Protokoll der Sitzung vom 12.01.2017

[Torsten Schneider (SPD): Sie haben Glück, dass Herr Esser nicht mehr hier ist! – Zuruf von der AfD: Seien Sie doch mal still!]

Der Finanzsenator erklärt uns einen großartigen Haushaltsüberschuss von 1,2 Milliarden Euro. Allerdings wissen wir heute nicht genau, wie sich dieser tatsächlich zusammensetzt. Das soll den Mitgliedern des Hauptausschusses frühestens am 17. Januar 2017 als Vorlage zukommen. Das wissen auch Sie, Herr Schneider. Solange

(Steffen Zillich)

wir keine konkreten Angaben zur tatsächlichen Finanzlage und keine Ergebnis- und Vermögensrechnung haben, sondern unsere Informationen aus dpa-Meldungen und Zeitungsartikeln zusammenstellen müssen, ist eine solide Bewertung der geplanten Gesetzesänderung schlicht nicht möglich.

[Beifall bei der AfD]

Deshalb sollte der Senat zuerst seine Hausaufgaben vollständig machen. Erst dann ist eine Abstimmung über ein Gesetz von solcher Tragweite wirklich sinnvoll. Wir plädieren dringend dafür, uns zuerst alle entscheidungsrelevanten Informationen und Daten zur Verfügung zu stellen, bevor über das Änderungsgesetz abgestimmt wird.

Zusammengefasst stellt sich das Ganze wie folgt dar: Erstens: Der Senat vermeldet sehr hohe Haushaltsüberschüsse. Zweitens: Teile der Überschüsse werden an SIWA übertragen. Drittens: SIWA gibt kaum Geld für Investitionen aus. Viertens: SIWA vergibt stattdessen innere Darlehen. – Diese gesamte Konstruktion wirkt wie die Spielmasse eines Schattenhaushaltes. Den Berlinern wird Sand in die Augen gestreut über die wahre Finanzlage dieser Stadt. Wahlkampftechnisch ist das für den Senat eine prima Konstruktion. Finanztechnisch ist das ein Griff in die Trickkiste. – Vielen Dank!

[Beifall bei der AfD – Beifall von Marcel Luthe (FDP)]

Vielen Dank! – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat die Kollegin Schillhaneck das Wort.

[Torsten Schneider (SPD): Klär mal die AfD auf, was ein internes Darlehen ist!]

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Frau Dr. Brinker! Ich bin ein bisschen irritiert. Und zwar frage ich mich zum einen, woher Sie Ihre Zahlen und Behauptungen nehmen. Zum Zweiten frage ich mich, ob Sie eigentlich nicht wissen, wann z. B. ein Jahresabschluss gemacht wird. Zum Dritten frage ich mich, ob Sie nicht in der Lage sind, einen Gesetzesentwurf zu beurteilen, so wie der, der vor Ihnen liegt. Ich weiß nicht, was Ihnen an entscheidungsrelevanten Daten fehlt. Ich habe keine Ahnung. Es steht hier alles schwarz auf weiß. Das können Sie nachlesen. Sie brauchen dafür gar keine Zahlen, weil das abstrakt geregelt ist. Diese abstrakte Regelung ist doch genau das, worum es an der Stelle geht. Es geht nämlich darum, ein dauerhaftes strategisches Steuerungsinstrument sowohl für den Nachhaltigkeitsfonds als auch für das SIWA – respektive künftig SIWANA – als Investitionsinstrument zu haben. Das ist eine abstrakte Regelung. Wenn Sie nicht in der Lage sind, so eine Frage

abstrakt zu diskutieren, kann ich Ihnen leider auch nicht helfen, Frau Dr. Brinker.

[Frank-Christian Hansel (AfD): Brauchen Sie auch nicht!]

