Protokoll der Sitzung vom 27.09.2018

[Heiterkeit]

Also solche Anlaufstellen gibt es übrigens seit 2003, seit dem GKV-Modernisierungsgesetz, und das Ganze ist ja 2016 auch noch einmal verstärkt worden. In der Hinsicht

muss man sich fragen, was da jetzt konkret geschehen soll. Wichtig wäre sicherlich eine Betrugspräventionsdatenbank, damit man die schwarzen Schafe aussortieren kann und die nicht wieder auf den Markt zurückgespült werden. Ich frage mich auch, was Sie mit der „gesetzlich normierten Meldepflicht für ambulante Pflegedienste bei der heimrechtlich zuständigen Aufsichtsbehörde“ meinen. Auch da sind Sie leider nicht wirklich konkret geworden. Und was die polizeilichen Spezialermittlungsteams angeht: Ich glaube, wir erleben derzeit, wie stark die Justiz in Berlin überfordert ist. Ob das also jetzt, wenn wir es auf das Papier bringen, tatsächlich eine Verbesserung bringt, sei mal dahingestellt.

[Zuruf von Hakan Taş (LINKE)]

Wir als AfD sagen ganz klar: Die älteren Menschen in unserer Gesellschaft haben dieses Land aufgebaut. Wir schulden ihnen eine menschenwürdige Pflege. Das System gehört grundsätzlich auf den Kopf gestellt. Das hätte in den 13 Jahren Merkel-Regentschaft passieren müssen. Es ist nicht passiert, wie so vieles nicht passiert ist. Wir werden uns darum kümmern, spätestens in der nächsten Legislaturperiode. – Vielen Dank!

[Beifall bei der AfD – Beifall von Andreas Wild (fraktionslos) – Lachen bei der SPD – Ines Schmidt (LINKE): Sie sollten im Ausschuss auch mal was sagen, das wäre super!]

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat Kollegin Topaç nun das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es hätte mich auch gewundert, wenn die AfD ausnahmsweise nach zwei Jahren mal etwas Inhaltliches beigetragen hätte. Aber das kennen wir ja.

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN – Stefan Franz Kerker (AfD): Ach, Gott!]

Abrechnungsbetrug in der Pflege muss zeitnah aufgeklärt werden, denn es ist unsere Aufgabe, Pflegebedürftige zu schützen und die Pflegebranche mit ihren ehrlich und hart arbeitenden Menschen, Einrichtungen und Diensten zu stärken. Der finanzielle Schaden, der damit entsteht, ist für die Sozialkassen und die Pflegebedürftigen in keinster Weise unerheblich, und es ist ein Bereichern auf Kosten derjenigen, die oftmals ohnehin schon wenig Geld zur Verfügung haben, aber auch ein Bereichern auf Kosten unseres Sozialsystems.

Abrechnungsbetrug in der ambulanten Pflege steht für uns Grüne besonders weit oben auf der Agenda, denn schließlich waren wir es mit unserem Bezirksbürger

(Stefan Franz Kerker)

meister Stephan von Dassel, die ausgehend vom Bezirk Mitte das ganze Ausmaß in Berlin akribisch aufgedeckt haben. Das Thema „Abrechnungsbetrug in der Pflege“ hat immer noch nicht an Bedeutung verloren, weshalb auch ich vor kurzer Zeit erneut eine Anfrage dazu gestellt habe. Aber, liebe FDP, wenn Sie den Koalitionsvertrag gelesen haben,

[Frank-Christian Hansel (AfD): Warum sollte die das tun?]

müssten Sie ja wissen, dass die konsequente Leistungsmissbrauchsbekämpfung längst nicht nur Gegenstand des Koalitionsvertrags ist,

[Heiko Melzer (CDU): Das muss halt umgesetzt werden! – Zuruf von Paul Fresdorf (FDP)]

sondern dass wir auch die Bezirke dafür entsprechend ausgestattet haben und dass dies auch bereits längst jeden Monat Fürchte trägt. Ich kann dazu auch gern eine Ziffer nennen. Das sind jeden Monat 200 000 Euro, um die es da geht.

