weil ein Justizsenator noch nie so schnell wieder gegangen ist. Also das Thema, das Sie damals aufgerufen haben, war auch kein besonderer Knaller.
Zweites Thema: Friedrich der Große – das Friedrichjahr! – Das war höchstwahrscheinlich von erheblicher Wichtigkeit, aber möglicherweise gab es auch damals, 2012, für die Berlinerinnen und Berliner andere Themen.
Ein drittes Thema, das Sie in der Liste der Parlamentsdokumentation finden: 775 Jahre Stadtjubiläum! – Ebenfalls ein wichtiges Thema. Also ich sehe es ein bisschen anders als Sie. Ich glaube, dass eine Koalition zu Anbeginn durchaus Themen aufrufen kann, und viele Themen werden sich auch im Laufe der Jahre noch entwickeln.
Wir wollen mit unserem Antrag den Senat auffordern, die Stelle des Vertrauensanwaltes oder der Vertrauensanwältin zur Korruptionsbekämpfung zügig und transparent wieder neu zu besetzen. Die Stelle wurde 2011 erstmalig ausgeschrieben und von der damaligen Justizsenatorin Gisela von der Aue auch besetzt. Und ein Rechtsanwalt hatte diese Stelle fünf Jahre bis Mai 2016 inne. Und natürlich ist schon die Frage, auch für diese Koalition: Warum wurde die Stelle 2016 im Mai nicht wieder neu besetzt? Der damalige Justizsenator ist nicht mehr in diesem Hause, sodass wir ihn nicht fragen können. Ihm ist es jedenfalls nicht gelungen, diese Stelle zu besetzen. Und wenn es so einfach gewesen wäre, liebe Kollegen von der Opposition, dann hätte es der damalige Justizsenator ja machen können.
Die rot-rot-grüne Koalition hat es sich zur Aufgabe gemacht, diese Stelle hier neu zu besetzen, und zwar in einem transparenten Verfahren. Die Korruptionsbekämpfung im Land Berlin basiert auf vier Säulen. Die erste Säule ist die Spezialabteilung der Staatsanwaltschaft zu korruptionsrelevanten Sachverhalten. Die zweite Säule ist bei der Generalstaatsanwaltschaft eine Zentralstelle für Korruptionsbekämpfung. Die dritte Säule ist eine Antikorruptionsabteilung der Senatsabteilung für Justiz. Und die vierte Säule ist der Vertrauensanwalt oder die Vertrauensanwältin, der oder die derzeit fehlt. Deshalb ist es richtig, dass diese Stelle wieder zügig besetzt und ausgefüllt wird.
Im Land Berlin gab es 2015 ca. 100 Korruptionsverfahren mit 170 Beschuldigten. Für die Zahlenfetischisten hier, insbesondere von der AfD: 100 000 Strafverfahren gab es 2005, macht 0,1 Prozent. So viele Strafverfahren waren Korruptionsverfahren. Mit anderen Worten, was ich damit sagen will: Berlin ist nicht die Hauptstadt der Korruption.
[Florian Swyter (FDP): Doch! – Sebastian Czaja (FDP): Hier läuft doch alles wie geschmiert! – Heiterkeit bei der FDP]
Und beim Korruptionsanwalt sind 84 Korruptionsfälle gemeldet worden, 14 Fälle davon wurden weitergeleitet.
Nun kann man möglicherweise fragen, ob die wenigen Fälle einen Vertrauensanwalt oder eine Vertrauensanwältin für Korruptionsbekämpfung rechtfertigen. Ich sage und die Koalition sagt: ja. Und ich habe die Opposition bisher, zumindest soweit sie in diesem Haus vertreten war, so verstanden, dass sie das ebenfalls so sieht. Wir brauchen diese Stelle, denn wir wollen jede Möglichkeit und jeden Weg nutzen, damit Korruption gemeldet werden kann und verfolgt wird. Jeder Berliner, jede Berlinerin, jede Mitarbeiterin, jeder Mitarbeiter, jeder Beschäftigte kann sich vertraulich an den Vertrauensanwalt wenden, um einen Verdacht auf Korruption oder Korruptionstatbestände mitzuteilen. Es hat sich in den vergangenen Jahren gezeigt, dass dies auch erfolgreich genutzt wird. Befürchtung von Denunziationen oder falsche Verdächtigungen haben sich nicht bestätigt.
