Protokoll der Sitzung vom 26.09.2019

[Allgemeiner Beifall]

Nun haben wir einen neuen Vorstandsvorsitzenden, Herrn Kroemer, dem ich an dieser Stelle viel Glück und eine gute Hand für die Aufgabe wünsche, die vor ihm liegt.

Wir spüren die große Verantwortung, die wir haben, wenn wir für diese Charité eine Gesetzesnovelle verabschieden, eine große Verantwortung für all diese Menschen, für den Erfolg, der auch für die wirtschaftliche Bedeutung dieser Stadt und ihre Zukunft eine große Rolle spielt. Allerdings, muss ich sagen, scharfe Kritik, wie sie soeben vom Kollegen Grasse behauptet wurde, habe ich in dieser Anhörung nicht vernommen. Natürlich hatten wir dort die verschiedenen beteiligten Interessen gehört. Wir haben dort die Klinik, wir haben die Fakultät, wir haben einen Vorstand, einen Aufsichtsrat, wir haben Studierende, Personalräte, Pflegekräfte, Ärzte, und natürlich gibt es in einem so großen Organismus unterschiedlich gelagerte Interessen. Natürlich haben alle in dieser Anhörung noch mal für ihre Interessen das Wort ergriffen und sehr kompetent vorgetragen, warum sie glauben, dass vielleicht in diesem Gesamtkonstrukt ihre Interessen noch etwas stärker bedient werden könnten.

Unser Ziel als Politik ist es an dieser Stelle, die Universitätsmedizin zukunftsfähig aufzustellen und den bestmöglichen Interessenausgleich zu finden, damit die notwendigen Entscheidungen in gebotener Zeit getroffen werden können, aber unter Berücksichtigung allen Wissens, aller Interessen, die dort zu Gehör gebracht werden können, damit die Entscheidungsträger am Ende möglichst alle Informationen haben, um die bestmögliche Entscheidung zu treffen.

Das hat uns auch, darauf hatte der Kollege Schulze schon hingewiesen, veranlasst zu sagen: Ja, ein Rederecht für Studierende, die eine ganz wesentliche Aufgabe dieser Einrichtung sind, diese Menschen bestmöglich auszubilden! Dafür haben sie auch Preise bekommen und stehen sie auf Platz 1. Es sollte auch im Aufsichtsrat möglich sein, anzuhören, was vorgebracht wird, um diese Institution auch in der Lehre vielleicht noch besser zu machen. Wir gehen davon aus, dass die Studierenden von diesem neuen Recht maßvoll Gebrauch machen werden und die Entscheidungen des Aufsichtsrats dadurch noch etwas besser sein können, weil er über noch mehr Informationen verfügt.

[Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN – Beifall von Iris Spranger (SPD)]

Das Gleiche gilt auch für die Frage, wer im Vorstand vertreten sein muss. Wir haben ganz bewusst gesagt, wir brauchen in diesen Zeiten, wo die Pflege ganz anders in den Fokus rückt, auch in der gesamtgesellschaftlichen Debatte, wo es um Akademisierung von Pflege geht, wo es um Pflegenotstände und Personalentwicklung geht, eine starke Stimme auch im Vorstand, die für die Pflegeentwicklung und die Personalentwicklung zuständig ist und nicht als Interessenvertretung einer Gruppe, sondern für die Entwicklung, für die Zukunftsfähigkeit auch dieses Bereichs dasteht. Wir wissen heute auch noch viel besser als früher, wie wichtig Pflege für den Heilerfolg ist und dass bei dem Gesamtheilerfolg immer sowohl die medizinische Versorgung als auch die pflegerische Leistung in den Blick gebracht werden müssen.

Deshalb haben wir uns entschieden, eben dieses Vorstandskonstrukt zu wählen, weil wir glauben, dass neue Zeiten und neue Herausforderungen – wir denken an das große Thema Digitalisierung bei Wahrung der Sicherung der Patientendaten – eine neue Aufstellung brauchen. Wir glauben, wir haben den bestmöglichen Weg gefunden, alle Interessen möglichst zum Erfolg der Institution unter einen Hut zu bringen. – Vielen Dank!

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN]

Für die Fraktion der AfD hat jetzt das Wort der Abgeordnete Trefzer. – Bitte schön!

Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Meine Damen und Herren! Ausgangspunkt der Novellierung des Universitätsmedizingesetzes ist ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 2014 zur Medizinischen Hochschule in Hannover, in dem eine verstärkte Mitwirkung von Wissenschaftlern in der Universitätsmedizin vorgeschrieben wird. Es steht außer Frage, dass durch das Urteil eine Gesetzesnovellierung notwendig wurde. Die Frage, die

(Dr. Ina Maria Czyborra)

sich aber stellt, ist, was erforderlich ist, um diesem Urteil gerecht zu werden, und was es eben nicht ist.

In der Anhörung wurde deutlich, dass sich Partizipation und Handlungsfähigkeit in einem Spannungsverhältnis befinden, um es einmal vorsichtig auszudrücken. Man könnte auch sagen, dass im Konfliktfall mit der neuen Regelung die Gefahr besteht, dass sich die Charité selbst blockiert. Das wollen wir auf jeden Fall vermeiden.

Was wir kritisieren an der Novelle, ist nicht zuletzt die Entmachtung des Dekans. Mit der Streichung von § 15 Abs. 1 wird dem Dekan die Verantwortung für den Teilwirtschaftsplan Forschung und Lehre entzogen und dann dem neu vorgesehenen Vorstandsmitglied für Finanzen überantwortet. Eine Stärkung der Wissenschaft ist darin jedenfalls nicht zu erkennen. Deshalb wollen wir, dass der Dekan weiter für seinen Bereich zuständig bleibt.

[Beifall bei der AfD]

Befremdlich finden wir auch den Änderungsantrag der Koalition zu § 12. Dort heißt es:

Der Vorstand entscheidet mit Mehrheit, bei Abweichung von der Unternehmenspolitik jedoch nicht gegen die Stimme des Vorstandsvorsitzenden.

Dazu kann man nur sagen, Unternehmenspolitik ist kein rechtlich fassbarer Begriff. Sie öffnen mit diesem Gummiparagrafen Diskussionen darüber, was eine Abweichung von der Unternehmenspolitik eigentlich bedeutet, und werden auch damit zur Lähmung des Vorstandes beitragen.

Diesen Defiziten haben wir in unseren Änderungsanträgen im Ausschuss Rechnung getragen. So schlagen wir beispielsweise die Beibehaltung des bewährten dreiköpfigen Vorstands vor. Ein schlagkräftiger Vorstand, so argumentierte Prof. Einhäupl ganz zu Recht – Sie haben es erwähnt, Herr Grasse –, sei wichtig für den Erfolg gewesen, den die Charité in der letzten Dekade gehabt hat. Je mehr Leute mitentscheiden, desto schwieriger wird es am Ende, Entscheidungen zu treffen.

[Beifall bei der AfD]

Unser Änderungsantrag trägt dieser Kritik Rechnung und sichert die bewährte Zusammensetzung aus drei Vorstandsmitgliedern.

Ein besonders heikles Thema ist für uns die Stellung des Dekans, der durch die Novellierung des Gesetzes eine Entmachtung erfahren würde. Prof. Dr. Joachim Spranger, Prodekan für Studium und Lehre der Charité Universitätsmedizin, thematisierte in der Anhörung die Stellung des Dekans im Vergleich zum Finanzvorstand und konstatierte zu Recht, dass die Balance verrückt werde. Treffend stellte er fest, dass nach der Senatsvorlage der Finanzvorstand letztlich für alle Budgets verantwortlich sei. Dagegen forderte Spranger, dass die Position des Dekans

gestärkt wird, indem man weiterhin die Verantwortung für Budgetfragen und auch Personalfragen bei ihm belässt. Auch Bernd Marquardt, Vorsitzender des Gesamtpersonalrats der Charité, forderte in der Anhörung, es müsse der Dekan weiterhin für den Teilwirtschaftsplan der Fakultät und das wissenschaftliche Personal voll verantwortlich sein und bleiben. Sie haben diese Mahnrufe nicht erhört. Wir haben diese Forderung aufgegriffen und dem entsprechend in unserem Änderungsantrag zu § 13 Abs. 11 voll Rechnung getragen.

