass Sie den Genossenschaften nicht das Schwarze unter dem Fingernagel gönnen. Da möchte ich zu dem, was Herr Förster gesagt hat, noch ein weiteres Beispiel hinzufügen: In Hellersdorf – wo ist denn unser Hellersdorfer Kollege? Ich sehe ihn gerade nicht im Raum –, in einem Kiez, wo ausschließlich eine relativ kleine Ge

(Stefan Förster)

nossenschaft Bestand hat – ein kleines, wirkliches Minigrundstück –, bewirbt sich die Genossenschaft darum, um dort, sage ich mal, etwas an den Bestand heranzubauen. Sie geben es nicht der Genossenschaft, sondern einer öffentlichen Wohnungsbaugesellschaft in Hellersdorf, die bis heute den Bau dort nicht fertiggestellt hat.

Das ist eins von Dutzenden Beispielen, wie Sie – Sie sind ja jetzt in der Koalition zusammen – gemeinsam mit der SPD, die ja seit Jahren Finanz- und Liegenschaftspolitik in dieser Stadt macht, mit den Genossenschaften umgehen. Halten Sie hier keine Sonntagsreden, um so einen Unsinn zu erzählen! Sie haben die Genossenschaften bisher nicht ernst genommen, nicht gefördert. Ich hoffe, dass Sie das nach dem richtigen Antrag der FDP tun.

Meine letzte große Hoffnung sind ja Frau Schmidberger und die Grünen, dass Sie der Koalition da Dampf machen, der SPD und den Linken. Ich würde mir das wirklich total wünschen, und da glaube ich an Sie, die letzte große Hoffnung: Sie bekommen das hin! – Sie jedenfalls setzen sich für Genossenschaften auf gar keinen Fall ein. – Vielen Dank!

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Vielen Dank! – Dann hat der Abgeordnete Dr. Nelken die Gelegenheit zur Erwiderung.

Sehr geehrter Gräff! Ich kenne mich ja in der Lokalität, die Sie beschreiben, nicht so aus. Ich nehme jetzt mal die Beschreibung, die Sie gegeben haben: Wenn ich in einem reinen Genossenschaftsgrundstück zur Arrondierung die Genossenschaftsbauten erweitern kann, dann habe ich sogar gute Möglichkeiten, eine Direktvergabe zu machen. – Ich kenne aber den konkreten Vorfall nicht, und ich kann Ihnen da jetzt gar nichts dazu sagen.

Aber die Frage, die sich mir stellt, ist: Wann ist denn das gewesen? Wann ist denn diese Grundstücksvergabe gewesen? – So, wie Sie es beschreiben, ist es schon eine Weile her. Vielleicht waren da auch andere verantwortlich; ich kann es nicht beurteilen.

[Zuruf]

Nein, er war da vielleicht nicht mehr Stadtrat! – Also insofern: Im Prinzip würde ich Ihnen sofort zustimmen. Aber im konkreten Fall kann ich es nicht bewerten. Sie können ja eine Reihe von solchen Fehlentwicklungen aufführen, die Sie zu erkennen meinen, und dann werden wir gucken, ob es tatsächlich welche waren.

[Sebastian Czaja (FDP): Ihr habt vergessen zu klatschen!]

Vielen Dank! – Nun hat der Abgeordnete Laatsch für die AfD-Fraktion das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Lieber Herr Dr. Nelken! Würde Rot-Rot-Grün wirken, wie Sie es behaupten, dann gäbe es diesen Antrag überhaupt nicht. Dann hätten wir nämlich Wohnungen in dieser Stadt. Aber Sie wirken eben nicht; das ist das Problem. Aber vielleicht haben Sie einfach Angst, dass die Mieten steigen, wenn die Genossenschaften Wohnungen bauen – das hatten wir ja schon mal bei Ihnen.

Im BBU sind mehr als 80 genossenschaftliche Wohnungsbauunternehmen mit ca. 200 000 Bestandswohnungen. Um es mal plastisch zu machen: Das ist ungefähr so viel an Wohnungen, wie ein ganzer Bezirk hat. Das ist eine Größenordnung, die kann man nicht einfach übersehen. Damit sind die Genossenschaften Teil der wichtigsten Wohnraumversorger in Berlin. Mir stellt sich die Frage, warum nun ausgerechnet die Partei, die ständig von bezahlbarem Wohnraum redet, hier bei den Genossenschaften – also die Genossen bei den Genossenschaften – nichts dafür tun, dass bezahlbarer Wohnraum entsteht. Das haben Sie längst bewiesen.

[Beifall bei der AfD]

Kommen wir mal zu Ihrem Förderprogramm! Sie hatten im Haushaltsentwurf 10 Millionen eingestellt. Als wir dann 60 Millionen gefordert haben, haben Sie 20 Millionen eingestellt – einfach, weil es sonst zu peinlich geworden wäre. Aber dann schauen wir doch mal: Was ist denn daraus geworden? – Da steht im Haushaltstitel 88405: Zuführung an das Sondervermögen Wohnraumförderfonds zur Förderung von Genossenschaften in Höhe von 20 Millionen.

Schaut man in den Haushaltsplan des SWB, also des Förderfonds, findet man eine Position „Förderung von Genossenschaften“ – aber nur über 10 Millionen. Wo haben Sie eigentlich die anderen 10 Millionen gelassen, meine Herrschaften? – Genossenschaftsförderung ist nicht Genossenförderung!

[Beifall bei der AfD]

Das, meine Herrschaften, sind die Taschenspielertricks, mit denen Sie Ihre Wählerklientel mit Schattenhaushalten hinters Licht führen. Deswegen gilt, was meine Kollegin Dr. Kristin Brinker immer wieder fordert: Keine Schattenhaushalte und volle Transparenz!

[Beifall bei der AfD]

Kommen wir zurück zu den Genossenschaften, die Hilfe zur Selbsthilfe bräuchten, um als aktiver Player am Markt für bezahlbaren Wohnraum zu sorgen! Sie brauchen nämlich nicht nur Geld, sondern auch Grundstücke. Und was machen unsere ach so sozialen Parteien? – Nichts,