Wir werden den Antrag im Ausschuss beraten. Ich habe tatsächlich die Hoffnung, dass auch die Opposition bei diesem Antrag nicht in den typischen Reflex verfällt, den Antrag abzulehnen, weil er von der Regierung kommt, sondern unser Anliegen hier unterstützt, für die Korruptionsbekämpfung in Berlin die vierte Säule endlich wieder auf einen festen Sockel zu stellen. – Herzlichen Dank!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wie kann man einer im Grunde guten Sache möglichst großen Schaden beifügen? – Indem die falschen Leute zur falschen Zeit die Sache aufgreifen.
Lassen Sie mich zunächst zum falschen Zeitpunkt kommen! Es ist wirklich grotesk, dass diese Koalition ausgerechnet jetzt das augenscheinlich zentrale Thema der Berliner Politik, den bisher von kaum jemandem zur Kenntnis genommen Vertrauensanwalt, als dringlichen Antrag in diese Plenardebatte gedrückt hat. Meine Fraktion hat bewusst darauf verzichtet, die Frage der wirklichen Dringlichkeit dieses Antrags im Sinne von § 59 unserer Geschäftsordnung zu problematisieren. Nein, wir wollen
schon, dass die Bürger unserer Stadt erfahren, was diese Koalition in der gegenwärtigen Situation unserer Stadt für dringlich hält. Unsere Stadt ist vor keinen vier Wochen Ziel des gewalttätigsten islamisch motivierten Terroranschlags in unserem Lande geworden. Da gab es keine Dringlichkeit mit angemessenen konkreten Sicherheitsvorkehrungen, die zur Sicherheit unserer Bürger beigetragen hätten. Da gab es keine Dringlichkeit mit deutlicher Führung und Richtlinienkompetenz. Dringlich war aber dem Herrn Justizsenator ausgerechnet die Einführung abstruser Klosettkategorien.
Ja, so kann man Prioritäten setzen. Und wir sagen: In den vergangenen Wochen hat diese Koalition so gut wie alle Prioritäten in den Sand gesetzt.
So falsch wie der Zeitpunkt sind die politischen Kräfte, die sich ausgerechnet jetzt des Vertrauensanwaltes bemächtigen wollen. Wahrscheinlich wird es nicht nur mir so gegangen sein, als ich Ihren Antrag zum ersten Mal überflog und die Stichworte „dringlich“ und „Korruptionsbekämpfung“ las. Alle Achtung, konnte man meinen, der Senat schafft es zwar nicht, seinen Stasi-Staatssekretär zu entlassen, aber jetzt machen die wenigstens Schluss mit der Korruptionsaffäre um den Leiter der Senatskanzlei. – Das war offensichtlich zu optimistisch. Aber wir sind dennoch dankbar, dass diese Koalition selbst das Thema Korruptionsbekämpfung aufgreift. Denn Ihre Partei, Herr Regierender Bürgermeister, ist es doch, bei der jedem Berliner Bürger das Stichwort vom roten Filzhaus einfällt.
Herr Regierender Bürgermeister! Wenn Sie das Thema Korruptionsbekämpfung wirklich so ernst meinen würden, wie es der Koalitionsantrag vorspielen will, könnten Sie gleich bei sich in Ihrem Senat damit anfangen.
[Beifall bei der AfD – Vereinzelter Beifall bei der FDP – Dr. Wolfgang Albers (LINKE): Jetzt würde ich mal ganz vorsichtig sein! Werden Sie mal konkret! Sind wir wieder im Postfaktischen? – Zuruf von den Grünen: Unglaublich!]
