Protokoll der Sitzung vom 15.08.2019

Wenn es nach Ihnen ginge, dann würden wir die Mieterinnen und Mieter komplett ihrem Schicksal überlassen, dann würde ich Ihnen sagen – –

Meine Herren! Frau Schmidberger hat das Wort. Versuchen Sie doch nicht, sich hier gegenseitig zu überschreien!

Ich kann Ihnen nur sagen, es gibt ganz einfache Gründe. Herr Schindler – ich sage es noch einmal – war nie aktiv, hat nichts mit der Geschäftspolitik zu tun, sondern war immer einfaches Mitglied, auch wenn das jetzt nicht so in Ihre Vorstellung passt.

Weil Sie jetzt so krass ausgeteilt haben, Herr Evers, ich wollte es eigentlich nicht machen, tue es aber trotzdem: Zum Thema Seriosität, Filz und Seilschaften würde ich

(Stefan Evers)

Sie gerne einmal mit einem anderen Punkt konfrontieren, weil wir schließlich alle den Anspruch an uns selbst haben, dass wir nicht mit zweierlei Maß messen und vor unserer eigenen Haustür kehren. Dann erklären Sie mir doch einmal, wie es zustande kommt, dass Anfang des Jahres bekannt wurde, dass die CDU 2016 und 2017 drei Spenden über je 20 000 Euro von einem niederländischen Investor bekommen hat, der laut „Berliner Zeitung“ in Lichtenberg bauen möchte, mit dem seriösen Namen Cash-Flow 931.

[Beifall bei den GRÜNEN der LINKEN und – der SPD]

Es war auch noch in der Presse zu lesen, dass sich CDUler vor Ort sogar für eine Beschleunigung des Vorhabens eingesetzt haben sollen. Soweit vor ein paar Monaten übrigens zu hören war, ermittelt die Korruptionsbeauftragte. Vielleicht sollten Sie sich lieber einmal an die eigene Nase fassen, wenn es um Forderung nach Transparenz und Solidität geht, anstatt hier haltlose Vorwürfe einer Genossenschaft gegenüber zu konstruieren.

[Beifall bei den GRÜNEN der LINKEN und – der SPD]

Am Schluss möchte ich noch einmal einen Punkt anbringen, Herr Evers, das meine ich jetzt ganz ernst politisch:

Frau Schmidberger! Kommen Sie bitte zum Ende. Auch die Kurzintervention ist zeitlich begrenzt.

Ja! – Überlegen Sie sich einmal, was Ihr Angebot für die Berliner Mieterinnen und Mieter in einer solchen Situation ist. Überlegen Sie sich das einmal.

[Beifall bei den GRÜNEN der LINKEN und – der SPD – Zuruf von Paul Fresdorf (FDP)]

Auch wenn es anders scheint, es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Die antragstellende Fraktion hat die sofortige Abstimmung beantragt.

Zunächst lasse ich über den Änderungsantrag der AfDFraktion Drucksache 18/2083-1 abstimmen. Wer dem Änderungsantrag der AfD zustimmen möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. – Das sind die AfDFraktion und die fraktionslosen Abgeordneten. Wer stimmt gegen diesen Änderungsantrag? – Das ist die Koalition und die CDU. Wer enthält sich der Stimme?

[Zuruf: Niemand!]

Niemand? – Okay. Dann war das nicht sehr deutlich. Ich bitte Sie, auch wenn es schon spätere Stunde ist, es

etwas deutlicher anzuzeigen. Unabhängig davon ist der Änderungsantrag abgelehnt.

Nun lasse ich über den Änderungsantrag der Fraktion der CDU Drucksache 18/2083-2 abstimmen. Wer dem Änderungsantrag zustimmen möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. – Das sind die Fraktion der CDU, die Fraktion der FDP, die AfD-Fraktion sowie die fraktionslosen Abgeordneten. Wer stimmt gegen diesen Antrag? – Das ist die Koalition. Damit ist dieser Änderungsantrag abgelehnt.

Schließlich lasse ich über den ursprünglichen dringlichen Antrag der CDU-Fraktion Drucksache 18/2083 abstimmen. Wer diesem Antrag zustimmen möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. – Das sind die Fraktionen der CDU, der FDP, der AfD sowie die fraktionslosen Abgeordneten. Wer lehnt diesen Antrag ab? – Das ist die Koalition. Damit ist auch dieser Antrag abgelehnt.

[Beifall bei den GRÜNEN]

Ich rufe auf die

lfd. Nr. 3.5:

Priorität der Fraktion Die Linke

Tagesordnungspunkt 46

Bundesratsinitiative zur Einführung eines Mindestprüfungsintervalls für Steuerprüfungen bei Steuerpflichtigen mit besonderen Einkünften

Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion Die Linke und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drucksache 18/1992

Meine Herren! Ich würde Sie darum bitten, die Geräuschkulisse nach unten zu dämpfen und Gespräche, die nicht notwendig sind, nach draußen zu legen, damit wir in der Tagesordnung fortfahren können. – Vielen Dank!

