Protokoll der Sitzung vom 28.11.2019

Es muss nicht nur weitergebaut, sondern es muss mehr gebaut werden.

Aber wir fangen auch da nicht bei null an, um es klar zu sagen. Ich nehme mal aus den letzten Tagen die fünf, sechs großen Zeitungsmeldungen: Pepitahöfe 1 000 Wohnungen, Haselhorst 2 500 Wohnungen, Lichtenberg 1 000 Wohnungen, Lichterfelde 2 000 Wohnungen – das sind allein aus den letzten fünf Tagen 6 500 Wohnungen, die konkret in der Umsetzung sind. Und da erzählt uns einer, in Berlin wird nicht gebaut? – So ein Quatsch! Natürlich wird gebaut, und wir wissen auch alle, wie schwer es in einer immer dichter werdenden Millionenmetropole ist, die entsprechenden Flächen und Grundstück zu finden. Das ist kein Selbstläufer.

[Zuruf von Marc Vallendar (AfD)]

Aber dafür muss man etwas tun; das sagen wir auch – alle: wir im Senat, alle ressortübergreifend. Alle Verantwortlichen müssen zu unserem Thema machen, dass gebaut wird, und im Übrigen auch in den Bezirken. – Auch das ist verräterisch, lieber Herr Gräff: Sie haben Bezirke angesprochen. Aber Sie haben nur ausgewählte Bezirke angesprochen. Warum setzen Sie nicht innerparteilich durch, dass das Thema Bauen dort zur Chefsache wird, wo Sie Einfluss haben, in Reinickendorf oder in Steglitz-Zehlendorf?

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN]

Frau Spranger hat, wie es so ihre Art ist, ganz zurückhaltend formuliert.

[Lachen von Mario Czaja (CDU)]

Ich will es mal deutlicher machen, was das für Reinickendorf heißt: Reinickendorf, dieser riesige Bezirk mit freien Flächen, hat es geschafft, für den Neubau 2017 als fertiggestellte Wohnungen 184 Stück innerhalb eines Jahres zu melden.

[Oh! von der SPD]

2018 ein dramatischer Aufwärtstrend: 370 Wohnungen. – Wissen Sie, was da möglich ist? Die Beispiele von Herrn Gräff waren schon richtig: Treptow-Köpenick 2 500 Wohnungen, Marzahn 1 500 Wohnungen, Lichtenberg 2 500 Wohnungen. – Das ist möglich, wenn man es will. Offensichtlich wollen Sie es in Reinickendorf und in Steglitz-Zehlendorf nicht!

[Starker Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN]

Und ich sage – da wird der Applaus etwas schwächer werden: Beim Bauen müssen auch Denkblockaden aufhören. Verantwortlichkeiten müssen tatsächlich benannt werden, und jeder muss diese Verantwortung annehmen, der dafür gewählt ist. Aber Denkblockaden müssen auch aufhören. Ich war gestern ganz bewusst beim Spatenstich für das Hochhaus am Alex, und da muss mir keiner irgendwas erzählen, für wen diese Wohnungen sind: Wohnungen in einem Hochhaus sind nie für alle; das ist so. Allein schon die Auflagen in einem Hochhaus sind so, dass es nie wirklich eine Sozialwohnung ist. Aber es sind 377 Wohnungen, und die 377 Wohnungen helfen auch.

Es gibt Möglichkeiten in der City West und in der City Ost, wo man Flächen anders nutzen muss als sonst wo in der Stadt. Gerade wenn wir nicht wollen, dass die Stadt irgendwie aussieht, muss man sich an ausgewählten Punkten auch einmal etwas zutrauen.

[Beifall bei der SPD und der CDU – Vereinzelter Beifall bei der FDP]

Wir müssen uns in anderen Bereichen auch etwas zutrauen, und wir müssen, wie gesagt, aufhören mit Denkblockaden. Ich habe hier im Parlament vor acht Wochen oder so gesagt, ich akzeptiere nicht, dass Investoren in die Stadt kommen und sagen: Weil ich Wohnungen baue, muss mir die Politik alles möglich machen! – Quatsch! Sie muss überhaupt nicht alles möglich machen. Wir müssen uns mit denen hinsetzen und verhandeln, wie etwas möglich wird: Wie wird gestaltet? Welchen Sozialwohnungsanteil gibt es? – Und wir müssen auch über Flächen reden, wie wir sie nutzen – nicht zubauen. Aber für die Bürgerstadt Buch und für den Rand von Tempelhof darf es keine Denkblockade mehr geben; auch darüber müssen wir inzwischen reden.

