Protokoll der Sitzung vom 09.05.2019

Titelseiten wiederfindet, aber tatsächlich von herausragender Bedeutung für unsere Stadt ist.

Es ist richtig: Letzten Freitag haben Bund und Länder gemeinsam einen großen Schritt nach vorne gemacht und eine wichtige Einigung für die Zukunfts- und Innovationsfähigkeit unseres Landes erzielt. Ja, für die Zukunft unseres Landes und auch für unsere Stadt ist es von großer Bedeutung, was da miteinander verabredet werden konnte: Es geht um die Finanzierungsfragen und Verteilungsmechanismen in diesen drei wichtigen BundLänder-Pakten, und es geht insgesamt bis 2030 um ein Volumen von rund 160 Milliarden Euro. Das sind keine Peanuts, sondern das ist richtig viel Geld im System.

Aber, lieber Herr Kollege Hausmann, ich will es an der Stelle vorsichtig formulieren: Glauben Sie mir bitte, dass parteiübergreifend die Länderminister eine wichtige Rolle gespielt haben, damit es zu dieser Einigung kommen konnte, weil wir nämlich gemeinsam parteiübergreifend – ich betone das – dem Bund in alle Richtungen verdeutlichen konnten, dass der Bund in einer Pflicht ist! Es handelt sich hier um eine nationale Aufgabe, wenn wir darüber reden, wie wir uns in Wissenschaft und Forschung zukunftsfähig aufstellen. Es stimmt: Die Länder und auch das Land Berlin müssen ihren Teil dazu beitragen; sie müssen kofinanzieren, eigene Akzente setzen. Sie haben völlig recht. Aber es geht um einen harten internationalen Wettbewerb, in dem wir uns befinden, und da muss der Bund auch seine Pflicht übernehmen und die Länder unterstützen.

Es geht nicht um einen Wettbewerb zwischen Berlin und München oder zwischen Göttingen und Karlsruhe. Es geht um einen Wissenschaftswettbewerb zwischen Deutschland und Frankreich oder Deutschland und China oder von mir aus der Hauptstädte Berlin und London. Darum geht es, und es ist gut und richtig, dass wir es erreichen konnten, dass der Bund hier sagt: Wir stehen zu unserer Verantwortung und werden langfristig mit den Ländern gemeinsam in Milliardengrößenordnung Wissenschaft und Forschung stärken und Planungssicherheit geben!

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN]

Wissenschaft und Forschung sind tatsächlich aus meiner Sicht die positiven Treiber der gesamten Berliner Entwicklung in den letzten Jahren. Es ist kaum noch etwas von Wissenschaft und Forschung zu trennen. Wenn wir uns mit den Fragen der Stadtentwicklung auseinandersetzen – einer der Kollegen hat es eben schon angesprochen –, wenn wir uns auch mit ethischen Fragen, mit Integrationsfragen auseinandersetzen, wenn wir wollen, dass es wirtschaftlich weiter bergauf geht mit der Stadt – es ist uns in den letzten Jahren gelungen, die Arbeitslosigkeit zu halbieren –, aber wenn wir wollen, dass wir von den 7 Prozent, die wir haben, wegkommen und die

Arbeitslosigkeit deutlich reduzieren können, dann wird das im Wesentlichen nur über Wissenschaft und Forschung gelingen.

Ich sage ganz klar – und da unterscheidet uns tatsächlich viel, Herr Trefzer: Für ein gutes und soziales Zusammenleben in unserer Stadt ist mir in der Bildungspolitik, und zwar von der Kita bis zur Universität, die Gebührenfreiheit wichtig.

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN]

Ja, das ist so! Sie können für alles eine Begründung finden: warum keine Kitagebühren, und warum sollen nicht die Schulbücher bezahlt werden und das Schulessen und natürlich Studiengebühren und, und, und. – Das kann man alles hin und her diskutieren. Aber ich sage es ganz eindeutig: Diese Koalition hat sich dafür entschieden, dass es keinerlei Hürden und Barrieren beim Zugang zu Bildung geben soll, und das beginnt bei der Kita und endet bei der Universität. Das zeichnet diese Stadt aus, und auch deswegen sind wir so ein Magnet und Anziehungspunkt: weil es keine sozialen Hürden gibt, weil wir auf Gebührenfreiheit in der gesamten Bildungskette setzen, und das wird auch so bleiben.