Sie entsorgen einen Bausenator, dessen Offenheit für Spenden von Bauinvestoren legendär ist, ausgerechnet als Innensenator. Sie halten einen Staatssekretär, dessen Verhältnis zur Korruption Gegenstand staatsanwaltlicher Ermittlungen ist. Dieses Haus wartet im Übrigen immer noch auf die Beantwortung der Frage, wann und wie der Leiter Ihrer Senatskanzlei von den Korruptionsuntersuchungen der Staatsanwaltschaft gegen ihn erfahren hat und wann und wie er seiner Beamtenpflicht nachgekommen ist, den Regierenden Bürgermeister davon zu unterrichten.
Und weil wir gerade bei Ihren Staatssekretären sind: Sie halten einen Staatssekretär, der ein sehr eindeutiges Verhältnis zur Staatssicherheit der DDR hat. Und sie halten eine Staatssekretärin, die ein bedeutend weniger eindeutiges Verhältnis zum Islamismus hat.
Die Einbettung Ihres sogenannten Dringlichkeitsantrags in das allumfassende Fehlstartszenario dieser Koalition ist in allem auch ein Tort, den Sie der Institution des Vertrauensanwalts antun. Die zahlenmäßig sehr spärlichen Erfahrungen des Vertrauensanwalts gaben bisher keinen Anlass, die Aufgabe zu überschätzen. Auch nach unserer Auffassung lohnt es sich, in den Ausschussberatungen über weitere Details – und ich denke hier insbesondere an die breitere Bekanntmachung des Vertrauensanwalts – zu einem Konsens zu kommen. Mit der Institution eines Vertrauensanwalts kann sich meine Fraktion auch deshalb durchaus anfreunden, weil in unseren Landes- und Bundesprogrammen ganz ähnliche Vorstellungen zu einer sauberen öffentlichen Verwaltung beschlossen sind. So fordern wir, die Steuerverschwendung als Straftatbestand zu erfassen und einen unabhängigen Amtsankläger einzuführen.
Besonders aufmerksam hat uns in Ihrem Antrag gemacht, dass Sie die Stelle zügig neu besetzen wollen. Wenn das dann auch noch in einem dringlichen Antrag eingebunden wird, sollten bei allen Bürgern die Alarmglocken läuten. In einer von tiefrotem Filz durchdrungenen Stadt
werden wir als Opposition mit höchster Aufmerksamkeit darauf achten, mit welcher Personalie diese dringliche und zügige Besetzung verbunden wird. Seien Sie sich sicher, dass es Ihnen nicht gelingen wird, unterhalb der Wahrnehmungsschwelle der Öffentlichkeit
irgendwelche bei Senats- oder Bezirksamtsposten zu kurz Gekommenen als Vertrauensanwalt mit einem Trostpflaster zu versorgen! Ich hoffe, dass Sie nicht einmal darüber nachdenken, etwa die wegen ihrer linksextremistischen Unbelehrbarkeit als Stadträtin durchgefallene Parteifreundin als Anwältin für eine saubere Verwaltung wiederaufstehen zu lassen. Auch deshalb wird meine Fraktion mit Überzeugung der Überweisung in den Rechts- und in den Hauptausschuss zustimmen. – Ich danke Ihnen!
Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste! Eine Vorbemerkung: Das ist schon ziemlich bedauerlich, dass die Opposition so wenig zur Sache spricht. Ich glaube, die Berlinerinnen und Berliner erwarten von uns sachorientierte Diskussionen und nicht ein Abschweifen zu Themenstellungen, die hier gar nicht zur Sache stehen.
[Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD – Frank-Christian Hansel (AfD): Die aber relevant sind!]