In der Beratung beginnt die Fraktion Die Linke. Es hat das Wort Herr Abgeordneter Schlüsselburg! – Bitte schön!

Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Sehr geehrte Damen und Herren! Werte Gäste! Bei unserer Priorität geht es heute um zwei Dinge, um Steuergerechtigkeit und um die solidarische Finanzierung unserer Gesellschaft. Was ist das Problem? Der Bundesrechnungshof hat bereits im Jahr 2006 bemängelt, dass die Prüfquote bei den sogenannten Einkommensmillionären damals nur bei 15 Prozent gelegen hat. „Einkommensmillionäre“ ist noch ein Begriff aus DM-Zeiten, das bedeutet heute Menschen mit bedeutenden Einkünften oberhalb von 500 000 Euro aus nichtselbstständiger Arbeit, aus Vermietung, Verpachtung und anderen Quellen. Bundesweit, so die Zahlen, gab es 2010 noch 1 838 Prüfungen. Dabei sind immerhin

(Katrin Schmidberger)

404 Millionen Euro an Steuermehr- und Zinseinnahmen zusammengekommen. 2017, so die aktuellsten Zahlen vom Bundesfinanzministerium, sah die Welt anders aus. Es waren noch 1 100 Prüfungen, und es kamen nur noch 266 Millionen Euro an Mehreinnahmen herum.

Medienrecherchen, die das Thema aufgegriffen haben, haben ergeben, dass ein Einkommensmillionär bundesweit im Schnitt einmal alle sieben Jahre geprüft wird. Das ist nicht hinnehmbar, und zwar aus zwei Gründen. Erstens ist es ungerecht gegenüber den normalen Steuerzahlern, denen monatlich centgenau die Lohnsteuer abgezogen wird, und zweitens führt es dazu, dass dem Staat jährlich Millionen Euro entgehen, um Schulen, Krankenhäuser, in Verkehr, sozialen Wohnungsbau oder die Feuerwehr zu investieren.

[Beifall bei der LINKEN und der SPD – Beifall von Anja Kofbinger (GRÜNE)]

Was können wir dagegen tun? – Wir können zwei Sachen dagegen tun. Erstens: Wir können freiwillig unsere Prüfpraxis verbessern. Wie ist die Lage in Berlin? Die Zahl der Einkommensmillionäre auch in unserer Stadt steigt. 2007 hatten wir noch 360 in Berlin, 2019 waren es 749, eine Zunahme von 108 Prozent. Bei den Zahlen der Prüfungen ist es durchwachsen. 2011, am Ende der rot-roten Koalition, hatten wir immerhin noch 67 Prüfungen mit 3,3 Millionen Euro Steuermehr- und Zinseinnahmen. 2016, am Ende der großen Koalition, waren es nur noch elf Prüfungen und nur noch 837 000 Euro Einnahmen. Pikant dabei: Die Prüfungen in Steglitz-Zehlendorf, dem Millionärinnen- und Millionärsbezirk sind in dieser Wahlperiode stark zurückgegangen, von 19 unter Rot-Rot auf nur noch zwei unter der großen Koalition. Das war auch nicht hinnehmbar. Deswegen hat Rot-Rot-Grün hier die Trendwende eingeleitet. 2017 haben wir die Prüfung auf 67 hochgefahren, 2018 immerhin noch auf 51. Allein im letzten Jahr haben wir dadurch 23,5 Millionen Euro an Mehreinnahmen generiert.

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN]

Damit man einmal ein bisschen plastisch macht, was das bedeutet, 23,5 Millionen Euro – wir hatten heute die Aktuelle Stunde zur Bildungspolitik –: Davon könnten wir etwa 293 Lehrerinnen und Lehrer für ein Jahr bezahlen, um das einmal ins Verhältnis zu bringen. Darunter waren übrigens 21 Millionen Euro bei elf Prüfungen in Prenzlauer Berg. Ich beglückwünsche das Finanzamt Prenzlauer Berg. Es ist für mich das Finanzamt des Jahres 2018. Die haben genau hingeguckt und haben den Großteil hereingeholt. Herzlichen Dank für Ihre Arbeit!

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN]

Ich habe auch den Durchschnitt abgefragt. Wir müssen als Politiker Entscheidungen aufgrund von Zahlen treffen. Da helfen auch Durchschnittszahlen. Von 2006 bis 2016 haben wir knapp 90 000 Euro Mehreinnahmen pro Prüf

fall gehabt. Es zeigt, das Prüfen lohnt sich. Wenn wir mehr prüfen, werden wir auch mehr finden.