[Beifall bei der SPD und der LINKEN]

Über 250 000 Menschen studieren, forschen, lehren und arbeiten inzwischen an elf staatlichen, gut 30 privaten Hochschulen und über 70 anderen außeruniversitären Forschungseinrichtungen. Berlin ist damit der größte und dynamischste Wissenschaftsstandort Deutschlands. In den vergangenen Jahren hat Berlin mit gut 1,5 Milliarden Euro jährlich mit Abstand am stärksten von all den Verabredungen auf Bundesebene, von den Bund-LänderPakten profitiert.

Wir werden auch vom neuen Pakt für Forschung und Innovation, der mit 120 Milliarden das größte Volumen aufweist, überdurchschnittlich stark profitieren. Es lässt sich noch nicht auf den Cent berechnen, wie sich da die Mittelströme entwickeln werden, aber für Berlins außeruniversitäre Forschung und ihre Entwicklung in unserer Stadt ist das Ergebnis dieser Verhandlungen von herausragender Bedeutung und sehr gut: Die bisherige jährliche dreiprozentige Dynamisierung bleibt erhalten und wird künftig von Bund und Ländern gemeinsam getragen. Wir haben diese Forderung des Bundes durchaus unterstützt, weil sie für unsere außeruniversitären Forschungseinrichtungen wichtig war und ein klares Bekenntnis zu einer nachhaltigen und verlässlichen Forschungsfinanzierung darstellt. Diesen Ansatz haben wir im Übrigen auf Landesebene bereits im vergangenen Jahr mit der 3,5prozentigen Dynamisierung der Hochschulfinanzierung umgesetzt und damit auch bundesweit ein deutliches Signal gesetzt.

Der zweite Pakt, bei dem wir eine Einigung erzielt haben, ist die Fortführung und Neuausrichtung des Quali

(Regierender Bürgermeister Michael Müller)

tätspakts Lehre. Dieser wird ab 2021 als Pakt für Innovation in der Hochschullehre mit insgesamt 150 Millionen Euro weitergeführt.

Der dritte Pakt mit dem Bund ist der Hochschulpakt, der ab 2021 als „Zukunftsvertrag Studium und Lehre stärken“ mit 1,88 Milliarden Euro jährlich weitergeführt wird, ab 2024 auf 2,05 Milliarden Euro anwächst und ab 2027 zwischen Bund und Ländern neu verhandelt wird. Ich glaube, auch das ist eine gute und wichtige Entscheidung gewesen, dass wir 2027 die Chance haben, neue Entwicklungen aufzunehmen und mit dem Bund in Verhandlungen eintreten zu können, wo wir welchen Akzent setzen wollen und wie wir es ausstatten wollen. Die Übereinkunft bei der Hochschulpaktnachfolge ist also ein großer Erfolg für alle, insbesondere auch für Berlin.

Berlin hat einen großen Anteil daran, dass die bisherigen Ziele zur Schaffung zusätzlicher Studienplätze in Deutschland erreicht werden konnten. Auch da ein kurzer Hinweis – ich glaube, Herr Trefzer hat es angesprochen – auf den Bericht des Rechnungshofs: Das muss man einordnen. Der Rechnungshof bezieht sich auf einen Betrachtungszeitraum von 2004 bis 2013. Der Hochschulpakt hat überhaupt erst 2007 begonnen, und man muss bei den Studienplätzen auch einmal sehen, was Berlin hier geleistet hat, und die Summen umrechnen: Wir haben alleine seit 2010, also in den letzten acht, neun Jahren, über 60 000 zusätzliche Studienplätze in unserer Stadt eingerichtet und finanziert. Das ist eine riesige Leistung, die diese Stadt im Übrigen für das ganze Land erbracht hat, um es einmal klar zu sagen. Das war gut angelegtes Geld, aber auch das muss man berücksichtigen, wenn man solche Berichte wie die des Bundesrechnungshofs anguckt.

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN]

Deswegen sage ich auch, dass die Pauschale für die Stadtstaaten richtig ist. Wir sind ein besonderer Anziehungspunkt für die Studierenden, und wir – darüber freue ich mich tatsächlich – profitieren von dieser Stadtstaatenregelung, die wir haben, bis 2027 in einer Größenordnung von knapp 200 Millionen Euro – und damit weit mehr als Hamburg und Bremen. Durch die Verstetigung des Paktes wird der Bund sich nun dauerhaft an der Finanzierung der Hochschulen beteiligen und einsteigen. So erhalten die Hochschulen bei den Bundesmitteln eine höhere Planungssicherheit für die Schaffung weiterer unbefristeter Stellen.