[Beifall bei der SPD, der CDU und der FDP]

Ich ganz bewusst: Wir müssen jetzt darüber reden, weil es nicht um eine mögliche Bebauung 2019, 2020 oder 2021 geht, sondern um eine Bebauung 2025ff. Die Wohnungen, die heute gebaut werden, sind die 2013, 2014, 2015 beschlossen wurden. Das heißt, wir müssen heute

(Regierender Bürgermeister Michael Müller)

weitermachen, damit nicht wir hier, sondern damit die nächsten Berlinerinnen und Berliner, die in den nächsten Jahren hierher ziehen werden, Wohnraum finden. Es ist die Verpflichtung der Politik, vorausschauende Politik zu machen, vorausschauende Planung zu machen und die Chancen, die man hat, mit Augenmaß zu nutzen und nicht zuzubetonieren. – Das ist die Aufgabe, vor der wir stehen.

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN]

Der zweite Punkt bei Bauen, Kaufen, Deckeln ist Kaufen: Ja, es wird weitergehen mit Kaufen. Wir haben gerade 6 000 Wohnungen für die GEWOBAG gekauft – oder die GEWOBAG hat die 6 000 Wohnungen für das Land gekauft; so ist die Formulierung eigentlich richtig. Ich habe den Vorschlag Anfang 2019 in meiner Jahrespressekonferenz gemacht und gesagt: Ich kaufe alles, was nicht niet- und nagelfest ist! – Das geht weiter, Sie werden es in den nächsten Wochen erleben. Es wird weitere Zukäufe geben, und das ist richtig neben dem Bauen. Denn es geht nicht nur darum, dass wir mehr Wohnungen haben, sondern es geht auch darum, dass wir über kommunalen Wohnungsbestand Einflussmöglichkeiten auf Quartiersentwicklung haben, dass wir entscheiden können, wie wir mit Sozialräumen umgehen, wie wir mit Infrastrukturmaßnahmen umgehen. Dazu hilft uns auch der kommunale Wohnungsbestand.

Ich will an dieser Stelle ganz klar sagen: Ja, ich möchte kaufen, ich möchte kommunalisieren! – Aber in einem geordneten Verfahren, und zwar in einem geordneten Verfahren, das wir im Senat beschlossen und das vom Hauptausschuss dieses Parlaments begleitet und abgesichert wird. Wenn irgendjemand in Berlin meint, er müsste sich profilieren und den Mini-Robin-Hood spielen und auf Kosten der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler allen alles versprechen und Millionenrisiken eingehen, dann muss er es auch ausbaden.

[Beifall bei der SPD, der CDU und der FDP – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN und der AfD]

Für die Kommunalisierung von Wohnungsbeständen gibt es geordnete Verfahren und das nicht auf Kosten der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler.

Nun der dritte Punkt, das Deckeln der Mieten: Der Mietendeckel hat ganz bewusst zwei Komponenten. Wir wissen, dass es ein schwieriges Thema ist und juristisch umstritten ist. Machen wir uns doch nichts vor! Wir haben ja nicht ohne Grund auch monatelang in der Koalition darüber verhandelt, wie wir damit umgehen. Ja, es ist richtig, nicht zuzugucken – das wäre der schlimmste Weg –, sondern zu handeln und zu überlegen, mit welchen Instrumenten wir konkret den Mieterinnen und Mietern helfen können. Mir liegt tatsächlich ganz besonders der Mietendeckel am Herzen, das Einfrieren und Stoppen der Mieten, um den Berliner Mieterinnen und Mietern eben auch diese Atempause verschaffen zu kön

nen, und ich glaube, wir haben für dieses reine Einfrieren der Mieten auch sehr gute juristische Argumente und gute juristische Chancen. Das Absenken ist umstrittener. Das stimmt, und wir werden sehen, wie die Gerichte damit umgehen.

Ich sage an der Stelle auch – auch wenn es sich jetzt schnoddrig anhört, ich meine es nicht so –: Na und? – Ja, wir werden sehen, was die juristische Auseinandersetzung bringt, und wir hatten sie immer. Wir hatten sie beim Milieuschutz, wir hatten sie bei der Zweckentfremdung, wir hatten sie bei der Mietpreisbremse, und ganz oft haben die Gerichte bei diesen Instrumenten nicht nur in Berlin gesagt: Liebe Politik, so geht es nicht! – Aber es geht vielleicht anders.

[Christian Gräff (CDU): Aber beim Grundgesetz? – Karsten Woldeit (AfD): Von vornherein richtige Gesetze machen!]

Das ist der Punkt, um den es hier eigentlich geht. Knickt die Politik schon im vorauseilenden Gehorsam ein und sagt: Weil es fünf kritische juristische Stellungnahmen gibt, trauen wir uns nicht zu, wirklich regulierend in den Markt einzugreifen und den Mieterinnen und Mietern zu helfen? – Oder sagen wir: Ja, wir haben nach bestem Wissen und Gewissen hier ein Gesetz formuliert, bei dem wir davon ausgehen, dass es auch juristisch Bestand haben kann, es ist umstritten, und wir ertragen es, eventuell auch korrigiert zu werden, um dann einen noch besseren oder anderen Weg zu haben? – Ich glaube, es ist gut, dass wir diesen Weg gehen und dass wir sagen: Auch wenn es Risiken bringt, wir gehen ganz bewusst Risiken ein, weil nur zugucken schlimmer ist, als wenn man mal vor Gericht korrigiert wird und einen anderen Weg geht. – An dieser Stelle sind wir deswegen diesen Weg mit dem Mietendeckel gegangen.