Zu Ihrem Vorschlag, dass die ambulanten Pflegeleistungen künftig ausschließlich elektronisch erfolgen sollen: Hier könnten wir ja grundsätzlich mitgehen, doch durch die Verabschiedung des E-Government-Gesetzes 2016 ist bereits eine Digitalisierungsoffensive gestartet worden,

[Lachen von Paul Fresdorf (FDP) – Zuruf von Bernd Schlömer (FDP)]

die auch die Sozialpolitik umfasst, wie Sie wissen. Allerdings benötigt die Prozessgestaltung in der ambulanten Pflege aufgrund ihrer Komplexität mehr Zeit und ist kurzfristig nicht realisierbar. Außerdem braucht es eine entsprechende Schulung der Nutzer und Nutzerinnen und natürlich eine entsprechende Infrastruktur.

Was die elektronische Leistungsnachweisführung in der ambulanten Pflege angeht, ist diese unter Erfüllung von vereinbarten Standards längst möglich, liebe FDP! Wenn Sie Ihren Antrag einem Praxistest unterzogen und wenn Sie mal mit Pflegediensten gesprochen hätten, wüssten Sie, dass Ihre Forderung absolut ins Leere läuft,

[Zuruf von Paul Fresdorf (FDP)]

denn bereits jetzt erfassen Pflegedienste mit entsprechender Software die erbrachten Leistungen bei den Klientinnen und Klienten vor Ort elektronisch mit einem Smartphone oder einem Tablet.

Die Leistungen werden in den sogenannten Leistungsnachweis eingepflegt, der der Nachweis über die erbrachten Leistungen ist und vom jeweiligen Kostenträger dann auch geprüft wird. Natürlich muss der Leistungsnachweis durch die Klienten oder die berechtigten Betreuer, die wir in Teilen ja auch haben, mit einer Unterschrift legitimiert werden. Bedenken Sie aber auch, dass die zurzeit gepflegte Generation – noch – eher selten digital unterwegs

ist. Ferner finde ich, dass Sie den Patientinnen und Patienten das Recht nehmen, sich Zeit zu nehmen, den Leistungsnachweis tatsächlich zu überprüfen.

Frau Kollegin! Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Damit ermöglichen Sie vielleicht auch unredlichen Pflegeanbietern genau das, was Sie vorgeben bekämpfen zu wollen. Den Betreuerinnen und Betreuern werden die Nachweise per Post zur Unterschrift zugeschickt; ich weiß nicht, wie Sie sich vorstellen, wie das gehen soll. Lassen wir es so, wie es jetzt ist, wie es sich in den letzten Jahren auch bewährt und gut entwickelt hat!

Liebe FDP! Was soll dieser Antrag? Sie beantragen Dinge, die es bereits gibt bzw. die gut funktionieren oder nicht in den Regelungsbereich des Senats gehören. Ich bitte Sie: Ziehen Sie diesen Antrag zurück! Sie stehlen uns damit unnötig Lebenszeit. – Danke schön!

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN]

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Es wird die Überweisung des Antrags federführend an den Ausschuss für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung und mitberatend an den Ausschuss für Verfassungsschutz, Rechtsangelegenheiten, Geschäftsordnung, Verbraucherschutz,

Antidiskriminierung empfohlen. – Widerspruch hierzu höre ich nicht. Dann verfahren wir so.

Der Tagesordnungspunkt 32 steht auf der Konsensliste. Er wurde bereits einvernehmlich federführend an den Ausschuss für Integration, Arbeit und Soziales sowie mitberatend an den Ausschuss für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung überwiesen. Zu diesem Tagesordnungspunkt ist als Tischvorlage noch ein Änderungsantrag der Fraktion der CDU, Drucksache 18/1319-1 verteilt worden. Ich stelle fest, dass der Änderungsantrag ebenfalls einvernehmlich federführend an den Ausschuss für Integration, Arbeit und Soziales sowie mitberatend an den Ausschuss für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung überwiesen wird.

Tagesordnungspunkt 33 steht auf der Konsensliste. Tagesordnungspunkt 34 war Priorität der AfD-Fraktion unter der Nummer 4.2. Tagesordnungspunkt 35 war Priorität der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen unter der Nummer 4.1.