Das Wichtige ist: Wir schaffen tatsächlich strategische Steuerungsfähigkeit, und zwar sowohl im Bereich des Liegenschaftsvermögens, der sogenannten Haldengrundstücke, als auch im Bereich Investitionen. Und dabei gehört es zu den relevanten Dingen, dass das, was auch wir in der letzten Legislaturperiode bei der ersten Errichtung von SIWA als eine interessante, kleinteilige Ansammlung von Spezialzwecken zum Teil wahrgenommen haben, hier gestrichen wird, weil es um das strategische Ziel geht, in diese Stadt zu investieren. Das Skurrile ist, dass uns die einen vorwerfen, wir würden zu viel tilgen, während uns die anderen vorwerfen, wir würden zu wenig tilgen.

[Canan Bayram (GRÜNE): So ist das im Leben!]

Wir könnten uns natürlich einmal mit der Frage beschäftigen, woher diese ganzen Schulden, von denen die CDU behauptet, wir würden viel zu wenig davon abbauen, eigentlich kommen. Das könnte aber gerade für Ihre Fraktion und Partei ein bisschen peinlich werden. Deshalb übergehen wir den Punkt jetzt einmal.

Wenn es um die Frage geht – Frau Dr. Brinker, Sie haben das eingefordert –, wie der tatsächliche Stand des Landes Berlin ist, da kann man nur sagen: etwas unter 60 Milliarden Euro Schulden. Das ist verflucht viel. Genau deswegen ist es aber so wichtig, dass wir uns strategisch mit der Frage beschäftigen: Wie bauen wir das einerseits ab? Und Zweitens: Wie gehen wir endlich jenen Bereich an, der sich in den letzten Jahren – insbesondere den letzten fünf Jahren – leider als eine Form von Schattenverschuldung aufgebaut hat, nämlich der Sanierungsrückstau? Dafür ist das hier das richtige Instrument. Deswegen stehen wir hinter dem Ansatz zu sagen: SIWA weiterentwickeln. Das brauchen wir, damit wir als rotrot-grüne Koalition tatsächlich endlich das angehen können, was unter anderem Sie in den letzten fünf Jahren massiv verschlafen haben.

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN]

Dazu kommt die Sache mit dem Nachhaltigkeitsfonds. Die Kollegen haben es eben schon deutlich ausgeführt. Auch dabei geht es um eine strategische Frage. Vieles von dem, was jetzt auch über die Presse an großen Zahlen aggregiert worden ist – mehr als 1 Milliarde Euro –, ist nicht alles strukturelles Wachstum. Es ist dargelegt worden, dass einiges davon Einmaleffekte sind.

Wir müssen uns jetzt, in dieser Situation fragen: Was können wir aus der positiven Situation, die wir haben, machen, damit wir dann, wenn es diese Einmaleffekte nicht gibt oder wenn wir möglicherweise sogar in eine schlechtere konjunkturelle Lage oder Zinssituation kommen, nicht wieder in das Problem hineinrutschen, z. B. an

(Dr. Kristin Brinker)

der Sanierung, an den Investitionen sparen oder den Restbestand des Tafelsilbers dieser Stadt verhökern zu müssen. Genau das wollen wir nicht, und genau dafür sind SIWANA und SODA als Gesetze da. Ich frage mich, wie man dagegen etwas haben kann, den eingeschlagenen Kurs einer Haushaltskonsolidierung und eine strategische Investitions- und Sanierungsplanung abzusichern. Sie müssen mir im Hauptausschuss noch einmal in aller Ruhe erklären, was dabei Ihr Problem ist. Ich verstehe das nicht. Wahrscheinlich ist die Materie einfach zu abstrakt für Sie, Frau Kollegin.

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Vielen Dank! – Für die FDP-Fraktion hat die Kollegin Meister das Wort.