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN]

Um es abschließend zu sagen: Ich will weiterhin Gespräche auch mit Privaten führen, und ich werde sie auch in den nächsten Jahren führen. Auch da gab es – ich weiß nicht mehr, von wem von Ihnen – die Unterstellung, wir wollten ja praktisch schon mit dem Mietendeckel die Enteignung einleiten und kein privates Engagement. – Quatsch!

[Sebastian Czaja (FDP): Machen Sie doch aber!]

Ohne Private geht es gar nicht. Wir müssen zwischen 18 000 und 20 000 Wohnungen pro Jahr bauen, und wir schaffen mit unseren kommunalen Gesellschaften rund ein Drittel davon. Das heißt, wir brauchen privates Engagement.

[Paul Fresdorf (FDP): Das schützen Sie aber nicht!]

Das ist richtig und wichtig, und ich will mit Privaten darüber reden und verhandeln, wie sie in dieser Stadt auch weiter aktiv sein können – auch mit den Handwerkerinnen und Handwerkern.

(Regierender Bürgermeister Michael Müller)

[Sebastian Czaja (FDP): Will Frau Lompscher das auch?]

Aber ich muss auch da mal sagen: Die Baukonjunktur in Berlin hängt nicht allein am Wohnungsbau. Wir haben 5,5 Milliarden Euro für den Schulbau, wir haben 2 Milliarden Euro für die Hochschulen, wir haben 2 Milliarden Euro für die öffentliche Verwaltung.

[Ronald Gläser (AfD): BER nicht vergessen!]

Als ich in das Amt gekommen bin, war der Investitionshaushalt des Landes bei 1,4 Milliarden Euro, jetzt sind wir bei 6 Milliarden Euro, und da erzählt mir ein Handwerker, dass er, weil er das Klo bei der Ideal-Genossenschaft nicht mehr machen kann, es auch nicht in einer Schule machen kann. Das ist doch Unsinn. Die hohen Investitionshaushalte werden weiter gefahren und werden die Baukonjunktur in unserer Stadt beleben.

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN]

Und das ist von Rot-Rot-Grün gewollt, dass es diese Arbeitsplatzsicherheit und den Arbeitsplatzaufwuchs auch über die Investitionen und über das Handwerk gibt.

Ich will diese Dialoge weiter führen, auch wenn sie kritisch sind. Auch um das noch mal abschließend zu sagen: Das ist alles keine Spaßveranstaltung, mit den Genossenschaften mehrmals am Tisch zu sitzen, die eigentlich natürliche Bündnispartner für uns sind, und zu erleben, wie wütend die sind.

[Burkard Dregger (CDU): Tja, hören Sie da mal zu! – Sebastian Czaja (FDP): Dafür haben Sie doch gesorgt!]

Ja, aber dann muss man dieses Gespräch führen, und ich führe es. Wir haben Regelungen aufgenommen, um auf die Genossenschaften zuzugehen, und ich sage hier auch klar: Ich werde auch weiterhin mit dem BBU diskutieren, auch wenn die uns kritisieren. Mit mir gibt es keine Zerschlagung des BBU und auch keinen Austritt der Wohnungsbaugesellschaften aus dem BBU.

[Beifall bei der SPD, der CDU, der FDP – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN]

Diese Koalition hat gesagt: Beteiligungsrechte und Partizipation an erster Stelle. – Dann gilt das auch für unsere Kritiker, und wir gehen auch mit denen in den Dialog. Nein, ich will diese Gespräche weiter führen, ich will privates Engagement, und ich will sogar schon über die nächsten Instrumente mit Ihnen diskutieren und habe das angesprochen in Bezug auf die Privatisierungsbremse, die ja auch schon von einigen von Ihnen mal vorgetragen wurde.

Lassen Sie es uns doch verabreden! Es gibt bei den Berlinerinnen und Berlinern eine Sorge. 70 Prozent sagen, dass sie den Mietendeckel gut finden. Viele, die eher der CDU nahestehen, finden es gut – finden Eingriff und

Regulierung gut. Aber es gibt die Sorge, dass wir bei all den Regulierungen oder Rückkäufen, die wir jetzt machen, möglicherweise mal wieder etwas verkaufen, wenn es Berlin schlechter geht. Lassen Sie es uns doch gemeinsam absichern – mit hohen Hürden!

[Beifall bei der SPD und der LINKEN]

Privatisieren nur noch mit einer Zweidrittelmehrheit im Parlament! Dann sind immer Regierung und Opposition mit dabei und müssen sich auseinandersetzen. Oder es über ein Volksbegehren absichern – auch kein Problem! Lassen Sie uns auch über solche Instrumente jetzt miteinander diskutieren. Angstmachen oder Drohen helfen niemandem, sondern nur konstruktive Vorschläge, wie wir in der Mieten- und Wohnungspolitik vorankommen.