Ein weiterer kritischer Punkt ist § 17a, mit dem als neues Organ eine beratende Klinikumskonferenz implementiert werden soll, die sich aus Vertretern des Universitätsklinikums und der Beschäftigtenvertretungen zusammensetzen soll. Die Klinikumskonferenz, das ist keine Frage, war ein kontroverses Thema der Anhörung. Unseres Erachtens hat Herr Prof. Einhäupl zu Recht gefragt, ob man diese Klinikumskonferenz überhaupt braucht, denn eine Klinikumskonferenz birgt zweifelsohne die Gefahr, den Fakultätsrat zu schwächen und Partikularinteressen einzelner meinungsstarker Klinika überzugewichten. Mit einer Klinikumskonferenz besteht das Risiko, dass sich Partikularinteressen verselbständigen, ohne das Gesamtinteresse im Blick zu halten. Die Etablierung einer offiziellen Klinikumskonferenz würde das Spannungsverhältnis, von dem die Rede war, zwischen Partizipation und Handlungsfähigkeit auf jeden Fall mehr verschärfen als die Problematik erleichtern. Aus diesem Grund soll aus unserer Sicht auf die Klinikumskonferenz überhaupt verzichtet werden.

Als Fazit bleibt festzuhalten, dass es uns darum geht, die Charité auch in Zukunft handlungsfähig zu halten. Die wesentlichen Änderungen der Gesetzesnovelle beeinträchtigen allerdings aus unserer Sicht die Handlungsfähigkeit der Charité und gehen weit über das Karlsruher Urteil zur Medizinischen Hochschule Hannover hinaus, und zwar ohne erkennbaren Grund. Wir wollen eine Stärkung der Wissenschaft, so wie es das Karlsruher Urteil fordert, aber nicht auf Kosten der Handlungsfähigkeit der Charité.

[Beifall bei der AfD]

Aus diesem Grund lehnen wir die Gesetzesänderung in der vorliegenden Form ab. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

[Beifall bei der AfD]

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat jetzt das Wort Frau Abgeordnete Pieroth-Manelli. – Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Nach dieser mitreißenden Rede habe ich es jetzt ein bisschen schwer.

(Martin Trefzer)

[Lachen von Katrin Schmidberger (GRÜNE)]

Die Berliner Charité, da schließe ich mich fast all meinen Vorgängerinnen an, ist Exzellenz hoch zwei, Exzellenz in der Daseinsvorsorge, das betone ich hier auch noch einmal, und Exzellenz in Forschung und Lehre.

Sie ist ein wahrer Schatz, den es zu bewahren gilt. An dieser Stelle möchte ich mich auch für uns Grüne in diesem Zusammenhang bei dem neuen Vorstandsvorsitzenden Herrn Prof. Kroemer und seinem ganzen Vorstandsteam recht herzlich für die gute Zusammenarbeit und die Gespräche in den letzten Wochen bedanken und für die Aufgaben alles Gute wünschen. Ich denke, ich spreche im Namen der gesamten Koalition, wenn ich sage, dass die Charité unsere volle Unterstützung hat.

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN]

Deshalb haben wir es uns als Koalition auch nicht leicht gemacht, quasi dreifach hingeschaut bei der Erarbeitung des neuen UniMed-Gesetzes. Uns Grünen war es wichtig, so viel Beteiligung der einzelnen Personengruppen in der Charité wie möglich, aber gleichzeitig auch nur so viel wie nötig zu verankern. Die Novelle des UniMedGesetzes haben wir heute nicht nur vor dem Hintergrund des sogenannten MHH-Urteils auf der Tagesordnung, denn an der Medizinischen Hochschule Hannover sahen die Karlsruher Richter die Wissenschaftsfreiheit nicht ausreichend gesichert und haben auf mehr Beteiligung des wissenschaftlichen Personals gedrungen. Das wollen wir natürlich auch für unsere Charité.

Eines müssen wir uns bei dieser Novelle klarmachen: Es geht um das Austarieren von unterschiedlichen Interessen, und ich sage ganz bewusst nicht „gegensätzlichen Interessen“, denn bei allen Anhörungen, bei allen Gesprächen, die wir geführt haben, ging es den Protagonistinnen und Protagonisten in erster Linie darum, in der Struktur der Charité auch wirklich abgebildet zu sein. Es ist also richtig und folgerichtig, dass zukünftig zwei vom Fakultätsrat benannte Hochschullehrerinnen und -lehrer dem Aufsichtsrat angehören werden, und das Gleiche gilt – Kollege Schulze hat es schon benannt – für das gemeinsam von den Hochschulleitungen von FU und HU benannte Mitglied. Auch uns Grüne hat es besonders gefreut, dass jetzt ein Mitglied der Studierendenvertretung eine beratende Stimme im Aufsichtsrat erhält. Diese Entwicklung ist aus zwei Gründen richtig: Die Stimme der Studierenden darf in der zukunftsorientierten Charité nicht fehlen, und zweitens: Nur Entscheidungen, die unter Beteiligung getroffen werden, sind auch von den Beteiligten getragene Entscheidungen.