Auch, wenn es nicht gelungen ist, die Dauerstellen in den Verhandlungen stärker zu verankern und wir das nicht umsetzen konnten, so besteht seitens der Länder die Möglichkeit, diesbezüglich eine Selbstverpflichtung zu formulieren. Das werden wir selbstverständlich auch in Berlin tun. Denn damit folgen wir konsequent unserer erklärten Linie: Berlin ist Vorreiter für gute Beschäftigung und Karrierechancen in der Wissenschaft. Gute Arbeitsbedin

gungen und zeitgemäße Personalstrukturen sind wichtige Grundvoraussetzungen, um die Dynamik im Berliner Wissenschaftsraum zu fördern und unsere Attraktivität in einem zunehmend internationalen Wettbewerb um die besten Köpfe zu sichern.

Durch die Hochschulverträge von 2018 bis 2022 mit insgesamt 760 Millionen Euro Budgetsteigerung haben wir unseren Hochschulen – auch das noch einmal in Richtung Bundesrechnungshof und zu der Frage, was Berlin geleistet hat – bereits notwendige Planungssicherheit gegeben und Mindestquoten, auch für dauerhafte Beschäftigungs- und Karriereperspektiven, vereinbart. Wir haben neue Karrierewege für Professorinnen und Professoren gesetzlich abgesichert und auch die Mindestvergütung von Lehrbeauftragten deutlich erhöht. Der bundesweit einmalige Berliner Tarifvertrag für studentische Beschäftigte wurde erhalten und ausgebaut. Das Tarifergebnis ist bundesweit Vorbild.

Auch im Kontext der Hochschulmedizin verfolgen wir den Anspruch auf gute Arbeit, sei es mit der Überführung der Charité Facility Management in öffentliches Eigentum oder mit der Verbesserung der Arbeitsbedingungen und der Integration des Charité Physiotherapie- und Präventionszentrums oder beim selbstverständlichen Verzicht auf sachgrundlose Befristungen im Bereich von Wissenschaft und Gesundheit in unserer Stadt.

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN]

Das sollte überall – bundesweit – Standard sein.

Ich hoffe, Sie sehen durch diese Dinge, die jetzt neu verabredet wurden, und durch das, was wir schon gemacht haben in unserer Stadt, dass wir voll auf Wissenschaft und Forschung setzen, weil wir fest davon überzeugt sind, dass wir darin – vielleicht neben der Kultur – eine weitere zentrale Säule für die Attraktivität und dynamische Entwicklung unserer Stadt haben.

Natürlich ist es auch wichtig, sich die Infrastruktur anzugucken. Mit der Investitionsoffensive für die Wissenschaft haben wir bereits rund 2 Milliarden Euro für Bau und Sanierung bereitgestellt, und werden diesen Bereich auch künftig stärken. Dass andere unserem Beispiel folgen und auf Berlin setzen, zeigt etwa auch die Entscheidung des Bundestages, das Museum für Naturkunde – eine Leibnitz-Institution, eine Wissenschaftsinstitution – als eine Wissenschaftseinrichtung mit 330 Millionen Euro bei der Sanierung zu unterstützen. Das macht der Bund doch nur dann, wenn er sieht, dass Berlin eigene Anstrengungen unternimmt und sich diese Investitionen in Wissenschaft und Forschung in Berlin auch lohnen.

An dieser Stelle sage ich ein großes Dankeschön an die Bundesebene, an die Abgeordneten insbesondere der Koalition, die mit diesen riesigen Summen die Berliner Wissenschafts- und Forschungspolitik mit unterstützen.

(Regierender Bürgermeister Michael Müller)

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN]

Es ist großartig zu sehen, wie Berlin national und international als Wissenschaftsstadt wahrgenommen wird, und wie darüber auch Investitionen in unsere Stadt kommen und neue Arbeitsplätze entstehen. Das renommierte britische Times Higher Education Ranking attestiert Berlin zusammen mit Städten wie London, Paris oder Boston – in dieser Liga spielen wir inzwischen bei Wissenschaft und Forschung – die höchste Dichte an herausragenden Hochschulen.

[Georg Pazderski (AfD): Shanghai-Ranking!]