Kommen wir zum Vertrauensanwalt: Er hat sich als vierte Säule der Berliner Korruptionsbekämpfung aus unserer Sicht bewährt. Laut der Aussage des bisherigen Vertrauensanwalts Partsch ist die Zahl der Hinweise zuletzt stark gestiegen. So hat er es in der „Berliner Zeitung“ gesagt. Das wundert mich nicht. In Berlin erleben wir vor dem Hintergrund der wachsenden Stadt nicht zuletzt einen Boom im Baugewerbe. Und es ist kein Geheimnis, dass gerade das Baugewerbe äußerst anfällig für Schmiergeldzahlungen oder Steuer- und Abgabetricks ist. Damit kein Missverständnis aufkommt: Hier soll niemand unter Generalverdacht gestellt werden, aber die vorliegenden Erkenntnisse, die uns das Bundeslagebild Korruption regelmäßig zur Verfügung stellt, sprechen da nun mal leider eine deutliche Sprache.
Das zeigt, es ist gut, dass Whistleblower einen direkten Ansprechpartner haben, auf dessen Verschwiegenheit sie sich verlassen können, und genau darauf kommt es gerade bei diesem sensiblen Thema an. Bei der Korruptionsbekämpfung sind wir in besonderer Weise auf Whistleblower angewiesen. Und ich möchte mich an dieser Stelle ausdrücklich und hoffentlich im Namen des gesamten Hauses bei all diesen Whistleblowern für ihren Mut bedanken. Sie leisten unserer Demokratie einen unschätzbaren Dienst.
Das tun sie deshalb, weil Korruption nicht nur ein strafrechtliches oder fiskalisches Problem ist. Korruption ist auch ein Angriff auf die Grundwerte unseres demokratischen und sozialen Rechtsstaates, denn wo Aufträge, Genehmigungen oder Straffreiheit käuflich sind, gehen die Geschäftsmoral und das Vertrauen in Rechtsstaat und Politik kaputt. Das dürfen wir nicht zulassen, und die Koalition wird es nicht zulassen!
Deswegen – lieber Kollege Rissmann, eine kleine Bemerkung – ist dieser Antrag auch nicht unwichtig, im Gegenteil. Und ich finde, gerade die Berliner CDU, die Partei des Herrn Landowsky, sollte Korruptionsbekämpfung besonders ernst und wichtig nehmen.
Deswegen ist es auch dringend erforderlich, dass wir die Position zügig neu besetzen. Laut Bundeskriminalamt summierten sich im Jahr 2014 bundesweit die finanziellen Schäden, die durch Korruption entstanden, im Schnitt auf 270 Millionen Euro. Zum Vergleich: Das ist mehr Geld, als wir im Jahr 2016 in Berlin für die Förderung des Wohnungsbaus angesetzt hatten. Und erschwerend kommt hinzu, dass nur wenige Fälle überhaupt bekannt werden. Experten schätzen, dass die Dunkelziffer bei 90 Prozent liegt. Die Zeche zahlen wir, zahlen die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler. Und das können wir nicht länger hinnehmen.
Die Koalition wird deswegen zügig handeln, um die vierte Säule der Berliner Korruptionsbekämpfung wieder handlungsfähig zu machen. Klar ist aber auch, dass das Thema Korruptionsbekämpfung damit nicht erledigt ist. Wir sollten regelmäßig überprüfen, ob die Rahmenbedingungen bei der Staatsanwaltschaft ausreichen, um diese wichtige Aufgabe erledigen zu können. Der Deutsche Richterbund hat wiederholt darauf hingewiesen, dass nicht genügend Personal für die Ermittlung und auch die späteren – zum Teil hochkomplexen – Verfahren vorhanden ist. Und hier müssen wir also ganz genau hinsehen und ggf. auch nachsteuern.
In diesem Sinne sollten wir die heutige Debatte als einen Auftakt ansehen und das Thema nicht aus den Augen verlieren. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit! Ich freue mich auf die Beratungen im Ausschuss.