Besonders wichtig war mir persönlich, dass endlich diejenigen, die mit ihrer Arbeit den Erfolg der Charité ausmachen, einen Sitz im Vorstand erhalten: das Personal und insbesondere das Pflegepersonal.

[Beifall von Anja Kofbinger (GRÜNE) und Dr. Ina Maria Czyborra (SPD)]

Selbst das Vetorecht des Vorstandsvorsitzenden bei Entscheidungen des Vorstands in der jetzigen Form ist mit unseren Vorstellungen von mehrheitlich getragenen Entscheidungen vereinbar. Die Charité muss handlungsfähig und flexibel bleiben. Sie muss sich im internationalen Wettbewerb behaupten. Die nun gefundene Lösung ist gelungen. Das Vetorecht wird demnach nur greifen, wenn die Entscheidungen grundsätzlich von der Unternehmenspolitik – auch wenn ich die Charité nicht als Unternehmen empfinde – abweichen.

Lassen Sie mich bei allem Lob für das Gesetz aber auch Kritik äußern! Der § 2a, der sich dem Deutschen Herzzentrum und dessen Entwicklung widmet, ist eigentlich nicht mit unseren Koalitionszielen vereinbar. Mit diesem Paragrafen entsteht die Möglichkeit, Kernaufgaben der Universitätsklinik einer juristischen Person des Privatrechts zu übertragen. Auch hier bin ich der Linkspartei dankbar, dass sie diesen Beratungspunkt heute als Priorität angemeldet hat. Sie alle erinnern sich an die schlechten Erfahrungen, die Berlin mit der CFM in Hinblick auf Personalpolitik machen musste. Dem rot-rot-grünen Senat ist es zu verdanken, dass die Facility-Dienste wieder in die Charité eingegliedert werden konnten.

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN und der SPD]

Die Übertragung von hoheitlichen Aufgaben auf juristische Personen des Privatrechts bedeutet, dass das Personal die Folgen trägt, wenn es nicht so läuft wie vorgesehen. Befristete Verträge, weniger Vergütung – unter guter Arbeit versteht diese Koalition etwas anderes. Natürlich weiß ich auch, dass die Voraussetzungen hier andere sind. Das Deutsche Herzzentrum ist eine Stiftung des bürgerlichen Rechts und als solche gebunden und hat begrenzte Spielräume. Entscheidend bleibt aber, dass die Ausgliederung von Kernbereichen und die Beleihung juristischer Personen des Privatrechts nur und ausschließlich unter der Prämisse passieren darf, dass Kompetenz und Richtlinienvorgabe bei der Charité bleiben. Dazu stimmt mich zuversichtlich: Das letzte Wort über eine Ausgliederung von Aufgaben der Charité hat das Parlament. Wir Grünen können daher zunächst mit § 2a mitgehen, denn mit dieser Zustimmungspflicht sind nicht nur wir als Parlament, sondern auch die Berlinerinnen und Berliner an den Geschicken der Charité maßgeblich beteiligt.

Trotzdem müssen wir das Gesetz möglichst bald noch einmal anfassen, spätestens, wenn wir das BIG, die dritte Säule der Charité, integrieren, denn Grundlage für exzellente Lehre ist exzellente Forschung. Lassen Sie mich bereits jetzt sagen, dass wir die Vorteile der Integration des BIGs auf keinen Fall auf Kosten der Rechte der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sichern werden. Die Koalition steht für gute Arbeit, gute Bezahlung und gute

Arbeitsbedingungen, dies ist auch nicht verhandelbar. – Danke!

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN]

Für die Fraktion der FDP hat jetzt das Wort der Abgeordnete Herr Förster. Bitte schön!

[Christian Buchholz (AfD): Jetzt ein bisschen Temperament!]

Vielen Dank, sehr geehrte Frau Präsidentin! – Liebe Kolleginnen und Kollegen! In der Tat, das neue CharitéGesetz oder Universitätsmedizingesetz ist kein großer Wurf, und es gibt doch eine ganze Reihe von Kritikpunkten, die der Kollege Grasse – bei dem ich mich für die Zusammenarbeit sehr herzlich bedanke – schon ausgeführt hat. Deswegen spare ich es mir, das noch einmal in allen Einzelheiten aufzuführen, schließe mich aber ausdrücklich an: Die Kritikpunkte teilen wir vollumfänglich.

[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei der CDU]