Das Ranking-Pendant von Reuters sieht unsere Universitäten unter den innovativsten in ganz Europa. Es ist ein internationaler Bereich, über den wir hier reden. Inzwischen kommt in Berlin jeder dritte neu eingeschriebene Studierende aus dem Ausland. Insgesamt haben wir in Berlin inzwischen fast 200 000 Studierende praktisch aus der ganzen Welt. Die Stadt ist ein Magnet für junge Talente, für Studierende, aber genauso für Spitzenforscherinnen und Spitzenforscher. Die Oxford-Universität plant nicht nur, sondern setzt jetzt eine Niederlassung ihrer renommierten Institution hier in Berlin konkret um. Die zwei weltgrößten privaten Stiftungen in der Gesundheitsforschung – die Bill & Melinda Gates Foundation und der Wellcome Trust – haben ihre Dependancen bereits an der Spree eingerichtet. Vor wenigen Jahren war es noch undenkbar, dass solche internationalen Institutionen nach Berlin kommen.

Kolleginnen und Kollegen von der AfD! An dieser Stelle einmal ein deutlicher Hinweis: Es war bei der Rederunde eben schon schwer zu ertragen,

[Georg Pazderski (AfD): So ist halt Politik!]

dass wir uns von Ihnen anhören mussten, wie wir hier Wissenschaft und Forschung, wie wir die Wissenschaftsfreiheit einschränken. – Genau das Gegenteil ist der Fall.

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN]

Diese internationalen Stiftungen, diese Ansiedlungserfolge von Oxford, einzelne herausragende Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus der ganzen Welt kommen gerade deshalb nach Berlin, weil sie hier frei arbeiten und forschen können,

[Zuruf von Frank-Christian Hansel (AfD)]

weil sie hier keine Restriktionen erfahren. – Dass Sie uns und diesen Standort in einen Topf werfen mit dem Agieren von Putin, Orbán, Erdoğan und anderen, das ist unerträglich, und es schadet der Stadt. Auch das muss Ihnen einmal bewusst sein.

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN – Zuruf von Martin Trefzer (AfD)]

Gerade weil es hier ein freies Leben, aber auch Arbeiten und Forschen gibt und das möglich ist, folgen innovative Unternehmen und technologiebasierte Start-ups diesem Sog. Für sie bietet die Berliner Wissenschaft ein ideales Umfeld mit einem großen Pool an bestausgebildeten Absolventinnen und Absolventen, mit vielen Impulsen aus der Grundlagenforschung und Kooperationsmöglichkeiten in der angewandten Forschung. Technologietransfer und Ausgründungen aus unseren Hochschulen spielen mit Tausenden neu entstandenen Arbeitsplätzen und Milliardenumsätzen für das wirtschaftliche Wachstum unserer Stadt in den letzten Jahren eine zentrale Rolle.

Für mich ist ganz klar: Ohne unsere Wissenschaftslandschaft wäre Berlin auch nicht die europäische Start-upHochburg,

[Frank-Christian Hansel (AfD): Ist sie ja nicht mehr!]

und es wäre uns nicht gelungen, die Arbeitslosigkeit zu halbieren. Für die großen und etablierten Unternehmen spielt das inzwischen auch eine Rolle. Beide brauchen sich gegenseitig: die kleinen, jungen, flexiblen, die Startups – und die großen, etablierten Unternehmen. Sie brauchen und befruchten einander, und sie beflügeln sich gegenseitig in ihren Aktivitäten.

Dass Siemens nach Berlin gekommen ist, sich für Berlin entschieden hat mit dieser neuen Investition von 600 Millionen Euro, hängt mit diesem Wissenschaftsstandort zusammen. Sie kommen doch nicht im Ernst nur deshalb, weil sie hier Flächen haben. Ein solcher Großkonzern hat auf der ganzen Welt Flächen, und wird von allen umworben, sondern sie kommen deshalb, weil sie hier eine Zukunftsperspektive für ihren Konzern sehen. Zukunft wird verkörpert von dem wissenschaftlichen Umfeld, von den Studierenden, von den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern.

[Frank-Christian Hansel (AfD): Aber nicht von R2G!]

Deswegen kommen sie. – Das wird auch verkörpert von der Politik,

[Frank-Christian Hansel (AfD): Trotz Ihrer Politik, nicht wegen – das ist die Wahrheit!]

die das mit ermöglich hat. – Ein dümmlicher Zwischenruf ist das, immer zu sagen, alles passiert trotz der Politik. – Nein! Die Politik hat gemeinsam mit Wissenschaft und Forschung die Grundlagen geschaffen. Sie sind auch die Politik! Mit Ihren Haushaltsentscheidungen treffen Sie auch wichtige Entscheidungen für Wissenschaft und Forschung. Wie kann man sich denn immer selbst klein- und herunterreden! Die Politik trägt auch eine positive Verantwortung für diese positive Entwicklung