Ich möchte an dieser Stelle dem Finanzsenator Herrn Kollatz einen Vorschlag machen. Wir haben letztes Jahr sehr gute Erfahrungen mit Ihrer Schwerpunktprüfung im Bereich Mehrwertsteuerehrlichkeit im Gastronomiebereich gemacht. Ich fände es super, wenn wir im letzten halben Jahr dieses Jahres und im nächsten Jahr einen Schwerpunkt auf die Einkommensmillionäre legten.

Jetzt komme ich zu unserem Vorschlag. Allein die Prüfpraxis zu erhöhen, reicht nicht. Wir müssen neben den eigenen Anstrengungen auf Bundesebene die Abgabenordnung ändern. Warum? Wir müssen es deswegen tun, weil bisher nur dann die Außenprüfungen stattfinden, wenn Anhaltspunkte bestehen. Offensichtlich reichen die nicht aus, um eine lückenlose Prüfung vorzunehmen. Insofern schlagen wir die Änderung der Abgabenordnung vor. Wir wollen ein Mindestprüfungsintervall von drei Jahren einführen. Wir haben das durch den Wissenschaftlichen Dienst des Deutschen Bundestages auch prüfen lassen. Das Ergebnis ist, dass unser Vorschlag grundrechtlich zulässig ist und im Übrigen auch verhältnismäßig. Ich zitiere mit Erlaubnis der Präsidentin aus dem Gutachten:

Die Außenprüfung ist für die Steuerverwaltung bei den Einkommensmillionären die nahezu einzige Möglichkeit, um einen effizienten und gleichmäßigen Steuervollzug durchsetzen zu können.

In diesem Sinne freue ich mich auf die Beratung im Ausschuss und ich hoffe auf die Zustimmung von CDU und FDP nicht nur in diesem Haus, sondern auch im Bundesrat und im Bundestag. Wir schlagen hier kein sozialistisches Experiment vor, keine Millionärssteuer, sondern einfach nur, dass das Steuerrecht für alle gilt. – Vielen Dank!

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN]

Für die Fraktion der CDU hat das Wort Herr Abgeordneter Goiny. – Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Antrag ist in der Tat bemerkenswert, weil er nämlich mit einem völlig falschen Instrument vorgeht. Unser Hauptproblem ist nicht, dass wir eine Bundesratsinitiative dafür brauchen, sondern dass wir in Berlin – ich habe das vorhin schon angesprochen – Finanzbeamtinnen und Finanzbeamte dafür brauchen. Wir haben das vor einigen Wochen im Hauptausschuss relativ ausführlich diskutiert. Die Koalition war nicht willens, die Vertreter

(Sebastian Schlüsselburg)

der deutschen Steuergewerkschaft im Ausschuss anzuhören. Sie haben trotzdem sehr ausführlich dargelegt, wie die Personalsituation bei den Finanzämtern aussieht. Solange Sie das mit dem vorliegenden Haushaltsentwurf nicht ändern – und im Haushaltsentwurf ist dazu nichts enthalten –, werden Sie die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht haben, die diese Prüfungen am Ende des Tages vornehmen, übrigens nicht nur in diesem Bereich, sondern auch in anderen Bereichen nicht. Sie können in den Tabellen und Unterlagen, die wir dazu haben, nachlesen, wie die Personalabgänge sind und wie der Neueinstellungsbedarf ausfällt. Solange Sie nicht mal in der Lage sind, die Ausbildung der Finanzbeamtinnen und Finanzbeamten in Königs Wusterhausen so zu organisieren, dass es für die angehenden Kräfte in Berlin attraktiv ist, diesen Beruf zu ergreifen – und da reden wir noch nicht mal von der besoldungsrechtlichen Benachteiligung, die Landesbeamte in Berlin insgesamt haben –, werden Sie das Personal gar nicht bekommen, um dieser Aufgabe auch nur annähernd gerecht zu werden, übrigens auch nicht in anderen Steuerbereichen.

Ich darf mal ganz aktuell eine Zahl vom heutigen Tag nennen. Heute wurden die neuen Steueranwärterinnen und -anwärter eingestellt; sie haben ihre Urkunden bekommen. 170 Stellen sind zu besetzen. Die waren auch eigentlich besetzt. Erschienen sind heute aber nur noch 167 Personen. Man will ja auch die Bestenauslese vornehmen, aber wissen Sie, wie Sie die 167 überhaupt voll bekommen haben? – Indem Sie alle, inklusive jener der Nachrückerliste, eingestellt haben. Da ist gar keiner mehr!

[Benedikt Lux (GRÜNE): Ist das jetzt für oder gegen den Antrag?]