Sehr geehrte Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das war mir jetzt auch ein bisschen zu abstrakt, liebe Frau Schillhaneck. Ich glaube, so einfach ist es doch nicht mit den beiden Gesetzen. Wir haben uns das genau angeguckt. Ich sage Ihnen ganz ehrlich: Das, was Sie bei SODA hineingeschrieben haben, wirkt für uns vernünftig. Für ein vernünftiges Flächenmanagement macht es Sinn zu wissen, was man an Flächen hält. Es ist auch sinnvoll, dass das Land Flächen zur weiteren Entwicklung vorhält. Das, was mit SIWA oder SIWANA, wie es neuerdings heißt, entsteht, ist noch einmal ein bisschen etwas anderes. Das ist natürlich eine ausgesprochen pfiffige Idee, die Schuldenbremse zu umgehen. Die Schuldenbremse war ja dafür gedacht, dass keine neuen Schulden aufgebaut werden, und sollte die einzelnen Landeshaushalte in eine Ausgabendisziplin zwingen. Das verhindert man jetzt, indem man sozusagen Schachteln innerhalb des Haushalts baut. Es gibt den Haushalt, darin gibt es die Schachtel SIWA und darin wieder die Schachtel Nachhaltigkeitsfonds. Damit ist man für alle Eventualitäten gerüstet.

Frau Schillhaneck hat darauf hingewiesen: Es könnte die Eventualität eintreten, dass sich die Zinsen erhöhen. Diesem Risiko könnten wir einfach entgehen, indem wir einen deutlich höheren Anteil an Schulden tilgen.

[Torsten Schneider (SPD): 60 Milliarden Euro?]

Ich glaube, das wäre wesentlich und wichtig. Der Ansatz, dass die Zinsen so niedrig bleiben, wie sie sind, ist äußerst spekulativ. Natürlich braucht Berlin ganz dringend Investitionen in die Infrastruktur. Ich glaube, da sind wir uns in diesem Haus alle einig. Aber Sie haben ja schlauerweise den Zweck, für den das Geld im SIWA zur Verfügung steht, schon mal gestrichen. Der Kollege Zillich von den Linken hat ausgeführt, dass es natürlich auch noch einmal um eine Eigenkapitalzuführung für die Wohnungsbaugesellschaften gehen kann

[Stefan Ziller (GRÜNE): Und Investitionen!]

und für dieses und jenes und entsprechende politische Prioritäten. Bei dem Nachhaltigkeitsfonds wissen wir bis jetzt nur, dass er sozusagen für schlechte Zeiten ist. Auch der Absatz Kofinanzierung über einzelne Haushaltstitel, was vorher noch nicht so einfach möglich war, wird jetzt sehr viel leichter. Ich bin bei Ihnen, Frau Schillhaneck: Darüber müssen wir im Hauptausschuss noch einmal reden, denn was das mit Haushaltswahrheit und -klarheit und Transparenz zu tun hat, erschließt sich uns noch nicht. – Vielen Dank!

[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei der AfD]

Vielen Dank! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Es wird die Überweisung der Gesetzesvorlage an den Hauptausschuss empfohlen. – Widerspruch höre ich hierzu nicht. Dann verfahren wir so.

Der Tagesordnungspunkt 5 war in Verbindung mit Tagesordnungspunkt 6 Priorität der Fraktion der SPD unter der Nummer 4.6. Der Tagesordnungspunkt 7 war Priorität der Fraktion der CDU unter der Nummer 4.1.

Bevor ich zum Tagesordnungspunkt 8 komme, darf ich Ihnen den Hinweis geben, dass sich die Fraktionen gemäß § 56 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Abgeordnetenhauses darauf verständigt haben, die Sitzung über 19.00 Uhr hinaus durchzuführen und die Tagesordnungspunkte einschließlich des Tagesordnungspunkts 16 zu behandeln. Alle weiteren Tagesordnungspunkte werden vertagt.

Ich komme nun zur

lfd. Nr. 8:

Einführung eines Freiwilligen Polizeidienstes

Antrag der AfD-Fraktion Drucksache 18/0069

Erste Lesung

Ich eröffne die erste Lesung. In der Beratung beginnt die AfD-Fraktion und hier der Kollege Vallendar. – Bitte schön!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Damen und Herren!