Ich komme nun zu

(Fadime Topaç)

lfd. Nr. 36:

Wiedereinführung der Verbeamtung von Lehrkräften

Antrag der Fraktion der CDU Drucksache 18/1323 Neu

hierzu:

Änderungsantrag der AfD-Fraktion Drucksache 18/1323 Neu-1

In der Beratung beginnt die Fraktion der CDU und hier die Kollegin Bentele. – Bitte schön!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zum Einstieg in die Antragsberatung möchte ich gerne aus einer E-Mail zitieren, die mich von Lehrer Lars A. aus meinem Wahlkreis Anfang Juli erreichte: Tschüss Berlin! Ihr verliert wieder einen klassisch studierten Pädagogen an Brandenburg. Füllt die Gaps nur weiter mit Quereinsteigern oder sogar Studenten! Vergrault die erfahrenen studierten Lehrer, haltet starr an eurer Nichtverbeamtung fest und bleibt eurem Motto treu: Be Berlin – und: Mind the Gap!

[Regina Kittler (LINKE): Genau!]

Ich habe bisher geglaubt, dass es zwischen allen Fraktionen zumindest einen Grundkonsens gibt, der da lautet: Gute Bildung für unsere Kinder bekommen wir nur mit gut ausgebildeten und gut motivierten Lehrern hin. – Aber, sehr geehrte Frau Senatorin Scheeres, was wir in den letzten Jahren unter Ihrer Führung oder der Ihrer SPD-Kollegen erlebt haben, stellt selbst diese einfache Grundwahrheit infrage.

[Beifall bei der CDU – Regina Kittler (LINKE): Sie meinen, als Sie noch in der Regierung waren?]

Über zehn Jahre lang haben viele interessierte Abiturienten keinen Studienplatz für das Grundschullehramt gefunden, weil die Senatsbildungsverwaltung es verschlafen hat, einen strategischen Personalstock aufzubauen, der Pensionswelle, Einwohnerzuwachs, Inklusion und Migration abpuffern kann. Seit dem dramatischen Ruderherumreißen 2016 dürfen sich Lehramtsstudenten nun in Seminarräume pferchen. Aber wer jetzt überhaupt noch in der Uni sitzt, ist ja auch wiederum doof, denn mit dem neuen Senatsprogramm „Unterrichten statt Kellnern“ lässt sich auch ohne Abschluss sehr gutes Geld verdienen.

Die letzten Einstellungszahlen haben gezeigt, dass mittlerweile jedes Fach der Berliner Schule ein Mangelfach ist, für deren Abdeckung jetzt auch Quereinsteiger eingesetzt werden. Aber auch Quereinsteiger reichen nicht mehr aus. Über 900 neu eingestellte Lehrkräfte erteilen nun Unterricht, ohne ein Fach der Berliner Schule studiert und ohne eine Lehrbefähigung zu haben. Viele engagierte Lehrer in unseren Schulen werden in Zukunft noch weni

ger Zeit für unsere Kinder haben, weil sie nun alle Hände voll damit zu tun haben, die neuen Kollegen an die Hand zu nehmen und auszubilden. Gleichzeitig verlassen ausgebildete erfahrene Lehrer wie Lars A. in stetem Strom die Stadt.

In Berlin hat der Fachkräftemangel bei den Lehrern ein vollkommen untragbares Ausmaß erreicht, das selbstverständlich Auswirkungen auf die Unterrichtsqualität und damit auf die ohnehin schon nicht besonders tollen Schülerleistungen haben wird. Hier – wie Frau Senatorin Scheeres – von einem Gap zu sprechen, ist einfach nur zynisch. Und jetzt nicht alle Hebel in Bewegung zu setzen, um ausgebildete Lehrer in der Stadt zu halten bzw. sie hier herzubekommen, ist einfach verantwortungslos.

[Beifall bei der CDU]

Ein wichtiger Hebel ist die Verbeamtung von Lehrern, das haben übrigens prominente Köpfe in der Berliner SPD wie der frühere Wissenschaftssenator Zöllner und übrigens alle Ihre Parteifreunde in den 15 anderen Bundesländern schon längst erkannt; sie haben im Gegensatz zu Ihnen auch gehandelt und verbeamten ihre Lehrkräfte schon immer oder wieder.