Das Bestehen der Freiwilligen Polizei-Reserve ist eine der Antworten auf die von ausländischen Besuchern gestellte Frage, welchen direkten Beitrag die Berliner zur Sicherung der freiheitlichdemokratischen Ordnung ihrer Stadt leisten.

Dieser Satz stammt nicht etwa von mir oder der AfD, sondern von niemand Geringerem als dem ehemaligen

(Anja Schillhaneck)

Regierenden Bürgermeister von Berlin Willy Brandt – 1962. Der Gedanke, die Berliner Polizei für den Ernstfall durch Bürger der Stadt zu verstärken und dadurch zu entlasten, war gegen Ende der Fünfzigerjahre entstanden. Die sowjetische Blockade Berlins, eines der markantesten Ereignisse der Nachkriegszeit, lag zwar schon zehn Jahre zurück, doch hatte sich die ständige Bedrohung der Freiheit der West-Berliner aus dem Osten tief in das Bewusstsein der West-Berliner eingeprägt.

Nun wird erneut die Freiheit der Berliner gefährdet, dieses Mal von islamistischen Terroristen, welche ungehindert durch die verantwortungslose offene Grenzpolitik der Bundeskanzlerin in Deutschland einreisen konnten und nun in größerer Zahl als sogenannte Gefährder unter uns leben. Innensenator Geisel sprach im Innenausschuss von einer hohen abstrakten Gefährdung durch Terrorismus. Diese Gefährdung ist nunmehr ein Dauerzustand, ein Alarmzustand, der die regulären Polizeikräfte, welche den Schutz unserer inneren Sicherheit gewährleisten müssen, an die Grenzen ihrer Belastbarkeit bringt – und das, obwohl die Berliner Polizei schon ausreichend mit der Strafverfolgung und der Gefahrenabwehr belastet ist. In diesem Zusammenhang sei nur auf die sinkende Aufklärungsquote und den hohen Krankenstand verwiesen.

Seit 2001 hatte der damalige rot-rote Senat die Zahl der Polizisten von 18 000 auf 16 160 abgebaut sowie den Freiwilligen Polizeidienst abgeschafft. Unbeholfen bemühte sich der vergangene Senat, diese Schäden innerhalb der Personalkapazitäten der Berliner Polizei wieder auszugleichen. Trotzdem liegen die Planungen im Rahmen des Projektes „Wachsende Stadt“ jetzt erst bei knapp 17 000 Stellen, die bis zum Jahr 2019 geschaffen werden sollen. Das sind immer noch 1 000 weniger als im Jahr 2001 – trotz gestiegener Einsatzbelastung, Kriminalität und Terrorgefahr. Wir benötigen somit schnelle Ergebnisse. Die innere Sicherheit in Berlin kann nicht warten, ob der Berliner Senat aufgrund einer generellen Polizeiphobie weiterhin die Hände in den Schoß legt und unser aller Sicherheit fahrlässig aufs Spiel setzt.

[Canan Bayram (GRÜNE): Wer hat denn Polizeiphobie?]

Nach unserer Gesetzesvorlage hat der Freiwillige Polizeidienst die Aufgabe, die Polizei bei der Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung zu unterstützen und zu entlasten. Zu seinen Aufgaben zählen u. a. die Sicherung und der Schutz von Gebäuden und öffentlichen Anlagen, die Überwachung des Straßenverkehrs, der polizeiliche Streifendienst, die Sicherung öffentlicher Veranstaltungen, der Kurier- und Transportdienst sowie der Innendienst.

Ein Freiwilliger Polizeidienst ist auch keine neue Erfindung, sondern existiert in Deutschland in den Ländern Baden-Württemberg, Bayern, Hessen und Sachsen und existierte bis 2002, wie gesagt, auch in Berlin.

[Benedikt Lux (GRÜNE): Dann ziehen Sie doch dorthin!]